W 0005/99 (Endothelin-Konjugate/SCHERING AG) of 3.7.2003

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2003:W000599.20030703
Datum der Entscheidung: 03 Juli 2003
Aktenzeichen: W 0005/99
Anmeldenummer: -
IPC-Klasse: A61K 51/08
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verwendung von Endothelin-Konjugaten in der Therapie, neue Endothelin-Konjugate, diese enthaltende Mittel, sowie Verfahren zu deren Herstellung
Name des Anmelders: Schering AG
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.3.04
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
Patent Cooperation Treaty Art 17(3)(a)
Patent Cooperation Treaty R 13
Patent Cooperation Treaty R 13(1)
Patent Cooperation Treaty R 13(2)
Patent Cooperation Treaty R 40(1)
Patent Cooperation Treaty R 68(3)(e)
Schlagwörter: Nicht Einheitlichkeit a posteriori (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0001/89
W 0013/87
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Anmelderin hat am 24. November 1997 beim Europäischen Patentamt die internationale Anmeldung PCT/EP 97/06518 mit insgesamt 24 Ansprüchen eingereicht. Die Ansprüche 1 und 9 hatten folgenden Wortlaut:

"1. Verwendung von Verbindungen der allgemeinen Formel (I)

E-Wn (I)

worin

E für einen Endothelin-Rezeptoren bindenden Rest abgeleitet von Endothelinen, Endothelin-Analoga, Endothelin-Derivaten, Endothelin-Teilsequenzen, Endothelin-Antagonisten steht und

W für eine Wirkgruppe steht, die ein Radionuklid ist oder die abgeleitet ist von einem Chemotherapeutikum, einem Komplex mit radioaktiven Metallisotop, einem Antikörper, Antikörperfrag[e]ment, Peptid, Kohlenhydrat, Oligonucleotid, PTK-Blocker, Anti-Thrombotikum, Gerinnungskaskadenhemmer, Hormon, Wachstumsfaktorenhemmer, Arzneimittel, Thrombozytenaggregationshemmer, Anti-Inflammatorikum, Ca-Antagonist, Lipidsenker oder einem Anti-Proliferativum und

n für die Ziffern 1 bis 100, vorzugsweise 1 bis 10 steht,

als Therapeutikum.

9. Verbindungen der allgemeinen Formel (II)

E-W1n (II)

worin

E für einen Endothelin-Rezeptoren bindenden Rest, abgeleitet von Endothelinen, Endothelin-Analoga, Endothelin-Derivaten, Endothelin-Teilsequenzen, Endothelin-Antagonisten, steht und

W1 für eine Wirkgruppe steht, die ein Radionuklid der Elemente At, Ba, Br, C, F, N, O oder P enthält oder die abgeleitet ist von einem Chemotherapeutikum, einem Antikörper, Antikörperfrag[e]ment, Peptid, Kohlenhydrat, Oligonucleotid, PTK-Blocker, Anti-Thrombotikum, Wachstumsfaktorenhemmer, Arzneimittel, Hormon, Thrombozytenaggregationshemmer, Anti-Inflammatorikum, Ca-Antagonist, Lipidsenker oder einem Anti-Proliferativum und

n für die Ziffern 1 bis 100, vorzugsweise 1 bis 10 steht."

II. Mit Bescheid vom 16. September 1998 hat das Europäische Patentamt in seiner Eigenschaft als Internationale Recherchenbehörde ("IRB") dem Anmelder, gestützt auf Artikel 17 (3) a) und Regel 40.1 PCT, eine Aufforderung zur Zahlung von zehn zusätzlichen Recherchengebühren mit dem Hinweis zugestellt, daß die internationale Anmeldung dem Erfordernis der Einheitlichkeit nicht entspreche. Diese Aufforderung stützte sich auf das Ergebnis einer Vorabrecherche, die u. a. folgende Entgegenhaltungen ergeben hatte:

(1) WO-A-96/02568;

(2) DE-A- 43 37 600; und

(3) Schvartz I. et al, Peptides, Bd. 12, Nr. 6, Seiten 1229-1233 (1. Januar 1991).

III. In der Zahlungsaufforderung hieß es, daß die der vorliegenden Anmeldung zugrundeliegende Aufgabe gewesen sei, neue gezielte Therapeutika zur Verfügung zu stellen. Daher würden verschiedene Konjugate vorgeschlagen, die durch bestimmte Strukturmerkmale spezifisch an den Endothelin-Rezeptoren binden. Das ursprüngliche gemeinsame Konzept, welches den Gegenstand aller Ansprüche verbunden hätte, sei diese Selektivität für die Endothelin-Rezeptoren gewesen. Im Hinblick auf die genannten Dokumente, die bereits an Endothelin-Rezeptoren bindende Radiopharmazeutika (Entgegenhaltungen (1) und (3)) oder Arzneimittel (Entgegenhaltung (3)) beschrieben, könne dieses gemeinsame Konzept jedoch nicht mehr als neu betrachtet werden. Da es kein anderes technisches Merkmal gebe, das als besonderes technisches Merkmal" einen technischen Zusammenhang zwischen den Erfindungen bestimmen könnte, würden die Erfordernisse der Einheitlichkeit der Erfindung nicht erfüllt. Die IRB nannte elf Gruppen von Ansprüchen, die jeweils einer anderen erfinderischen Idee zuzurechnen seien:

1. Ansprüche: 9-10, 24 teilweise, 1-8 und 11

Mit Radionuklid markierte Endothelin-Konjugate, und deren Verwendung in der Therapie;

2. Ansprüche: 9-10, 24 teilweise, und 12

Konjugate von Endothelin mit einem Cytostaticum gemäß Anspruch 12

3. Ansprüche: 9-10, 24 teilweise, und 13

Konjugate von Endothelin mit einer Verbindung gemäß Anspruch 13

4. Ansprüche: 9-10, 24 teilweise, und 14

Konjugate von Endothelin mit einer Verbindung gemäß Anspruch 14

5. Ansprüche: 9-10, 24 teilweise, und 15

Konjugate von Endothelin mit einer Verbindung gemäß Anspruch 15

6. Ansprüche: 9-10, 24 teilweise, und 16

Konjugate von Endothelin mit einer Verbindung gemäß Anspruch 16

7. Ansprüche: 9-10, 24 teilweise, und 17-18

Konjugate von Endothelin mit einem Antikoagulanz gemäß Anspruch 17 oder 18

8. Ansprüche: 9-10, 24 teilweise, und 19

Konjugate von Endothelin mit einer Verbindung gemäß Anspruch 19

9. Ansprüche: 9-10, 24 teilweise, und 20-21

Konjugate von Endothelin mit einem Antihypertensivum gemäß Ansprüchen 20-21

10. Ansprüche: 9-10, 24 teilweise, und 22

Konjugate von Endothelin mit einer Verbindung gemäß Anspruch 22

11. Ansprüche: 9-10, 24 teilweise, und 23

Konjugate von Endothelin mit einer Verbindung gemäß Anspruch 23

IV. Die Anmelderin hat die angeforderten zusätzlichen Recherchengebühren unter Widerspruch entrichtet und zur Begründung des Widerspruchs im wesentlichen ausgeführt, daß das gemeinsame technische Merkmal, das die Ansprüche durch eine einzige allgemeine erfinderische Idee zusammenhalte, einerseits die Selektivität für die Endothelin-Rezeptoren, andererseits die Verwendung dieser Verbindungen zur Herstellung von Arzneimitteln für die Therapie sei, da alle bisher bekannten ähnlichen Verbindungen ausschließlich als Diagnostika eingesetzt worden seien. Daher hat die Anmelderin beantragt, die Uneinheitlichkeitsbeanstandung aufzuheben und die zusätzlichen Recherchengebühren zurückzuzahlen.

V. Am 30. Dezember 1998 hat der Ausschuß der IRB im Rahmen der Überprüfung des Widerspruchs gemäß Regel 40.2 (e) PCT mitgeteilt, daß der Einwand der Nichteinheitlichkeit aufrechterhalten werde, und hat die Anmelderin für die weitere Prüfung des Widerspruchs zur Zahlung einer Widerspruchsgebühr von DM 2 000,- innerhalb eines Monates aufgefordert. Der Abbuchungsauftrag wurde mit Schreiben vom 13. Januar 1999 erteilt.

Entscheidungsgründe

1. Der Widerspruch ist zulässig.

2. Gemäß Regel 13.1 PCT darf sich die internationale Anmeldung nur auf eine oder eine Gruppe von Erfindungen beziehen, die so zusammenhängen, daß sie eine allgemeine erfinderische Idee verwirklichen. Das Fehlen der Einheitlichkeit kann unmittelbar - a priori -, also vor der Prüfung der Ansprüche in bezug auf den durch die Recherche aufgefundenen Stand der Technik, erkennbar sein (siehe z. B. Entscheidung W 13/87 vom 9. August 1988). Im Hinblick auf die Entscheidung der Großen Beschwerdekammer G 1/89 (Abl. EPA 1991, 155) ist die IRB jedoch auch befugt, eine Beanstandung a posteriori, also unter Berücksichtigung eines durch die Recherche aufgefundenen Standes der Technik nach einer vorläufigen Prüfung hinsichtlich Neuheit und erfinderischer Tätigkeit zu erheben und gegebenenfalls weitere Recherchengebühren zu verlangen. Da jedoch in diesem Verfahren zwischen der Anmelderin und der IRB nicht der für ein Prüfungsverfahren übliche Meinungsaustausch stattfinden könne, empfiehlt die Große Beschwerdekammer, bei der vorläufigen Prüfung auf Neuheit und erfinderische Tätigkeit Zurückhaltung zu üben und in Grenzfällen davon auszugehen, daß eine Anmeldung das Erfordernis der Einheitlichkeit der Erfindung erfülle. Lediglich in klaren Fällen solle der Nichteinheitlichkeitseinwand erhoben werden (siehe Punkt 8.2 der Entscheidung).

3. In ihrer Aufforderung vom 16. September 1998 zur Zahlung zehn zusätzlicher Gebühren hat die IRB auf die Entgegenhaltungen (1) bis (3) verwiesen, die ihres Erachtens für den Gegenstand des Anspruchs 1 neuheitsschädlich sind.

4. Zur Begründung ihres Widerspruchs hat die Anmelderin ausgeführt, daß das gemeinsame technische Merkmal, das die Ansprüche durch eine einzige allgemeine erfinderische Idee zusammenhalte, (i) die Selektivität für die Endothelin-Rezeptoren und (ii) die Verwendung dieser Verbindungen zur Herstellung von Arzneimitteln für die Therapie sei.

5. Die Kammer kann der Auffassung der Anmelderin folgen, daß sich die Anmeldung auf Verbindungen der allgemeinen Formel (I) bezieht, die (i) selektiv für die Endothelin-Rezeptoren sind und (ii) zur Herstellung von Arzneimitteln für die Therapie verwendet werden. Daher ist die Kammer damit einverstanden, daß die Einheitlichkeit "a priori" der unter Punkt III oben erwähnten elf Gruppen von Endothelin-Konjugaten auf die Merkmale (i) und (ii) zurückgeführt werden könnte.

6. Ferner schließt sich die Kammer der Auffassung der Anmelderin an, daß Entgegenhaltung (3) die Anwendung eines Biotin-Endothelin-Konjugats lediglich in der Diagnose beschreibt. Somit ist die Entgegenhaltung (3) für Anspruch 1 nicht neuheitschädlich.

7. Auf Seite 7, Zeilen 16-23, der Entgegenhaltung (2) wird erwähnt:

"Gegenstand der vorliegenden Erfindung sind ferner die Metallchelatkomplexe radioaktiver Metallionen mit den erfindungsgemäßen Verbindungen der allgemeinen Formel I, worin R1, R2 and R3 die oben angegebene Bedeutung haben. Geeignete radioaktive Metallionen sind beispielweise Ionen der Radioisotope der Elemente Tc, Re, Cu, Ga, Gd, Y und In. Die Auswahl des Radionuklids richtet sich nach der gewünschten Art der Anwendung der erfindungsgemäßen Metallchelatkomplexe der allgemeinen Formel I. Dabei werden für die Diagnostik oder Radiotherapie unterschiedliche Radionuklide verwendet. Bevorzugt werden dabei radioaktive Metallionen der Elemente Tc und Re." (Betonung durch die Kammer).

Darüber hinaus lautet Seite 2, Zeile 25 dieser Entgegenhaltung: "Für die Therapie sucht man nach Möglichkeiten, ein radioaktives Isotop des Rhenium anzuwenden"

Somit kommt die Kammer zu der Schlußfolgerung, daß die Verwendung von mit Rhenium markierten Endothelin-Konjugaten in der Therapie in Entgegenhaltung (2) vorbeschrieben ist.

8. Die Anmelderin trägt vor, daß die in Entgegenhaltung (1) beschriebenen, mit Radionuklid markierten Endothelin-Konjugate ausschließlich zur Diagnose von atherosklerotischen Erkrankungen verwendet würden. Die Kammer kann sich dieser Auffassung nicht anschließen. Auf Seite 27, Zeilen 7 bis 16 der Entgegenhaltung (1) wird erwähnt: "Die erfindungsgemäßen Verbindungen kommen zur Anwendung für die Radiodiagnostik und Radiotherapie in Form ihrer Komplexe mit den Radioisotopen der Elemente der O[r]dnungszahl 27, 29, 30-32, 37-39, 42-51, 62, 64, 70, 75 und 77. Die erfindungsgemäßen radiopharmazeutischen Mittel erfüllen die vielfältigen Voraussetzungen für die Eignung als Radiopharmaka für die Radiodiagnostik und Radiotherapie." Somit werden, nach Auffassung der Kammer, die mit Radionuklid markierten Endothelin-Konjugate der Entgegenhaltung (1) sowohl in der Diagnostik als auch in der Therapie eingesetzt, zumal es üblich ist, dasselbe Radiopharmakon (voraussichtlich in unterschiedlichen Konzentrationen) für beide Zwecke zu verwenden (siehe z. B. die im Recherchenbericht zitierte Entgegenhaltung "Radiopharmaceuticals", unten "Rhenium-186", (dh ein Radioisotop des Elements mit Ordnungszahl 75): "for the localisation and treatment of painful bone metastases"). In Anbetracht der Offenbarung der Entgegenhaltung (1) kann die Kammer nur zu dem Schluß gelangen, daß die Anwendung in der Therapie von mit Radionuklid markierten, Endothelin-Rezeptor spezifischen Endothelin-Konjugaten am Anmeldetag bereits bekannt war.

9. Nach Regel 13.2 PCT ist das Erfordernis der Einheitlichkeit der Erfindung nur erfüllt, wenn zwischen den Erfindungen ein technischer Zusammenhang besteht, der in einem oder mehreren gleichen oder entsprechenden besonderen technischen Merkmalen zum Ausdruck kommt.

Unter dem Begriff "besondere technische Merkmale" sind diejenigen technischen Merkmale zu verstehen, die einen Beitrag jeder beanspruchten Erfindung als Ganzes zum Stand der Technik bestimmen.

10. Zur Beantwortung der Frage, ob im vorliegenden Fall die Erfordernisse der Regel 13.2 erfüllt sind, ist daher der Gegenstand der vorliegenden Ansprüche, der auf die unter Punkt III oben erwähnten Konjugate (d. h. die elf Gruppen von Endothelin-Konjugaten) gerichtet ist, mit dem bekannten Stand der Technik zu vergleichen, und zu prüfen, ob ihm gegenüber alle beanspruchten Erfindungen noch einen gemeinsamen Beitrag zum Stand der Technik leisten.

11. Eine der nun beanspruchten Gruppen (mit Radionuklid markierte Endothelin-Konjugate) wird, wie voranstehend bereits aufgezeigt, in den Entgegenhaltungen (1) oder (2) neuheitsschädlich vorbeschrieben (vgl. Punkte 7 und 8 oben). Bei den Merkmalen (i) und (ii) (siehe Punkte 4 und 5 oben) kann es sich daher nicht mehr um besondere technische Merkmale im Sinne von Regel 13.2 PCT handeln.

12. Gegenüber den Entgegenhaltungen (1) oder (2) bestand für den Fachmann daher die Aufgabe lediglich darin, weitere an den Endothelin-Rezeptor gezielte Therapeutika zur Verfügung zu stellen. Bei dieser Aufgabenstellung kann ein die Erfindungen verbindendes technisches Merkmal nur noch in gemeinsamen Strukturen oder Wirkungen der beanspruchten Verbindungen als solchen zu finden sein.

13. Nach Auffassung der Kammer beziehen sich jedoch die nun gegenüber dem Stand der Technik zur Verfügung gestellten Lösungen auf völlig unterschiedliche pharmakologisch aktive Endothelin-Rezeptor Therapeutika (mit einem Cytostaticum markierte Endothelin-Konjugate; mit einem PTK-Blocker markierte Endothelin-Konjugate; mit einem Anti-Krebs markierte Endothelin-Konjugate; mit einem Wachstumsfaktorenhemmer markierte Endothelin-Konjugate; mit einem Antikoagulanz markierte Endothelin-Konjugate; mit einem Anti-Inflammatorikum markierte Endothelin-Konjugate, mit einem Anti-Proliferativum markierte Endothelin-Konjugate; mit einem Ca-Antagonist markierte Endothelin-Konjugate; mit einem Lipidsenker markierte Endothelin-Konjugate; und mit einem Aptamer-Oligonucleotid markierte Endothelin-Konjugate), die nicht den geforderten technischen Zusammenhang zueinander aufweisen, da alle oben genannten Alternativen offensichtlich weder eine gemeinsame pharmakologische Wirkung noch gemeinsame Struktur-Elemente aufweisen.

14. Aus diesen Gründen genügt die internationale Anmeldung nicht den Erfordernissen der Regel 13 PCT und die Aufforderung der IRB, zehn zusätzliche Recherchengebühren zu entrichten, war berechtigt.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Der Widerspruch nach Regel 40.2 c) PCT wird zurückgewiesen.

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