J 0006/91 (Prioritätserklärung (Berichtigung)) of 1.12.1992

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1992:J000691.19921201
Datum der Entscheidung: 01 Dezember 1992
Aktenzeichen: J 0006/91
Anmeldenummer: 89902578.7
IPC-Klasse: C04B 35/00
Verfahrenssprache: EN
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Fassungen: OJ
Bezeichnung der Anmeldung: -
Name des Anmelders: Du Pont
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.1.01
Leitsatz: Grundsätzlich muß ein Antrag auf Berichtigung eines Prioritätsanspruchs durch Hinzufügung einer ersten Priorität, sofern keine besonderen Umstände vorliegen, so rechtzeitig gestellt werden, daß in die Veröffentlichung der Anmeldung ein entsprechender Hinweis aufgenommen werden kann. Von dieser Regel kann abgewichen werden, wenn aus der veröffentlichten Anmeldung ohne weiteres ersichtlich ist, daß die erste oder die einzige Priorität möglicherweise fehlt, falsch ist oder mit falschem Anmeldetag angegeben ist. In solchen Fällen ist das Interesse der Öffentlichkeit geschützt, weil die veröffentlichte Anmeldung ohne weiteres erkennen ließ, daß bei der Angabe des beanspruchten Prioritätstags möglicherweise oder tatsächlich ein Fehler unterlaufen ist.
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 R 88 Sent 1
Schlagwörter: Berichtigung von Mängeln/Auslassungen - Prioritätserklärung
Berichtigung von Mängeln/Auslassungen nach der Veröffentlichung - Interesse der Öffentlichkeit
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
G 0001/12
J 0003/91
J 0009/91
J 0002/92
J 0007/94
J 0017/97
J 0018/97
J 0016/00
J 0003/01
J 0006/02
J 0013/02
J 0002/03
J 0019/03
J 0011/04
J 0014/04
J 0011/18
J 0015/18
J 0007/19
T 0972/93
T 0973/93
T 0796/94
T 0906/99
T 0824/00
T 0713/02
T 0309/03
T 0445/08
T 0493/08
T 0848/08
T 0610/11
T 1338/12
T 1296/14
T 0579/16

Sachverhalt und Anträge

I. Die Anmelderin/Beschwerdeführerin reichte beim USPTO am 4. Februar 1988 die Patentanmeldung Nr. 152 186 und am 8. Februar 1988 als Continuation-in-part-Anmeldung die Anmeldung Nr. 153 107 ein. Am 3. Februar 1989 wurde dann die internationale Anmeldung Nr. PCT/US 89/00355 eingereicht, in der das EPA als Bestimmungsamt angegeben war (Euro-PCT-Anmeldung Nr. 89 902 578.7). In dieser Anmeldung beanspruchte die Anmelderin lediglich die Priorität der Continuation-in-part- Anmeldung Nr. US 153 107.

II. Am 10. August 1989 wurde die internationale Anmeldung unter der Nummer WO 89/07087 veröffentlicht.

III. Am 9. März 1990 ersuchte die Anmelderin das USPTO, einer Berichtigung der internationalen Anmeldung durch Hinzufügung des früheren Prioritätsdatums zuzustimmen. Diesen Antrag lehnte das USPTO in einer Entscheidung vom 1. Mai 1990 mit der Begründung ab, daß die Zustimmung zur Berichtigung nicht innerhalb der hierfür vorgesehenen Frist gemäß Regel 91.1 g) und i) PCT, also innerhalb von 17 Monaten nach dem Prioritätsdatum, erteilt werden könne.

IV. Am 27. März 1990 beantragte die Anmelderin noch vor dem Eintritt in die regionale (europäische) Phase, die Euro-PCT- Anmeldung nach Regel 88 EPÜ durch Aufnahme der Priorität der früheren Anmeldung zu berichtigen und im Zuge der Bekanntmachung der Anmeldungsdaten im Europäischen Patentblatt beim Eintritt in die regionale Phase einen Hinweis auf den Berichtigungsantrag zu veröffentlichen. Beim Eintritt in die regionale Phase, der am 29. Juni 1990 erfolgte, wiederholte die Anmelderin ihren Antrag auf Berichtigung der Anmeldung und Veröffentlichung eines entsprechenden Hinweises im Europäischen Patentblatt. Der Eintritt der Anmeldung in die regionale Phase wurde am 27. März 1991 jedoch ohne den gewünschten Hinweis bekanntgemacht.

V. Mit Entscheidung der Eingangsstelle vom 29. Januar 1991 wurde der Antrag auf Berichtigung der Anmeldung zurückgewiesen und dies damit begründet, daß der Berichtigungsantrag nach der Rechtsprechung der Juristischen Beschwerdekammer zu spät gestellt worden sei, weil er nicht so rechtzeitig eingegangen sei, daß in die Veröffentlichung der Anmeldung ein entsprechender Hinweis habe aufgenommen werden können. Da es sich um eine Euro-PCT- Anmeldung handle, sei gemäß Artikel 158 (1) EPÜ die Veröffentlichung nach Artikel 21 PCT maßgeblich. Im Interesse der Öffentlichkeit dürfe eine Berichtigung des Prioritätstags danach nicht mehr zugelassen werden, weil sich die Öffentlichkeit auf die bekanntgemachten Informationen verlassen können müsse.

VI. Am 6. März 1991 legte die Beschwerdeführerin gegen diese Entscheidung unter Entrichtung der Beschwerdegebühr Beschwerde ein. Eine schriftliche Beschwerdebegründung vom 7. Juni 1991 ging beim EPA am selben Tag per Telefax ein. (Das Bestätigungsschreiben vom selben Tag erreichte das EPA am 10. Juni 1991.)

VII. In der mündlichen Verhandlung am 14. Mai 1992 beantragte die Beschwerdeführerin, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die europäische Patentanmeldung Nr. 89 902 578.7 durch Aufnahme eines Anspruchs auf die Priorität der US-Anmeldung Nr. 152 186 vom 4. Februar 1988 zu berichtigen.

VIII. Die Beschwerdebegründung, die die Anmelderin schriftlich und in der mündlichen Verhandlung vorbrachte, läßt sich wie folgt zusammenfassen: Regel 88 Satz 1 EPÜ mache Berichtigungen nicht von der Einhaltung einer Frist abhängig, sondern stelle ihre Zulassung vielmehr von Fall zu Fall in das Ermessen des Amts. Die Ausübung dieses Ermessens dürfe nicht durch Verknüpfung der Regel mit einer Frist beschnitten werden. Die Anwendung einer starren Frist anstelle der Ermessensausübung widerspräche Artikel 150 (3) EPÜ, der wie Regel 88 EPÜ keine Frist vorsehe. Im Einzelfall müsse es - je nach Sachlage - möglich sein, auch dann noch eine Berichtigung vorzunehmen, wenn es für die Veröffentlichung eines entsprechenden Hinweises im Europäischen Patentblatt bereits zu spät sei. In mehreren früheren Entscheidungen habe die Juristische Beschwerdekammer Ausnahmen von dem Grundsatz zugelassen, daß die Öffentlichkeit auf die Berichtigung hingewiesen werden müsse. (In diesem Zusammenhang wurde auf folgende Fälle verwiesen: J 12/80, ABl. EPA 1981, 143; J 4/82, ABl. EPA 1982, 385; J 14/82, ABl. EPA 1983, 121; J 3/82, ABl. EPA 1983, 107 sowie die unveröffentlichte Entscheidung J 11/89 vom 26. Oktober 1989.) In diesen Fällen habe das Erfordernis einer Unterrichtung der Öffentlichkeit hinter dem berechtigten Interesse des Anmelders zurückstehen müssen. Die Anmelderin machte geltend, daß auch im vorliegenden Fall eine Ausnahme gerechtfertigt sei, da der Prioritätstag, dessen Hinzufügung beantragt werde, nur vier Tage vor dem bereits beanspruchten Prioritätstag liege und sich weder die Veröffentlichung der internationalen Anmeldung noch der Eintritt in die regionale Phase verzögert habe. Außerdem hätte die informierte Öffentlichkeit einen Fehler im Prioritätsanspruch für möglich halten können, da es sich bei der beanspruchten Priorität um eine Continuation-in-part-Anmeldung gehandelt habe. Schließlich hätte die Öffentlichkeit auch hinreichend unterrichtet werden können, wenn im Europäischen Patentblatt in die Bekanntmachung über den Eintritt in die regionale Phase, wie ein Jahr vor der Bekanntmachung beantragt, ein entsprechender Hinweis aufgenommen worden wäre. Die Öffentlichkeit verlasse sich auf die nach dem Eintritt in die regionale Phase bekanntgemachten Angaben über eine Euro-PCT-Anmeldung und nicht auf die veröffentlichte internationale Anmeldung. Zu dem Zeitpunkt, zu dem eine internationale Anmeldung veröffentlicht werde, sei ja keineswegs sicher, ob die PCT-Anmeldung in die europäische Phase einmünde und welche europäischen Staaten gegebenenfalls benannt würden. Die Öffentlichkeit benutze das Patentblatt oder das Register des EPA, um zu klären, ob es eine europäische Patentanmeldung gebe.

IX. Gemäß Artikel 12a der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (ABl. EPA 1989, 361) wurde der Präsident des EPA auf eigenen Antrag aufgefordert, sich zum vorliegenden und zu drei weiteren anhängigen Fällen zu äußern, in denen es um Unrichtigkeiten in den Prioritätserklärungen ging. Zwei dieser Fälle, nämlich J 3/91 (Uni-Charm) und J 2/92 (United States), betrafen Schreibfehler beim Prioritätstag und beim Aktenzeichen der prioritätsbegründenden Anmeldung. Über solche Fälle hatte die Juristische Beschwerdekammer bislang noch nicht zu entscheiden. In allen bisherigen die Priorität betreffenden Streitsachen hatte der Tag oder Staat der früheren Anmeldung ganz gefehlt. So verhält es sich auch in einem vierten von der Kammer zu entscheidenden Fall (J 9/91 (Lochridge)).

X. Der Präsident des EPA nahm schriftlich zu diesen Beschwerdesachen Stellung und war auch in der mündlichen Verhandlung vertreten. Er stellte sich auf den Standpunkt, daß bei Unrichtigkeiten im Prioritätsanspruch zwischen (a) einer unrichtigen Angabe von Tag, Staat oder Aktenzeichen der früheren Anmeldung in der Prioritätserklärung und (b) einer bei Einreichung der europäischen Anmeldung fehlenden Angabe des betreffenden Tags oder Staats unterschieden werden müsse. Bei Unrichtigkeiten der erstgenannten Art, wie sie in den Sachen J 3/91 (Uni-Charm) und J 2/92 (United States) vorlägen, sei eine Berichtigung nach Regel 88 Satz 1 EPÜ grundsätzlich möglich.

Bei den (unter b angesprochenen) Unrichtigkeiten der zweiten Art - wie sie im vorliegenden Fall J 6/91 gegeben sind - sei eine Berichtigung im Wege der Wiedereinsetzung nach Artikel 122 EPÜ ausgeschlossen, weil Regel 38 (2) EPÜ keine Frist setze. Es könne aber eine Berichtigung gemäß Regel 88 Satz 1 EPÜ vorgenommen werden. Hier müsse allerdings im Interesse Dritter eine Zeitgrenze beachtet werden. Sie sei so festzulegen, daß die mit der frühesten Priorität beginnende 18monatige Veröffentlichungsfrist eingehalten werden könne. Daher sei eine Berichtigung im vorliegenden Fall J 6/91 seines Erachtens nicht möglich.

XI. Die Juristische Beschwerdekammer trifft hiermit eine Entscheidung in der Sache J 6/91 (Du Pont). Zeitgleich entscheidet sie auch über die Fälle J 3/91 (Uni-Charm) und J 9/91 (Lochridge). Über jede Beschwerde wird nach Sachlage des jeweiligen Einzelfalls befunden. Da bei der Kammer zur Zeit aber eine ganze Reihe von Anträgen auf Berichtigung von Prioritätserklärungen anhängig sind, erscheint es ihr zweckmäßig, bei dieser Gelegenheit ihre bisherige einschlägige Rechtsprechung zu überdenken und die bei Anträgen auf Berichtigung von Mängeln nach Regel 88 EPÜ anzuwendenden Rechtsvorschriften und Verfahren weiter auszulegen. In die vorliegende Entscheidung sind auch allgemeine Überlegungen und Rechtsgrundsätze eingeflossen, die für alle vorstehend genannten Fälle gelten.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2.1 Die Rechtsprechung der Juristischen Beschwerdekammer zur Berichtigung von Fehlern und Unrichtigkeiten in den beim EPA eingereichten Unterlagen gemäß Regel 88 EPÜ hat sich seit 1980 von Fall zu Fall herausgebildet. Die ersten Entscheidungen betrafen Anträge auf Berichtigung der Staatenbenennung in europäischen Patentanmeldungen. Die damals aufgestellten Grundsätze wurden später auch auf Fälle angewandt, in denen die Prioritätserklärungen Fehler bezüglich Tag oder Staat der früheren Anmeldung aufwiesen, deren Berichtigung beantragt wurde.

2.2 In der ersten Beschwerdesache zu Regel 88 EPÜ, J 8/80 (ABl. EPA 1980, 293), erläuterte die Kammer daher zunächst die anzuwendende Rechtsnorm und das bei Anträgen nach Regel 88 EPÜ durchzuführende Verfahren. Sie stellte für alle Fälle dieser Art die folgenden allgemeinen Grundsätze auf:

(1) Eine Unrichtigkeit im Sinne der Regel 88 EPÜ in einer beim EPA eingereichten Unterlage liegt dann vor, wenn die Unterlage nicht die wirkliche Absicht desjenigen wiedergibt, für den sie eingereicht worden ist. Die Unrichtigkeit kann eine unrichtige Angabe sein oder sich aus einer Auslassung ergeben. Die Berichtigung kann daher in der Weise erfolgen, daß die unrichtige Angabe richtiggestellt oder die weggelassene Angabe hinzugefügt wird (Nr. 4 der Entscheidungsgründe).

(2) Damit die Berichtigung zugelassen werden kann, muß für das EPA feststehen, daß eine Unrichtigkeit vorliegt, worin sie besteht und wie sie berichtigt werden soll (Nr. 5 der Entscheidungsgründe).

(3) Wenn die geltend gemachte Unrichtigkeit nicht klar auf der Hand liegt oder nicht sofort erkennbar ist, daß nichts anderes beabsichtigt gewesen sein konnte als das, was als Berichtigung vorgeschlagen wird, müssen hohe Anforderungen an die Beweislast gestellt werden. Bestimmungen, die die Berichtigung von Unrichtigkeiten erleichtern sollen, dürfen nicht dazu benutzt werden, einem Beteiligten, der seine Meinung geändert oder seine Pläne weiter ausgestaltet hat, die Durchsetzung seiner neuen Vorstellungen zu ermöglichen (Nr. 6 der Entscheidungsgründe).

Im damaligen Fall, in dem zwischen dem Berichtigungsantrag und der Einreichung der Anmeldung nicht einmal ein Monat vergangen war, brauchte nach Feststellung der Kammer nicht geklärt zu werden, ob das Recht auf Berichtigung gewissen natürlichen zeitlichen Beschränkungen unterliegt, weil die Berichtigung unverzüglich beantragt worden war (Nr. 10 der Entscheidungsgründe).

2.3 Im nächsten einschlägigen Fall, J 12/80 (ABl. EPA 1981, 143), stellte die Juristische Beschwerdekammer unter Verweis auf diese Aussage fest: "In dem vorliegenden Fall besteht kein Zweifel, daß die Berichtigung unverzüglich beantragt wurde ..." (Nr. 7 der Entscheidungsgründe). Im Leitsatz wurde diese Feststellung wie folgt ausgelegt: "Die Berichtigung von Unrichtigkeiten im Erteilungsantrag einer europäischen Patentanmeldung ist, wenn der Antrag auf Berichtigung unverzüglich gestellt wird, ... nicht ausgeschlossen".

In dieser Sache war die Anmeldung ohne Benennung der Schweiz veröffentlicht worden, während die Beschwerde noch anhängig war. In diesem Zusammenhang stellte sich auch die Frage des öffentlichen Interesses an Rechtssicherheit. Da die Beschwerdeführerin aber keine Kontrolle über die Veröffentlichung hatte, wäre es nach Ansicht der Kammer ungerecht gewesen, ihr die Berichtigung der Unrichtigkeit, auf die sie grundsätzlich Anspruch hatte, wegen der zwischenzeitlich erfolgten Veröffentlichung zu versagen.

Die Kammer gelangte schließlich zu folgendem Schluß: "Allerdings enthält Regel 88 EPÜ keine ausdrückliche Vorschrift zum Schutz Dritter wie Artikel 122 (6) EPÜ, wo vergleichbare Fälle im Zusammenhang mit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand behandelt werden. Mangels einer besonderen Vorschrift im Europäischen Patentübereinkommen muß die Entscheidung der Frage, wie Probleme der Rechte Dritter im Fall von Berichtigungen gelöst werden können, den zuständigen nationalen Gerichten überlassen bleiben" (Nr. 9 der Entscheidungsgründe).

2.4 Zur weiteren Klarstellung dieser Rechtsprechung trug der Fall J 3/81 (ABl. EPA 1982, 100) bei. In dieser Sache wurden zwei Grundsätze herausgearbeitet, die die Juristische Beschwerdekammer in der Folge konsequent angewandt hat:

(1) Ein Antrag, eine Unrichtigkeit bei der Benennung von Staaten in einer europäischen Patentanmeldung durch Hinzufügung der Benennung eines weiteren Staats zu berichtigen, ist in der Regel im Interesse der Öffentlichkeit abzuweisen, wenn er so spät gestellt wird, daß der Anmeldung in der veröffentlichten Form kein entsprechender Hinweis für Dritte beigefügt werden kann (Nr. 6 der Entscheidungsgründe).

(2) Gilt eine nach dem PCT eingereichte internationale Anmeldung als europäische Patentanmeldung, so muß im Interesse der Öffentlichkeit dieselbe Grundregel Anwendung finden, obgleich die Veröffentlichung durch das Internationale Büro der WIPO zwangsläufig bereits erfolgt ist, bevor der Anmelder beim EPA einen Antrag auf Berichtigung etwaiger Unrichtigkeiten in der Anmeldung stellen kann. Der Anmelder kann das Internationale Büro jedoch um Veröffentlichung eines entsprechenden Hinweises ersuchen; in diesem Fall könnte einem Antrag auf Berichtigung nach Regel 88 EPÜ stattgegeben werden (Nr. 9 der Entscheidungsgründe).

2.5 In zwei Entscheidungen vom 21. Juli 1982 (J 4/82, ABl. EPA 1982, 385) bzw. 19. Januar 1983 (J 14/82, ABl. EPA 1983, 121) vertrat die Juristische Beschwerdekammer die Auffassung, daß die für die Berichtigung der Benennung von Staaten aufgestellten Bedingungen auch für Anträge auf Berichtigung von Prioritätserklärungen gelten müßten. In den beiden Entscheidungen gab die Kammer den Berichtigungsanträgen statt und erklärte, daß eine Unrichtigkeit einer Prioritätserklärung nach Regel 88 Satz 1 EPÜ berichtigt werden könne, sofern der Berichtigungsantrag so rechtzeitig gestellt werde, daß in die Veröffentlichung der Anmeldung ein entsprechender Hinweis aufgenommen werden könne. Bei beiden Entscheidungen ging es um mehrere Prioritäten, und in beiden Fällen war die jeweils früheste Priorität schon im unberichtigten Erteilungsantrag beansprucht worden, während spätere Prioritäten vergessen worden waren. Daher blieb der Zeitpunkt für die Veröffentlichung der Anmeldung, die nach Artikel 93 (1) EPÜ unverzüglich nach Ablauf von 18 Monaten nach dem Prioritätstag erfolgen soll, von der Zulassung oder Ablehnung des Berichtigungsantrags unberührt.

In der Sache J 14/82 stellte die Kammer ferner fest, daß in Fällen, in denen kein Hinweis veröffentlicht worden sei, unter Würdigung aller etwaigen besonderen Umstände geprüft werden müsse, ob bei Zulassung der Berichtigung das Interesse der Öffentlichkeit verletzt würde (Nr. 5 der Entscheidungsgründe).

2.6 Der erste Fall, in dem die erste (und zugleich die einzige) Priorität vergessen worden war, die Sache J 3/82, wurde am 16. Februar 1983 entschieden (ABl. EPA 1983, 171). Die Berichtigung der fehlenden Angabe wurde hier zugelassen, obwohl kein Hinweis veröffentlicht worden war, da das EPA die unterbliebene Veröffentlichung zu verantworten hatte. Die Kammer ließ die Berichtigung als Ausnahme von dem allgemeinen Grundsatz zu, den sie im Leitsatz wie folgt formulierte: "Wird im Erteilungsantrag versehentlich ein Prioritätsanspruch weggelassen und würde die Berichtigung des Versehens zu einer Vorverlegung des in Artikel 93 (1) EPÜ vorgesehenen Veröffentlichungstags der Anmeldung führen, dann muß der Berichtigungsantrag beim EPA so rechtzeitig eingehen, daß die Anmeldung zusammen mit dem erforderlichen Hinweis für die Öffentlichkeit, daß ein Berichtigungsantrag gestellt worden ist, zum vorgeschriebenen Zeitpunkt veröffentlicht werden kann."

Der Grundsatz, daß ein Antrag auf Berichtigung eines Prioritätsanspruchs so rechtzeitig gestellt werden muß, daß in die Anmeldung in der veröffentlichten Fassung ein entsprechender Hinweis aufgenommen werden kann, wurde auch in der am 29. November 1985 entschiedenen Sache J 21/84 (ABl. EPA 1986, 75) befolgt.

In der Entscheidung J 8/89 vom 4. Juli 1989 (EPOR 1990, 55), in der es um die Berichtigung einer Staatenbenennung ging, stellte die Kammer folgendes fest: "Einem fest verankerten Grundsatz zufolge wird die Benennung von Staaten - sofern keine besonderen Umstände vorliegen - nicht berichtigt, wenn der Berichtigungsantrag so spät gestellt wird, daß in der Veröffentlichung der Anmeldung nicht mehr auf ihn hingewiesen werden kann." Besondere Umstände sah die Kammer dann gegeben, "wenn die Veröffentlichung vorzeitig erfolgte oder mit Fehlern behaftet war, der Anmelder oder sein Vertreter dies jedoch nicht zu vertreten hatte" (Nr. 3 der Entscheidungsgründe).

2.7 Der letzte Fall, in dem die Berichtigung einer Prioritätserklärung zur Diskussion stand, war die am 26. Oktober 1989 entschiedene Sache J 11/89 (unveröffentlicht). In diesem Fall hatte es die Anmelderin versäumt, eine zweite, spätere japanische Priorität zu beanspruchen, und hatte erst nach Veröffentlichung der Anmeldung einen Berichtigungsantrag gestellt. Allerdings hatte sie dem EPA zugleich mit einer Abschrift der ordnungsgemäß beanspruchten Prioritätsunterlage innerhalb der in Artikel 38 (3) EPÜ festgelegten Frist von 16 Monaten auch eine Abschrift der späteren japanischen Prioritätsunterlage übermittelt. Die Eingangsstelle hatte diese Unstimmigkeit bemerkt, jedoch nichts unternommen, um die Anmelderin darauf aufmerksam zu machen. Die Kammer ließ die Berichtigung zu, obwohl sie erst nach Veröffentlichung der Anmeldung ohne einen entsprechenden Hinweis für die Öffentlichkeit beantragt worden war, weil in diesem Fall besondere Umstände vorlagen: Zum einen ließ nichts darauf schließen, daß es der Vertreter an Sorgfalt hätte mangeln lassen; zum anderen wäre es nur recht und billig und im Sinne des Vertrauensschutzes gewesen, wenn die Eingangsstelle die Anmelderin auf die Unstimmigkeit aufmerksam gemacht hätte; und schließlich war die frühere Prioritätsunterlage in der Veröffentlichung richtig angegeben und nur die spätere prioritätsbegründende Anmeldung vergessen worden.

2.8 In der neueren Sache J 7/90 (ABl. EPA 1993, 133), die die Berichtigung einer Staatenbenennung betraf und am 8. August 1991 entschieden wurde, hielt die Kammer an dem Erfordernis fest, daß ein Berichtigungsantrag so frühzeitig gestellt werden muß, daß in der veröffentlichten europäischen Patentanmeldung ein entsprechender Hinweis gegeben werden kann.

3. Somit läßt sich die bisherige, seit 1980 entwickelte Rechtsprechung der Juristischen Beschwerdekammer zur Berichtigung von Mängeln bei Staatenbenennungen und Prioritätsansprüchen gemäß Regel 88 EPÜ wie folgt zusammenfassen:

(1) Eine Unrichtigkeit liegt vor, wenn eine beim EPA eingereichte Unterlage nicht die wirkliche Absicht desjenigen wiedergibt, für den sie eingereicht worden ist.

(2) Eine Unrichtigkeit kann eine unrichtige Angabe sein oder sich aus einer Auslassung ergeben.

(3) An die vom Antragsteller zu erbringenden Beweise dafür, daß eine Unrichtigkeit vorliegt, worin sie besteht und wie sie berichtigt werden soll, sind hohe Anforderungen zu stellen; Regel 88 EPÜ darf nicht dazu benutzt werden, einem Beteiligten, der seine Meinung geändert oder seine Pläne weiter ausgestaltet hat, die Durchsetzung seiner neuen Vorstellungen zu ermöglichen.

(4) Der Berichtigungsantrag muß unverzüglich und, sofern keine besonderen Umstände vorliegen, so rechtzeitig gestellt werden, daß in die Veröffentlichung der Anmeldung ein entsprechender Hinweis aufgenommen werden kann.

(5) Bei internationalen Anmeldungen nach dem PCT tritt gemäß Artikel 158 (1) EPÜ die Veröffentlichung durch das Internationale Büro der WIPO nach Artikel 21 PCT an die Stelle der Veröffentlichung im Europäischen Patentblatt.

(6) Wird kein Hinweis veröffentlicht, so ist zu prüfen, ob das Interesse der Öffentlichkeit verletzt würde, wenn die Berichtigung zugelassen würde; bisher wurde die Berichtigung einer Priorität ohne entsprechenden Hinweis für die Öffentlichkeit nur dann zugelassen, wenn die vorstehenden Bedingungen erfüllt waren und folgende besondere Umstände vorlagen:

i) Das EPA war mitverantwortlich dafür, daß kein Hinweis veröffentlicht wurde, und/oder

ii) das Interesse der Öffentlichkeit wurde nicht ernsthaft verletzt, da beispielsweise die Unrichtigkeit aus der veröffentlichten Anmeldung ohne weiteres ersichtlich war, nur eine zweite oder spätere Priorität hinzugefügt wurde oder die Öffentlichkeit auf andere Weise über den vollen Umfang des Schutzbegehrens unterrichtet worden war.

Im Zusammenhang mit der Aussage unter Ziffer i gilt es allerdings zu bedenken, daß die dem EPA in diesen früheren Entscheidungen zugeschriebene Mitverantwortung auf die anfängliche Unsicherheit des Amts über die richtige Vorgehensweise zurückzuführen ist, da damals die Rechtslage bei der Berichtigung von Mängeln nach Regel 88 EPÜ noch unklar war und die Praxis des EPA noch nicht feststand (vgl. J 21/84, Nr. 5 der Entscheidungsgründe).

4. Bisher betrafen die meisten Berichtigungsanträge nach Regel 88 EPÜ, über die die Kammer zu entscheiden hatte, die Benennung von Staaten und die Prioritätserklärung. In sämtlichen Fällen, in denen die Berichtigung von Fehlern bei der Inanspruchnahme einer Priorität beantragt wurde, war der Tag oder der Staat einer früheren Anmeldung weggelassen worden. Wie vorstehend unter Nummer IX erwähnt, liegen der Kammer nun aber Fälle vor, in denen beantragt wird, den aufgrund von Schreibfehlern in der Erklärung unrichtig angegebenen Tag oder Staat früherer Anmeldungen zu berichtigen, so daß geprüft werden muß, ob und inwieweit für die Berichtigung solcher Mängel möglicherweise andere Erfordernisse gelten als für die von Auslassungen. Wie die Kammer diese Frage entschieden hat, hat sie in der Sache J 3/91 (Uni-Charm) dargelegt.

5.1 Unter Anwendung der in der Rechtsprechung der Kammer aufgestellten Bedingungen für die Berichtigung einer weggelassenen Priorität, wie sie vorstehend unter Nummer 3 umrissen sind, steht für die Kammer im vorliegenden Fall zunächst einmal fest, daß eine Unrichtigkeit vorliegt, worin sie besteht und wie sie berichtigt werden soll. Die Anmelderin/Beschwerdeführerin hat vergessen, die Priorität einer früheren Anmeldung zu beanspruchen, deren Anmeldetag vier Tage vor dem Anmeldetag der in der internationalen Anmeldung tatsächlich beanspruchten Prioritätsunterlage liegt. Der Berichtigungsantrag wurde jedoch nicht so rechtzeitig gestellt, daß in die Veröffentlichung der Anmeldung durch das Internationale Büro der WIPO (in diesem Fall die gemäß Artikel 158 (1) EPÜ maßgebliche Veröffentlichung) ein entsprechender Hinweis hätte aufgenommen werden können.

5.2 Daher stellt sich nun die Frage, ob das Interesse der Öffentlichkeit bei Zulassung der Berichtigung verletzt würde und ob besondere Umstände vorliegen, die eine Ausnahme von der allgemeinen Regel rechtfertigen, wonach der Berichtigungsantrag so rechtzeitig zu stellen ist, daß in die Veröffentlichung der Anmeldung ein entsprechender Hinweis aufgenommen werden kann. Bei der Entscheidung hierüber trägt die Kammer dem Umstand Rechnung, daß, wie vorstehend (unter Nr. 2.3) dargelegt, die Beantwortung der Frage, wie Probleme der Rechte Dritter gelöst werden können, den zuständigen nationalen Gerichten überlassen bleiben muß, da Regel 88 EPÜ keine ausdrückliche Vorschrift zum Schutz Dritter enthält (vgl. J 12/80). Die Kammer ist auch zu dem Schluß gelangt, daß solche Rechte hinreichend geschützt werden könnten, wenn ein nationales Gericht Artikel 122 (6) EPÜ entsprechend anwenden würde (vgl. J 10/87, ABl. EPA 1989, 323).

5.3 Die Anmelderin hat geltend gemacht, daß Regel 88 Satz 1 EPÜ Berichtigungen nicht von der Einhaltung einer Zeitgrenze abhängig mache, sondern ihre Zulassung vielmehr von Fall zu Fall in das Ermessen des Amts stelle. Sie hat sich auch auf Artikel 150 (3) EPÜ berufen, wonach eine internationale Anmeldung, für die das EPA als Bestimmungsamt oder ausgewähltes Amt tätig wird, als europäische Patentanmeldung gilt. Demnach hätte die Veröffentlichung eines Hinweises im Europäischen Patentblatt ausgereicht. In bezug auf diese Argumente hält die Kammer an ihrer bisherigen Rechtsprechung fest. In der bereits angeführten Sache J 7/90 hat die Kammer hierzu folgendes festgestellt: "Regel 88 Satz 1 EPÜ zwingt das EPA keineswegs dazu, Berichtigungen von Fehlern jedweder Art zu jeder Zeit zuzulassen. Aus den drei Texten dieser Regel ("können" - "may be" - "peuvent") ergibt sich, daß die Zulassung bestimmter Arten von Berichtigungen in das Ermessen des EPA gestellt ist. Dies bedeutet auch, daß die Berichtigung von Bedingungen abhängig gemacht werden kann. Eine Zeitgrenze ist eine angemessene Bedingung, um die ... Berichtigung überhaupt möglich zu machen" (Nr. 2.2 der Entscheidungsgründe). Eine von der Juristischen Beschwerdekammer im Interesse der Öffentlichkeit vorgegebene Zeitgrenze kann wohl kaum willkürlich genannt werden. Die Veröffentlichung eines Hinweises in dem Europäischen Patentblatt, in dem die internationale Anmeldung bekanntgemacht wird, stellt keine Alternative dar; gemäß Artikel 158 EPÜ tritt nämlich, wie vorstehend erläutert, die Veröffentlichung einer Euro-PCT- Anmeldung nach Artikel 21 PCT an die Stelle der Veröffentlichung der europäischen Patentanmeldung.

5.4 Die Beschwerdeführerin hat beantragt, in diesem Fall ausnahmsweise von dem Grundsatz abzuweichen, daß die Öffentlichkeit entsprechend unterrichtet werden muß, und hat sich dabei auf frühere Entscheidungen berufen, in denen dem berechtigten Interesse des Anmelders Vorrang vor der Verpflichtung zur Unterrichtung der Öffentlichkeit eingeräumt worden war. Sie hat vorgebracht, daß der weggelassene Prioritätstag nur vier Tage vor dem tatsächlich beanspruchten Prioritätstag liege und die informierte Öffentlichkeit einen Fehler im Prioritätsanspruch hätte für möglich halten können, weil die internationale Anmeldung eine Continuation-in-part- Anmeldung der vergessenen prioritätsbegründenden Anmeldung sei, auf die im ersten Absatz der Beschreibung der veröffentlichten internationalen Anmeldung im einzelnen Bezug genommen werde. Dadurch sei die Öffentlichkeit hinreichend gewarnt gewesen. Der Umstand, daß der vergessene Prioritätstag nur vier Tage weiter zurückliegt, hilft der Beschwerdeführerin allein nicht. In der Sache J 14/82 hat die Kammer in diesem Zusammenhang folgendes festgestellt: "Eine europäische Patentanmeldung wird deshalb unverzüglich veröffentlicht (Art. 93 EPÜ), damit die Öffentlichkeit von der möglichen Entstehung eines europäischen Patents in Kenntnis gesetzt wird. Für die Unterrichtung der Öffentlichkeit sind jedoch nicht nur der technische Gehalt und die benannten Staaten, sondern auch der Anmeldetag und etwaige Prioritätstage von Bedeutung. Grundsätzlich hat die Öffentlichkeit Anspruch darauf, daß die veröffentlichten Informationen richtig und vollständig sind" (Nr. 6 der Entscheidungsgründe). Im Falle einer ersten oder einzigen Priorität kommt diesem Grundsatz nach Ansicht der Kammer im Interesse der Öffentlichkeit vorrangige Bedeutung zu, es sei denn, aus der veröffentlichten Anmeldung ist ohne weiteres ersichtlich, daß die erste oder die einzige Priorität möglicherweise fehlt, falsch ist oder mit falschem Anmeldetag angegeben ist (wie beispielsweise bei der unrichtigen Übertragung eines japanischen Datums in der Sache J 3/91 (Uni-Charm)).

5.5 Die Beschwerdeführerin argumentiert, die veröffentlichte Anmeldung habe im vorliegenden Fall ohne weiteres erkennen lassen, daß die frühere Priorität fehlte. Die internationale Anmeldung, für die tatsächlich nur die Priorität einer Continuation-in-part-Anmeldung vom 8. Februar 1988 beansprucht worden sei, sei nämlich selbst als Continuation-in-part-Anmeldung bezeichnet worden, wie der Überschrift und dem ersten Absatz der veröffentlichten Beschreibung zu entnehmen sei, die wie folgt lauteten:

Hintergrund der Erfindung

Verweise auf verwandte Anmeldung

Diese Anmeldung ist eine Continuation-in-part-Anmeldung der Anmeldung Nr. (CR-8641), die am 4. Februar 1988 eingereicht wurde."

Nach Auffassung der Kammer gibt die Bezeichnung der internationalen Anmeldung als Continuation-in-part-Anmeldung der informierten Öffentlichkeit allein noch keinen ausreichenden Hinweis darauf, daß möglicherweise die erste Priorität fehlt. Eine Continuation-in-part-Anmeldung ist eine zweite Anmeldung, die einen wesentlichen Teil der früheren oder die gesamte frühere Anmeldung aufgreift und zusätzlich einen dort nicht offenbarten Gegenstand enthält. Für Ansprüche, die auf den in der Continuation-in-part-Anmeldung neu hinzugekommenen Gegenstand gerichtet sind, gilt der Anmeldetag der Continuation-in-part- Anmeldung, nicht derjenige der Hauptanmeldung (s. Chisum, Patents, Band 4, 1992, 13.03 [3]). Nur weil die Anmeldung, deren Priorität beansprucht wurde, eine Continuation-in-part-Anmeldung war, wäre man also nicht zwangsläufig darauf gekommen, daß es eine frühere Priorität gab, die eigentlich hätte beansprucht werden sollen. Unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falls ist die Kammer jedoch der Meinung, daß die informierte Öffentlichkeit aufgrund der Bezeichnung der internationalen Anmeldung als Continuation-in-part-Anmeldung sowie weiterer für den Leser aus den ersten beiden Seiten der veröffentlichten internationalen Anmeldung ersichtlicher Fakten durchaus auf eine möglicherweise fehlende erste Priorität oder einen Schreibfehler schließen konnte. Dabei handelt es sich um folgende Fakten:

Der tatsächlich beanspruchte Prioritätstag und der Anmeldetag der früheren Anmeldung, als deren Continuation-in-part-Anmeldung die internationale Anmeldung bezeichnet wurde, lagen nur vier Tage auseinander (8. bzw. 4. Februar), was ungewöhnlich ist; der Anmeldetag der internationalen Anmeldung war der 3. Februar 1989, lag also noch innerhalb des Prioritätsjahres der Anmeldung vom 4. Februar 1988, deren Priorität somit noch beansprucht werden konnte.

Der Umstand, daß die internationale Anmeldung am 3. Februar 1989 eingereicht wurde, läßt vermuten, daß die Anmelderin eine Priorität vom 4. Februar 1988 beanspruchen wollte, also die erste Priorität fehlte. Die informierte Öffentlichkeit hätte sich die Unstimmigkeit auch damit erklären können, daß bei der Angabe des 8. Februar als Tag der tatsächlich beanspruchten Priorität ein Schreibfehler unterlaufen war. Zu dieser Schlußfolgerung könnte man gelangen, weil aus der veröffentlichten Anmeldung nicht hervorgeht, ob es sich bei der Anmeldung, deren Priorität beansprucht wurde, und der ursprünglichen Anmeldung, als deren Continuation-in-part-Anmeldung die vorliegende Anmeldung bezeichnet wird, um ein und dieselbe Anmeldung handelte (da für letztere nur die laufende Nummer der Anmelderin angegeben war).

5.6 Die Kammer hält es daher im vorliegenden Fall für gerechtfertigt, als Ausnahme von der allgemeinen Regel, wonach ein Berichtigungsantrag so rechtzeitig gestellt werden muß, daß in die Veröffentlichung der Anmeldung ein entsprechender Hinweis aufgenommen werden kann, die beantragte Berichtigung durch Hinzufügung des vergessenen Prioritätstags zuzulassen. Nach Überzeugung der Kammer wird das Interesse der Öffentlichkeit hinreichend geschützt, weil aus der veröffentlichten Anmeldung ohne weiteres ersichtlich war, daß bei der Angabe des beanspruchten Prioritätstags möglicherweise ein Fehler unterlaufen war. Die Kammer hat dabei auch berücksichtigt, daß die Anmelderin/Beschwerdeführerin unverzüglich tätig geworden ist und daß sich das Patenterteilungsverfahren sowie der Eintritt in die regionale Phase einschließlich der Veröffentlichung der Anmeldung nach 18 Monaten in keiner Weise verzögert haben.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Es wird angeordnet, das am 3. Februar 1989 eingereichte Antragsformblatt gemäß Artikel 4 PCT für die internationale Anmeldung Nr. PCT/US 89/00355 (die spätere europäische Patentanmeldung Nr. 89 902 578.7) für das Europäische Patentamt als Bestimmungsamt in der Weise zu berichtigen, daß im Feld Nr. VI auf Seite 4 die Prioritätsangaben der am 4. Februar 1988 eingereichten amerikanischen Patentanmeldung Nr. 0 152 186 hinzugefügt werden.

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