W 0008/87 (Widerspruch) of 14.12.1987

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1987:W000887.19871214
Datum der Entscheidung: 14 Dezember 1987
Aktenzeichen: W 0008/87
Anmeldenummer: -
IPC-Klasse: -
Verfahrenssprache: EN
Verteilung:
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Fassungen: OJ
Bezeichnung der Anmeldung: -
Name des Anmelders: nicht veröff.
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.02
Leitsatz: 1. Stellt sich heraus, daß der Gegenstand eines unabhängigen Anspruchs nicht neu ist, so kann sich im nachhinein mangelnde Einheitlichkeit dadurch ergeben, daß durch eine Kombination dieses Anspruchs mit bestehenden abhängigen Ansprüchen neue unabhängige Ansprüche entstehen, die sich nicht auf eine Gruppe von Erfindungen beziehen, die so zusammenhängen, daß sie eine einzige allgemeine erfinderische Idee im Sinne der Regel 13.1 PCT verwirklichen.
2. Die bloße Aufzählung der in diesen neuen unabhängigen Ansprüchen definierten Erfindungen und die Feststellung, daß diese keine erfinderische Einheit mehr bilden, erfüllen jedoch nicht die Erfordernisse der Regel 40.1 PCT, wonach in der Aufforderung zur Zahlung zusätzlicher Gebühren gemäß Artikel 17 (3) a) PCT die Gründe für die Feststellung anzugeben sind, daß keine Einheitlichkeit vorliegt. Eine solche Aufforderung verstößt gegen Regel 40.1 PCT in Verbindung mit Regel 13.1 PCT und ist deshalb im Hinblick auf die oben genannte a posteriori festgestellte mangelnde Einheitlichkeit nicht rechtsverbindlich.
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 154(3)
Patent Cooperation Treaty Art 17(3)(a)
Patent Cooperation Treaty R 13(1)
Patent Cooperation Treaty R 40(1)
Patent Cooperation Treaty R 40(2)(c)
Schlagwörter: A posteriori festgestellte Uneinheitlichkeit
Uneinheitlichkeit - a posteriori festgestellt
Begründung in Zahlungsaufforderung
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
W 0004/93

Sachverhalt und Anträge

I. ... reichte die Anmelderin eine internationale Patentanmeldung ein. ...

II. ... erließ das Europäische Patentamt (EPA) als Internationale Recherchenbehörde (ISA) gemäß Artikel 17 (3) a) und Regel 40.1 PCT eine Aufforderung zur Zahlung fünf zusätzlicher Recherchengebühren mit der Begründung, die oben genannte Anmeldung entspreche ihrer Auffassung nach nicht den Anforderungen an die Einheitlichkeit der Erfindung.

Folgende sechs Erfindungen seien ermittelt worden:

Anspruch 10: ...

Diese Feststellung wurde damit begründet, daß die in Anspruch 1 ausgedrückte allgemeine erfinderische Idee in Anbetracht der Druckschrift EP-A-... der Prüfung nicht standhalte und auch nicht als neu gelten könne. Daher könnten die genannten Gegenstände auch nicht mehr als erfinderische Einheit betrachtet werden.

III. Am ... erklärte die Anmelderin schriftlich, daß sie die fünf zusätzlichen Recherchengebühren unter Widerspruch zahle (R. 40.2 c) PCT). ...

Sie behauptete, daß Anspruch 1 der Prüfung standhalte und einen neuen Gegenstand definiere, der gegenüber der genannten Entgegenhaltung patentierbar sei, so daß das Erfordernis der Einheitlichkeit der Erfindung erfüllt sei. Anspruch 1 enthalte die weiteste Definition der Erfindung in der Anmeldung; die übrigen Ansprüche seien besondere Ausführungsarten.

Die Anmelderin beantragte, daß zu den Ansprüchen 1 bis 10 eine Recherche durchgeführt wird und daß ihrem Widerspruch stattgegeben wird und die zusätzlichen Gebühren zurückgezahlt werden.

Entscheidungsgründe

1. Nach Artikel 154 (3) EPÜ und Artikel 9 der Vereinbarung zwischen der WIPO und der EPO sind die Beschwerdekammern des EPA für die Entscheidung über Widersprüche der Anmelder gegen vom EPA nach Artikel 17 (3) a) PCT festgesetzte zusätzliche Gebühren zuständig (ABl. EPA 1978, 249). Der Widerspruch ist im vorliegenden Fall gemäß Regel 40.2 c) PCT zulässig, weil die Anmelderin die zusätzlichen Gebühren innerhalb der vorgeschriebenen Frist (Art. 17 (3) a) PCT) unter Widerspruch gezahlt und eine Begründung des Inhalts beigefügt hat, daß die internationale Anmeldung ihres Erachtens das Erfordernis der Einheitlichkeit der Erfindung erfülle.

2. Die ISA hat in ihrer Aufforderung deutlich gemacht, daß sie die oben angegebenen sechs Gegenstände als eine Gruppe von Erfindungen betrachte, die nicht so zusammenhingen, daß sie eine einzige allgemeine erfinderische Idee verwirklichten. Entgegen Regel 40.1 PCT hat sie jedoch die Gründe für diese Feststellung in der Aufforderung nicht deutlich genug angegeben.

3. Die Beschwerdekammern des EPA haben bereits in früheren Entscheidungen (W 04/85 vom 22. April 1986 und W 07/86 vom 6. Juni 1986, beide ABl. EPA 1987, 63 - 69, und W 09/86 vom 11. August 1986, ABl. EPA 1987, 459 - 464) festgestellt, daß die Begründung einer Aufforderung nach Artikel 17 (3) a) und Regel 40.1 PCT eine wesentliche Voraussetzung für deren Rechtswirksamkeit ist.

In der erstgenannten Entscheidung heißt es (Nr. 3, Absatz 2, Satz 2): "In einfachen Fällen mag es durchaus ausreichend sein, daß zur Begründung der Nichteinheitlichkeit die Gegenstände der Anmeldung lediglich aufgezählt werden, ... wenn bereits aus der Aufzählung ohne weiteres ersichtlich ist, daß in der Anmeldung nicht eine einzige allgemeine erfinderische Idee im Sinne der Regel 13.1 PCT verwirklicht ist."

In der zweiten Entscheidung wird klargestellt (Leitsatz II), daß diese "einfache[n] Fälle, in denen eine bloße Aufzählung der verschiedenen Erfindungsgegenstände als Begründung angesehen werden könnte, ... seltene Ausnahmen" darstellen.

In der zuletzt genannten Entscheidung wird außerdem festgestellt, daß die Recherchenergebnisse, die einen Einwand wegen mangelnder Einheitlichkeit a posteriori nach sich ziehen, dem Anmelder als Teil der Begründung für die Nichterfüllung des Erfordernisses der Einheitlichkeit der Erfindung mitgeteilt werden müssen.

4. Im vorliegenden Fall liegt nach Auffassung der Kammer einer dieser seltenen "einfachen Fälle" vor. Der unabhängige Anspruch 10, der ein ... beschreibt, kann nämlich weder als Alternative für die Vorrichtung ... nach Anspruch 1 noch als Lösung derselben Aufgabe angesehen werden, die dem in Anspruch 1 definierten Gegenstand zugrunde liegt.

Daher hängen die Ansprüche 1 und 10 nicht so zusammen, daß sie eine einzige allgemeine erfinderische Idee verwirklichen.

In diesem Falle genügt die bloße Aufzählung der Anspruchssätze 1 und 2 einerseits und des Anspruchs 10 andererseits, um die Nichteinheitlichkeit deutlich zu machen.

Daher muß für den Gegenstand des Anspruchs 10 eine zusätzliche Recherchengebühr entrichtet werden.

5. Außerdem hat die ISA die Druckschrift EP-A-... genannt und zu Recht darauf hingewiesen, daß der Gegenstand des vorliegenden Anspruchs 1 im Hinblick darauf nicht als neu gelten könne.

EP-A-... beschreibt somit alle Merkmale des vorliegenden Anspruchs 1.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist daher nicht neu (Art. 33.1 PCT).

Die ISA hat die Entgegenhaltung EP-A-... zu Recht als neuheitsschädlich angeführt.

6. Nachdem der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht neu ist, läßt sich die mangelnde Einheitlichkeit (a posteriori) daran erkennen, daß sich unter den übrigen Ansprüchen (2 bis 9) mindestens zwei unabhängige Ansprüche ohne eine gemeinsame erfinderische Idee befinden.

Die ISA hat in ihrer Aufforderung fünf Gegenstände aufgezählt (Ansprüche 1, 2; 1, 3; 1, 4; 1, 5, 6 und 1, 7), jedoch nicht angegeben, warum diesen Gegenständen nicht dieselbe gemeinsame erfinderische Idee zugrunde liegt.

Im Gegensatz zur Nichteinheitlichkeit zwischen den Ansprüchen 1 und 10 (s. Nr. 4) zählt die Kammer die Anspruchssätze 1, 2; 1, 3; 1, 4; 1, 5, 6 und 1, 7 nicht zu den seltenen "einfachen Fällen", da die bloße Aufzählung der verschiedenen Gegenstände auch in Verbindung mit der Feststellung, daß diese nicht mehr als erfinderische Einheit gelten können, das Fehlen einer einzigen allgemeinen erfinderischen Idee nicht "ohne weiteres ersichtlich" macht.

Es ist im Gegenteil keineswegs ersichtlich, weshalb keine gemeinsame erfinderische Idee gegeben ist, die die Gegenstände dieser drei Anspruchssätze miteinander verbindet. Zum Beispiel ...

Außerdem geht aus der Beschreibung ganz klar hervor, daß eine der Aufgaben der Erfindung darin besteht, eine Vorrichtung bereitzustellen, die ...

Diese Aufgabenstellung schließt zumindest prima facie nicht aus, daß sie nicht sowohl durch den Gegenstand des Anspruchs 2 (1, 2) als auch den der Ansprüche 3 (1, 3), 4 (1, 4), 5 (1, 5) bzw. 7 (1, 7) gelöst werden kann.

Ohne nähere Erklärung können die Anmelderin und die Kammer aus den Bemerkungen in der Aufforderung nicht ersehen, ob die Aufforderung zur Zahlung zusätzlicher Gebühren rechtens war.

7. Dementsprechend fehlt der Aufforderung bezüglich der a posteriori festgestellten Nichteinheitlichkeit (s. Nr. 6) die Rechtsgrundlage, da sie gegen Regel 40.1 in Verbindung mit Regel 13.1 PCT verstößt; sie ist somit im Hinblick auf die unter Nummer 6 genannte a posteriori festgestellte Nichteinheitlichkeit nicht rechtswirksam.

Die entsprechenden vier zusätzlichen Recherchengebühren dürfen deshalb nicht einbehalten werden.

8. (...)

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Rückzahlung der vier zusätzlichen Recherchengebühren wird angeordnet.

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