T 1201/00 () of 7.11.2002

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2002:T120100.20021107
Datum der Entscheidung: 07 November 2002
Aktenzeichen: T 1201/00
Anmeldenummer: 95104028.6
IPC-Klasse: B60R 16/02
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: B
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Multifunktionseinrichtung zur Betätigung unterschiedlicher Stellglieder in einem Kraftfahrzeug und Kraftfahrzeug mit einer derartigen Multifunktionseinrichtung
Name des Anmelders: Volkswagen Aktiengesellschaft
Name des Einsprechenden: DaimlerChrysler AG Intellectual Property Management FTP-P-C 106
Mannesmann VDO AG
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 111(1)
European Patent Convention 1973 Art 123(2)
European Patent Convention 1973 Art 123(3)
Schlagwörter: Erweiterung durch Änderungen - Hauptantrag und Hilfsantrag 1 (nein)
Neuheit - Hauptantrag und Hilfsantrag 1 (verneint)
Erst kurz vor dem Ende der mündlichen Verhandlung überreichter Hilfsantrag 2
Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung
Orientierungssatz:

Ist die Sache voraussichtlich an die Einspruchsabteilung zur Prüfung der nicht erörterten Frage der erfinderischen Tätigkeit zurückzuverweisen, so kann ausnahmsweise ein erst in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer überreichter Hilfsantrag zum Ausräumen des erhobenen Einwands fehlender Neuheit gegenüber einer Entgegenhaltung zugelassen und dieser Hilfsantrag an die Einspruchsabteilung auch zur abschließenden Neuheitsprüfung gegenüber dieser Entgegenhaltung zurückverwiesen werden.

Die Notwendigkeit für die erste Instanz, auf die Frage der erfinderischen Tätigkeit gegenüber dem gesamten entgegengehaltenen Stand der Technik einzugehen, hat zur Folge, daß die Neuheitsprüfung gegenüber einer Entgegenhaltung nicht zu einer nennenswerten Verzögerung des Einspruchsverfahrens führt.

Angeführte Entscheidungen:
T 0166/86
T 0406/86
T 0543/89
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin ist Inhaberin des europäischen Patents Nr. 0 686 525 (Anmeldenummer 95 104 028.6).

II. Die Beschwerdegegnerinnen (Einsprechenden 01 und 02) legten gegen das erteilte Patent Einspruch ein und beantragten, das Patent wegen fehlender Patentfähigkeit zu widerrufen.

Sie beriefen sich dabei u. a. auf

D5: EP-A-0 078 016.

III. Mit am 15. November 2000 zur Post gegebenen Entscheidung wurde das europäische Patent widerrufen.

Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, daß

- der damalige Patentanspruch 1 über das ursprünglich Offenbarte hinausgehe und somit nicht den Anforderungen von Artikel 123 (2) EPÜ entspreche,

- der Gegenstand dieses Patentanspruchs 1 im Hinblick auf D5 nicht neu sei.

IV. Gegen diese Entscheidung legte die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) am 20. Dezember 2000 unter Zahlung der vorgeschriebenen Gebühr Beschwerde ein.

Die Beschwerdebegründung wurde am 2. März 2001 eingereicht.

V. Es wurde am 7. November 2002 vor der Kammer mündlich verhandelt.

Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Basis des in der mündlichen Verhandlung überreichten Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag oder der Hilfsanträge 1 oder 2, ebenfalls überreicht in der mündlichen Verhandlung.

Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet:

"1. Multifunktionseinrichtung zur Betätigung unterschiedlicher Stellglieder mit Mitteln (1) zur sprachgesteuerten Betätigung und Mitteln (2a - 2d) zur manuellen Betätigung,

dadurch gekennzeichnet, daß

die sprachgesteuerten Mittel (1) nur zur Auswahl der unterschiedlichen Funktionsebenen vorgesehen sind und die Steuerung der der ausgewählten Funktionsebene zugeordneten Stellglieder nur über die manuell betätigbaren Mittel (2a - 2d) erfolgt."

Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 lautet:

"1. Multifunktionseinrichtung zur Betätigung unterschiedlicher Stellglieder mit Mitteln (1) zur sprachgesteuerten Betätigung und Mitteln (2a - 2d) zur manuellen Betätigung,

dadurch gekennzeichnet, daß

die sprachgesteuerten Mittel (1) nur zur Auswahl der unterschiedlichen Funktionsebenen vorgesehen sind, wobei die Auswahl der Funktionsebenen über die Eingabe von Schlüsselworten erfolgt, und die Steuerung der der ausgewählten Funktionsebene zugeordnete Stellglieder nur über die manuell betätigbaren Mittel (2a - 2d) erfolgt."

Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 lautet:

"1. Multifunktionseinrichtung zur Betätigung unterschiedlicher Stellglieder mit Mitteln (1) zur sprachgesteuerten Betätigung und Mitteln (2a - 2d) zur manuellen Betätigung,

dadurch gekennzeichnet, daß

die sprachgesteuerten Mittel (1) nur zur Auswahl der unterschiedlichen Funktionsebenen vorgesehen sind und die Steuerung der der ausgewählten Funktionsebene zugeordneten Stellglieder nur über die manuell betätigbaren Mittel (2a - 2d) erfolgt,

wobei die manuell betätigbaren Mittel (2a - 2d) eine in Abhängigkeit der ausgewählten Funktionsebene wechselnde Bedienanzeige aufweisen."

VI. Zur Stützung ihrer Anträge brachte die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) im wesentlichen folgendes vor:

i) Artikel 123 (2) EPÜ-Hauptantrag und Hilfsantrag 1

Wie auf Seite 2, dritter Absatz der ursprünglichen Unterlagen hervorgehe, bestehe der Grundgedanke der Erfindung darin, daß die sprachgesteuerten Mittel zur Auswahl der einzelnen Funktionsebenen vorgesehen seien.

Ziehe man zusätzlich den letzten Satz des Absatzes 5 hinzu, der besage, daß sprachgesteuerte Mittel derart ausgebildet sind, daß sie nach Anwahl einer Funktionsebene automatisch abgeschaltet werden, dann sei der ursprünglichen Offenbarung klar zu entnehmen, daß die sprachgesteuerten Mittel nur zur Auswahl der Funktionsebenen vorgesehen seien.

Dementsprechend könne die Steuerung der der angewählten Funktionsebene zugeordneten Stellglieder nur über die allein noch vorhandenen manuell betätigbaren Mittel durchgeführt werden.

Der geänderte Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag bzw. Hilfsantrag 1 entspreche mithin den Vorschriften von Artikel 123 (2) EPÜ.

ii) Neuheit - Hauptantrag und Hilfsantrag 1

Bei der Ausführungsform gemäß Figur 2 der D5 erfolge nach der Spracheingabe "tuning" noch keine Ansteuerung der Aktuatoren, sondern es müsse dazu erst das manuelle Bedienelement (3) betätigt werden. Das Bedienelement werde also zunächst nur mit der dem Sprachbefehl entsprechenden Funktion "tuning" belegt und könne nicht wie beim Streitpatent beansprucht durch einen Sprachbefehl mit einer untergeordneten Funktion der Funktionsebene belegt werden.

Der Sprachbefehl und die Funktion des manuellen Bedienelements seien identisch. Hingegen sei beim Gegenstand des Streitpatents vorgesehen, daß beispielsweise über den Sprachbefehl "Radio" die manuellen Bedienelemente mit den der Funktionsebene "Radio" untergeordneten Funktionen belegt werden, wie beispielsweise "Radio an/aus", "Sendersuchlauf", "Lautstärke".

Demgemäß sei der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag bzw. Hilfsantrag 1 neu gegenüber diesem Stand der Technik.

VII. Die Beschwerdegegnerinnen (Einsprechenden 01 und 02) widersprachen dem Vorbringen der Beschwerdeführerin und vertraten die Auffassung, daß der geänderte Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag und derjenige gemäß Hilfsantrag 1 in Hinblick auf Artikel 123 (2) EPÜ nicht zulässig seien. Bei der Ausführungsform gemäß Figur 2c der Streitpatentschrift erfolge zwar nach dem Sprachbefehl "Radiolautstärke" die Ansteuerung der Aktuatoren zur Erstellung der Lautstärke. Jedoch könne das Radio nur über ein manuell betätigbares Mittel eingeschaltet werden. Dies bedeute, daß die Steuerung der Stellglieder der ausgewählten Funktionsebene "Radio" durch die Spracheingabe "Radiolautstärke" durchgeführt werde. Es folge daraus, daß in der ursprünglich eingereichten Beschreibung die sprachgesteuerten Mittel keinesfalls "nur" zur Auswahl der unterschiedlichen Funktionsebenen vorgesehen seien.

Nach dem geänderten Wortlaut des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag bzw. Hilfsantrag 1, erfolge die Steuerung der der ausgewählten Funktionsebene zugeordneten Stellglieder nur über die manuell betätigbaren Mittel. Eine solche Exklusivität der Steuerung der zugeordneten Stellglieder widerspreche dem Inhalt des ursprünglich eingereichten Patentanspruchs 1, in dem die Steuerung der Stellglieder mittels eines Sprachbefehls nicht ausgeschlossen sei.

Schließlich sei der Gegenstand dieser beiden Patentansprüche 1 im Hinblick auf die Ausführungsform gemäß Figur 2 der D5 nicht neu. Dort seien Abstimmung ("tuning") und Kanalwahl zweifelsfrei Funktionsebenen. Als andere Funktionsebenen seien auf Seite 23, Zeilen 10 bis 16 unter anderem die Außenspiegelverstellung, Klimaanlage und Fensterheber genannt. Solche Systeme seien auch im Streitpatent als Funktionsebenen beschrieben.

Der Hilfsantrag 2 der Beschwerdeführerin sei ohne triftige Gründe erst am Ende der mündlichen Verhandlung der Kammer überreicht worden und sei deshalb als verspätet zurückzuweisen.

Die Beschwerdegegnerinnen beantragten die Zurückweisung der Beschwerde.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Artikel 123 (2) EPÜ - Hauptantrag

Nach der ursprünglichen Beschreibung Seite 2, dritter Absatz besteht der Grundgedanke der Erfindung darin,

"daß die sprachgesteuerten Mittel zur Auswahl der einzelnen Funktionsebenen und die manuell betätigbaren Mittel zur Steuerung der der ausgewählten Funktionsebene zugeordneten Stellelemente bzw. Aktuatoren vorgesehen sind."

Dieser Text entspricht auch dem Kennzeichen des ursprünglichen Patentanspruchs 1. Auch in der weiteren Beschreibungseinleitung findet sich kein Hinweis auf eine zusätzliche Möglichkeit für die Steuerung der der ausgewählten Funktionsebene zugeordneten Stellglieder durch die sprachgesteuerten Mittel.

Auf Seite 2, fünfter Absatz der ursprünglichen Unterlagen heißt es:

"Bei einer Ausgestaltung dieser Weiterbildung sind die sprachgesteuerten Mittel derart ausgebildet, daß sie nach Anwahl einer Funktionsebene automatisch abgeschaltet werden."

Dies bedeutet, daß die sprachgesteuerten Mittel nicht zur Auswahl der der Funktionsebene zugeordneten Stellglieder verwendet werden können. Sie sind vielmehr, wie beansprucht, "nur zur Auswahl der unterschiedlichen Funktionsebenen vorgesehen". Aus der Maßnahme im kennzeichnenden Teil des Patentanspruchs 1, daß die sprachgesteuerten Mittel ausschließlich zur Auswahl der Funktionsebene dienen, folgt notwendig, daß, wie beansprucht, die Steuerung der Stellglieder der ausgewählten Funktionsebene ausschließlich über die manuell betätigbaren Mittel erfolgt. Die beiden Maßnahmen im kennzeichnenden Teil des Patentanspruchs 1 sind deshalb komplementär zueinander anzusehen, weil die Verwirklichung der ersten Maßnahme, nach der die sprachgesteuerten Mittel ausschließlich zur Auswahl der Funktionsebene dienen, auch die Verwirklichung der zweiten Maßnahme, nach der die Steuerung der Stellglieder der ausgewählten Funktion ausschließlich über die manuell betätigbaren Mittel erfolgt, zur Folge hat.

Bei dem Ausführungsbeispiel gemäß Figur 2c sind auch die sprachgesteuerten Mittel einzig und allein zur Auswahl der Funktonsebene "Radiolautstärke" vorgesehen und die Steuerung dieser Funktionsebene erfolgt durch zwei betätigbare Druckschalter 2(a) und 2(b) zum Erhöhen bzw. Reduzieren der Lautstärke. In diesem Fall erfordert zwar die Auswahl der Funktionsebene "Radiolautstärke" eine vorherige Betätigung eines Aktuators, z. B. eines Druckknopfes 4, der das Radio einschaltet. Diese Möglichkeit ist jedoch vom Anspruchswortlaut nicht ausgeschlossen. Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag sieht nämlich vor, daß die sprachgesteuerten Mittel nur zur Auswahl der Funktionsebene dienen. Er verlangt nicht, daß kein anderes Mittel, wie z. B. ein Knopf vorher betätigt werden darf.

Aus alledem folgt, daß der geänderte Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag nicht über das ursprünglich Offenbarte hinausgeht und somit den Vorschriften von Artikel 123 (2) EPÜ entspricht.

3. Artikel 123 (2) EPÜ - Hilfsantrag 1

Im Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 wird der Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag durch das Merkmal ergänzt, daß die Auswahl der Funktionsebenen über die Eingabe von Schlüsselworten erfolgt.

Dieses hinzugefügte Merkmal ist auf Seite 2, vierter Absatz der ursprünglichen Unterlagen zu entnehmen.

Der geänderte Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 entspricht daher Artikel 123 (2) EPÜ.

4. Artikel 123 (3) EPÜ

Da der Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag sämtliche Merkmale des erteilten Patentanspruchs 1 aufweist, liegt eine Erweiterung durch die vorgenommenen Änderungen nicht vor (Artikel 123 (3) EPÜ).

Dies gilt auch für den Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1.

5. Neuheit - Hauptantrag

Bei der Ausführungsform gemäß Figur 2 von D5 wird nach einer Aktivierung der sprachgesteuerten Mittel (2, 100) durch Drücken des Schalters (3) die Auswahl der Funktionsebene "Channel" ("Frequenzkanal") bzw. der Funktionsebene "tuning" (Sendereinstellung) durch Spracheingabe durchgeführt. Die sprachgesteuerten Mittel (2, 100) sind also ausschließlich zur Auswahl der Funktionsebene "channel" bzw. der Funktionsebene "tuning" vorgesehen. Mithin ist die erste Maßnahme des kennzeichnenden Teils des Patentanspruchs 1 bei der D5 verwirklicht.

Bei eingeschalteter Funktionsebene "channel" ("Frequenzkanal") wird nach einer (weiteren) manuellen Betätigung des Schalters (3) ein Suchlauf eingeschaltet, der dann einen spezifischen Kanal anwählt. Wird dieser Kanal nicht gewünscht, so muß der Schalter innerhalb eines bestimmten Zeitintervalls ein weiteres Mal manuell betätigt werden, wodurch ein weiterer Kanal innerhalb der ersten Funktionsebene anwählbar ist. Ist der richtige Kanal gefunden und der Schalter (3) wird nicht ein weiteres Mal gedrückt, dann wird automatisch wiederum die Spracheingabe aktiviert und es kann durch die Spracheingabe "tuning" (Sendereinstellung) die "Sendereinstellungs-Funktionsebene" gewählt werden, wonach durch erneutes Drücken des Schalters (3) eine automatische Senderabstimmung beginnt, die einen ersten Sender auswählt. Durch weiteres Betätigen (innerhalb eines bestimmten Zeitintervalls) des Schalters (3) können weitere Sender ausgewählt werden. Bei der D5 können demnach die den beiden Funktionsebenen ("channel", "tuning") zugeordneten Funktionen grundsätzlich nur durch manuelle Betätigung des Schalters eingestellt werden. Das heißt, daß die zweite Maßnahme im kennzeichnenden Teil des Patentanspruchs 1 auch bei der D5 vorliegt.

Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) bestreitet, daß bei der D5 die Funktionen "tuning" und "channel" Funktionsebenen im Sinne des Streitpatents darstellen, bei dem die Auswahl des Radios - aus weiteren Möglichkeiten, Fensterheber usw. - eine Funktionsebene darstellt, während die eigentlichen Funktionen des Radios, nämlich die Sendereinstellung und die Kanalauswahl, der Steuerung der der ausgewählten Funktionsebene (Radio) zugeordneten Stellglieder entsprächen.

Diese Ausführungen vermögen nicht zu überzeugen, denn bei dem Ausführungsbeispiel gemäß Figur 2c der Streitpatentschrift ist die Funktion "Radiolautstärke" als Funktionsebene bezeichnet werden. Demnach müssen auch die Funktionen "Radio tuning" bzw. "Radio channel" als Funktionsebenen im Sinne des Streitpatents angesehen werden. Desweiteren, werden in D5 als andere Funktionsebenen unter anderen die Spiegelverstellung, Klimaanlage und Fensterheber genannt, siehe Seite 34, Zeilen 10 bis 16. Diese Systeme sind auch als Funktionsebenen in der Streitpatentschrift beschrieben.

Ebenso unerheblich ist der Einwand, daß der die Spracherkennung aktivierende Schalter (3) der D5 mit dem Mittel zur manuellen Betätigung identisch sei, da auch der geltende Patentanspruch 1 eine solche Lösung nicht ausschließt.

Aus alledem folgt, daß der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag gegenüber diesem Stand der Technik nicht neu ist.

6. Neuheit - Hilfsantrag 1

Im Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 wird der Inhalt des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag durch das Merkmal ergänzt, daß die Auswahl der Funktionsebenen über die Eingabe von Schlüsselwörtern erfolgt.

Auch bei der D5 erfolgt die Auswahl der Funktionsebenen über die Eingabe der Schlüsselwörter "tuning", "channel". Hieraus folgt, daß der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 gegenüber diesem Stand der Technik nicht neu ist.

7. Zulässigkeit - Hilfsantrag 2

Im Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 wird der Inhalt des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag durch die Merkmale des erteilten abhängigen Patentanspruchs 6 ergänzt, was in Hinblick auf Artikel 123 (2) und (3) EPÜ unbedenklich ist.

Die Beschwerdeführerin hat diesen Hilfsantrag kurz vor dem Ende der mündlichen Verhandlung überreicht, obgleich sich der dem Verfahren zugrundeliegende Sachverhalt z. B. durch die Vorlage eines weiteren relevanten Standes der Technik innerhalb der im Ladungsbescheid gesetzten Frist nicht verändert hat. Die in Rede stehende Entgegenhaltung D5 wurde vielmehr schon in der Einspruchsbegründung genannt.

Laut ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern liegt es im Ermessen der Kammer, einen am Ende der mündlichen Verhandlung überreichten neuen Hilfsantrag zuzulassen oder nicht. In Ausübung des ihr nach Artikel 111 (1) EPÜ eingeräumten Ermessens hat die Kammer aus folgenden Gründen entschieden, diesen neuen Hilfsantrag zuzulassen und die Sache zur weiteren Entscheidung darüber an die Einspruchsabteilung zurückzuweisen:

Der in der ersten Instanz und im Beschwerdeverfahren erhobene, auf die D5 gestützte Neuheitseinwand kann gegenüber dem geänderten Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 nicht von vorneherein aufrechterhalten werden. Für die Zulassung dieses Antrags spielt es keine Rolle, daß eine abschließende Neuheitsprüfung in Hinblick auf die D5 noch nicht stattgefunden hat, da die Kammer die beiden Parteien schon im Ladungsbescheid von ihrer Absicht unterrichtet hat, die Sache ggf. an die erste Instanz zur Prüfung der erfinderischen Tätigkeit zurückzuverweisen, und die beiden Parteien gegen die beabsichtigte Zurückverweisung an die erste Instanz keine Bedenken geäußert haben. Ist die Zurückverweisung zur Prüfung der noch ausstehenden Frage der erfinderischen Tätigkeit gegenüber dem gesamten entgegengehaltenen Stand der Technik sowieso noch erforderlich, so kann ohne weiteres eine solche Gelegenheit auch zur abschließenden Neuheitsprüfung gegenüber der D5 genutzt werden. Eine solche Neuheitsprüfung kann nämlich ohne wesentliche Verzögerung des Verfahrens im Rahmen der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit vorgenommen werden.

Wenn also die Sache voraussichtlich an die Einspruchsabteilung zur Prüfung der nicht erörterten Frage der erfinderischen Tätigkeit zurückzuverweisen ist, so kann ausnahmsweise ein erst in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer überreichter neuer Hilfsantrag zum Ausräumen des Einwands fehlender Neuheit gegenüber einer Entgegenhaltung zugelassen und dieser Hilfsantrag an die Einspruchsabteilung auch zur abschließenden Neuheitsprüfung gegenüber dieser Entgegenhaltung zurückverwiesen werden, falls keinem der vorrangigen Anträge wegen fehlender Neuheit stattgegeben werden kann. Die Notwendigkeit für die erste Instanz, auf die Frage der erfinderischen Tätigkeit gegenüber dem gesamten entgegengehaltenen Stand der Technik einzugehen, hat zur Folge, daß die Neuheitsprüfung gegenüber einer Entgegenhaltung nicht zu einer nennenswerten Verzögerung des Einspruchsverfahrens führt.

Eine etwaige kurze Verzögerung, die sich durch eine solche Neuheitsprüfung in Hinblick auf eine einzige Entgegenhaltung ergibt, wird angesichts der unumgänglichen Überprüfung der erfinderischen Tätigkeit in Hinblick auf den gesamten entgegengehaltenen Stand der Technik kaum ins Gewicht fallen. Laut der Rechtsprechung der Beschwerdekammern können in einem späten Verfahrensstadium eingereichte neue Patentansprüche auch dann zugelassen werden, wenn dadurch eine nennenswerte Verfahrensverzögerung nicht eintritt, siehe z. B. T 0406/86, ABl. EPA 1989, 302 (Punkt 3.3 der Gründe) und T 543/89 nicht veröffentlicht und den ähnlich gelagerten Fall T 166/86, ABl. EPA 1987, 372. Wie schon ausgeführt setzt eine solche Vorgehensweise voraus, daß die Kammer einen Erfolg dieser spät eingereichten neuen Patentansprüche bezüglich der Frage der Neuheit nicht von vornherein als aussichtslos erachtet. Wäre dies nicht der Fall, so könnte die Kammer selbst in der mündlichen Verhandlung die abschließende Neuheitsprüfung in Hinblick auf diese Entgegenhaltung durchführen, den letzten Hilfsantrag wegen mangelnder Neuheit seines Gegenstandes und somit die Beschwerde der Patentinhaberin zurückweisen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die erste Instanz zur weiteren Prüfung auf der Grundlage des während der mündlichen Verhandlung überreichten Hilfsantrags 2 zurückverwiesen.

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