J 0008/82 (Erfindernennung) of 8.11.1983

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1983:J000882.19831108
Datum der Entscheidung: 08 November 1983
Aktenzeichen: J 0008/82
Anmeldenummer: 81302677.0
IPC-Klasse: -
Verfahrenssprache: EN
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Fassungen: OJ
Bezeichnung der Anmeldung: -
Name des Anmelders: Fujitsu
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.1.01
Leitsatz: 1. Nach Regel 19(1) EPÜ ist die Zustimmung des "zu Unrecht als Erfinder Genannten" zur Berichtigung einer Erfindernennung erforderlich. Ein bereits als Erfinder Genannter, dessen Name nicht aus der Erfindernennung gestrichen werden soll, ist kein "zu Unrecht Genannter" im Sinne dieser Regel; seine Zustimmung zur Aufnahme eines weiteren Erfinders in die Erfindernennung ist somit nicht erforderlich.
2. Wird der Antrag auf Änderung der Erfindernennung zu einem Zeitpunkt gestellt, zu dem die Eingangsstelle noch für die Formalprüfung und die Veröffentlichung der europäischen Patentanmeldung zuständig ist, so hat die Eingangsstelle die Entscheidung über den Antrag zu treffen, und zwar auch dann noch, wenn die Zuständigkeit für die weitere Prüfung der Anmeldung bereits auf die Prüfungsabteilung übergegangen ist.
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 16
European Patent Convention 1973 Art 20
European Patent Convention 1973 Art 62
European Patent Convention 1973 Art 81
European Patent Convention 1973 R 19(1)
European Patent Convention 1973 R 42(1)
VCLT
Schlagwörter: Erfindernennung/Zustimmung zur Berichtigung
Berichtigung/Zuständigkeit Eingangsstelle/Rechtsabteilung
Zuständigkeit/Berichtigung/Eingangsstelle/Rechtsabteilung
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
G 0002/12
G 0002/13
G 0001/18
G 0003/19
J 0005/01
J 0008/20
J 0009/20
R 0001/10

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin reichte am 16. Juni 1981 die europäische Patentanmeldung Nr. 81 302 677.0 ein, die die Priorität einer am 16. Juni 1980 eingereichten japanischen nationalen Patentanmeldung in Anspruch nimmt. In der zusammen mit der europäischen Patentanmeldung eingereichten Erfindernennung waren acht Erfinder aufgeführt. In der japanischen nationalen Patentanmeldung war zusätzlich ein neunter Erfinder genannt.

II. Am 28. September 1981 reichte die Beschwerdeführerin eine beglaubigte Kopie der Prioritätsunterlagen mit einer englischen Übersetzung und einer geänderten Erfindernennung ein, in die zusätzlich der Name des neunten Erfinders aufgenommen worden war. Sie behauptete, dieser Name sei versehentlich nicht in die ursprünglich eingereichte Erfindernennung aufgenommen worden.

III. Am 30. September 1981 wies die Eingangsstelle des EPA die Vertreter der Beschwerdeführerin schriftlich darauf hin, daß Regel 19 (1) EPÜ zur Anwendung komme und die Berichtigung der Erfindernennung nicht ohne Zustimmungserklärung jedes der ursprünglich genannten Erfinder vorgenommen werden könne.

IV. Am 9. Oktober 1981 erwiderten die Vertreter der Beschwerdeführerin auf das Schreiben der Eingangsstelle, daß sie zu keinem Zeitpunkt eine unrichtige, sondern nur eine unvollständige Erfindernennung eingereicht hätten und daß das EPÜ und seine Ausführungsordnung als einziges einschlägiges Erfordernis vorschrieben, daß alle Erfinder innerhalb von 16 Monaten ab dem Prioritätsdatum genannt werden müßten.

V. Die Eingangsstelle antwortete darauf mit Schreiben vom 28. Oktober 1981, daß eine Erfindernennung, die nicht die Namen aller Erfinder enthalte, unrichtig sei und die Ergänzung einer unvollständigen Erfindernennung eine Berichtigung darstelle. Dementsprechend komme Regel 19 (1) EPÜ zur Anwendung, wonach zur Berichtigung der Erfindernennung die schriftliche Zustimmung der ursprünglich als Erfinder Genannten erforderlich sei.

VI. Die europäische Patentanmeldung wurde am 23. Dezember 1981 mit der nur acht Namen enthaltenden ursprünglichen Erfindernennung veröffentlicht.

VII. Am 29. Dezember 1981 schrieben die Vertreter der Beschwerdeführerin an die Eingangsstelle, daß selbst für den Fall, daß Regel 19 (1) EPÜ zur Anwendung komme, aus den Berichten der Münchner Diplomatischen Konferenz nicht hervorgehe, daß nach dieser Regel alle zu Recht genannten Erfinder der Hinzufügung eines weiteren Erfinders zustimmen müßten. Sie beantragten deshalb "eine Entscheidung nach Artikel 20" über "die Weigerung" der Eingangsstelle, "den Namen des neunten Erfinders in das Patentregister einzutragen".

VIII. Am 6. Januar 1982 entrichtete die Beschwerdeführerin die Prüfungsgebühr, wodurch der zusammen mit der europäischen Patentanmeldung eingereichte Prüfungsantrag wirksam wurde.

IX. Am 22. Februar 1982 traf die Eingangsstelle die angefochtene Entscheidung. Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Entscheidung über die verweigerte Eintragung eines Namens in das Patentregister werde so ausgelegt, als beziehe er sich auf den Antrag auf Berichtigung der Erfindernennung. Die Entscheidung darüber falle unter die Zuständigkeit der die Anmeldung bearbeitenden Stelle. Die zusammen mit der europäischen Patentanmeldung eingereichte Erfindernennung müsse die Namen aller Erfinder enthalten. Nach Regel 42 (1) EPÜ könnten nur die von der Eingangsstelle festgestellten Mängel innerhalb der 16monatsfrist nach Artikel 91 (5) berichtigt werden. Regel 19 (1) EPÜ komme im vorliegenden Fall zur Anwendung. Die Berichtigung der Erfindernennung durch Hinzufügung eines weiteren Namens erfordere die Zustimmung der bereits genannten Erfinder, da diese das Recht auf Erfindernennung mit dem neu genannten Erfinder teilen müßten. Da keine Zustimmungserklärungen eingereicht worden seien, müsse der Berichtigungsantrag zurückgewiesen werden.

X. Am 1. April 1982 reichte die Beschwerdeführerin Beschwerde ein und beantragte die Zurücknahme oder Aufhebung der Entscheidung und die Rückzahlung der Beschwerdegebühr. Die Beschwerdegebühr wurde rechtzeitig entrichtet.

XI. In der am 9. Juni 1982 eingereichten Beschwerdebegründung machte die Beschwerdeführerin folgendes geltend:

a) Die Eingangsstelle sei für Entscheidungen über Eintragungen in das Register nicht zuständig.

b) Davon abgesehen sei nach Regel 19 (1) EPÜ für die Berichtigung einer Erfindernennung nur die Zustimmung des "zu Unrecht als Erfinder Genannten" erforderlich. Die acht ursprünglich genannten Erfinder seien aber zu Recht genannt worden, auch wenn die Erfindernennung insgesamt unrichtig, weil unvollständig sei. Ein Erfinder brauche niemandes Zustimmung, um genannt zu werden; er habe darauf einen Anspruch gegenüber dem Patentanmelder oder -inhaber (vgl. Art. 62 EPÜ). Werde eine weitere Person genannt, so entstehe dem bereits genannten Erfinder dadurch kein Rechtsverlust. Die Beschwerdeführerin beantragte die Zurücknahme der Entscheidung der Eingangsstelle wegen Unzuständigkeit. Hilfsweise beantragte sie die Aufhebung der Entscheidung, weil sie rechtlich falsch sei. Sei beantragte nochmals die Rückzahlung der Beschwerdegebühr.

XII. Die Vertreter der Beschwerdeführerin beantragten mit Schreiben vom 23. März 1983 eine mündliche Verhandlung und erklärten, die Beschwerdeführerin habe bestätigt, daß die acht ursprünglich genannten Erfinder erforderlichenfalls der Nennung des neunten Erfinders zustimmen würden.

XIII. Die Juristische Beschwerdekammer forderte die Beschwerdeführerin auf, die Zustimmungserklärungen der acht Erfinder, soweit vorhanden, einzureichen; ihre Behauptung, daß eine Zustimmung nicht erforderlich sei, bleibe davon unberührt. Am 21. April 1983 wurde die Kopie einer Zustimmungserklärung der Erfinder, die nur vom Leiter der Patentabteilung der Beschwerdeführerin unterzeichnet war, bei der Geschäftsstelle der Beschwerdekammern eingereicht.

XIV. Die Juristische Beschwerdekammer wies in einer Mitteilung vor der mündlichen Verhandlung darauf hin, daß sie zu der Ansicht neige, die Eingangsstelle sei für die angefochtene Entscheidung zuständig gewesen; auch werde sie aufgrund der vorgebrachten Argumente wahrscheinlich ebenfalls die Auffassung vertreten, daß Regel 19 (1) EPÜ auf unvollständige Erfindernennungen anzuwenden sei. Das nur vom Leiter der Patentabteilung der Beschwerdeführerin unterzeichnete Dokument werde möglicherweise nicht als "Zustimmungserklärung des zu Unrecht als Erfinder Genannten" im Sinne der Regel 19 (1) EPÜ betrachtet.

XV. Bei der mündlichen Verhandlung am 13. Juli 1983 hielt der Vertreter der Beschwerdeführerin an dem bisherigen Vorbringen fest und machte zusätzlich geltend, daß nach den anerkannten Grundsätzen des internationalen Rechts über die Auslegung von Verträgen (wie es sich aus dem Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969 ergebe) ein Vertrag nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen sei. Nach der gewöhnlichen Bedeutung der Wendung "zu Unrecht als Erfinder Genannter" in Regel 19 (1) EPÜ im Zusammenhang mit Artikel 62 EPÜ und unter Berücksichtigung des Zweckes dieser Bestimmung sei damit eine Person gemeint, die als Erfinder genannt worden sei, ohne dazu nach Artikel 62 EPÜ berechtigt gewesen zu sein. Regel 19 (1) EPÜ schütze eine bereits genannte Person davor, daß die Nennung ohne ihre vorherige Zustimmung rückgängig gemacht werde. Sie berechtige aber eine bereits genannte Person nicht dazu, durch Verweigerung ihrer Zustimmung zu verhindern, daß eine weitere Person als Erfinder genannt werde. Dementsprechend seien im vorliegenden Fall keine Zustimmungserklärungen erforderlich.

XVI. Nach der mündlichen Verhandlung legte der Vertreter der Beschwerdeführerin einen Vermerk vor, in dem er ferner argumentierte, daß das Recht auf Erfindernennung kein Eigentumsrecht sei und deshalb der Gedanke, daß dieses Recht durch die Nennung weiterer Erfinder beeinträchtigt werden könnte, irrig sei. Er verwies ferner auf bis dahin noch nicht erwähnte Punkte in den Berichten der Münchner Diplomatischen Konferenz, aus denen hervorgehe, daß die obligatorische Erfindernennung in erster Linie sicherstellen solle, daß der Erfinder von der Anmeldung seiner Erfindung zum europäischen Patent unterrichtet werde. Auch deute nichts in den Konferenzberichten darauf hin, daß dem Ausdruck "zu Unrecht als Erfinder Genannter" eine andere Bedeutung als die in diesem Zusammenhang übliche beigemessen werden solle. Der Vertreter behauptete auch, daß die Einholung der Zustimmung eines Erfinders zur Nennung eines weiteren Erfinders den Gedanken nahelegen könne, der erste Erfinder solle bestätigen, daß eine andere Person einen erfinderischen Beitrag geleistet habe; dazu sei er aber in der Praxis möglicherweise nicht in der Lage, da ihm häufig der entsprechende Sachverhalt persönlich nicht bekannt sei. Schließlich führte der Vertreter aus, daß die Frage der Zuständigkeit der Eingangsstelle für den Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr von Bedeutung sei.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 und Regel 64 EPÜ; sie ist somit zulässig.

2. Nach Auffassung der Juristischen Beschwerdekammer war die Eingangsstelle befugt, die angefochtene Entscheidung zu treffen, da der Antrag auf Änderung der Erfindernennung sehr frühzeitig gestellt worden und die Eingangsstelle zu diesem Zeitpunkt für die Formalprüfung der europäischen Patentanmeldung zuständig war; sie war ferner für die Veröffentlichung der Anmeldung nach Artikel 16 EPÜ zuständig. Die Eingangsstelle war verpflichtet zu entscheiden, ob der ihr zugegangene Antrag auf Berichtigung der Erfindernennung zulässig war; im EPÜ gibt es keine Bestimmung, die die Eingangsstelle verpflichtet oder berechtigt, eine solche Entscheidung der Rechtsabteilung zu übertragen.

3. Die Kammer hat von Amts wegen ermittelt (vgl. Art. 114 (1) EPÜ), ob die Angelegenheit zu diesem Zeitpunkt an die Prüfungsabteilung hätte weitergeleitet werden müssen (vgl. Art. 18 (1) EPÜ), da die Eingangsstelle bis zum Wirksamwerden des Prüfungsantrags noch keine Entscheidung über den Berichtigungsantrag getroffen hatte. Nach Auffassung der Kammer war die Eingangsstelle auch noch für die Entscheidung zuständig, als die Zuständigkeit für die weitere Prüfung der europäischen Patentanmeldung bereits auf die Prüfungsabteilung übergegangen war. Es wäre sinnlose Zeit- und Geldverschwendung, wenn man die Artikel 16 und 18 EPÜ dahingehend auslegen wollte, daß die Prüfungsabteilung den Berichtigungsantrag in einem Fall wie dem vorliegenden von neuem prüfen muß.

4. Die Beschwerdeführerin hat selbst beantragt, daß die Frage der Berichtigung gemäß Artikel 20 EPÜ von der Rechtsabteilung im Wege der Berichtigung einer Eintragung im europäischen Patentregister entschieden wird. Aus Artikel 127 EPÜ in Verbindung mit Regel 92 (1) g) ergibt sich, daß die Angaben über die genannten Erfinder nach (und nicht vor) der Veröffentlichung der europäischen Patentanmeldung in das Register einzutragen sind. Da aber die Eingangsstelle für die Formalprüfung und die Veröffentlichung zuständig ist (Art. 16 EPÜ), ist sie zwangsläufig auch für Fragen im Zusammenhang mit der Erfindernennung zuständig, die sich, wie im vorliegenden Fall, vor der Veröffentlichung stellen. Daraus folgt, daß die Eingangsstelle richtig gehandelt hat, als sie das Schreiben der Vertreter der Anmelderin vom 29. Dezember 1981 als Antrag auf eine Entscheidung über eine Berichtigung nach Regel 19 (1) EPÜ auffaßte. Es erübrigt sich im vorliegenden Fall, die allgemeine Frage zu klären, wann die Rechtsabteilung die ausschließliche oder die gleichzeitige Zuständigkeit nach Artikel 20 EPÜ besitzt, wenn eine europäische Patentanmeldung oder ein erteiltes europäisches Patent Gegenstand des Verfahrens vor einer anderen Stelle des Europäische Patentamts ist.

5. Bei der vorliegenden Beschwerde geht es im wesentlichen um die Frage, ob Regel 19 (1) EPÜ anzuwenden und wie sie auszulegen ist. Zu der allgemeinen Frage der Anwendbarkeit der Regel 19 (1) EPÜ im vorliegenden Fall bestätigt die Juristische Beschwerdekammer uneingeschränkt die Auffassung der Eingangsstele, daß die Regel anzuwenden ist. Die Behauptung, es gebe einen allgemeinen Grundsatz, wonach alle Erfinder innerhalb von 16 Monaten ab dem Prioritätsdatum genannt werden müssen, steht nicht in Einklang mit dem EPÜ und seiner Ausführungsordnung.

6. Nach Artikel 81 EPÜ ist in der europäischen Patentanmeldung der Erfinder zu nennen. Regel 17 (1) EPÜ schreibt vor, daß die Erfindernennung im Erteilungsantrag selbst oder, wenn der Anmelder nicht oder nicht der einzige Erfinder ist, in einem gesonderten Schriftstück zu erfolgen hat, das zusammen mit dem Erteilungsantrag eingereicht werden muß. Die Richtigkeit der Erfindernennung wird vom Europäischen Patentamt nicht geprüft (R. 17 (2) EPÜ); die Eingangsstelle muß jedoch nach Artikel 91 (1) f) EPÜ prüfen, ob die Erfindernennung nach Artikel 81 erfolgt ist. Stellt die Eingangsstelle behebbare Mängel fest, so hat sie dem Anmelder nach Regel 42 EPÜ Gelegenheit zu geben, diese Mängel zu beseitigen (vgl. Art. 91 (2), (5) EPÜ). Nur in diesem Fall ist eine Frist von 16 Monaten zur Berichtigung gegeben (vgl. Art. 91 (5), R. 42 (1) EPÜ).

7. Zudem ist Regel 19 EPÜ vom Wortlaut her auf alle Fälle anzuwenden, in denen eine Berichtigung der Erfindernennung beantragt wird. Dazu ist immer ein vom europäischen Patentanmelder oder -inhaber selbst oder mit seiner Zustimmung gestellter Antrag erforderlich.

8. Regel 19 (1) EPÜ schreibt vor, daß eine unrichtige Erfindernennung nur auf Antrag berichtigt werden kann; "mit dem Antrag ist die Zustimmungserklärung des zu Unrecht als Erfinder Genannten" einzureichen. Geht man davon aus, daß der neunte Erfinder hätte genannt werden müssen, so war die Erfindernennung eindeutig "eine unrichtige Erfindernennung" im Sinne der Regel 19 (1) EPÜ. Im vorliegenden Fall liegt die Schwierigkeit darin, die wahre Bedeutung der Formulierung "zu Unrecht als Erfinder Genannter" in dieser Regel, die Teil eines internationalen Vertrages ist, zu ermitteln.

9. Der Beschwerdeführerin zufolge waren die acht ursprünglich genannten Erfinder im vorliegenden Fall nicht "zu Unrecht genannt" worden. "Zu Unrecht genannt" könne nur werden, wer nicht den Anspruch auf Erfindernennung nach Artikel 62 EPÜ habe, und seine Zustimmungserklärung zur Berichtigung sei nur erforderlich, wenn die Löschung der Nennung beantragt werde. Dies gehe aus der Formulierung der Regel 19 (1) EPÜ eindeutig hervor; auch wenn man sie im Zusammenhang des EPÜ oder im Lichte seines Zieles und Zweckes auslege, könne aus dem Ausdruck "zu Unrecht Genannter" nicht herausgelesen werden, daß zu Recht genannte Personen der Hinzufügung weiterer Erfinder zustimmen müßten.

10. Da das Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge nur für Verträge gilt, die nach seinem Inkrafttreten geschlossen worden sind, ist dieses Übereinkommen nicht auf die Auslegung des Europäischen Patentübereinkommens anzuwenden. Es ist jedoch eine anerkannte Tatsache, daß das im 31 und 32 über die Auslegung von Verträgen Gesagte lediglich das bestehende Völkerrecht festschreibt (vgl. z. B. das Plädoyer von Lord Diplock in der Sache Fothergill gegen Monarch Airlines [1981] A.C. 251 und den Vortrag von Dr. Bruchhausen, Richter am Bundesgerichtshof über "Die Methodik der Auslegung und Anwendung des europäischen Patentrechts und des harmonisierten nationalen Patentrechts" auf dem Symposium europäischer Patentrichter vom 20. bis 22. Oktober 1982 im EPA München, veröffentlicht in GRUR Int. 1983, 205).

11. Einer der in Artikel 31 des Wiener Übereinkommens festgelegten Grundsätze für die Auslegung von Verträgen besagt, daß ein Vertrag in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen ist. Die Beschwerdeführerin stützt sich deshalb auf die gewöhnliche Bedeutung des Ausdrucks "zu Unrecht Genannter" in Regel 19 (1) EPÜ. Hierzu ist sie berechtigt, wenn kein Hinweis dafür vorliegt, daß die Vertragsstaaten dem Ausdruck "zu Unrecht Genannter" eine besondere Bedeutung geben wollten. Die Beschwerdeführerin und die Kammer haben beide das Material in den Berichten der Münchner Diplomatischen Konferenz und in den anderen vorbereitenden Dokumenten zum EPÜ sorgfältig geprüft; es deutet nichts darauf hin, daß die Vertragsstaaten dem Ausdruck "zu Unrecht Genannter" eine besondere Bedeutung geben wollten. Aus den Berichten (Rdn. 2047-2064, 278-280 und 323-325) geht zwar hervor, daß die Diplomatische Konferenz die Möglichkeit ins Auge gefaßt hatte, die Aufnahme weiterer Erfinder in die Erfindernennung im Wege einer Berichtigung nach Regel 19 (1) EPÜ vorzusehen (siehe insbesondere Rdn. 2059-2062); es gibt jedoch keinen Hinweis dafür, daß sie dies von der Zustimmung der bereits genannten Erfinder abhängig machen wollte.

12. In Zusammenhang mit Regel 19 (1) EPÜ stehen die Artikel 62 und 81 EPÜ und die Regeln 17 und 18 EPÜ. Diese Bestimmungen geben dem Erfinder insgesamt folgende Rechte: das Recht gegenüber dem Anmelder oder Inhaber des europäischen Patents, vor dem Europäischen Patentamt als Erfinder genannt zu werden; das Recht, in der europäischen Patentanmeldung genannt zu werden; das Recht, von der Erfindernennung unterrichtet zu werden; das Recht, auf der veröffentlichten europäischen Patentanmeldung und der europäischen Patentschrift als Erfinder vermerkt zu werden, sowie das Recht, bei Streitigkeiten mit dem Patentanmelder oder -inhaber auch gegen dessen Willen genannt zu werden, wenn der Erfinder eine rechtskräftige Entscheidung eines nationalen Gerichts einreicht, aus der hervorgeht, daß der Anmelder oder Patentinhaber verpflichtet ist, ihn als Erfinder zu nennen. Da es sich hierbei um wichtige Rechte handelt, dürfen Dritte nicht ohne weiteres in ihre Ausübung eingreifen können. Es ist festzuhalten, daß die obengenannten Bestimmungen dem Erfinder zwar Rechte gegenüber dem Anmelder oder Patentinhaber, nicht aber gegenüber anderen genannten Erfindern einräumen. Der Zusammenhang rechtfertigt demnach die Auslegung, die die Beschwerdeführerin dem Wort "zu Unrecht" in dem Ausdruck "zu Unrecht Genannter" in Regel 19 (1) EPÜ beimißt.

13. Was Ziel und Zweck des Übereinkommens in bezug auf den Erfinder anbelangt, so wollte die Münchner Diplomatische Konferenz diesem eine klare und starke Rechtsstellung verleihen. Könnte das Recht eines Erfinders auf öffentliche Anerkennung durch die Handlung oder Untätigkeit eines anderen, bereits genannten Erfinders zunichte gemacht werden, so würde einem Erfinder, der nicht genannt worden ist, dessen Nennung der Anmelder oder Inhaber des europäischen Patents aber zugestimmt hat, unter Umständen großes Unrecht zugefügt; dies wäre z. B. dann der Fall, wenn ein bereits genannter Erfinder tot oder nicht auffindbar ist, seine Zustimmung absichtlich verweigert oder das Schreiben, mit dem seine schriftliche Zustimmung eingeholt werden soll, einfach unbeantwortet läßt. Die Juristische Beschwerdekammer ist der Ansicht, daß auch das Argument der Beschwerdeführerin, daß bei mehreren Erfindern nicht unbedingt jeder weiß, wer alles als Miterfinder beteiligt war, nicht ganz von der Hand zu weisen ist.

14. Ein Vergleich der an das Europäische Patentübereinkommen angepaßten nationalen Rechtssysteme der Vertragsstaaten zeigt, daß hinsichtlich des Erfordernisses der Erfindernennung und insbesondere der Zustimmung der genannten Erfinder zur Nennung weiterer Erfinder keine Einheitlichkeit besteht. Mindestens ein Vertragsstaat sieht vor, daß das nationale Patentamt Ansprüche auf weitere Erfindernennungen untersuchen muß (vgl. Patentgesetz des Vereinigten Königreichs 1977, § 13; Patentausführungsbestimmungen 1978, R. 14). Andere Staaten verlangen ausdrücklich die Zustimmung der bereits genannten Erfinder (vgl. österreichisches Patentgesetz 1970, Art. 20 (4): italienisches Patentgesetz (VO Nr. 1127 vom 29. Juni 1939, geändert durch VO Nr. 338 vom 22. Juni 1979), Art. 39). Wieder andere verlangen die Zustimmung des zu Unrecht als Erfinder Genannten (vgl. französische Patentverordnung vom 19. September 1979, Art. 62; schweizerisches Patentgesetz vom 19. Oktober 1977, Art. 37). Die an den nationalen Rechtssystemen vorgenommenen Änderungen lassen somit keine Rückschlüsse auf die ursprüngliche Absicht der Vertragsstaaten zu. Da es keine einheitliche Regelung gibt, kann die Kammer das Recht des EPÜ auch nicht an das nationale Recht der Vertragsstaaten anpassen.

15. Aus allen diesen Gründen muß die Auslegung, die die Eingangsstelle der Regel 19 (1) EPÜ gegeben hat, zurückgewiesen und die angefochtene Entscheidung aufgehoben werden. Unter diesen Umständen erübrigt es sich, die Rechtswirksamkeit der am 21. April 1983 eingereichten Zustimmungserklärung (vgl. Nr. XIII) zu prüfen.

16. Aus den unter den Nummern 2 bis 4 dargelegten Gründen lag kein Verfahrensmangel seitens der Eingangsstelle vor; der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr muß daher nach Regel 67 EPÜ zurückgewiesen werden.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird wie folgt entschieden:

1. Die Entscheidung der Eingangsstelle des Europäischen Patentamts vom 22. Februar 1982 wird aufgehoben.

2. Die zu der europäischen Patentanmeldung Nr. 81 302 677.0 eingereichte Erfindernennung wird entsprechend dem Antrag der Beschwerdeführerin vom 28. September 1981 geändert.

3. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.

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