T 2770/19 () of 15.3.2023

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2023:T277019.20230315
Datum der Entscheidung: 15 März 2023
Aktenzeichen: T 2770/19
Anmeldenummer: 16158711.8
IPC-Klasse: E03F 5/04
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: DICHTMITTEL FÜR DIE ABDICHTUNG EINER ABLAUFVORRICHTUNG
Name des Anmelders: Dallmer GmbH & Co. KG
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention R 137(5)
European Patent Convention Art 123(1)
Rules of procedure of the Boards of Appeal 2020 Art 011
European Patent Convention Art 111(1)
Schlagwörter: Änderungen der Anmeldung
Änderungen - zulässig unter Regel 137(5) EPÜ (ja)
Änderungen - geänderte Ansprüche mit Bezug auf nicht recherchierte Gegenstände (nein)
Beschwerdeentscheidung - Zurückverweisung an die erste Instanz (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0708/00
T 0377/01
T 0789/07
T 2334/11
T 1473/13
T 1866/15
T 2021/15
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Europäische Patentanmeldung mit der Nummer EP 16 158 711.8 betrifft eine Ablaufvorrichtung für den zumindest teilweisen Einbau in den Boden eines Raumes.

II. Die Prüfungsabteilung hat entschieden, die Anmeldung unter Regel 137 (5) EPÜ zurückzuweisen. Gegen diese Entscheidung wendet sich die Anmelderin (im folgenden "Beschwerdeführerin") mit der Beschwerde.

III. Die Beschwerdeführerin beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent auf Basis des Hauptantrags, hilfsweise auf Basis eines der Hilfsanträge 1 bis 9 eingereicht mit Schreiben vom 3. Juli 2018 zu erteilen, weiter hilfsweise den Fall zur weiteren Überprüfung an die Prüfungsabteilung zurückzuverweisen.

IV. Mit der Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2020 teilte die Kammer ihre vorläufige Auffassung mit, gemäß der die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Anmeldung zur weiteren Prüfung der erfinderischen Tätigkeit an die Prüfungsabteilung zurückzuverweisen sei.

V. Mit Schreiben vom 5. August 2022 nahm die Beschwerdeführerin ihren Antrag auf mündliche Verhandlung zurück.

VI. Antragsfassung, soweit für diese Entscheidung relevant

a) Der unabhängige Anspruch 1 des Hauptantrags lautet (Merkmalsglied hinzugefügt in "[]")

"[1.1] Ablaufvorrichtung für den zumindest teilweisen Einbau in den Boden eines Raumes,

[1.2] umfassend einen Ablaufkörper (2) mit einer Öffnung (9), durch die Wasser abfließen kann,

[1.3] Dichtmittel (1), die eine flexible Dichtfolie (3) mit einer Öffnung (4) aufweisen, durch die Abwasser hindurchtreten kann,

[1.4] wobei die Dichtmittel (1) weiterhin einen Verbindungsabschnitt aufweisen, der mit der Dichtfolie (3) verbunden und mit einem Teil der Ablaufvorrichtung verbindbar ist,

[1.5] wobei die Dichtmittel (1) zumindest teilweise oberhalb des Ablaufkörpers (2) angeordnet sind, so dass durch die Öffnung (4) der Dichtfolie (3) hindurchgetretenes Wasser in die Öffnung (9) des Ablaufkörpers (2) eintreten kann,

[1.6] wobei der Ablaufkörper (2) auf seiner Oberseite eine Nut (8) aufweist, in die der Verbindungsabschnitt der Dichtmittel (1) zumindest abschnittsweise einbringbar ist,

[1.7] und wobei die Nut (8) die Öffnung (9) des Ablaufkörpers (2) umgibt und mindestens teilweise beabstandet zu der Öffnung (9) des Ablaufkörpers (2) ist,

dadurch gekennzeichnet, dass

[1.8] die Nut (8) so mindestens teilweise beabstandet zu der Öffnung (9) des Ablaufkörpers (2) ist,

[1.9] dass zwischen der Öffnung (9) des Ablaufkörpers (2) und der Nut (8) ein Zwischenraum (10) ist,

[1.10] der zur Verschiebung eines auf den Ablaufkörper (2) aufgesetzten Teils von Wassersammelmitteln dienen kann."

b) Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 entspricht dem des Hauptantrags, nur dass an Stelle von Merkmal [1.10] das folgende Merkmal [1.11] aufgenommen wurde:

"[1.11] in dem ein Geruchsverschlusseinsatz (11) angeordnet ist"

c) Der Anspruch 1 der weiteren Hilfsanträge umfasst jeweils die Merkmale [1.1] bis [1.9] und das Merkmal [1.10] und/oder das Merkmal [1.11] sowie weitere einschränkende Merkmale.

Folgende Anspruchssätze umfassen zumindest Merkmal [1.10]:

- Hauptantrag

- Hilfsantrag 2

- Hilfsantrag 4

- Hilfsantrag 5

- Hilfsantrag 7

- Hilfsantrag 9

Die folgenden Anspruchssätze umfassen nicht das Merkmal [1.10], jedoch das Merkmal [1.11]:

- Hilfsantrag 1

- Hilfsantrag 3

- Hilfsantrag 6

- Hilfsantrag 8

VII. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin lässt sich, soweit es für diese Entscheidung relevant ist, wie folgt zusammenfassen:

a) Hauptantrag - Regel 137 (5) EPÜ

Der Hauptantrag erfülle die Erfordernisse der Regel 137 (5) EPÜ und sei als recherchiert anzusehen und unterliege auch der gleichen einzigen erfinderischen Idee wie die ursprüngliche Anmeldung. Aus dem Recherchenbericht gehe hervor, dass alle ursprünglichen Ansprüche 1 bis 10 nicht erfinderisch seien. Insbesondere die im ursprünglichen Anspruch 1 verfolgten Dichtmittel seien nicht neu gewesen. Aus der Beschreibung gehe jedoch gerade die Anpassbarkeit an lokale Erfordernisse als allgemeine erfinderische Idee hervor, die auch die Merkmale im ursprünglichen Anspruch 8 betreffe, auf denen der neue Hauptantrag gründe. Auch Merkmal [1.11] lasse sich dieser Idee unterordnen. Zudem hätten die weiteren Einschränkungen dieser erfinderischen Idee recherchiert werden müssen, da sie eine bloße Einschränkung bzw. Konkretisierung der allgemeinen erfinderischen Idee beträfen und zudem alle Ansprüche als nicht patentierbar angesehen wurden, wie dies auch in dem vergleichbaren Fall T 2334/11 geschlussfolgert wurde.

b) Hilfsantrag 1 - Regel 137 (5) EPÜ

Auch der Hilfsantrag 1 erfülle die Kriterien von Regel 137 (5) EPÜ, da auch das Merkmal [1.11] des Geruchsverschlusses in Verbindung mit dem Zwischenraum auf die allgemeine erfinderische Idee der ursprünglichen Anmeldung gerichtet sei, nämlich die Anpassbarkeit an lokale Erfordernisse. Diese hier umfasste Lösung sei lediglich eine Alternative zu der des Hauptantrags.

c) Hilfsanträge 2 bis 9 - Regel 137 (5) EPÜ

Für die Hilfsanträge 2 bis 9 seien die Überlegungen bezüglich Hauptantrag und Hilfsantrag 1 in gleicher Weise gültig, da diese jeweils zumindest eines der Merkmale [1.10] oder [1.11] enthielten. Auch diese Anträge erfüllten daher die Erfordernisse von Regel 137 (5) EPÜ.

Entscheidungsgründe

1. Hauptantrag - Regel 137 (5) Satz 1 EPÜ

Die Prüfungsabteilung hat entschieden, dass der Hauptantrag nicht gewährbar sei, da er nicht die Erfordernisse von Regel 137 (5) EPÜ erfülle.

Dieser Auffassung folgt die Kammer nicht.

1.1 Im vorliegenden Fall wurden der Gegenstand sämtlicher ursprünglich eingereichten Ansprüche 1 bis 10 vollständig recherchiert. Der somit zu betrachtende Satz 1 der Regel 137 (5) EPÜ lautet:

"Geänderte Patentansprüche dürfen sich nicht auf nicht recherchierte Gegenstände beziehen, die mit der ursprünglich beanspruchten Erfindung oder Gruppe von Erfindungen nicht durch eine einzige allgemeine erfinderische Idee verbunden sind".

In der angefochtenen Entscheidung kommt die Prüfungsabteilung zu dem Schluss, der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags beziehe sich infolge der zugefügten Änderung auf einen nicht recherchierten Gegenstand sei auch nicht mit der ursprünglich beanspruchten Erfindung durch eine einzige erfinderische Idee verbunden, wodurch er nicht den Erfordernissen der Regel 137 (5) EPÜ genüge.

1.2 Änderung der Patentansprüche gegenüber dem ursprünglich beanspruchten Gegenstand

1.2.1 Die dem Recherchenbericht zugrunde liegenden ursprünglich eingereichten Ansprüche 1 bis 10 sind auf eine Dichtung (Ansprüche 1 bis 5) sowie eine diese Dichtung umfassende Ablaufvorrichtung (Ansprüche 6 bis 9) bzw. eine Dichtung und Ablaufvorrichtung umfassende Ablaufeinrichtung (Anspruch 10) gerichtet. Die Ansprüche 2 bis 10 sind jeweils auf Anspruch 1 rückbezogen und umfassen somit deren sämtliche Merkmale. Zudem betreffen sie alle eine Vorrichtung. Sie sind somit trotz teilweise anderslautender Bezeichnung des Oberbegriffs und entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin als abhängige Ansprüche im Sinne von Regel 43 (4) EPÜ zu betrachten.

1.2.2 Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags gründet auf dem Gegenstand des ursprünglich eingereichten Anspruchs 8 (Merkmale [1.1] bis [1.9]), welcher mittels Rückbezug auch die Merkmale der ursprünglich eingereichten Ansprüche 1, 6 und 7 umfasste. Keines der Merkmale von Anspruch 8 wie ursprünglich eingereicht wurde im Anspruch 1 des Hauptantrags weggelassen oder ersetzt.

1.2.3 Zusätzlich zu den im ursprünglichen Merkmalen des Anspruchs 8 umfasst Anspruch 1 des Hauptantrags ein einziges weiteres funktionelles Merkmal [1.10], welches spezifiziert, dass der in Merkmal [1.9] definierte "Zwischenraum" zur Verschiebung eines auf den Ablaufkörper aufgesetzten Teils von Wassersammelmitteln dienen kann. Dieses Merkmal hat keine Basis in den ursprünglich eingereichten Ansprüchen, sondern lediglich eine Basis in der ursprünglich eingereichten Beschreibung; vgl. Absätze [0006] und [0012] der A-Publikation.

1.2.4 Die Wassersammelmittel sind, im Gegensatz zur Schlussfolgerung in der angefochtenen Entscheidung, auch nicht gegenständlicher Teil der beanspruchten Vorrichtung. Sie dienen lediglich zur funktionellen Charakterisierung in Merkmal [1.10] definierten Eignungsbezeichnung des in Merkmal [1.9] definierten technischen Merkmals "Zwischenraum". Diese Funktion ist jedoch bereits dem Merkmal [1.9] implizit, da sich zu jedem Zwischenraum endlicher Dimension und beliebiger Form stets ein (nicht näher definiertes) Wassersammelmittel bereitstellen lässt, das die in Merkmal [1.10] definierte Eignung erfüllt.

1.3 Überprüfung der Erfordernisse von Regel 137 (5) Satz 1 EPÜ

Regel 137 (5) Satz 1 EPÜ nennt zwei Bedingungen für die Feststellung mangelnder Gewährbarkeit. Der geänderte Gegenstand ist gemäß der ersten Bedingung nicht recherchiert und gemäß der zweiten Bedingung mit der ursprünglich beanspruchten Erfindung oder Gruppe von Erfindungen nicht durch eine gemeinsames erfinderisches Idee verbunden oder, in anderen Worten, ist nicht einheitlich hiermit.

Die Kammer widmet sich zunächst der Überprüfung der zweiten Bedingung.

1.3.1 Die Prüfungsabteilung führte in der schriftlichen Mitteilung zum Recherchenbericht aus, dass der unabhängige Anspruch 1 neuheitsschädlich getroffen sei und dass die abhängigen Ansprüche "einfache bauliche Ausgestaltungen des beanspruchten Gegenstandes" beträfen, die die Fachperson aufgrund von Fachwissen "nach eigenem Gutdünken" vorsehe, soweit sie nicht ohnehin im Stand der Technik bekannt seien. Somit weist keiner der ursprünglich eingereichten Ansprüche 1 bis 10 ein besonderes technisches Merkmal (vgl. Regel 44 (1) EPÜ) auf. Es wurde zudem weder ein teilweiser Recherchenbericht im Sinne von Regel 64 (1) EPÜ erstellt, noch wurde überhaupt ein Einwand mangelnder Einheitlichkeit erhoben.

1.3.2 Gemäß ständiger Rechtsprechung (vgl. Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 10. Auflage 2022, IV.B.5.4.1) ist bei der Änderung eines ursprünglichen Anspruchs durch das Hinzufügen eines Merkmals aus der Beschreibung bei Anwendung der Regel 137 (5) Satz 1 EPÜ grundsätzlich zu untersuchen, ob sich das hinzugefügte Merkmal der allgemeinen erfinderischen Idee, so wie diese aus dem ursprünglich eingereichten Hauptanspruch oder auch dessen abhängigen Ansprüchen (vgl. T 1866/15, Gründe 3.9 und T 2021/15, Gründe 3) und der Beschreibung hervorgeht, unterordnen lässt. Die durchzuführende Betrachtung entspricht also der Frage, ob hierfür eine weitere Recherchengebühr fällig geworden wäre, wenn die geänderten Ansprüche ebenfalls ursprünglich eingereicht worden wären (vgl. T 708/00, Leitsatz 1 und T 1473/13, Gründe 2.1). Dabei führt eine Änderung in Form einer bloßen Konkretisierung eines ursprünglich beanspruchten Anspruchsgegenstandes in der Regel nicht zu einer Uneinheitlichkeit mit dem ursprünglichen beanspruchten Anspruchsgegenstand (vgl. T 377/01, Gründe 3.1, letzter Absatz).

1.3.3 Das Merkmal [1.10] ist eine funktionelle Spezifizierung des im ursprünglich eingereichten Anspruch 8 definierten "Zwischenraums" (Merkmal [1.9]), also eine bloße einschränkende Konkretisierung dieses Merkmals.

Die Prüfungsabteilung kommt bezüglich des "Zwischenraums" in Merkmal [1.9] zwar zu dem Schluss, dieser sei auf eine andere Aufgabe gerichtet als Merkmal [1.10]. Diese Aufgabe liege in der Erzielung einer stabilen Nut.

Dies überzeugt jedoch nicht. Zum einen wird eine solche Aufgabe in der Anmeldung nicht erwähnt. Zum anderen ist die stabile Ausführung der Nut eine Mindestanforderung aus Sicht der Fachperson, die inhärent zu erfüllen ist. Somit erwächst hieraus auch keine eigenständige Aufgabe.

1.3.4 Die der Erfindung zugrunde liegende Idee wird in den Absätzen [0004] und [0006] beschrieben.

Gemäß Absatz [0004] liegen der ursprünglich eingereichten Anmeldung die Teilaufgaben zugrunde, Dichtmittel, eine Ablaufvorrichtung und eine Ablaufeinrichtung zu schaffen, "die flexibler an unterschiedliche lokale Erfordernisse angepasst werden können und/oder die zuverlässiger abdichten können".

In Absatz [0006] der A-Publikation wird das Merkmal [1.9] "Zwischenraum" explizit der allgemeinen erfinderischen Idee der Anpassung der Ablaufvorrichtung an lokale Gegebenheiten (bei der Montage) zugeordnet. In dem Zusammenhang werden zwei diesbezügliche Lösungsansätze offenbart, die jeweils auf der Vorsehung dieses Zwischenraums gründen:

a) die Verschiebbarkeit von auf das Ablaufgehäuse aufgesetzten Wassersammelmittel im Zwischenraum,

b) die Einpassung eines Geruchsverschlusses mittels eines in verschiedenen Positionen im Zwischenraum anzuordnenden Wechselrahmens.

Auch die Ausführungsformen der Figuren 1 bis 18 sowie insbesondere der Figuren 23 und 24 stützen dieses Verständnis. Sie zeigen jeweils zusätzlich zu Dichtung und Ablaufvorrichtung einen Zwischenraum 10, der als "seitlicher Ausgleich" in der Ablaufvorrichtung dienen kann. In den Figuren 1 bis 18 sind bezüglich des Ablaufkörpers verschiebbare/ justierbare Wassersammelmittel und Geruchsverschlusseinsätze dargestellt, die hiermit zusammenwirken. Beide Lösungsansätze sind demzufolge jeweils eine Weiterführung der gleichen erfinderischen Idee, die auch schon Anspruch 8 zugrunde lag und die mit der ursprünglichen Erfindungsidee übereinstimmt.

1.3.5 Die Tatsache, dass die ursprünglichen Ansprüche 6 bis 9 keine Wassersammelmittel "und damit auch keinen Hinweis auf deren Verschiebbarkeit" aufweisen, ist ohne Belang. Unabhängig davon, ob die Wassersammelmittel Teil eines technischen oder lediglich funktionellen Merkmals sind (vgl. Punkt 1.2.3 oben), führen diese den Anspruchsgegenstand des ursprünglichen Anspruchs 8 bezüglich des Zwischenraums also im Sinne der allgemeinen erfinderischen Idee fort.

Somit ist auch unbeachtlich, dass für den ursprünglich eingereichten, breiteren Anspruch 1 eine andere Teilaufgabe (Absatz [0004]: "zuverlässiges Abdichten") formulierbar ist (vgl. T 2334/11, Gründe 2.2.2).

1.3.6 Zusammenfassend folgt aus den obigen Ausführungen, dass sich die nun beanspruchte besondere Ausführungsform definierend ein Zusammenwirken des "Zwischenraums" mit Wassersammelmitteln gemäß dem Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags der ursprünglichen allgemeinen erfinderischen Idee unterordnen lässt.

Damit ist die zweite Bedingung von Regel 137 (5) Satz 1 EPÜ - mangelnde Einheitlichkeit mit der ursprünglichen Erfindungsidee - nicht erfüllt. Die Überprüfung der ersten Bedingung - nicht recherchierter Gegenstand - kann somit dahin gestellt bleiben.

Ist die zweite Bedingung nicht erfüllt, ist es für die Frage der Gewährbarkeit des geänderten Patentanspruchs unter Regel 137 (5) Satz 1 EPÜ somit unerheblich, ob der Gegenstand tatsächlich von der Recherchen- oder Prüfungsabteilung recherchiert wurde oder ob ggf. eine zusätzliche Recherche erforderlich ist.

Der Hauptantrag kann somit nicht als nicht gewährbar unter Regel 137 (5) Satz 1 EPÜ angesehen werden.

2. Hilfsantrag 1

Auch bezüglich der mit Hilfsantrag 1 geänderten Patentansprüche kommt die Kammer, im Gegensatz zur Schlussfolgerung in der angefochtenen Entscheidung, zu dem Schluss, dass diesen unter Regel 137 (5) Satz 1 EPÜ die Gewährbarkeit nicht abgesprochen werden kann.

2.1 In Anspruch 1 von Hilfsantrag 1 ist, verglichen mit dem Hauptantrag, das Merkmal [1.10] durch das Merkmal [1.11] ("Geruchsverschlusseinsatz, angeordnet im Zwischenraum") ersetzt worden. Das Merkmal [1.11] ist ebenfalls lediglich in der Beschreibung offenbart (vgl. Absätze [0006] und [0013] der A-Publikation) und zwar ausschließlich in Kombination mit einem - hier möglicherweise gemäß Artikel 123 (2) EPÜ unzulässig weggelassenen - Wechselrahmen.

2.2 Die Beschwerdeführerin hat argumentiert, die im Hilfsantrag 1 umfasste Lösung sei lediglich eine Alternative zu der des Hauptantrags.

Dieses Argument ist für die Beurteilung der Gewährbarkeit der Ansprüche unter Regel 137 (5) Satz 1 EPÜ aber unbeachtlich. Regel 137 (5) Satz 1 EPÜ erfordert jeweils den Vergleich der allgemeinen erfinderischen Idee der Ansprüche des zu prüfenden Antrags mit der ursprünglich beanspruchten Idee - und nicht mit der allgemeinen erfinderischen Idee des Anspruchssatzes eines übergeordneten Antrags (hier: Hauptantrag). Die Gewährbarkeit der Ansprüche unter Regel 137 (5) Satz 1 EPÜ ist also für jeden vorliegenden Antrag einzeln und unabhängig vom Gegenstand der anderen Anträge zu überprüfen, wie dies auch in der angefochtenen Entscheidung erfolgt ist.

Dies gilt unbeschadet der Befugnis der Prüfungsabteilung unter Regel 137 (3) EPÜ, weitere Änderungen (nach der ersten Änderung der Anmeldung, siehe Artikel 123 (1) Satz 2 EPÜ) in Ausübung ihres Ermessens nicht zuzulassen. Im vorliegenden Fall hat die Prüfungsabteilung jedoch keinen entsprechenden Einwand bezüglich der Zulassung von Hilfsantrag 1 erhoben, sondern sich mittels Regel 137 (5) EPÜ der Beurteilung der Gewährbarkeit des Anspruchs 1 gewidmet.

2.3 Wie bereits auch für den Hauptantrag festgestellt, liegt die erfinderische Idee bezüglich des Gegenstandes von Anspruch 8 wie ursprünglich eingereicht nicht lediglich in der Realisierung eines wasserdichten Anschlusses, sondern in der Anpassbarkeit des Anschlusses an lokale Gegebenheiten (vgl. Absatz [0006] der A-Publikation). Es ist unabhängig vom Gegenstand des Hauptantrags nun - wie auch bereits für den Hauptantrag - zu überprüfen, ob die Änderung des Hilfsantrags zu einem Gegenstand führt, der auf dieser gleichen allgemeinen erfinderischen Idee beruht.

2.4 In der angefochtenen Entscheidung argumentiert die Prüfungsabteilung, Merkmal [1.11] verfolge eine andere technische Aufgabe, nämlich der Verhinderung des Austretens von Faulgasen und sei demzufolge nicht mit der ursprünglich beanspruchten Erfindung durch eine einzige allgemeine erfinderische Idee verbunden. Auch sei das Merkmal nicht recherchiert.

Diese Begründung überzeugt jedoch nicht. Merkmal [1.11] spezifiziert die Anordnung des Geruchsverschlusses, dessen Vorsehung zur Geruchsminderung allgemeines Fachwissen ist, in einem spezifischen Kontext mit den anderen Merkmalen, nämlich im "Zwischenraum". Bezüglich dieses Kontextes ist in der Anmeldung in Absatz [0006] die Aufgabe ausgeführt, dass der Geruchsverschlusseinsatz (mittels eines Wechselrahmens) in dem Zwischenraum in unterschiedlichen Positionen angeordnet werden kann. Daher ist auch Merkmal [1.11] eine Weiterführung der gleichen allgemeinen erfinderischen Idee, auf der bereits das Merkmal "Zwischenraum" des Anspruchs 8 wie ursprünglich eingereicht beruht, nämlich der Anpassbarkeit an lokale Gegebenheiten. Dies wird auch aus den Ausführungsformen der Figuren deutlich, in denen mittels des in den Zwischenraum eingesetzten Wechselrahmens der Geruchsverschluss jeweils unterschiedlich relativ zum Ablaufkörper positioniert werden kann.

2.5 Für den Hilfsantrag 1 gelten somit die Überlegungen zum Hauptantrag entsprechend. Auch durch das Hinzufügen des Merkmals [1.11] ist der Gegenstand von Anspruch 1 immer noch mit der ursprünglichen allgemeinen erfinderischen Idee verbunden, auch wenn es sich hierbei im Vergleich zum Hauptantrag um einen alternativen Lösungsansatz handelt. Somit ist auch bezüglich des Gegenstandes der geänderten Patentansprüche des Hilfsantrags 1 zumindest die zweite Bedingung von Regel 137 (5) Satz 1 - mangelnde Einheitlichkeit mit der ursprünglichen Erfindungsidee - nicht erfüllt.

3. Hilfsanträge 2 bis 9

Die weiteren Hilfsanträge 2 bis 9 umfassen jeweils die Merkmale [1.10] und/oder [1.11] in verschiedenen Permutation mit den weiteren Merkmalen:

- Wechselrahmen für den Geruchsverschlusseinsatz

- Wassersammelmittel als technischem Merkmal

Dabei ist der Geruchsverschlusseinsatz ohnehin ursprünglich lediglich mit einem Wechselrahmen offenbart. Die Aufnahme der Wassersammelmittel als technisches Merkmal dient lediglich der Klarstellung des funktionellen Merkmals [1.10].

Somit beziehen sich alle weiteren Hilfsanträge 2 bis 9 ebenfalls auf die gleiche allgemeine erfinderische Idee wie der Hauptantrag bzw. der Hilfsantrag 1.

Demzufolge steht Regel 137 (5) Satz 1 EPÜ auch der Gewährbarkeit der weiteren Hilfsanträge nicht entgegen.

4. Zurückverweisung an die Prüfungsabteilung

4.1 Der Zweck des Beschwerdeverfahrens liegt vorrangig in der gerichtlichen Überprüfung der Entscheidung (vgl. Artikel 12 (2) VOBK 2020).

4.2 Die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Anträge wurden von der Prüfungsabteilung unter Anwendung von Regel 137 (5) EPÜ zurückgewiesen und somit noch nicht bezüglich der materiellen Erfordernisse an die Patentierbarkeit überprüft. Zudem ist, da gemäß der angefochtenen Entscheidung die Merkmale [1.10] und [1.11] gemäß der angefochtenen Entscheidung in der durchgeführten Recherche nicht berücksichtigt wurden, auch ggf. eine zusätzliche Recherche erforderlich (vgl. Richtlinien für die Sachprüfung, 2023, C.IV.7.3 sowie T 789/07, Gründe 12).

4.3 Da somit alle relevanten Fragen der Patentierbarkeit noch offen sind, liegen im vorliegenden Fall besondere Gründe im Sinne von Artikel 11 VOBK 2020 vor. Die Kammer legt ihr Ermessen aus Artikel 111 (1) Satz 2 EPÜ dahingehend aus, dass eine Zurückverweisung an die Prüfungsabteilung angebracht ist.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die Prüfungsabteilung zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen.

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