European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2002:T105499.20020910 | ||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Datum der Entscheidung: | 10 September 2002 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1054/99 | ||||||||
Anmeldenummer: | 90100036.4 | ||||||||
IPC-Klasse: | B04B 1/20 B04B 9/12 |
||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
Download und weitere Informationen: |
|
||||||||
Bezeichnung der Anmeldung: | Dekanter mit einem insoweit schwingungsentkoppelten Bauteil | ||||||||
Name des Anmelders: | Flottweg GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Alfa Laval AB | ||||||||
Kammer: | 3.2.03 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
|
||||||||
Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit - rückschauende Betrachtungsweise | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
||||||||
Angeführte Entscheidungen: |
|
||||||||
Anführungen in anderen Entscheidungen: |
|
Sachverhalt und Anträge
I. Auf die europäische Patentanmeldung Nr. 90 100 036.4 wurde am 9. April 1997 das europäische Patent Nr. 0 376 919 mit den Patentansprüchen 1 bis 11 erteilt.
II. Anspruch 1 hat nachfolgenden Wortlaut:
"Dekanter für die Trennung einer Suspension in eine Feststoff- und eine oder mehrere Flüssigphasen mit folgenden Bauteilen:
- einer Trommel (3),
- einer Transportschnecke (4),
- einem Getriebe (5) und
- einem Antriebsmotor (6),
wobei die Trommel (3) auf dem Maschinenbett (1) drehbar abgestützt ist, die Transportschnecke (4) in der Trommel (3) gegenüber dieser mit Differenzdrehzahl umlaufend antreibbar ist, das Getriebe (5) zwischen Trommel (3) und Transportschnecke (4) eingeschaltet ist, der Antriebsmotor (6) über das Getriebe (5) an die Rotationseinheit aus Trommel (3) und Transportschnecke (4) angeschlossen ist, wobei der Dekanter weiter über Zu- und Ableitungen (21) für die Suspension und/oder die Feststoff- und Flüssigphasen verfügt, sowie ggfs. über Hilfsaggregate, die ebenfalls an dem Maschinenbett (1) gehalten sind, dadurch gekennzeichnet, daß mindestens ein Bauteil (6; 4) von den anderen an dem Maschinenbett (1) gehaltenen Bauteilen in wenigstens einer Bewegungsrichtung abgefedert entkoppelt und mittels eines parallel zur Abfederung arbeitenden Dämpfungsgliedes (13; 16; 18) mit den anderen Bauteilen gekoppelt ist und daß das wenigstens eine entkoppelt angeordnete Bauteil (6; 4) und/oder seine Halterung an dem Maschinenbett (1) bzw. gegenüber den anderen Bauteilen (1, 3, 4, 5) auf eine kritische Eigenfrequenz der übrigen Dekanteranlage abgestimmt bemessen, insbesondere hinsichtlich der Elastizität der Halterung abgestimmt, ist."
III. Gegen vorgenanntes europäisches Patent hat die Fa. Alfa Laval AB - nachfolgend Beschwerdeführerin - Einspruch eingelegt und zwar gestützt auf
(E5-US) US-A-4 154 394, in der Streitpatentschrift als FR-A-2 357 307 zitiert;
(E7) Zeitschrift "Filtration & Separation", Januar/Februar 1986, Seite 9 und
(E8) "Shock and Vibration Handbook", Cyril M. Harris, McGraw-Hill Book Company, 1976, Seiten 6-1 bis 6-38.
IV. In der mündlichen Verhandlung vom 16. September 1999 hat die Einspruchsabteilung den Einspruch zurückgewiesen, wobei die schriftliche Entscheidung am 30. September 1999 zugestellt worden ist.
V. Gegen vorgenannte Entscheidung hat die Beschwerdeführerin am 19. November 1999 unter gleichzeitiger Zahlung der Gebühr Beschwerde eingelegt und diese am 28. Januar 2000 dahingehend begründet, daß der beanspruchte Gegenstand gemäß erteiltem Anspruch 1 zwar neu, nicht aber erfinderisch sei.
VI. Nach vorbereitender Mitteilung der Kammer fand am 10. September 2002 eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt, in der die Beschwerdeführerin und die Patentinhaberin - nachfolgend Beschwerdegegnerin - im wesentlichen folgende Argumente vorbrachten:
a) Beschwerdeführerin:
- Bei der Frage der erfinderischen Tätigkeit sei zunächst das Handbuchwissen gemäß (E8) zu berücksichtigen, das insbesondere Resonanzfälle betrachte und darüber hinaus einen konkreten Hinweis auf Zentrifugen enthalte; im Resonanzfall ergebe sich eine maximale Schwingungsamplitude; mittels einer Zusatzmasse werde das Schwingungsverhalten des Systems verändert, wobei ein Dämpfungsglied die Schwingungsamplituden reduziere;
- aus (E8) sei zudem noch die Abstimmung des Hilfsmassensystems auf die Eigenfrequenz des Hauptsystems bekannt; damit habe die der vermeintlichen Erfindung zugrundeliegende Aufgabe, kritische Eigenschwingungen möglichst zu umgehen bzw. zu dämpfen, schon immer bestanden; mit dem Hinweis "as an integral part of the system" in der Einleitung der (E8) sei auch ein Äquivalent zum Hilfsmassensystem vorbekannt und (E8) auch aus diesem Blickwinkel relevant;
- der Ausgangspunkt der vermeintlichen Erfindung sei mit (E5-US) oder (E7) gegeben; grundsätzlich sei es irrelevant, wo die Erregerschwingung herstamme, es sei nur zu prüfen, was (E5-US) und (E7) an technischer Lehre entnehmbar sei;
- (E5-US) lehre bereits das Entkoppeln einer Teilmasse durch federndes Lagern derselben gegenüber der Hauptmasse und weiterhin die Einschaltung eines Dämpfungssystems; auch wenn nicht wortwörtlich aus (E5-US) entnehmbar, sei das abgekoppelte System auf die Eigenfrequenz des Hauptsystems abgestimmt, was mit den in (E5-US) offenbarten Verstellmitteln des Dämpfungssystems zu bewerkstelligen sei; im übrigen fehle im erteilten Anspruch 1 jeglicher Hinweis auf die Verstellbarkeit des Dämpfungsgliedes;
- (E7) sei (E5-US) sehr ähnlich und offenbare eine federnde Aufstellung des Dekanters, wie aus den Schwingmetallen der Figur ableitbar sei; die Entkoppelung einer Teilmasse gehe gemäß (E7) einher mit der Zwischenschaltung eines "shock absorbers", der die Schwingungen zwischen Antrieb und Gehäuse des Dekanters aufnehme;
- von (E5-US) bzw. (E7) ausgehend und das Allgemeinwissen auf dem Gebiet der Schwingungsmechanik gemäß (E8) berücksichtigend, könne der Lehre gemäß erteiltem Anspruch 1 keine erfinderische Tätigkeit zuerkannt werden, so daß diesem Anspruch der Rechtsbestand versagt bleiben müsse.
b) Beschwerdegegnerin:
- es sei zuzugeben, daß (E8) Fachbuchwissen entnehmbar sei, welches aber im Hinblick auf den Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 nicht zielführend sei, weil (E8) letztlich nur die Lehre vermittle, eine Hilfsmasse zusätzlich zum Vorhandenen (Dekanter) hinzuzufügen, um die Schwingungsprobleme der Anlage in den Griff zu bekommen;
- die Argumente der Beschwerdeführerin seien durchwegs rückschauender Art, weil darauf aufgebaut, was der Fachmann hätte tun können, anstelle zu untersuchen, was der Fachmann, der die Erfindung nicht kennt, in der vorliegenden Situation getan hätte;
- (E5-US) basiere auf dem Problem, das System aus einer Transportschnecke und einer zentralen Welle in schwingungstechnischer Hinsicht betriebsfähig zu machen, was durch eine Entkoppelung dieser Bauteile und die Einschaltung eines Dämpfungsgliedes erfolge;
- mit Blick auf das Beanspruchte betreffe (E5-US) nicht die Problemstellung der Schwingungsbeherrschung der Gesamtanlage und sei damit irrelevant, da auch das "Abstract" der (E5-US) keine klare Abstimmungslehre der Eigenfrequenzen von Teil- und Restsystem enthalte, sondern als Zielsetzung anzusehen sei;
- ohne Kenntnis der Erfindung sei der hier zu berücksichtigende Stand der Technik nicht dazu angetan, dem Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 die erfinderische Eigenart abzusprechen, zumal in (E8) nur die Variante "Zusatzmasse" nachvollziehbar dargelegt sei, aber vom Beanspruchten weglenke und in (E8) die Variante "integral part" unklar und für den Fachmann nicht nachvollziehbar sei.
VII. Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 0 376 919.
Die Beschwerdegegnerin beantragt die Zurückweisung der Beschwerde.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Neuheit
Die Frage der Neuheit des Gegenstandes gemäß erteiltem Anspruch 1 war im Beschwerdeverfahren zwischen den Parteien nicht mehr strittig. Die Kammer teilt diese Auffassung, so daß sich ins Detail gehende Erörterungen dieser Frage erübrigen.
3. Erfinderische Tätigkeit
3.1. Von den drei im Beschwerdeverfahren aufgegriffenen Druckschriften kommen (E5-US) und (E7) für die Bestimmung des Ausgangspunktes der Erfindung in Frage, da sie beide auf Dekanter, also einen Zentrifugentyp mit einer rotierenden Trommel und einer ebenfalls rotierenden Austragsschnecke für den auszutragenden Feststoff, abgestellt sind.
3.2. Ohne Kenntnis der Erfindung ist aufgrund der undeutlichen und rudimentären Darstellung des Dekanters gemäß (E7) zweifelhaft, was diesem Beweismittel überhaupt entnehmbar ist, da nicht einmal erkennbar ist, wie Motor/Getriebe auf dem Maschinenbett abgestützt sind. Nach Auffassung der Beschwerdeführerin soll es über Schwingmetallpuffer sein, was nach Überzeugung der Kammer sein kann, aber nicht zweifelsfrei sein muß.
Was der Fachmann (E7) klar entnehmen kann, ist ein "shock absorber", der gemäß begleitendem Text die Schwingungen zwischen Motor und Getriebe aufnimmt. Wie er angeordnet ist, parallel zur etwaigen Abfederung oder nicht, ist spekulativ und nicht von (E7) belegt. Dies gilt weiterhin für das letzte Kennzeichenmerkmal von Anspruch 1, nämlich die Abstimmung des Teilmassensystems auf die Eigenfrequenz des Restmassensystems, weil (E7) in dieser Hinsicht eine nachvollziehbare Information offenläßt. Selbst wenn somit eine federnde Abkopplung in wenigstens einer Bewegungsrichtung in (E7) unterstellt würde, hätte der Fachmann hieraus keinen verwertbaren Hinweis bezüglich der Abstimmung der Eigenfrequenzen von abgekoppeltem System und dem Restmassensystem. Die von der Beschwerdeführerin angestellten Überlegungen in Richtung einer zufälligen Übereinstimmung der Eigenfrequenzen der in Rede stehenden Schwingungssysteme sind kein Beleg dafür, daß das Auslegungsprinzip des Dekanters gemäß Anspruch 1 dem Stand der Technik hinzuzurechnen ist, d. h. als solches vom Fachmann schon erkannt wurde.
3.3. Gleiches gilt für (E5-US), die zwar in der Frage der Offenbarung eindeutiger ist als (E7), die aber bezüglich des Merkmals der Abstimmung der Eigenfrequenzen von abgekoppeltem System und dem Restmassensystem eine nachprüfbare Lehre schuldig bleibt. Wiederum gilt, daß die technischen Mittel für eine besagte Frequenzabstimmung in (E5-US) zwar vorhanden sind, vgl. Figuren 2 und 3 - Bezugszeichen "93" für Dämpfer, "33" für Dämpfungsbolzen, "35" für einstellbare Schraubenfeder und "37" für Einstellschraube - in Verbindung mit Spalte 3, Zeilen 34 bis 53 der (E5-US), aber offenbleibt, ob davon im Sinne des letzten Kennzeichenmerkmals des Anspruchs 1 auch Gebrauch gemacht wird. (E5-US) kann somit relevanter Stand der Technik sein, muß es aber ohne Kenntnis der Erfindung nicht sein.
3.4. Die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Sekundäranzeichen für das Vorliegen einer Frequenzabstimmung im Sinne des Beanspruchten sind nach Überzeugung der Kammer nicht so eindeutig, daß (E5-US) den Fachmann auf den Gegenstand des Anspruchs 1 hinleiten könnte. Dies gilt vor allem für das "Abstract" der (E5-US), das in Anlehnung an das Vorbringen der Beschwerdegegnerin als Zielsetzung und nicht als nachvollziehbare technische Lehre zum Handeln anzusehen ist.
3.5. Es verbleibt, auf (E8) einzugehen, die nicht speziell Dekanter betrifft, sondern ein Fachbuch bezüglich des Schwingungsverhaltens von rotierenden Maschinen, z. B. Zentrifugen, ist. Unter diesen Umständen ist (E8) als theoretischer Hintergrund anzusehen und nicht als Entgegenhaltung aus dem unmittelbar beanspruchten Gebiet der Dekanter für die Trennung einer Suspension in eine Feststoff- und eine oder mehrere Flüssigphasen.
3.6. Ohne Kenntnis der Erfindung weist (E8) eindeutig in Richtung "Zusatz- oder Hilfsmasse" als Mittel der Schwingungsbekämpfung, dergestalt, daß eine solche Masse zusätzlich zur eigentlichen Maschine vorzusehen ist, um die Schwingungsprobleme der Maschine in den Griff zu bekommen, vgl. diesbezüglich Seite 6-1 der (E8) und die Textstelle in der "Introduction", wo von einer "auxiliary mass" die Rede ist. Dieses Vorgehen gemäß (E8) weist aber vom Beanspruchten grundlegend weg, weil gemäß Anspruch 1 keine Zusatz- oder Hilfsmasse vorzusehen ist, vielmehr werden die vorhandenen Einzelmassen der Maschine einerseits ent- und andererseits mittels eines Dämpfungsgliedes gekoppelt und zwar unter abgestimmter Bemessung der Eigenfrequenzen der besagten zwei Schwingungssysteme.
3.7. Die in (E8) weiterhin summarisch angesprochene Alternative zur Hilfs-/Zusatzmasse, nämlich Ausbildung "as an integral part of the system", vgl. Introduction, Abschnitt 2 und Klammertext, weist nur dann auf den Gegenstand gemäß Anspruch 1 hin, wenn er in Kenntnis der Erfindung gelesen wird. Ansonsten ist er unklar und nicht dazu angetan, dem Fachmann das Wesen der Schwingungsbeherrschung gemäß Anspruch 1 kundzutun.
3.8. (E8) ist somit lediglich auf Handbuchwissen über Maschinen, deren Resonanzfälle/Schwingungsamplituden und deren Beherrschung durch Einfügen einer zusätzlichen Masse abgestellt, ohne aber auf die Lehre des Anspruchs 1 hinzulenken.
Bei diesen Gegebenheiten bedarf es keiner weitergehenden Überlegungen, ob eine Kombination von (E8) mit (E5-US) oder (E7) vom Fachmann, der vor der zugegebenermaßen bekannten, zu lösenden Aufgabe steht, kritische Eigenschwingungen einer Dekanteranlage möglichst zu umgehen bzw. zu dämpfen - vgl. Spalte 2, Zeilen 12 bis 16. der Streitpatentschrift - erfolgversprechend sein könnte oder nicht.
3.9. Vorstehende Überlegungen zu (E5-US), (E7) und (E8) zusammenfassend, beruht der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 auf erfinderischer Tätigkeit im Sinne der Artikel 56 und 100 a) EPÜ, so daß dieser Anspruch Rechtsbestand hat. Zum Einwand der Beschwerdeführerin bezüglich des Fehlens der Verstellbarkeit des Dämpfungsgliedes im Anspruch 1 ist festzuhalten, daß es grundsätzlich Sache der Beschwerdegegnerin ist, die Verstellbarkeit des Dämpfungsgliedes in Anspruch 1 aufzunehmen oder nicht. Da dieser Anspruch auch ohne dieses Merkmal rechtsbeständig ist - wie vorstehend dargelegt wurde - hatte die Kammer keine Veranlassung in dieser Richtung tätig zu werden.
3.10. Die auf Anspruch 1 rückbezogenen Ansprüche 2 bis 11 betreffen Ausgestaltungen des in Anspruch 1 beanspruchten Dekanters. Als abhängige Ansprüche ist auch ihr Rechtsbestand gegeben und das europäische Patent Nr. 0 376 919 insgesamt in seiner erteilten Fassung aufrechtzuerhalten.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.