T 0038/01 (Wiedereinsetzung in den vorigen Stand/BSH) of 18.9.2002

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2002:T003801.20020918
Datum der Entscheidung: 18 September 2002
Aktenzeichen: T 0038/01
Anmeldenummer: 95109036.4
IPC-Klasse: F16B 21/16
F16B 5/06
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Befestigungselement
Name des Anmelders: BSH Bosch und Siemens Hausgeräte GmbH
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 108
European Patent Convention 1973 Art 122(1)
European Patent Convention 1973 Art 122(2)
European Patent Convention 1973 Art 122(3)
European Patent Convention 1973 R 65(1)
Schlagwörter: Wiedereinsetzung in die Beschwerdebegründungsfrist (nein)
Rechtzeitigkeit des Antrags (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
J 0005/80
J 0007/82
T 0828/94
T 1172/00
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung vom 25. Juli 2000, mit der die europäische Patentanmeldung 95 109 036.4 zurückgewiesen wurde.

II. Am 7. September 2000 legte die Anmelderin (Beschwerdeführerin) unter gleichzeitiger Entrichtung der Beschwerdegebühr Beschwerde gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung ein. Am 5. Dezember 2000 reichte sie die Beschwerdebegründung ein.

IV. Mit Schreiben vom 24. Januar 2001 teilte die Geschäftsstelle der Kammer der Beschwerdeführerin mit, daß ihre Beschwerde gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung nicht fristgerecht begründet worden sei und die Beschwerde daher gemäß Artikel 108 und Regel 65. (1) EPÜ voraussichtlich als unzulässig zu verwerfen sei. Auf Artikel 122 EPÜ (Wiedereinsetzung) wurde hingewiesen. Diese Mitteilung wurde der Beschwerdeführerin ausweislich der Beschwerdeakte am 25. Januar 2001 zugestellt.

V. Mit Schriftsatz vom 8. Februar 2001,im Europäischen Patentamt eingegangen am 9. Februar 2001, beantragte die Beschwerdeführerin Wiedereinsetzung in die Frist zur Einreichung der Beschwerdebegründung, entrichtete die Wiedereinsetzungsgebühr und begründete den Antrag auf Wiedereinsetzung. Zur Begründung ihres Wiedereinsetzungsantrages in der Sache trug die Beschwerdeführerin folgendes vor:

- Die Beschwerdeführerin verfüge über ein seit ca. 10 Jahren fehlerfrei arbeitendes elektronisches System zur Fristenüberwachung, wonach eine Sachbearbeiterin zur Festlegung des für die Beantwortung der Fristsache vorgesehenen Fristablaufs das von ihr ermittelte Fristende (mit ggf. Berücksichtigung der fiktiven Zustellungsfrist) in das elektronische System einträgt;

- bei der für die Fristenüberwachung und -notierung zuständigen Sachbearbeiterin handele es sich um eine langzeiterfahrene, von den zugelassenen Vertretern trotzdem ständig überwachte Fachkraft, die mit dem Gesetzeswerk des EPÜ vertraut sei;

- das Fristversäumnis sei auf ein bisher einmaliges Versehen dieser Fachkraft zurückzuführen, die den von ihr richtig ermittelten Fristablauf für die Beschwerdebegründung mit einem falschen Datum, nämlich dem 5. Dezember 2001, anstatt dem 4. Dezember 2001, in das Fristenüberwachungssystem eingetragen habe.

VI. In einem Bescheid vom 2. April 2001 wies die Kammer u. a. darauf hin, daß die Beschwerdeführerin zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags nichts vorgetragen habe über eine Gegenprüfung der notierten Frist und auf welche Weise sichergestellt werde, daß die notierte Frist auch eingehalten wird. Für ein wirksames Fristüberwachungssystem sei es nicht genügend, eine Frist zu notieren. Es müsse auch ein Mechanismus zur Erinnerung an die Frist oder zur Wiedervorlage der Akte vorhanden sein, der sicherstelle, daß die Akte rechtzeitig vor Fristablauf zur Bearbeitung vorliegt. Zur Organisation der Büroabläufe und der Aktenbehandlung sei insoweit nichts vorgetragen worden. Über das Vorhandensein irgendeines Kontrollmechanismus, sei es z. B. in Form einer Gegenkontrolle der Fristüberwachung durch eine weitere Person oder durch andere Maßnahmen, wie etwa eine computergestützt generierte Fristerinnerung, sei nichts dargelegt worden.

VII. Daraufhin erläuterte die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 13. August 2001 ihr auf einer Datenverarbeitungsanlage angelegtes Fristüberwachungssystem. Dieses System sei derart angelegt, daß die von der zuständigen Sachbearbeiterin in das Fristüberwachungssystem eingetragene Frist zum ersten Mal auf einem Fristenzettel erscheine, der dem für die Bearbeitung der Fristsache zuständigen Vertreter vorgelegt werde und der eine Vorschau auf die von diesem zugelassenen Vertreter innerhalb eines 6-Wochen-Zeitraums zu erledigenden Fristen aufliste. Als weitere Sicherheitsmaßnahme erscheine die Frist 7 Tage vor deren Ablauf auf einem weiteren Fristenzettel, der dem zuständigen zugelassenen Vertreter vorgelegt werde und der eine Vorschau auf die innerhalb der nächsten 7 Tage von diesem zugelassenen Vertreter abzuarbeitenden Fristen wiedergebe. Dieser Fristenzettel werde solange wiedererstellt, bis von dem zuständigen Vertreter die Frist erledigt wurde. Bei der Eintragung der Frist in das System werde dem zuständigen zugelassenen Vertreter die Akte mit der Angabe des Fristablaufs vorgelegt.

VIII. In einem zweiten Bescheid stellte die Kammer fest, daß das Schreiben vom 13. August 2001 zur Beantwortung des Bescheids der Kammer vom 2. April 2001 keine Angabe darüber enthalte, ob und wie eine tatsächliche Gegenprüfung bei der Berechnung der notierten Frist erfolgt sei. Es sei lediglich behauptet worden, daß die Akte mit der Angabe des Fristablaufs dem zuständigen zugelassenen Vertreter vorgelegt werde.

IX. In Beantwortung dieses Bescheids erwiderte die Beschwerdeführerin mit Schreiben eingegangen am 10. Juni 2002, daß sie zu den Maßnahmen, wie ihr computergestützt generiertes Fristerinnerungssystem ablaufe, abschließend geantwortet habe und somit die eine der von der Kammer erwähnten Alternativen ausführlich erläutert habe. Es sei ihrerseits nicht nachvollziehbar, weshalb sie nunmehr auch Angaben zur zweiten Alternative, nämlich zur tatsächlichen Gegenprüfung durch eine weitere Person bei der Fristenberechnung machen solle.

Zur Glaubhaftmachung ihres Sachvortrags legte sie Fristzettel der computergestützten Fristerinnerung vor. Weitere Mittel zur Glaubhaftmachung der vorgetragenen Tatsachenbehauptungen, etwa eine eidesstattliche Erklärung der Sachbearbeiterin, wurden nicht eingereicht.

Entscheidungsgründe

1. In vorliegendem Beschwerdeverfahren lief die Frist zur Begründung der gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung vom 25. Juli 2000 eingelegten Beschwerde gemäß Artikel 108, Satz 3 und Regel 78 (2) EPÜ am 4. Dezember 2000 ab. Die Einreichung der Beschwerdebegründung am 5. Dezember 2000 war daher verspätet. Gemäß Regel 65 (1) EPÜ ist eine Beschwerde, die nicht innerhalb der Frist des Artikel 108, Satz 3 EPÜ begründet wurde, als unzulässig zu verwerfen.

Zulässigkeit des Antrags auf Wiedereinsetzung in die Beschwerdebegründungsfrist

2. Die Beschwerdeführerin hat mit ihrem am 9. Februar 2001 im Europäischen Patentamt eingegangenen Schriftsatz beantragt, hinsichtlich der Frist zur Einreichung der Beschwerdebegründung wieder in den vorigen Stand eingesetzt zu werden.

2.1. Gemäß Artikel 122 (2), Satz 1 EPÜ ist der Antrag auf Wiedereinsetzung innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des Hindernisses einzureichen.

Die Mitteilung der Geschäftsstelle über die nicht fristgerechte Einreichung der Beschwerdebegründung wurde am 24. Januar 2001 abgesandt. Sie gilt als zugestellt am 4. Februar 2001 (Regel 78 (2) EPÜ), wurde jedoch tatsächlich am 25. Januar 2001 zugestellt.

Das Hindernis, eine versäumte Handlung vorzunehmen, entfällt mit dem tatsächlichen Eingang der Mitteilung, mit der die Anmelderin (Beschwerdeführerin) von der Versäumnis in Kenntnis gesetzt wird (ständige Rechtsprechung im Anschluß an J 7/82, ABl. EPA 1982, 391).

Der am 9. Februar 2001 mit Begründung gestellte Wiedereinsetzungsantrag ist somit gemäß Artikel 122 (2), Satz 1 EPÜ innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des Hindernisses und damit rechtzeitig gestellt worden.

2.2. Da die Beschwerdebegründung bereits am 5. Dezember 2001 einging und gleichzeitig mit Einreichung des Wiedereinsetzungsantrags die Wiedereinsetzungsgebühr entrichtet und der Antrag begründet wurde, sind die Erfordernisse des Artikels 122 (2), Satz 2 und (3) EPÜ ebenfalls erfüllt. Der Wiedereinsetzungsantrag ist daher zulässig.

Begründetheit des Wiedereinsetzungsantrags

3.1. Die Beschwerdeführerin hat sich darauf berufen, daß die Beschwerdebegründungsfrist aufgrund eines einmaligen Versehens einer langzeiterfahrenen Fachkraft versäumt wurde. Diese Sachbearbeiterin habe das falsche Datum in das Fristenüberwachungssystem eingetragen.

3.2. Nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern im Anschluß an die Entscheidung J 5/80, ABl. EPA 1981, 343 (siehe insbesondere Entscheidungsgründe 5), kann sich der Vertreter für die Erledigung von Routinearbeiten Hilfspersonen bedienen. Dazu ist das Notieren und Überwachen von Fristen als solches im Regelfall zu rechnen. Auch hat die Rechtsprechung die Auffassung vertreten, daß an die Sorgfalt der Hilfspersonen nicht die gleichen strengen Anforderungen wie an die des Anmelders oder seines Vertreters gestellt werden können (J 5/80, aaO, Entscheidungsgründe 6).

Es wurde ferner anerkannt, daß nicht schon ein einmaliges Versehen in einem ansonsten gut funktionierenden System zu einem endgültigen Rechtsverlust führen soll, (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 4. Auflage 2001, VI-E, 5.1).

3.3. Das versehentliche Eintragen des falschen Datums in das Fristenüberwachungssystem durch eine ansonsten zuverlässig arbeitende und erfahrene Mitarbeiterin kann einen solchen isolierten Fehler darstellen. Jedoch muß in einem solchen Fall nach ständiger Rechtsprechung auch nachgewiesen werden, daß an sich ein effizient arbeitendes Fristenüberwachungssystem bestand (Rechtsprechung aaO), das nur aus den besonderen Gründen des Einzelfalles versagt hat. Zu den Sorgfaltsanforderungen an ein Fristenüberwachungssystem gehört im allgemeinen, daß die Fristenüberwachung nicht einer Person allein überlassen wird, sondern zumindest ein wirksamer Kontrollmechanismus eingebaut ist (siehe z. B. T 828/94 vom 18. Oktober 1996, Entscheidungsgründe 2. ff. und T 1172/00 vom 5. September 2001, Entscheidungsgrund 3.1).

3.4. Die Beschwerdeführerin hat auch nach einem ausdrücklichen Hinweis der Kammer auf die vorstehende Rechtslage und auf die noch bestehenden Lücken keinen ausreichenden Sachvortrag vorgelegt. Sie hat in Beantwortung der Bescheide lediglich auf das Erläutern des computergesteuerten Fristenüberwachungungssystems abgestellt. Sie verfüge über ein Fristenüberwachungssystem, das ohne weiteres den zuständigen zugelassenen Vertreter an die Einhaltung der Frist erinnere. Dies setzt aber voraus, daß das Berechnen der Frist (hier: Beschwerdebegründungsfrist) und das Eintragen der berechneten Frist (Fristablauf) fehlerfrei erfolgt. Ob, wie und wann eine Kontrolle der von der Sachbearbeiterin berechneten und eingetragenen Frist erfolgt ist, wurde trotz Aufforderung durch die Kammer nicht dargelegt. Offenbar wurde eine solche Gegenkontrolle weder von einem weiteren Sachbearbeiter oder durch den zuständigen zugelassenen Vertreter, noch mit einem eingebauten Plausibilitätskontrollmechanismus in dem Überwachungssystem durchgeführt. Auch enthält der zur Glaubhaftmachung als Muster eingereichte Fristenzettel nur das Datum des Fristendes sowie das interne Aktenzeichen und die Fristart (z. B. Bescheidserledigung), so daß es für den Vertreter allein anhand des Fristenzettels nicht möglich ist, eine Gegenkontrolle der berechneten Fristen (es fehlt das maßgebliche Ereignis), eine Gegenprüfung bei der Eingabe des internen Aktenzeichens und der Anmeldenummer sowie eine Verknüpfung der Frist und des internen Aktenzeichens herzustellen. Das von der Beschwerdeführerin dargestellte System mit laufenden Erinnerungsblättern kann nur zur Überwachung der eingetragenen Fristen dienen und setzt deren Richtigkeit voraus. Es fehlt somit im vorliegenden Fall schon an einem ausreichenden Tatsachenvortrag, der eine Wiedereinsetzung rechtfertigen könnte.

4. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Einreichung der Beschwerdebegründung ist daher zurückzuweisen und die Beschwerde gemäß Artikel 108, Satz 3, Regel 65 (1) EPÜ als unzulässig zu verwerfen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Einreichung der Beschwerdebegründung wird zurückgewiesen.

2. Die Beschwerde wird als unzulässig verworfen.

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