J 0029/95 (Teilanmeldungen) of 30.1.1996

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1996:J002995.19960130
Datum der Entscheidung: 30 Januar 1996
Aktenzeichen: J 0029/95
Anmeldenummer: 92103552.3
IPC-Klasse: B23Q 7/14
Verfahrenssprache: EN
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Fassungen: OJ
Bezeichnung der Anmeldung: -
Name des Anmelders: AXIS
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.1.01
Leitsatz: 1. Die Prüfungsabteilung kann, wenn sie die vom Anmelder auf die Mitteilung nach Regel 51 (4) EPÜ hin eingereichten Änderungen zuläßt, unter Zugrundelegung der Änderungen und der dem Anmelder mitgeteilten Fassung der Unterlagen, zu denen keine Änderungen eingereicht worden sind, das Einverständnis des Anmelders mit der für die Erteilung vorgesehenen Fassung nach Regel 51 (6) EPÜ feststellen.
2. Die Erklärung des Einverständnisses mit der für die Erteilung vorgesehenen Fassung ist nur rechtswirksam, wenn eindeutig feststeht, welche Fassung der Anmelder gebilligt hat. Dies ist nicht der Fall, wenn sich die Mitteilung nach Regel 51 (4) EPÜ auf eine angeblich beigefügte, tatsächlich jedoch fehlende Fassung bezieht.
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 76
European Patent Convention 1973 Art 113(2)
European Patent Convention 1973 R 25(1)
European Patent Convention 1973 R 51(4)
European Patent Convention 1973 R 51(5)
European Patent Convention 1973 R 51(6)
Schlagwörter: Teilanmeldung
Mitteilung nach Regel 51(4) EPÜ
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0010/92
J 0011/91
J 0016/91
Anführungen in anderen Entscheidungen:
J 0013/94
J 0014/95
J 0015/95
J 0017/95
J 0012/99
J 0020/99
J 0017/02
J 0018/02
J 0008/13
J 0011/15
J 0012/16
T 0976/97
T 0355/03
T 0971/06

Sachverhalt und Anträge

I. Die europäische Patentanmeldung Nr. 92 103 552.3 wurde am 2. März 1992 eingereicht. In Feld 35 des Erteilungsantrags war angegeben, daß es sich um eine Teilanmeldung zu der früheren Anmeldung Nr. 89 110 492.9 handelte.

II. Am 24. März 1992 teilte die Eingangsstelle dem Anmelder gemäß Regel 69 (1) EPÜ mit, daß die Anmeldung nicht als Teilanmeldung behandelt werden könne, da sie zu einem Zeitpunkt eingereicht worden sei, zu dem die Einverständniserklärung mit der Fassung der früheren Anmeldung gemäß Regel 51 (4) EPÜ bereits abgegeben war.

III. In seiner am 8. April 1992 eingegangenen Erwiderung beantragte der Anmelder nach Regel 69 (2) EPÜ eine Entscheidung. Er machte geltend, daß er in seiner Erwiderung vom 13. Februar 1992 auf die Mitteilung nach Regel 51 (4) EPÜ vom 19. Dezember 1991 Änderungen an der Stammanmeldung beantragt hatte. Diese Änderungen waren von der Prüfungsabteilung in der Mitteilung nach Regel 51 (6) EPÜ vom 3. März 1992, also nach Einreichung der Teilanmeldung, zugelassen worden. Unter Hinweis auf die Entscheidungen J 11/91 und J 16/91 (ABl. EPA 1994, 28) und die der Großen Beschwerdekammer vorgelegte Frage, bis zu welchem Zeitpunkt eine Teilanmeldung eingereicht werden könne, teilte die Eingangsstelle dem Anmelder mit, daß mit einer Entscheidung in seiner Sache abgewartet werde, bis die Große Beschwerdekammer in der Sache G 10/92 eine Stellungnahme abgegeben habe.

IV. Der Anmelder, dem die Stellungnahme G 10/92 (ABl. EPA 1994, 633) mitgeteilt worden war, erhielt seinen Antrag auf Entscheidung mit der Begründung aufrecht, daß der Änderungsvorschlag in seinem Schreiben vom 13. Februar 1992 nicht als Erklärung des Einverständnisses mit der für die Erteilung vorgesehenen Fassung verstanden werden könne. Das EPA hätte nach Erhalt dieses Änderungsantrags nicht sofort eine Mitteilung nach Regel 51 (6) EPÜ erlassen dürfen, sondern ihm eine neue Mitteilung nach Regel 51 (4) EPÜ zugehen lassen müssen.

V. Am 25. Juli 1995 entschied die Eingangsstelle, daß die Anmeldung nicht als Teilanmeldung behandelt wird. In der Begründung gab sie an, nach der verlautbarten Praxis des EPA (Mitteilung des Vizepräsidenten der Generaldirektion 2 vom 20. September 1988, ABl. EPA 1989, 43) sei es nicht erforderlich, daß der Anmelder mit seinem Änderungsantrag sein ausdrückliches Einverständnis mit der für die Erteilung vorgesehenen Fassung erkläre; der Änderungsantrag sei - wenn ihm zugestimmt werde - implizit als Einverständniserklärung zu verstehen.

VI. Am 25. September 1995 legte der Anmelder gegen diese Entscheidung Beschwerde ein und begründete diese. Die Beschwerdegebühr wurde am selben Tag entrichtet.

VII. Der Beschwerdeführer machte geltend, daß bei den der Mitteilung nach Regel 51 (4) EPÜ beigefügten Unterlagen die Seite 3 der Beschreibung gefehlt habe, obwohl doch die Prüfungsabteilung zu Seite 3b eine Änderung vorgeschlagen habe. In seiner Erwiderung auf diese Mitteilung habe er auf das Fehlen der Seite 3 hingewiesen. Außerdem habe er Änderungen an den Seiten 3a, 3b, 13, 18, 22 und 23 sowie an den Abbildungen 8 bis 15 vorgeschlagen. Die Erwiderung habe keine Erklärung darüber enthalten, daß er mit der für die Erteilung vorgesehenen Fassung einverstanden sei. Auch habe das Schreiben nicht als implizite Einverständniserklärung aufgefaßt werden können, da er die Seite 3 der Beschreibung in der von der Prüfungsabteilung vorgeschlagenen Fassung nicht gesehen habe. Zudem hätten seine Änderungsvorschläge ein "Gegenangebot" zu der von der Prüfungsabteilung in der Mitteilung nach Regel 51 (4) EPÜ "angebotenen" Fassung enthalten. Nach den in den Vertragsstaaten anerkannten Rechtsgrundsätzen gelte ein Gegenangebot erst dann als angenommen, wenn der anbietenden Partei die Annahme ihres Angebots mitgeteilt worden sei. Im vorliegenden Fall habe das EPA das Angebot des Anmelders mit der Mitteilung nach Regel 51 (6) EPÜ angenommen. Das Gegenangebot sei also erst nach Einreichung der Teilanmeldung wirksam geworden.

VIII. Der Beschwerdeführer beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung. Seinem Vorbringen zufolge war implizit damit auch beantragt, die Anmeldung als Teilanmeldung zur Anmeldung Nr. 89 110 492.9 zu behandeln.

IX. Außerdem beantragte der Beschwerdeführer, daß ihm die Beschwerdegebühr und die ihm entstandenen Kosten erstattet werden, da bei der Durchführung des Verfahrens nach Regel 51 (4) und (6) EPÜ ein wesentlicher Verfahrensmangel unterlaufen sei und die Eingangsstelle das Verfahren ungebührlich verzögert habe.

Entscheidungsgründe

1. Die zulässige Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Eingangsstelle, mit der die Behandlung der vorliegenden Anmeldung als Teilanmeldung zurückgewiesen wurde. Die Entscheidung wurde damit begründet, daß der Anmelder vor Einreichung dieser Anmeldung sein Einverständis mit der für die Erteilung vorgesehenen Fassung der Stammanmeldung erklärt habe.

2. Nach Regel 25 (1) EPÜ kann der Anmelder bis zu dem Zeitpunkt, zu dem er gemäß Regel 51 (4) EPÜ sein Einverständnis mit der Fassung erklärt, in der das Patent erteilt werden soll, eine Teilanmeldung einreichen. Im Gegensatz zu den Entscheidungen J 11/91 und J 16/91 (s. o.) hat die Große Beschwerdekammer in ihrer Stellungnahme G 10/92 (s. o.) bestätigt, daß die Festsetzung eines bestimmten Zeitpunktes in der Regel 25 (1) EPÜ, bis zu dem eine Teilanmeldung eingereicht werden könne, in Einklang mit Artikel 76 (3) EPÜ stehe.

3. Im vorliegenden Fall reagierte der Anmelder auf die Mitteilung nach Regel 51 (4) EPÜ mit einem Änderungsantrag. Für diesen Fall sieht die Regel 51 (6) Satz 1 EPÜ ausdrücklich vor, daß die Prüfungsabteilung das Einverständnis des Anmelders mit der für die Erteilung vorgeschlagenen Fassung "unter Berücksichtigung von vorgeschlagenen Änderungen" als gegeben feststellen kann. Das heißt, daß sie das Verfahren auf der Grundlage der Änderungen fortsetzen kann und daß diejenigen Unterlagen, zu denen keine Änderungen eingereicht worden sind, unverändert bleiben. Regel 51 EPÜ eröffnet dem Anmelder nicht die Möglichkeit, lediglich zu einem Teil der ihm mitgeteilten Fassung der Unterlagen Stellung zu nehmen. Die Regel 51 (6) Satz 1 EPÜ bietet also der Prüfungsabteilung eine Grundlage für die Feststellung, daß der Anmelder diejenigen für die Erteilung vorgeschlagenen Unterlagen billigt, zu denen keine Änderungen eingereicht worden sind. Nur wenn der Anmelder Änderungen zu bestimmten Teilen der ihm mitgeteilten Unterlagen einreicht und gleichzeitig erklärt, daß er mit anderen nicht einverstanden ist, darf die Prüfungsabeilung diese Feststellung nicht treffen. In diesem Fall kommt jedoch Regel 51 (5) Satz 1 EPÜ zur Anwendung, und die Anmeldung wird zurückgewiesen.

4. Diese Vorgehensweise ergibt sich nicht nur eindeutig aus dem Wortlaut der Regel 51 (4) bis (6) EPÜ, sondern liegt auch im Interesse der Verfahrensökonomie. Regel 51 (4) EPÜ sieht eine letztmalige Kontrolle der zur Erteilung vorgesehenen Fassung der Unterlagen vor. Damit endet die Sachprüfung. Dies bedeutet aber auch, daß der Anmelder in diesem Verfahrensstadium keine Möglichkeit mehr hat, das Ergebnis der bisherigen Prüfung, dem ja seine eigenen Anträge zugrundeliegen, in Frage zu stellen und seine Stellungnahme zur Anmeldung insgesamt offenzulassen.

5. Nun muß noch die Frage geprüft werden, ob unter den besonderen Umständen dieses Falles die Erwiderung auf die Mitteilung nach Regel 51 (4) EPÜ eine gültige Einverständniserklärung mit der für die Erteilung vorgesehenen Fassung darstellte.

6. Hiervon kann nur ausgegangen werden, wenn feststeht, mit welcher Fassung sich der Anmelder einverstanden erklärt hat. Die Antwort auf diese Frage ist eindeutig, was die dem Anmelder mitgeteilte Fassung und die von ihm daran vorgenommenen Änderungen anbelangt, da die betreffenden Unterlagen der Mitteilung bzw. der Erwiderung beigefügt waren.

7. Von der fehlenden Seite 3 der Beschreibung läßt sich dies jedoch nicht sagen. Im Begleitschreiben zu der Mitteilung (Formblatt 2004) wird sie als "Seite 3, eingegangen am 22. Juli 1991 mit Schreiben vom 19. Juli 1991" bezeichnet; die einzige von der Prüfungsabteilung vorgeschlagene Änderung betrifft die Seite 3b. Im selben Begleitschreiben heißt es, daß in der Anlage eine Kopie der betreffenden Unterlagen beigefügt ist. Somit besteht keine Übereinstimmung zwischen dem Begleitschreiben und den beigefügten Unterlagen, da die Seite 3 tatsächlich nicht beigefügt war.

8. Mit der Praxis, dem Anmelder eine vollständige Kopie der Unterlagen zur Billigung zu übermitteln, soll zweifelsfrei sichergestellt werden, daß das Patent nur in der vom Anmelder gebilligten Fassung erteilt wird (Art. 113 (2) EPÜ). Insbesondere erhält er so die Möglichkeit, die Unterlagen als vollständigen Satz zu überprüfen, ohne sich die einzelnen Teile anhand der Angaben in der Mitteilung zusammensuchen zu müssen. Sind die Unterlagen infolge eines administrativen Versehens bei der Vorbereitung der Mitteilung nach Regel 51 (4) EPÜ nicht vollständig, so ist deren Zweck nicht erfüllt. Ist die Mitteilung in sich widersprüchlich, so bleibt unklar, welche Fassung der Anmelder gebilligt hat; es darf nicht davon ausgegangen werden, daß der Anmelder mit einer Fassung einverstanden ist, die gar nicht übermittelt worden ist.

9. Ebensowenig kann die Erwiderung des Anmelders als Antrag ausgelegt werden, die Seite 3 im Wege einer Änderung in die Anmeldung aufzunehmen. Der Anmelder hat sich darauf beschränkt, die Prüfungsabteilung auf die fehlende Seite aufmerksam zu machen. Die Aufnahme einer bestimmten Fassung dieser Seite in die zur Erteilung vorgesehenen Unterlagen hat er nicht beantragt. Es wäre deshalb die Aufgabe der Prüfungsabteilung gewesen, ihm eine Kopie der Seite 3 in der zu erteilenden Fassung zur Billigung zuzusenden. Ohne diese Bestätigung konnte die in Regel 51 (4) EPÜ vorgesehene Einverständniserklärung des Anmelders nicht unterstellt werden und lagen die in Regel 25 (1) EPÜ genannten Voraussetzungen zur Bestimmung des Zeitpunkts, bis zu dem Teilanmeldungen eingereicht werden können, nicht vor.

10. Die beantragte Rückzahlung der Beschwerdegebühr ist im Hinblick auf die Regel 67 EPÜ nicht gerechtfertigt. Es kann dahingestellt bleiben, ob ein angeblicher Mangel im Verfahren zu der früheren Anmeldung Anlaß zu einer Rückzahlung der Beschwerdegebühr in dieser Teilanmeldung geben könnte. Bei der Absendung der Mitteilung nach Regel 51 (6) EPÜ nach Eingang der Erwiderung des Anmelders auf die Mitteilung nach Regel 51 (4) EPÜ wurde von einer Auslegung der Erklärung des Anmelders ausgegangen, die sich als rechtlich falsch erwiesen hat. Eine falsche Rechtsanwendung genügt jedoch nicht, um einen wesentlichen Verfahrensmangel im Sinne der Regel 67 EPÜ zu substantiieren.

11. Außerdem konnte der Anmelder nicht glaubhaft machen, daß die Eingangsstelle die Bearbeitung der Anmeldung ungebührlich verzögert hat. Nach der Rechtsauffassung der Eingangsstelle war die Stellungnahme der Großen Beschwerdekammer in der Sache G 10/92 für die Behandlung der hier vorliegenden Sache maßgebend. Solange die Möglichkeit bestand, daß die Große Beschwerdekammer die Entscheidungen J 11/91 und J 16/91 (s. o.) bestätigt, war es richtig, die vorliegende Sache nicht abschlägig zu bescheiden (vgl. T 166/84, ABl. EPA 1984, 489). Aus der Akte geht nicht hervor, daß der Anmelder diese Behandlungsweise beanstandet hätte, über die er unterrichtet war.

12. Der Beschwerdeführer hat keine näheren Angaben darüber gemacht, welche sonstigen Kosten er erstattet haben will. Da weder die Regel 67 EPÜ noch Artikel 104 EPÜ eine Grundlage für die Erstattung sonstiger Kosten in diesem Fall bieten, brauchte auf diese Frage nicht näher eingegangen zu werden.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Anmeldung ist als Teilanmeldung zu der früheren Patentanmeldung Nr. 89 110 492.9 zu behandeln.

3. Der Antrag auf Erstattung der Beschwerdegebühr und sonstiger Kosten wird zurückgewiesen.

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