Sachverhalt und Anträge
I. Vorlagefrage
Die Juristische Beschwerdekammer hat der Großen Beschwerdekammer mit ihrer Zwischenentscheidung J 2/08 vom 27. Mai 2009 folgende Rechtsfrage vorgelegt:
Ist eine Anmeldung, die durch eine Entscheidung der Prüfungsabteilung zurückgewiesen wurde, noch bis zum Ablauf der Beschwerdefrist anhängig im Sinne der Regel 25 EPÜ 1973 (R. 36 (1) EPÜ), wenn keine Beschwerde eingelegt worden ist?
II. Angefochtene Entscheidung der Eingangsstelle
Die europäische Patentanmeldung Nr. 01 102 231.6 (Stammanmeldung) war von der Prüfungsabteilung durch eine am Ende der mündlichen Verhandlung vom 23. November 2005 mündlich verkündete Entscheidung zurückgewiesen worden. Drei Wochen später, am 14. Dezember 2005, reichte die Anmelderin die europäische Patentanmeldung Nr. 05 027 368.9 als Teilanmeldung zu der zurückgewiesenen Stammanmeldung ein. Die schriftliche Entscheidung über die Zurückweisung der Stammanmeldung wurde der Anmelderin am 27. Januar 2006 zugestellt. Gegen diese Entscheidung legte sie keine Beschwerde ein. Am 9. August 2007 entschied die Eingangsstelle auf der Grundlage von Regel 25 EPÜ 1973, dass die europäische Patentanmeldung Nr. 05 027 368.9 nicht als wirksam eingereichte Teilanmeldung betrachtet werden könne. In ihrer Entscheidung befand die Eingangsstelle, dass Regel 25 EPÜ 1973 die Einreichung einer Teilanmeldung nur in Verbindung mit einer anhängigen früheren europäischen Patentanmeldung gestatte. Als "anhängig" werde gemäß der Mitteilung des EPA vom 9. Januar 2002 über die Änderung der Regeln 25 (1), 29 (2) und 51 EPÜ (ABl. EPA 2002, 112) eine Anmeldung bezeichnet, für die der Hinweis auf die Erteilung noch nicht bekannt gemacht worden sei oder die noch nicht zurückgewiesen oder zurückgenommen worden sei oder als zurückgenommen gelte. Ergehe eine Entscheidung mündlich, so werde sie mit ihrer Verkündung existent und somit wirksam, wie die Große Beschwerdekammer unter Nummer 2 der Entscheidungsgründe von G 12/91 ausgeführt habe. Damit stehe zweifelsfrei fest, dass die Anmeldung, wenn in der mündlichen Verhandlung eine Zurückweisungsentscheidung verkündet worden sei, nicht mehr anhängig sei und folglich zu dieser Anmeldung nach Regel 25 EPÜ 1973 keine Teilanmeldung mehr eingereicht werden könne.
III. Beschwerde der Anmelderin
Die Anmelderin hat die Entscheidung der Eingangsstelle im Verfahren J 2/08 vor der Juristischen Beschwerdekammer angefochten, aus dem diese Vorlage hervorgegangen ist. Als für die Vorlage relevanten Sachverhalt brachte die Beschwerdeführerin vor, dass die Stammanmeldung bei Einreichung der Teilanmeldung noch anhängig gewesen sei, weil die Frist für die Einlegung einer Beschwerde gegen die Entscheidung über die Zurückweisung der Stammanmeldung zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgelaufen gewesen sei. Sie berief sich ferner auf den Grundsatz von Treu und Glauben zwischen dem EPA und den an Verfahren vor dem EPA Beteiligten. Die Teilanmeldung sei am 14. Dezember 2005 eingereicht worden, also sechs Wochen vor Zustellung der schriftlichen Entscheidung. Hätte das EPA seine Mitteilung über den Rechtsverlust innerhalb einer angemessenen Zeitspanne nach diesem Datum versandt, hätte die Anmelderin genügend Zeit gehabt, ihre Rechte zu wahren, indem sie innerhalb der Beschwerdefrist Beschwerde gegen die Entscheidung über die Zurückweisung der Stammanmeldung eingelegt hätte.
Als Hauptantrag beantragte die Beschwerdeführerin die Aufhebung der Entscheidung der Eingangsstelle. Hilfsweise beantragte sie, der Großen Beschwerdekammer drei Fragen zur Auslegung des Begriffs "anhängig" in Regel 25 (1) EPÜ 1973 vorzulegen.
IV. Vorlageentscheidung
In ihrer Zwischenentscheidung J 2/08 vom 27. Mai 2009 hat die Juristische Beschwerdekammer nach einer umfassenden rechtlichen Analyse des Falls entschieden, dass die Antwort auf die ihr vorliegende Frage nicht eindeutig aus dem Wortlaut des EPÜ oder aus der Anwendung des Artikels 125 EPÜ 1973 abgeleitet werden könne. Auch wenn es Rechtsprechung der Großen Beschwerdekammer sowie der Juristischen Beschwerdekammer zu verwandten Fragen gebe, scheine das Konzept der "anhängigen Anmeldung" im Sinne der Regel 25 EPÜ 1973 nicht genau definiert zu sein. Die Juristische Beschwerdekammer wies ferner darauf hin, dass die Regel 25 EPÜ 1973 im Rahmen des EPÜ 2000 inhaltlich nicht geändert, sondern lediglich in Regel 36 (1) EPÜ 2000 umnummeriert worden sei. Der Begriff "anhängig" sei also weiterhin unklar. Somit sei die Festlegung des Zeitpunkts, bis zu dem Anmelder eine Teilanmeldung einreichen könnten, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von Artikel 112 (1) EPÜ. Sie betreffe direkt das grundlegende Recht der Anmelder, Teilanmeldungen einzureichen.
Das Vorbringen der Beschwerdeführerin bezüglich eines angeblichen Verstoßes gegen den Grundsatz von Treu und Glauben widerlegte die Juristische Beschwerdekammer als nicht stichhaltig. Folglich hängt der Ausgang der Beschwerde von der rechtlichen Beurteilung des Begriffs "anhängig" ab.
V. Vorbringen der Beschwerdeführerin
1. Die Eingangsstelle habe ihre Entscheidung hauptsächlich auf die Mitteilung des EPA (ABl. EPA 2002, 112) gestützt, wo es unter Nummer 1 heiße: " wird gegen den Zurückweisungsbeschluss Beschwerde eingelegt, kann auch noch während des Beschwerdeverfahrens eine Teilanmeldung eingereicht werden" (Hervorhebung durch die Kammer). Die Mitteilung des EPA sei aber nicht Bestandteil des Übereinkommens und könne daher für die Auslegung des Begriffs "anhängig" in Regel 25 EPÜ 1973 nicht bindend sein.
2. In Bezug auf die Entstehungsgeschichte sei das Dokument CA/127/01 vom 14. September 2001 relevant, das für den Verwaltungsrat abgefasst worden sei, als dieser die Änderung der Regel 25 EPÜ 1973 beschlossen habe. Dort heiße es unter Nummer 6: "Das Erteilungsverfahren ist bis zu dem Tag anhängig, an dem im Europäischen Patentblatt auf die Erteilung hingewiesen wird [ ] bzw. bis zu dem Tag, an dem die Anmeldung rechtskräftig zurückgewiesen wird oder zurückgenommen wird (oder als zurückgenommen gilt)" (Hervorhebung durch die Kammer). Insofern sei eine Anmeldung noch so lange als anhängig zu betrachten, wie der Anmelder Beschwerde einlegen könne. Folglich ende in Fällen, in denen keine Beschwerde eingelegt werde, die Anhängigkeit der Anmeldung mit dem Ablauf der Beschwerdefrist.
3. Beim Versuch, die der Großen Beschwerdekammer vorgelegte Frage ausschließlich auf der Grundlage des EPÜ zu beantworten, müsse man der Tatsache Rechnung tragen, dass das EPÜ zwischen "zurückgewiesen" (Art. 97 EPÜ 1973) und "rechtskräftig zurückgewiesen" (R. 48 (2) EPÜ 1973) unterscheide. Regel 48 (2) EPÜ 1973 betreffe die technischen Vorbereitungen für die Veröffentlichung europäischer Patentanmeldungen und sehe vor, dass die Anmeldung nicht veröffentlicht werde, "wenn sie vor Abschluss der technischen Vorbereitungen für die Veröffentlichung rechtskräftig zurückgewiesen" worden sei. Da es ein Grundprinzip des Patentrechts sei, dass nur Gegenstände veröffentlicht werden sollten, für die ein Anmelder noch Schutz erlangen könne, lasse Regel 48 (2) EPÜ 1973 darauf schließen, dass eine Patentanmeldung anhängig sei, solange sie nicht rechtskräftig zurückgewiesen worden sei.
4. Für das Verständnis der Regel 25 EPÜ 1973 seien außerdem gemäß Artikel 125 EPÜ 1973 die in den Vertragsstaaten im Allgemeinen anerkannten Grundsätze des Verfahrensrechts heranzuziehen. Einer davon besage, dass aus Gründen der Verfahrensökonomie unnötige Formalverfahren und Rechtsmittel vermieden werden sollten. Dementsprechend habe der Deutsche Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass Teilanmeldungen innerhalb der Beschwerdefrist wirksam eingereicht werden könnten, ohne dass allein zu diesem Zweck Beschwerde eingelegt werden müsste (siehe BGH-Beschluss "Graustufenbild" vom 28. März 2000, GRUR 2000, 688).
5. Die Beschwerdeführerin brachte erneut Argumente für den angeblichen Verstoß des EPA gegen den Grundsatz von Treu und Glauben vor (siehe vorstehende Nr. III); diese Frage ist jedoch von der Juristischen Beschwerdekammer abschließend entschieden worden und war nicht Gegenstand der Vorlage an die Große Beschwerdekammer (siehe vorstehende Nr. IV sowie die Vorlageentscheidung J 2/08, Nrn. 61 bis 66 der Entscheidungsgründe).
VI. Die Große Beschwerdekammer hat die Präsidentin des Europäischen Patentamts gemäß Artikel 9 VOGBK aufgefordert, sich zu dem Fall zu äußern, und hat Dritten gemäß Artikel 10 (2) VOGBK Gelegenheit gegeben, Stellungnahmen einzureichen.
VII. Stellungnahme der Präsidentin des EPA
Die Präsidentin des EPA verwies im Wesentlichen auf die folgenden Aspekte, die im Zusammenhang mit der der Großen Beschwerdekammer vorgelegten Rechtsfrage zu beachten seien:
1. In der Frage, bis wann das Erteilungsverfahren anhängig sei, werde im Dokument CA/127/01 (siehe vorstehende Nr. V.2.) ein Unterschied zwischen Erteilung und Zurückweisung gemacht: "Das Erteilungsverfahren ist bis zu dem Tag anhängig, an dem im Europäischen Patentblatt auf die Erteilung hingewiesen wird [ ] bzw. bis zu dem Tag, an dem die Anmeldung rechtskräftig zurückgewiesen wird [ ]."
2. Sowohl bei der Erteilung als auch bei der Zurückweisung werde in CA/127/01 aber nur die Standardsituation behandelt, die im Falle der Erteilung so aussehe, dass keine Beschwerde gegen den Erteilungsbeschluss eingelegt werde. Auch werde bei der Zurückweisung in CA/127/01 durch die Verwendung des Begriffs "rechtskräftig zurückgewiesen" kein neues Konzept der Anhängigkeit eingeführt, sondern lediglich die Standardsituation behandelt, bei der gegen die Entscheidung über die Zurückweisung der Anmeldung Beschwerde eingelegt und im Verlauf des Beschwerdeverfahrens eine Teilanmeldung eingereicht werde. Als die Regel 25 (1) EPÜ 1973 im Jahr 2001 geändert worden sei, sei man allgemein davon ausgegangen, dass die Anmeldung - in Anbetracht des in Artikel 106 (1) Satz 2 EPÜ 1973 verankerten Grundsatzes der aufschiebenden Wirkung - noch anhängig sei, wenn ein Beschwerdeverfahren gegen ihre Zurückweisung laufe. Umgekehrt bedeute dies zugleich, dass eine Entscheidung der ersten Instanz das Verfahren abschließe, wenn keiner der Beteiligten Beschwerde einlege. Der Begriff "rechtskräftig" solle unterstreichen, dass die europäische Patentanmeldung mit ihrer Zurückweisung durch die Prüfungsabteilung nicht zwangsläufig aufhöre zu bestehen, sondern durch das Einlegen einer Beschwerde wieder anhängig gemacht werden könne. Dies sei entscheidend für die Einreichung von Teilanmeldungen während eine Beschwerde gegen eine Zurückweisung im Gange sei. Aus dem Vorstehenden ergebe sich die Schlussfolgerung, dass eine Anmeldung mit der Zustellung der Zurückweisungsentscheidung im schriftlichen Verfahren bzw. mit der Verkündung der Entscheidung im mündlichen Verfahren nicht mehr anhängig sei.
3. Die Tatsache, dass eine Beschwerdefrist laufe oder - mit anderen Worten - dass die Zurückweisungsentscheidung nicht rechtskräftig sei, ändere nichts an dieser Schlussfolgerung, sondern bedeute in der Praxis lediglich, dass das Verfahren durch Einlegung einer wirksamen Beschwerde wieder anhängig gemacht werden könne (Hervorhebung durch die Kammer). Zudem wäre die Anmeldung, da die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde rückwirkend eintrete, als ununterbrochen anhängig anzusehen, also auch in dem Zeitraum zwischen der Zustellung der Zurückweisungsentscheidung und der Einlegung der Beschwerde. Aufgrund der Rückwirkung der Beschwerde sei es daher unerheblich, ob die Teilanmeldung vor oder nach Einlegung der Beschwerde eingereicht werde, solange überhaupt Beschwerde eingelegt werde.
4. Die Präsidentin gelangte daher zu dem Schluss, dass die Vorlagefrage dahin gehend zu beantworten sei, dass die Wirksamkeit einer Teilanmeldung, die nach der Zurückweisung der Stammanmeldung eingereicht werde, von der Einlegung einer wirksamen Beschwerde abhänge.
5. In Anbetracht dessen ging die Präsidentin auch auf die Frage ein, ob die Einreichung von Teilanmeldungen ungeachtet der (offenkundigen) Unzulässigkeit einer Beschwerde zuzulassen sei, da es als ein und dasselbe angesehen werden könnte, ob eine (offenkundig) unzulässige Beschwerde eingelegt werde oder überhaupt keine. Sie verwies zunächst darauf, dass nach der Rechtsprechung eine als nicht eingelegt geltende Beschwerde rechtlich gesehen nicht existiere und somit keine aufschiebende Wirkung entfalte. Wenn die Beschwerde jedoch als eingelegt gelte, dann sollte die aufschiebende Wirkung nicht davon abhängen, ob alle Voraussetzungen für die Zulässigkeit erfüllt seien. Sie sollte nur in Fällen versagt bleiben, in denen die Beschwerde offenkundig unzulässig sei, denn die aufschiebende Wirkung dürfe Inkrafttreten und Umsetzung einer Endentscheidung nicht ungerechtfertigt verzögern. Dieser Ansatz diene als Vorkehrung gegen missbräuchliche Beschwerden, die nur eingelegt würden, um künstlich anhängige "Stammanmeldungen" zu schaffen, wie z. B. eine Beschwerde gegen einen Erteilungsbeschluss, der dem Erteilungsantrag des Anmelders entspreche.
VIII. Stellungnahmen Dritter
Es ging nur ein einziger Amicus-curiae-Schriftsatz von einem Dritten ein. Darin wurde vorgebracht, dass die Vorlagefrage, auch wenn sie sich ausschließlich auf Regel 25 EPÜ 1973 beziehe, doch für alle Fälle beantwortet werden sollte, in denen eine Entscheidung mündlich verkündet werde. Ausgehend von der derzeitigen Rechtslage wäre jedoch weder die Antwort JA noch die Antwort NEIN zufriedenstellend. Die Große Beschwerdekammer sollte den Gesetzgeber daher anhalten, die Frage, wann eine Entscheidung wirksam werde, durch eine Änderung des EPÜ, insbesondere der Regel 111 (1) EPÜ, zu klären.
Entscheidungsgründe
1. Zulässigkeit der Vorlage
Die Große Beschwerdekammer stimmt mit der Juristischen Beschwerdekammer darin überein, dass die ihr vorgelegte Rechtsfrage der Klärung bedarf, und zwar nicht nur für die Entscheidung der vorliegenden Sache, sondern auch weil es um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung geht. Daran ändert der Umstand nichts, dass Regel 25 EPÜ 1973 in der Zwischenzeit nicht nur in Regel 36 EPÜ 2000 umnummeriert, sondern später auch durch einen Beschluss des Verwaltungsrats vom 25. März 2009 geändert wurde. Die am 1. April 2010 in Kraft getretene geänderte Fassung der Regel 36 EPÜ beruht nämlich nach wie vor auf dem Grundsatz, dass eine Teilanmeldung "zu jeder anhängigen früheren europäischen Patentanmeldung" eingereicht werden kann. Zwar wurden mit der neuen Regel 36 EPÜ zusätzliche Bedingungen (Fristen) für die Einreichung von Teilanmeldungen eingeführt, doch kann die der Großen Beschwerdekammer bezüglich Regel 25 EPÜ 1973 vorgelegte Rechtsfrage immer noch relevant sein, wenn die frühere Anmeldung vor Ablauf der neuen Fristen zurückgewiesen wird. Die Beantwortung der Vorlagefrage ist also nicht nur für die Entscheidung der vorliegenden Sache nach Regel 25 EPÜ 1973 maßgeblich, sondern auch zur Sicherstellung einer einheitlichen Rechtsanwendung in Bezug auf Regel 36 EPÜ 2000 in ihrer neuen Fassung. Die Vorlage erfüllt somit die Erfordernisse des Artikels 112 (1) a) EPÜ und ist zulässig.
2. Anzuwendendes Recht
Die der Großen Beschwerdekammer vorgelegte Rechtsfrage betrifft Regel 25 EPÜ 1973 in der vom Verwaltungsrat am 18. Oktober 2001 beschlossenen Fassung, die nach den Übergangsbestimmungen zum EPÜ 2000 für die Rechtslage im vorliegenden Fall maßgeblich ist (siehe Nr. 4 der Vorlageentscheidung). Die Sache ist somit nach den Bestimmungen des EPÜ 1973 zu prüfen. Wie jedoch bereits ausgeführt, wird in beiden Fassungen der Regel 36 (1) EPÜ 2000 nach wie vor der Begriff der "anhängigen früheren europäischen Patentanmeldung" verwendet.
3. Auslegung des Begriffs der "anhängigen europäischen Patentanmeldung"
3.1 Auslegungsregeln
Unstreitig ist, dass das Europäische Patentübereinkommen keine Definition des Begriffs der "anhängigen europäischen Patentanmeldung" enthält. Insbesondere definiert das EPÜ nicht die Zeitpunkte, zu denen die Anhängigkeit einer Anmeldung in allen vorstellbaren Situationen beginnt bzw. endet. Daher ist mit Blick auf die Vorlagefrage eine Auslegung des Begriffs der "anhängigen europäischen Patentanmeldung" erforderlich.
Nach der ständigen Rechtsprechung der Großen Beschwerdekammer sind für die Auslegung des EPÜ die im Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge (WÜRV) enthaltenen Auslegungsregeln heranzuziehen (siehe z. B. G 1/83, Nrn. 2 ? 5 der Entscheidungsgründe; G 1/07, Nr. 3.1 der Entscheidungsgründe; G 2/08 vom 19. Februar 2010, Nr. 4 der Entscheidungsgründe). Die allgemeine Auslegungsregel in Artikel 31 (1) WÜRV besagt: "Ein Vertrag ist nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen." Nach Artikel 32 WÜRV können "ergänzende Auslegungsmittel, insbesondere die vorbereitenden Arbeiten [ ] herangezogen werden, um die sich unter Anwendung des Artikels 31 [WÜRV] ergebende Bedeutung zu bestätigen oder die Bedeutung zu bestimmen, wenn die Auslegung nach Artikel 31 a) die Bedeutung mehrdeutig oder dunkel lässt oder b) zu einem offensichtlich sinnwidrigen oder unvernünftigen Ergebnis führt."
Ehe also näher auf die Entstehungsgeschichte der Regel 25 EPÜ 1973 und insbesondere auf das Dokument CA/127/01 eingegangen wird, ist auf der Grundlage der in Artikel 31 WÜRV verankerten allgemeinen Auslegungsregel die Bedeutung des Begriffs der "anhängigen europäischen Patentanmeldung" zu bestimmen.
3.2 "Anhängige europäische Patentanmeldung"
3.2.1 Im Rechtssystem des EPÜ hat eine europäische Patentanmeldung zwei Aspekte. Zum einen ist sie Gegenstand des Vermögens (Art. 71 EPÜ 1973 ff.), der aus dem Recht des Erfinders auf ein europäisches Patent abgeleitet ist (Art. 60 (1) EPÜ 1973) und seinem Inhaber unter anderem einstweiligen Schutz nach Artikel 67 EPÜ 1973 gewährt. Zum anderen sind mit einer europäischen Patentanmeldung Verfahrensrechte in Verfahren vor dem EPA verbunden, die auszuüben der Anmelder befugt ist (Art. 60 (3) EPÜ 1973). Der Begriff "europäische Patentanmeldung" kann daher sowohl für materielle als auch für Verfahrensrechte des Anmelders stehen.
3.2.2 In Bezug auf den Begriff "anhängig" ("pending", "en instance") ist festzuhalten, dass dieser im EPÜ nicht einheitlich verwendet wird. Er wird nicht nur in Verbindung mit anhängigen Patentanmeldungen (R. 25 (1) und Art. 175 (2) EPÜ 1973), sondern auch in Verbindung mit vor dem EPA anhängigen Verfahren gebraucht (z. B. R. 13 (3) EPÜ 1973 und Art. 175 (3) EPÜ 1973). Die Bedeutung von "anhängig" ist dabei nicht deckungsgleich. Wenn z. B. ein Verfahren nicht mehr vor dem EPA anhängig ist, weil es nach Regel 13 (1) EPÜ 1973 ausgesetzt wurde, ist die Patentanmeldung per definitionem trotzdem noch anhängig, denn sie kann nicht zurückgenommen werden, während das Verfahren ausgesetzt ist. Andererseits kann ein Einspruchsverfahren vor dem EPA erst nach der Erteilung des Patents anhängig gemacht werden, d. h. wenn die Patentanmeldung nicht mehr anhängig ist.
Zu betonen ist, dass sich Regel 25 EPÜ 1973 nicht auf vor dem EPA anhängige Verfahren, sondern auf "anhängige frühere europäische Patentanmeldungen" bezieht. Für die Zwecke der Regel 25 EPÜ 1973 ist es somit irrelevant, ob ein Verfahren vor dem EPA anhängig ist oder nicht.
3.2.3 Regel 25 EPÜ 1973, mit der Artikel 76 EPÜ umgesetzt wird, wurde mehrmals geändert. In der durch den Beschluss des Verwaltungsrats vom 10. Juni 1988 eingeführten Fassung enthielt sie erstmals das ausdrückliche Erfordernis einer anhängigen früheren Anmeldung. Diese Fassung hatte folgenden Wortlaut: "Der Anmelder kann bis zu dem Zeitpunkt, zu dem er gemäß Regel 51 Absatz 4 sein Einverständnis mit der Fassung erklärt, in der das europäische Patent erteilt werden soll, eine Teilanmeldung zu der anhängigen früheren europäischen Patentanmeldung einreichen." Während der durch die Einverständniserklärung bestimmte Stichtag eindeutig eine prozessuale Vorschrift darstellt (G 10/92, ABl. EPA 1994, 633, Nr. 4 der Entscheidungsgründe), ist das Erfordernis, dass eine frühere Patentanmeldung anhängig sein muss, von anderer Natur. Darin kommt nämlich das in Artikel 76 EPÜ 1973 verankerte materielle Recht des Anmelders zum Ausdruck, zu einer früheren Anmeldung eine Teilanmeldung einzureichen, wenn der entsprechende Gegenstand bei Einreichung der Teilanmeldung in der früheren Anmeldung "noch enthalten" war (G 1/05, ABl. EPA 2008, 271, Nr. 11.2 der Entscheidungsgründe).
Durch den Beschluss des Verwaltungsrats vom 18. Oktober 2001 wurde der verfahrensrechtliche Stichtag der Einverständniserklärung aus der Regel 25 EPÜ 1973 gestrichen, und in der für den vorliegenden Fall maßgeblichen Fassung der Regel 25 EPÜ 1973 blieb nur das materiellrechtliche Erfordernis einer anhängigen Anmeldung erhalten.
3.2.4 Aus dem Vorstehenden folgt, dass eine "anhängige (frühere) europäische Patentanmeldung" im speziellen Kontext der Regel 25 EPÜ 1973 eine Patentanmeldung in einem Status ist, in dem die materiellen Rechte, die sich nach dem EPÜ daraus ergeben, (noch) bestehen. Diese Auslegung deckt sich mit der in J 18/04 vertretenen Ansicht der Juristischen Beschwerdekammer, wonach durch den Begriff "anhängige [ ] Patentanmeldung" in Regel 25 EPÜ 1973 keine Frist begründet, sondern vielmehr ein materiellrechtliches Erfordernis aufgestellt wird (J 18/04, ABl. EPA 2006, 560, Nrn. 7 ff. der Entscheidungsgründe).
3.2.5 Die Anhängigkeit einer früheren europäischen Patentanmeldung bedeutet aber nicht, dass jederzeit eine Teilanmeldung dazu eingereicht werden kann. Unter Umständen ist dies durch verfahrensrechtliche Vorschriften, wie z. B. Regel 13 EPÜ 1973, ausgeschlossen, die als "lex specialis" die Einreichung einer Teilanmeldung verhindert, wenn das Verfahren für die anhängige frühere Anmeldung ausgesetzt ist (J 20/05 vom 6. September 2007, Nr. 3 der Entscheidungsgründe). Ebenso hat Artikel 23 (1) PCT, dem zufolge ein Bestimmungsamt die internationale Anmeldung vor dem Ablauf der nach Artikel 22 PCT maßgeblichen Frist nicht prüfen oder bearbeiten darf, gemäß Artikel 150 (2) EPÜ 1973 Vorrang vor Regel 25 EPÜ 1973 und verhindert somit die Einreichung von Teilanmeldungen zu anhängigen Euro-PCT-Anmeldungen, bevor diese vom EPA in seiner Eigenschaft als Bestimmungsamt oder ausgewähltes Amt bearbeitet werden. Auch in Regel 36 EPÜ in der derzeit geltenden Fassung werden bestimmte verfahrensrechtliche Fristen für die Einreichung von Teilanmeldungen während des Prüfungsverfahrens festgesetzt.
4. Bestehen von materiellen Rechten aus europäischen Patentanmeldungen
4.1 Die vorstehende Auslegung des Rechtsbegriffs "anhängige europäische Patentanmeldung" (siehe Nr. 3.2.4) wirft die weitere Frage auf, bis wann materielle Rechte bestehen, die sich aus europäischen Patentanmeldungen ableiten. Zur Beantwortung dieser Frage muss zwischen der Zurückweisung der Anmeldung und der Erteilung eines Patents unterschieden werden.
4.2 Zurückweisung der Anmeldung
4.2.1 Zu den materiellen Rechten des Anmelders gehört der einstweilige Schutz, den ihm die europäische Patentanmeldung nach ihrer Veröffentlichung gemäß Artikel 67 EPÜ 1973 gewährt (siehe vorstehende Nr. 3.2.1). Aus Artikel 67 (4) EPÜ 1973 geht eindeutig hervor, bis wann diese materiellen Rechte aus einer europäischen Patentanmeldung bestehen, wenn kein Patent erteilt wird. So sieht er insbesondere vor, dass die Wirkungen des einstweiligen Schutzes, den die europäische Patentanmeldung gewährt, als von Anfang an nicht eingetreten gelten, wenn die europäische Patentanmeldung zurückgenommen worden ist, als zurückgenommen gilt oder "rechtskräftig zurückgewiesen" worden ist ("finally refused" auf Englisch und "rejetée en vertu d'une décision passée en force de chose jugée" auf Französisch).
Materielle Rechte des Anmelders nach Artikel 67 EPÜ 1973 können also auch nach der Zurückweisung der Anmeldung noch bestehen, nämlich so lange, bis die Zurückweisung rechtskräftig ("final", "passée en force de chose jugée") wird. Dritte, die die Erfindung benutzen, bevor die Zurückweisungsentscheidung rechtskräftig ist, laufen Gefahr, auf der Grundlage von Artikel 67 EPÜ 1973 nach nationalem Recht belangt zu werden.
4.2.2 Wie die Juristische Beschwerdekammer in der Vorlageentscheidung J 2/08 unter Nummer 17 ausgeführt hat, "wird zugestimmt, dass die Rechtskraft einer erstinstanzlichen Entscheidung (res judicata) erst mit dem Ablauf der Beschwerdefrist eintritt." Dieses Konzept ist in den Vertragsstaaten tatsächlich fest etabliert. Verwiesen sei z. B. auf § 705 der deutschen Zivilprozessordnung, Artikel 500 der französischen Zivilprozessordnung (Nouveau Code de Procédure Civile, NCPC) und § 411 der österreichischen Zivilprozessordnung bzw. für die Schweiz auf Vogel/Spühler, Grundriss des Zivilprozessrechts, 8. Auflage 2006, § 40, Nr. 62. Diese nationalen Vorschriften sehen im Wesentlichen vor, dass Entscheidungen erst dann rechtskräftig werden, wenn die jeweilige Frist für die Einleitung eines ordentlichen Rechtsmittelverfahrens abgelaufen ist. Es besteht kein Grund, im Zusammenhang mit Artikel 67 (4) EPÜ 1973 von diesem allgemein anerkannten Grundsatz abzuweichen (siehe auch Schennen in Singer/Stauder, "Europäisches Patentübereinkommen", 5. Auflage 2010, Art. 67, Rdn. 25).
4.2.3 Die oben genannten Rechtsfolgen des Artikels 67 (4) EPÜ 1973 sind von der aufschiebenden Wirkung einer möglichen Beschwerde ebenso unabhängig wie von dem Zeitpunkt, zu dem die Zurückweisungsentscheidung der ersten Instanz im Sinne der Entscheidung G 12/91 (ABl. EPA 1994, 285, Nr. 2 der Entscheidungsgründe) wirksam wird. Artikel 67 (4) EPÜ 1973 legt vielmehr als eigenständige Vorschrift den Zeitpunkt fest, zu dem die durch eine europäische Patentanmeldung gewährten materiellen Rechte und damit auch die Anhängigkeit der Anmeldung enden müssen. Die Rückwirkung einer rechtskräftigen Zurückweisungsentscheidung auf die dem Anmelder gemäß Artikel 67 EPÜ 1973 gewährten Rechte ändert nichts daran, dass die Anmeldung so lange anhängig ist, bis diese Entscheidung Rechtskraft erlangt hat.
4.2.4 Aus dem Vorstehenden folgert die Große Beschwerdekammer, dass nach dem EPÜ eine von der Prüfungsabteilung zurückgewiesene Patentanmeldung, wenn keine Beschwerde eingelegt worden ist, noch bis zum Ablauf der Beschwerdefrist anhängig im Sinne der Regel 25 EPÜ 1973 ist und am Tag danach nicht mehr anhängig ist. Dasselbe gilt für Regel 36 (1) EPÜ 2000 sowohl in der früheren als auch in der jetzigen Fassung.
4.2.5 Die obige Auslegung steht nicht im Widerspruch zu dem vorbereitenden Dokument CA/127/01, das im Hinblick auf die Änderung der Regel 25 EPÜ 1973 durch den Beschluss des Verwaltungsrats vom 18. Oktober 2001 abgefasst worden ist und sowohl von der Beschwerdeführerin als auch von der Präsidentin des EPA angezogen wurde. Unter Nummer 6 wird dort auf die Frage eingegangen, bis wann das "Erteilungsverfahren" anhängig ist. Wie jedoch vorstehend ausgeführt, kann ein anhängiges Verfahren nicht einfach mit einer anhängigen Anmeldung gleichgesetzt werden. Zudem befasst sich das Dokument CA/127/01, wie die Präsidentin richtig bemerkt, hauptsächlich mit der Anhängigkeit von Anmeldungen im Falle einer Patenterteilung. Gleichwohl heißt es dort unter Nummer 6 mit Bezug auf die Zurückweisung: "Das Erteilungsverfahren ist bis zu dem Tag anhängig, [ ] an dem die Anmeldung rechtskräftig zurückgewiesen wird [ ]." Es gibt keinen Grund zu der Annahme, dass die Verfasser dieses Dokuments dem Begriff "rechtskräftig zurückgewiesen" ("finally refused", "définitivement rejetée") eine andere Bedeutung geben wollten als seine übliche und allgemein anerkannte Bedeutung (siehe Nr. 4.2.2).
4.2.6 Diese Auslegung der Regel 25 (1) EPÜ 1973 entspricht auf jeden Fall dem in CA/127/01 beschriebenen Zweck, nämlich den spätesten Zeitpunkt, bis zu dem noch eine Teilanmeldung eingereicht werden kann, für den Anmelder und für Dritte transparenter zu machen. Gemäß der bestehenden Praxis des EPA in Bezug auf Regel 25 (1) EPÜ 1973 endet die Anhängigkeit einer Anmeldung je nach Sachlage mit der Zustellung der Zurückweisungsentscheidung im schriftlichen Verfahren oder mit der Verkündung der Entscheidung im mündlichen Verfahren. Nach der Auslegung der Großen Beschwerdekammer bleibt die Anmeldung dagegen, wenn keine Beschwerde eingelegt worden ist, in beiden Fällen bis zum Ablauf der Beschwerdefrist anhängig und ist am Tag danach nicht mehr anhängig. Dieser Zeitpunkt lässt sich ausgehend von der Zustellung der (schriftlichen) erstinstanzlichen Entscheidung stets bestimmen (Art. 108 EPÜ 1973); dadurch dürften sich unerwartete Rechtsfolgen von Zurückweisungsentscheidungen ebenso vermeiden lassen wie Beschwerden, die allein deshalb eingelegt werden, um eine zurückgewiesene Anmeldung "wieder anhängig" zu machen.
4.3 Erteilung eines Patents (obiter dictum)
4.3.1 Die Präsidentin des EPA äußerte sich auch zu der Frage, bis wann eine europäische Patentanmeldung im Falle einer Patenterteilung anhängig im Sinne der Regel 25 (1) EPÜ 1973 ist. Sie verwies auf die ständige Praxis des EPA, nach der die Anmeldung ausgehend von Artikel 97 (4) EPÜ 1973 im Zeitraum zwischen dem Erlass des Erteilungsbeschlusses und der Bekanntmachung des Hinweises auf die Erteilung immer noch als vor dem EPA anhängig gilt.
4.3.2 Dieser Standpunkt der Präsidentin steht wohlgemerkt nicht im Widerspruch zu der Auslegung der Regel 25 (1) EPÜ 1973 durch die Große Beschwerdekammer, wonach eine europäische Patentanmeldung anhängig ist, solange die materiellen Rechte, die sich nach dem EPÜ daraus ergeben, bestehen (siehe vorstehende Nr. 3.2.4). Für den Fall der Patenterteilung ist in Artikel 64 (1) EPÜ 1973 verankert, dass von dem Tag der Bekanntmachung des Hinweises auf die Erteilung an nicht mehr die Patentanmeldung, sondern das erteilte Patent seinem Inhaber dieselben Rechte gewährt, die ihm ein in einem bestimmten Staat erteiltes nationales Patent gewähren würde. Artikel 64 (1) EPÜ 1973 steht in Einklang mit Artikel 97 (4) EPÜ 1973, dem zufolge die Entscheidung über die Erteilung erst an dem Tag wirksam wird, an dem der Hinweis auf die Erteilung bekannt gemacht wird. Im Falle eines Erteilungsbeschlusses endet somit die Anhängigkeit der europäischen Patentanmeldung in der Regel am Tag vor der Bekanntmachung des Hinweises auf die Erteilung, weil sich ab diesem Zeitpunkt die materiellen Rechte nach dem EPÜ nicht mehr aus der Patentanmeldung, sondern aus dem erteilten Patent ableiten.
4.3.3 Die Präsidentin des EPA ging ferner auf die Frage ein, ob die Einreichung einer Teilanmeldung auch dann zuzulassen wäre, wenn in Bezug auf die Stammanmeldung eine (offenkundig) unzulässige Beschwerde eingelegt wird.
Als Konsequenz aus der vorstehenden Auslegung der Regel 25 (1) EPÜ 1973 ergibt sich, dass der späteste Zeitpunkt für die Einreichung einer Teilanmeldung, wenn keine Beschwerde eingelegt worden ist, entweder der Tag ist, an dem die Beschwerdefrist abläuft, oder der Tag vor der Bekanntmachung des Hinweises auf die Erteilung, je nachdem, ob eine Zurückweisungsentscheidung oder ein Erteilungsbeschluss ergangen ist. In keinem der beiden Fälle muss eine Beschwerde eingelegt werden, damit die Anmeldung anhängig bleibt.
Die von der Präsidentin angesprochene Frage bezieht sich dagegen auf Teilanmeldungen, die nach diesen Zeitpunkten eingereicht werden, wobei eine (offenkundig) unzulässige Beschwerde eingelegt wird, um die Anhängigkeit darüber hinaus zu erhalten.
Die der Großen Beschwerdekammer vorgelegte Rechtsfrage betrifft jedoch nur den Fall, in dem keine Beschwerde eingelegt wird. Diese weitere von der Präsidentin angesprochene Frage fällt somit nicht unter die Vorlageentscheidung und ist in der vorliegenden Entscheidung nicht zu beantworten.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird die der Großen Beschwerdekammer vorgelegte Rechtsfrage wie folgt beantwortet:
Eine europäische Patentanmeldung, die durch eine Entscheidung der Prüfungsabteilung zurückgewiesen wurde, ist, wenn keine Beschwerde eingelegt worden ist, noch bis zum Ablauf der Beschwerdefrist anhängig im Sinne der Regel 25 EPÜ 1973 (R. 36 (1) EPÜ).