European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:1992:W003792.19921104 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 04 November 1992 | ||||||||
Aktenzeichen: | W 0037/92 | ||||||||
Anmeldenummer: | - | ||||||||
IPC-Klasse: | C12N 15/51 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Von Proteinen des Hepatitis C-Virus abgeleitete Polypeptide und deren Verwendung | ||||||||
Name des Anmelders: | - | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.3.02 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Uneinheitlichkeit der Erfindung a posteriori - (nein) Kein klarer Fall |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Anmelderin hat die internationale Patentanmeldung PCT/DE.... eingereicht. Anspruch 1 lautet wie folgt:
"1. Gentechnologisch hergestelltes Polypeptid aus einem Protein des Hepatitis C-Virus, dadurch gekennzeichnet, daß das Hepatitis C-Polypeptid weniger als 15 Aminosäuren aufweist, die von anfusionierten Fremdproteinen abstammen oder von dem Klonierungsvektor herstammen."
Die direkt oder indirekt von Anspruch 1 abhängigen Unteransprüche 3 bis 10 beziehen sich auf unterschiedliche Ausführungsformen des in Anspruch 1 definierten Polypeptides.
II. Die Zweigstelle des Europäischen Patentamts in Den Haag hat als zuständige internationale Recherchenbehörde (IRB) der Anmelderin eine Mitteilung mit der Aufforderung gemäß Artikel 17 (3) (a) und Regel 40.1 PCT zur Zahlung von 4 weiteren Recherchengebühren zugestellt. Die IRB vertritt die Auffassung, daß die internationale Anmeldung dem Erfordernis der Einheitlichkeit a posteriori, d. h. nach Ermittlung entgegenstehenden Standes der Technik durch die Recherche, nicht entspreche. Zur Begründung wird ausgeführt:
"Das Problem der unterliegenden Erfindung ist die Herstellung von Hepatitis C-Virus (HCV) Polypeptiden, oder Teilsequenzen davon, mit weniger als 15 von anfusionierten Fremdproteinen abstammenden Aminosäuren. Aus den im Recherchenbericht angeführten Dokumenten zeigt es sich, daß derartige Polypeptide schon bekannt sind. Weil die beanspruchten Polypeptide von wesentlich verschiedener Primärstruktur sind und auch von wesentlich verschiedenen Teilen des HCV-Genoms stammen, wurde, gemäß PCT Regel 13.1, auf mangelnde Einheitlichkeit der Erfindung beschlossen."
Die IRB hat daher folgende Umgruppierung vorgenommen:
"1. Patentansprüche 1 - 3, 5, 6, 11 - 17 (alle (teilweise), 18, 23 (teilweise), 27 (teilweise): HCV-Core Polypeptid, oder Teilsequenzen davon, Testkit, Impfstoff, Verwendung, für dieses Polypeptid kodierende Nukleotidsequenzen und davon abgeleitete oder dazu gehörende DNA-Primersequenzen.
2. Patentansprüche 4, 7 11 - 17 (alle teilweise), 19, 23 (teilweise), 27 (teilweise): HCV-ENV Polypeptid, oder Teilsequenzen davon, Testkit, Impfstoff, Verwendung, für dieses Polypeptid kodierende Nukleotidsequenz und davon abgeleitete oder dazu gehörende DNA-Primersequenzen.
3. Patentansprüche 8, 11 - 17 (alle teilweise), 21, 23 (teilweise), 25, 27 (teilweise): Mit Hilfe des Klones NS-3 hergestelltes Polypeptid, Testkit, Imfpstoff, Verwendung, für dieses Polypeptid kodierende Nukleotidsequenz und davon abgeleitete oder dazu gehörende DNA-Primersquenzen.
4. Patentansprüche 9, 11 - 17 (alle teilweise), 23 (teilweise), 24, 27 (teilweise): Mit Hilfe des Klones NS-4 hergestelltes Polypeptid, Testkit, Impfstoff, Verwendung, für dieses Polypeptid kodierende Nukleotidsequenz und davon abgeleitete oder dazu gehörende DNA-Primersequenzen.
5. Patentansprüche 10, 11 - 17 (alle teilweise), 20, 22, 23 (teilweise), 26, 27 (teilweise): Mit Hilfe des Klones pIC19H-N512 hergestelltes Polypeptid, Testkit, Impfstoff, Verwendung, für dieses Polypeptid kodierende Nukleotidsequenz und davon abgeleitete oder dazu gehörende DNA-Primersequenzen."
III. Die Anmelderin hat nach Regel 40.2 (c) PCT Widerspruch erhoben und zur Begründung des Widerspruchs im wesentlichen ausgeführt, daß die internationale Patentanmeldung gentechnologisch hergestellte HCV- Polypeptide mit weniger als 15 von anfusionierten Fremdproteinen abstammenden Aminosäuren beschreibe. Dieses Merkmal wohne den erfindungsgemäßen HCV-Polypeptiden inne und stelle damit auch den Kern der Erfindung dar, unabhängig von ihrer Position auf dem HCV-Genom. Selbst wenn man unterstellen wollte, daß die Patentansprüche 1 und 2 nicht mehr patentfähig seien, stelle das genannte Merkmal ein Bindeglied dar, das die Ansprüche durch eine einzige allgemeine erfinderische Idee zusammenhalte.
Im übrigen unterscheide sich das Produkt der vorliegenden Patentanmeldung von dem, in den, durch die Recherche aufgefundenen, Literaturstellen beschriebenen dadurch, daß es sich um ein gentechnologisch hergestelltes handele.
Daher wird die Rückzahlung der 4 zusätzlich gezahlten Recherchengebühren beantragt.
Entscheidungsgründe
1. Der Widerspruch ist zulässig.
2. Die Große Beschwerdekammer hat in ihrer Entscheidung G 1/89 (ABl. EPA 1991, 155) festgestellt, daß die IRB befugt ist, die Einheitlichkeit einer internationalen Anmeldung a posteriori, d. h. im Lichte eines durch die Recherche aufgefundenen Standes der Technik nach einer vorläufigen Prüfung hinsichtlich Neuheit und erfinderischer Tätigkeit zu beanstanden und gegebenenfalls weitere Recherchengebühren zu verlangen. Da jedoch in diesem Verfahren zwischen der Anmelderin und der IRBnicht der für ein Prüfungsverfahren übliche Meinungsaustausch stattfinden könne, empfiehlt die Große Beschwerdekammer, bei der vorläufigen Prüfung auf Neuheit und erfinderische Tätigkeit Zurückhaltung zu üben und in Grenzfällen davon auszugehen, daß eine Anmeldung das Erfordernis der Einheitlichkeit der Erfindung erfülle. Lediglich in klaren Fällen solle der Nichteinheitlichkeitseinwand erhoben werden (siehe Punkt 8.2 der Entscheidung).
3. Die IRB weist in ihrer Begründung zur Aufforderung zur Zahlung weiterer Recherchengebühren pauschal auf die im Recherchenbericht aufgefundenen Druckschriften hin. Eine Analyse des technischen Offenbarungsgehalts jeder einzelnen Druckschrift sowie Hinweise auf Übereinstimmungen oder Unterschiede zwischen den Offenbarungen dieser Druckschriften und dem im Hauptanspruch der vorliegenden internationalen Patentanmeldung genannten gentechnologisch hergestellten Polypeptids eines Proteins des Hepatitis C-Virus wurde durch die IRB nicht durchgeführt (siehe Absatz II oben). Die IRB stellt lediglich die Behauptung auf, daß die genannten Dokumente zeigten, daß derartige Polypeptide "schon bekannt sind". 4. Die Kammer hat die Frage der Neuheit des Anspruchs 1 überprüft und kommt zu folgendem Ergebnis:
4.1 Die IRB verweist in der Begründung zur Aufforderung zur Zahlung weiterer Recherchengebühren lediglich pauschal auf den Recherchenbericht und die darin erwähnten Druckschriften. Es sind dies:
(1) EP-A-0 388 232
(2) Peptide Chemistry 1990, Proceedings of the 28th Symposium on Peptide Chemistry, Osaka, 25 - 27 Oktober 1990, E. Munekata et al.: "Epitope-mapping of hepatitis C virus constituting protein", Seiten 211 - 214
(3) Japanese Journal of Experimental Medicine, Band 60, Nr. 4, 1990 (Tokyo, JP) H. Okamoto et al.: "Enzyme-linked immunosorbent assay for antibodies against the capsid protein of hepatitis C virus with a synthetic oligopeptide", Seiten 223 - 233
(4) Nucleic Acids Research, Band 18, Nr. 15, August 1990, Oxford University Press (Oxford, GB) K. Takeuchi et al.: "Nucleotide sequence of core and envelope genes of the hepatitis C virus genome derived directly form human healthy carriers", Seite 4626.
4.2 Der Hauptanspruch der internationalen Patentanmeldung bezieht sich auf gentechnologisch hergestellte Polypeptide aus einem Protein des Hepatitis C-Virus, wobei das Polypeptid weniger als 15 Aminosäuren aufweist, die nicht zu dem Hepatitis C-Virusprotein gehören.
4.3 Dokument (1) offenbart Sequenzen und Polypeptide des Hepatitis C-Virus, hergestellt durch gentechnische Methoden und deren Verwendung in Diagnostik und Therapie.
Eine detallierte Beschreibung der gentechnischen Methoden, wie sie in diesem Dokument verwendet wurden, die Aufschluß darüber geben können, ob es sich bei den exprimierten Polypeptiden um sogenannte "Fusionsproteine" handelt, findet sich in dem umfangreichen Dokument auf Seite 30, Zeilen 39 bis 54 und Seite 31, soweit es die Expression der Polypeptide in dem Bakterium E.coli betrifft. Wie aus Seite 31, Zeilen 21 bis 23 erkennbar ist, exprimieren die transformierten E.coli-Zellen Fusionspolypeptide. Hinsichtlich der Expression in Hefe offenbart Dokument (1) auf Seite 32, Zeilen 33 bis 57 und Seite 33, Zeilen 1 bis 3 ebenfalls die Expression von Fusionspolypeptiden. Soweit die Kammer bei der vorläufigen Prüfung des umfangreichen Dokumentes bisher feststellen konnte, beschreibt Dokument (1) kein Hepatitis C-Polypeptid, das weniger als 15 Aminosäuren aufweist, die von anfusionierten Fremdproteinen oder von dem Klonierungsvektor stammen. Anspruch 1 der internationalen Patentanmedung ist somit gegenüber dieser Druckschrift als neu anzusehen.
4.4 Dokument (2) beschreibt die synthetische Herstellung bestimmter Peptidsegmente des Hepatitis C-Virus, die Epitopfunktion haben. Es handelt sich um kurze Peptide, deren längstes 36 Aminosäurereste aufweist und die somit als Oligopeptide zu definieren sind. Die Polypeptide gemäß Hauptanspruch der internationalen Patentanmeldung sind demgegenüber als neu anzusehen, da sie, wie aus der Beschreibung, insbesondere den Abbildungen 1, 4 und 6, ersichtlich, mehr als 150 Aminosäurereste aufweisen.
4.5 In Dokument (3) wird ein Immunoassay für Antikörper gegen ein Capsidprotein des Hepatitis C-Virus mit einem synthetischen Oligopeptid offenbart. Dieses Oligopeptid ist identisch mit dem 36 Aminosäuren aufweisenden, Oligopeptid des Dokuments (2). Die Druckschrift bezieht sich somit, ebenso wie Dokument (2), nicht auf Polypeptide und steht damit dem Hauptanspruch der internationalen Patentanmeldung nicht neuheitsschädlich entgegen.
4.6 Dokument (4) schließlich offenbart Nukleotidsequenzen von core- und envelope-Genen des Hepatitis C-Virus Genoms, die unmittelbar von menschlichen gesunden Trägern erhalten wurden. Es ist lediglich eine DNS-Sequenzanalyse beschrieben, jedoch nicht die Expression der entsprechenden Aminosäuren, bzw. Peptide. Die Offenbarung dieser Druckschrift bezieht sich somit nicht auf Polypeptide des Hepatitis C-Virus, die weniger als 15 anfusionierte Fremdproteine aufweisen. Auch gegenüber dieser Druckschrift ist somit nach vorläufiger Prüfung die Neuheit des in Frage stehenden Hauptanspruchs anzuerkennen.
4.7 Wenn somit die IRB mit der Formulierung in ihrer Begründung der Aufforderung zur Zahlung weiterer Recherchengebühren, "daß derartige Polypeptide schon bekannt sind" eine Neuheitsbeanstandung ausprechen wollte, kann die Kammer aufgrund der obigen Ausführungen dieser Auffassung nicht folgen.
5. Um eine abschließende Entscheidung bezüglich der Einheitlichkeit treffen zu können, wäre es nun nötig zu prüfen, ob dieser Anspruch im Hinblick auf den recherchierten Stand der Technik auch eine erfinderische Leistung darstellt. Die Kammer sieht von einer Prüfung der erfinderischen Tätigkeit ab, da diese angesichts des oben analysierten Standes der Technik alles andere als eine klare Angelegenheit ist. Der vorliegende Fall ist somit der von der Großen Beschwerdekammer in ihrer Entscheidung (siehe oben Punkt 2) angesprochene, da der Anmelder keine faire Behandlung erführe, würde die Kammer jetzt, ohne weiteren Meinungsaustausch mit der Anmelderin, über die erfinderische Tätigkeit gegebenenfalls negativ entscheiden. Aus diesem Grund hätte auch die IRB, wäre sie bei der Prüfung der Frage der Neuheit zu dem gleichen Ergebnis wie die Kammer jetzt gekommen, von einer Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit Abstand nehmen sollen. Dies hat zur Folge, daß in diesem Stadium nicht entschieden werden kann, die vorliegende Erfindung erfülle das Erfordernis der Einheitlichkeit nicht.
6. Die Aufforderung, 4 weitere Recherchengebühren zu bezahlen ist somit zu Unrecht ergangen und die Gebühren sind zurückzuzahlen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Rückzahlung von 4 zusätzlichen Recherchengebühren wird angeordnet.