European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2002:T093899.20020611 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 11 Juni 2002 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0938/99 | ||||||||
Anmeldenummer: | 94112715.1 | ||||||||
IPC-Klasse: | B60N 2/02 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Stellantrieb mit einem elektrischen Antriebsmotor und einem diesem nachgeordneten Getriebe | ||||||||
Name des Anmelders: | ROBERT BOSCH GMBH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Brose Fahrzeugteile GmbH & Co. KG | ||||||||
Kammer: | 3.2.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag verneint, Hilfsantrag II bejaht In der mündlichen Verhandlung erstmals vorgelegte Anspruchsfassungen - (Hilfsanträge I und III) von der Beschwerdekammer nicht zugelassen |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Der von der Beschwerdegegnerin (Einsprechenden) gegen das europäische Patent Nr. 647 542 eingelegte, auf die Einspruchsgründe gemäß Artikel 100 a) EPÜ (fehlende Neuheit, fehlende erfinderische Tätigkeit) gestützte Einspruch führte zum Widerruf des Patents mangels erfinderischer Tätigkeit des damals beanspruchten Gegenstandes durch die am 3. August 1999 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung.
Im Einspruchsverfahren sind zum Stand der Technik die folgenden Druckschriften genannt worden:
D1: EP-B-0 170 989
D2: DE-U-8 903 714
D3: DE-A-2 902 429
D4: US-A-4 186 524
D5: DE-A-3 519 324
D6: DE-C-4 101 470
D7: DE-A-3 323 923
D8: EP-A-0 379 615
D9: JP-A-53 83220
A1: Brockhaus ABC der Naturwissenschaft und Technik, Leipzig; 1948; Verlags-Nr. 61; Seiten 208, 212, 492 - 493
A6: Römpp Chemielexikon, Bd. 2, 1990, Seite 1585
A7: Römpp Chemielexikon, Bd. 3, 1990, Seite 2289.
Die zu einer behaupteten offenkundigen Vorbenutzung vorgelegten Beweismitteln A2 bis A5 werden nicht näher angeführt, da sie im Beschwerdeverfahren keine Rolle gespielt haben.
II. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung am 16. September 1999 bei gleichzeitiger Bezahlung der Beschwerdegebühr Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdebegründung ist am 19. November 1999 eingegangen.
III. Am 11. Juni 2002 wurde vor der Beschwerdekammer mündlich verhandelt.
Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents mit den in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Patentansprüchen gemäß Hauptantrag bzw. gemäß Hilfsanträgen I bis III und der Beschreibung und den Figuren gemäß Patentschrift.
Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.
Der Anspruch 1 nach dem Hauptantrag lautet (nach Berichtigung des Wortes "und" im überreichten Anspruchstext in "wobei", siehe Zeile 11 des folgenden Textes):
"Sitzverstelleinrichtung mit einem elektrischen Antriebsmotor (12) und einem diesem nachgeordneten Schneckengetriebe (18), dessen Getriebeschnecke (56) mit einem aus Kunststoff bestehenden Schneckenrad (54) kämmt, das mit einem Abtriebselement (20) gekoppelt ist, welches mit einem zu verstellenden Bauteil (22) eines Kraftfahrzeugsitzes wirkverbunden ist, und mit einem mehrteiligen Getriebegehäuse (28), in dessen Wandung das die Stellbewegung übertragende Schneckenrad (36) radial direkt und ohne Anordnung von besonderen Lagerelementen sowie die Getriebeschnecke gelagert sind, wobei das Schneckenrad (54) des Schneckengetriebes als aus Kunststoff gefertigte Gewindehülse (36) mit einem innenliegenden Mutterngewinde (52) ausgebildet ist, und das Abtriebselement als drehfeste und längsverschiebbare Spindel (20) ausgebildet ist, die mit ihrem Schraubengewinde (60) durch das Mutterngewinde (52) hindurchschraubbar ist, dadurch gekennzeichnet, daß das Getriebegehäuse aus Kunststoff hergestellt ist."
Der Anspruch 1 nach dem Hilfsantrag I setzt sich zusammen aus dem Gesamttext des Anspruchs 1 nach dem Hauptantrag und dem angefügten Teilsatz:
"wobei die beiden Enden der Getriebehülse (36) in dem Getriebegehäuse (28) gelagert sind, wobei ein Ende im Getriebedeckel (32) und das andere Ende in einem Gehäusetopf (30) des Gehäuses (28) gelagert ist."
Der Anspruch 1 nach dem Hilfsantrag II enthält ebenfalls den gesamten Text des Anspruchs 1 nach dem Hauptantrag, an dessen Ende der Teilsatz angefügt ist:
"und die Getriebeschnecke (56) aus einem kohlefasergefüllten Kunststoff besteht und direkt in der Wandung des Getriebegehäuses drehbar gelagert ist."
Der Anspruch 1 nach dem Hilfsantrag III enthält den gesamten Text des Anspruchs 1 nach dem Hauptantrag sowie den zusätzlichen Schlußsatz
"wobei das Getriebegehäuse (28) einen mit diesem verrasteten Gehäusedeckel (32) aufweist."
IV. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin läßt sich wie folgt zusammenfassen:
Das Gehäuse der Sitzverstelleinrichtung gemäß dem nächstkommenden Stand der Technik nach der D6 sei im Gegensatz zum Kunststoffgehäuse der beim Streitpatent beanspruchten Einrichtung aus Leichtmetall, während sich die ein Kunststoffgetriebegehäuse enthaltende Sitzverstelleinrichtung nach der D3 dadurch wesentlich vom beanspruchten Gegenstand unterscheide, daß bei ihr das Schneckenrad 9 im Gegensatz zum Streitpatent nicht als Gewindehülse mit einem innenliegenden Mutterngewinde ausgebildet sei, keine als Abtriebselement dienende längsverschiebbare Spindel aufweise und entweder aus einem auf einer Stahlwelle 10 befestigten Kunststoffkranz bestehe und daher nicht vollständig aus Kunststoff sei oder im Falle eines einstückig aus Kunststoff gefertigten Schneckenrades dessen Lagerstellen im Getriebegehäuse eine Einlage aus Metallelementen aufwiesen. Die D3 könne demnach eine radial direkte Lagerung zwischen einem vollständig aus Kunststoff gefertigten Schneckenrad und einem Kunststoffgehäuse nicht nahelegen.
In der Fachwelt habe außerdem die Auffassung vorgeherrscht, daß bei Sitzverstelleinrichtungen in Kraftfahrzeugen ein mit einer Gewindehülse und einer längsverschiebbaren Spindel als Abtriebselement ausgestattetes Schneckenrad aus Festigkeitsgründen nicht vollständig aus Kunststoff gefertigt werden könne, da ein solches Element den Crash-Test nicht bestehen würde. Die in der D6 u. a. offenbarte, vollständig aus Kunststoff bestehenden Baueinheit aus Schneckenrad und Gewindehülse sei in der Fachwelt daher als nicht widerstandsfähig genug angesehen worden. Aus diesem Grunde habe man auch bei dem Ausführungsbeispiel der D6 die Gewindehülse 5 des Kunststoff-Schneckenrades 17 mit einer Hülse 7 aus Metall verstärkt.
Die Verwendung von Kunststoff anstelle des Leichtmetalls beim Getriebegehäuse nach der gattungsgemäßen D6 könne auch dann nicht als naheliegend angesehen werden, wenn das manuell betätigbare Schneckengetriebe für Industriearmaturen nach der D8, bei dem alle größeren Teile einschließlich des Getriebegehäuses aus Kunststoff angefertigt seien, in die Überlegungen mit einbezogen würden. Ein manuell betätigbares Getriebe komme nämlich nicht als Vorbild für die Weiterentwicklung von hochbelastbaren Sitzverstellgetrieben in Frage. Der Gegenstand nach dem Anspruch 1 gemäß Hauptantrag beruhe demnach auf erfinderischer Tätigkeit.
Dies gelte umso mehr für die Ansprüche 1 nach den Hilfsanträgen I bis III, die gegenüber dem Anspruch 1 nach dem Hauptantrag durch Aufnahme weiterer Teilmerkmale weiter eingeschränkt seien. Was die Zulässigkeit der Ansprüche 1 nach den Hilfsanträgen I und III anbetreffe, bei denen Teilmerkmale aus der Beschreibung des Streitpatents erstmals in den Anspruchswortlaut aufgenommen worden seien, müsse berücksichtigt werden, daß dem Fachmann die wesentliche Bedeutung dieser Beschreibungsmerkmale für die in Rede stehende Sitzverstelleinrichtung beim Lesen der Gesamtunterlagen ins Auge gefallen sein müsse. Die Aufnahme solcher Merkmale in den Anspruch 1 sei daher auch noch in der mündlichen Verhandlung zuzulassen.
V. Die Beschwerdegegnerin argumentierte im wesentlichen wie folgt:
Aufgrund des durch die Fachliteratur nach A6, A7 und A8 (Kleine Enzyklopädie Technik, Leipzig 1984, Seite 209) nachgewiesenen Fachwissens über die Anwendung von Kunststoffen allgemein und von kohlefaserverstärkten Kunststoffen im Speziellen sei es für einen Fachmann naheliegend gewesen, auch bei einer Sitzverstelleinrichtung nach der D6, die großen mechanischen Beanspruchungen widerstehen müsse, eine Ausbildung aller wesentlichen Getriebeteile einschließlich der Lagerpaarungen aus Kunststoff, ggf. unter teilweiser Verwendung von kohlefasergefülltem Kunststoff in Erwägung zu ziehen. Auch in der D8 werde unter Hinweis auf Getriebeeinrichtungen, beispielsweise in der Automobilindustrie, auf die ausschließliche Verwendung von Kunststoff verwiesen, wobei ausdrücklich betont werde, daß sich infolge besonderer Eigenschaften der Kunststoffe auch die ansonsten notwendigen Lagerbuchsen, Dichtungsscheiben und ähnliche Zusatzeinrichtung vermeiden ließen, die erhebliche Kosten bei Herstellung, Aufbau und Wartung verursachen würden.
Auch bei den Schneckengetrieben nach der Sitzverstell- bzw. Lehnenverstelleinrichtung gemäß D10 (US-A-5 224 749) bzw. D11 (US-A-4 521 055) und D12 (WO 93/11963) sei die Verwendung von Kunststoff für das Gehäuse und/oder für Schnecke und Schneckenrad bekannt.
Die Ansprüche 1 nach dem Hauptantrag und dem Hilfsantrag II beruhten demnach nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Die Ansprüche 1 nach den Hilfsanträgen I und III enthielten wesentliche Merkmale, die erstmals in der mündlichen Verhandlung aus der Beschreibung des Streitpatents in den Anspruch 1 überführt worden seien. Weder den ursprünglichen noch den erteilten Unterlagen habe entnommen werden können, daß es sich bei diesen Angaben um wesentliche Merkmale der beanspruchten Sitzverstelleinrichtung handle. Die verspätete Vorlage dieser Ansprüche in der mündlichen Verhandlung dürfe demnach nicht zugelassen werden.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 sowie den Regeln 1 (1) und 64 EPÜ. Sie ist zulässig.
2. Hauptantrag
2.1. Zulässigkeit der Änderungen
Der Anspruch 1 wurde im Vergleich zum erteilten Anspruch 1 auf eine Sitzverstelleinrichtung in Kraftfahrzeugen beschränkt, wobei zusätzlich ergänzende Klarstellungen bezüglich der radial direkten Lagerung des Schneckenrades eingeführt wurden. Diese Einschränkung, die Ergänzungen sowie der weitere Inhalt des Anspruchs sind unbestritten den ursprünglichen Unterlagen des Streitpatentes zu entnehmen.
Beim geltenden Anspruch 1 sind mit Rücksicht auf den nächstkommenden Stand der Technik nach der D6 alle bisher im kennzeichnenden Teil des erteilten Anspruchs 1 aufgeführten Merkmale im Oberbegriff enthalten, während das die Kunststoffausbildung des Getriebegehäuse betreffende Merkmal, das bisher im Oberbegriff des erteilten Anspruchs 1 aufgeführt war, nunmehr das einzige Merkmal des Anspruchskennzeichens darstellt.
Der Anspruch 1 ist demnach weder im Hinblick auf Artikel 123 (2), (3) EPÜ noch auf Artikel 84 EPÜ zu beanstanden.
2.2. Neuheit
Der Anspruch 1 geht im Oberbegriff von einer Sitzverstelleinrichtung nach der D6 aus, bei der das Getriebegehäuse abweichend vom Streitpatent aus Leichtmetall besteht. Sein Gegenstand unterscheidet sich daher dadurch von der Einrichtung nach der D6, daß gemäß dem Anspruchskennzeichen das Getriebegehäuse aus Kunststoff hergestellt ist. Der Gegenstand nach dem Anspruch 1 ist daher im Vergleich zur D6 ebenso wie zum übrigen Stand der Technik unbestritten neu.
2.3. Erfinderische Tätigkeit
Es gehört im Maschinenbau zum allgemeinen Fachwissen, daß Kunststoffe als Ersatzwerkstoff für Metalle in nahezu allen Anwendungsgebieten in Frage kommen. Hierzu zählen auch Getriebeteile, Gehäuse und Zahnräder, wie dies der A8 zu entnehmen ist. Einer der wesentlichen Vorteile von Kunststoffen gegenüber Metallen besteht in ihrem niedrigen spezifischen Gewicht und der im allgemeinen kostengünstigen Verarbeitung. Es liegt deshalb für einen nach Gewichtsverringerung und kostengünstiger Herstellung strebenden Konstrukteur auf der Hand, auch bei einem Sitzverstellgetriebe nach der gattungsgemäßen D6, bei dem schon das Schneckenrad einschließlich der mit ihm einstückig gebildeten, mit einem innenliegenden Mutterngewinde versehenen Gewindehülse aus Kunststoff besteht, das Leichtmetallgehäuse durch ein Kunststoffgehäuse zu ersetzen.
Die Tatsache, daß dann bei einem solchen Werkstoffaustausch ausgehend von der Konstruktion nach D6 eine direkte Radiallagerpaarung (ohne Anordnung von Lagerelementen zwischen dem Schneckenrad und dem Kunststoffgehäuse) vorhanden ist, stellte nach Überzeugung der Beschwerdekammer kein Hindernis für den Fachmann dar, den in Rede stehenden Werkstoffaustausch bei der D6 zumindest versuchsweise in Betracht zu ziehen. Auch der Einwand der Beschwerdeführerin, daß bei Sitzverstelleinrichtungen besonders hohe Anforderungen an die Getriebewerkstoffe zu stellen seien und der Fachmann Bedenken gehabt hätte, daß eine direkte Radiallagerung zwischen Kunststoff-Schneckenrad und Kunststoffgehäuse zu verschleißanfällig sei, vermag nicht zu überzeugen, zumal ein Vorurteil der Fachwelt für die in Rede stehende Verwendung von Kunststoff nicht nachgewiesen wurde.
Der Austausch des in der D6 offenbarten Leichtmetallgetriebegehäuses gegen ein Kunststoffgetriebegehäuse muß somit als eine für einen Fachmann naheliegende Möglichkeit angesehen werden. Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, und der Anspruch 1 ist somit nicht patentfähig.
3. Hilfsanträge I und III
Der in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Anspruch 1 nach dem Hilfsantrag I enthält im Anspruchskennzeichen zusätzlich zu dem schon im Anspruch 1 nach dem Hauptantrag enthaltenen Teilmerkmal "daß das Getriebegehäuse aus Kunststoff hergestellt ist" noch das weitere Teilmerkmal "wobei die beiden Enden der Getriebehülse (36) in dem Getriebegehäuse (28) gelagert sind, wobei ein Ende im Getriebedeckel (32) und das andere Ende in einem Gehäusetopf (30) des Gehäuses (28) gelagert ist".
Die Frage der räumlichen Anordnung der Lagerung für die Gewindehülse 36 (wie die im Anspruch genannte "Getriebehülse" richtig zu nennen wäre) innerhalb des Getriebegehäuses hat im bisherigen Verfahren keine Rolle gespielt, so daß die Beurteilung der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit nicht durch Überlegungen gestützt werden könnte, die schon aufgrund früher geltender Anspruchsfassungen möglich gewesen wären. Das in dem Anspruch erstmals aufgenommene weitere Teilmerkmal stützt sich allein auf Angaben in der Beispielsbeschreibung, die dort in keiner Weise hervorgehoben oder als erfindungswesentlich erkennbar waren. Es widerspräche demnach allgemeinen Verfahrensgrundsätzen, die Beschwerdegegnerin in der mündlichen Verhandlung erstmals mit einem solchen neuen Sachverhalt zu konfrontieren und darüber unmittelbar zu entscheiden.
Die Zulassung von geänderten Ansprüchen, die im Verfahren bisher nicht behandelte neue Sachverhalte aufweisen, würde andererseits zu einer ungerechtfertigten Verlängerung des Verfahrens führen, da die patentrechtliche Beurteilung der zusätzlichen Merkmale die Zulassung weiterer Ermittlungen, ggf. einer weiteren Recherche durch die Beschwerdegegnerin bzw. durch die 1. Instanz voraussetzt.
Schließlich ist für die Kammer nicht ohne weiteres erkennbar, daß das erstmals im Anspruch 1 formulierte, weitere Teilmerkmal eindeutig zulässig und sachlich relevant ist in dem Sinne, daß es keinerlei Anlaß zu Einwänden geben oder bestehende Einwände (vgl. Absatz 2.3 der Entscheidung) ausräumen könnte.
Aus den vorstehenden Gründen stellt die Kammer nach dem ihr in solchen Fällen gegebenen freien Ermessen fest, daß der verspätet vorgelegte Anspruch 1 nach dem Hilfsantrag I nicht zuzulassen ist.
Dies gilt auch für den in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Anspruch 1 nach dem Hilfsantrag III, für dessen im zusätzlichen Schlußsatz des Anspruchs aufgeführtes Teilmerkmal ebenfalls die vorstehenden Ausführungen gelten.
4. Hilfsantrag II
4.1. Zulässigkeit der Änderungen
Der Anspruch 1 enthält am Ende seines Wortlauts anschließend an den vom Anspruch 1 nach dem Hauptantrag vollständig übernommenen Gesamttext zusätzlich die im ursprünglichen bzw. erteilten Anspruch 2 aufgeführten Teilmerkmale.
Diese Teilmerkmale sind ebenso wie der weitere Inhalt des Anspruchs (vgl. Punkt 2.1 dieser Entscheidung) unbestritten durch die ursprünglichen Unterlagen offenbart, und der Schutzumfang des Patentanspruchs ist im Vergleich zum erteilten Anspruch 1 nicht erweitert, sondern durch Aufnahme der zusätzlichen Teilmerkmale weiter eingeschränkt.
Der Anspruch 1 erfüllt demnach die Anforderungen gemäß Artikel 123 (2) und (3) EPÜ und ist auch im Vergleich zum nächstkommenden Stand der Technik nach der D6 richtig abgegrenzt (vgl. Punkt 2.2 der Entscheidung).
4.2. Neuheit
Der Gegenstand nach dem Anspruch 1 unterscheidet sich von dem der gattungsgemäßen D6 durch die in seinem Kennzeichen aufgeführten Merkmale. Keine der weiteren im Verfahren behandelten Druckschriften offenbart die im Anspruch 1 definierte Merkmalskombination.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist unbestritten neu.
4.3. Erfinderische Tätigkeit
Das gegenüber dem Anspruch 1 nach dem Hauptantrag zusätzlich im Kennzeichen des Anspruchs 1 aufgeführte Teilmerkmal betrifft die Verwendung von kohlefasergefülltem Kunststoff für die Getriebeschnecke sowie deren direkte Drehlagerung in der Wandung des Getriebegehäuses.
Bei den Sitzverstelleinrichtungen nach den Druckschriften D3 und D10 wird die Getriebeschnecke 5 (Figur 1 der D3) bzw. 148 (Figuren 4 bis 6 der D10) von der sie durchsetzenden Antriebsmotorwelle 2 bzw. 40, 146 getragen. Bei der D3 sind ebenso wie bei der Metallschnecke 18 nach der gattungsgemäßen D6 (Figur 3) spezielle Lager 4, 7 für die Aufnahme der Schnecke und der Motorwelle vorgesehen (D3, Figur 1). Der D3 sind darüber hinaus keine Angaben zu entnehmen, die auf eine Fertigung der Schnecke 5 aus Kunststoff hinweisen (während im Falle des Schneckenrades 9 ausdrücklich auf dessen Ausbildung aus Kunststoff verwiesen wird). Bei der D10 (vgl. Figuren 5, 6) soll zwar die Schnecke selbst aus Kunststoff (siehe Spalte 7, Zeilen 49 bis 51) bestehen, jedoch wird die Kunststoffschnecke 148 offensichtlich von der die Schnecke als Vierkant 146 durchsetzenden Motorwelle getragen. Im übrigen ist der D10 kein Hinweis auf eine direkte Lagerung der Kunststoffschnecke 148 im Kunststoffgehäuse 142 zu entnehmen. Die Sitzverstelleinrichtungen nach den Druckschriften D3 und D10, bei denen im übrigen das Schneckenrad abweichend vom Streitpatent (und von der gattungsgemäßen D6) keine Gewindehülse mit innenliegendem Mutterngewinde aufweist und somit gattungsfremd ist, vermögen demnach dem Fachmann keine Anregung zu geben, die bei der D6 über eigene Kalottenlager im Getriebegehäuse geführte Schnecke 18 direkt im Getriebegehäuse zu lagern. Darüber hinaus enthalten die D3 und die D10 keinen Hinweis, daß die dort verwendete Kunststoffschnecke aus kohlefasergefülltem Kunststoff besteht.
Die weiteren Schneckengetriebe, die aus den Fensterheberantrieben gemäß D1, D2 und D4 bzw. bei dem Fensterrahmenschwenkantrieb gemäß D9, bei dem Rückspiegelstellantrieb für Kraftfahrzeuge nach der D7, bei dem Brennkraftmaschinenstellantrieb nach der D5 oder bei den Sitzlehnenverstellungen gemäß D11 und D12 bekannt sind, offenbaren ebenfalls keine Schneckenlagerung im Sinne des Streitpatents.
Auch der D8, die ein Schneckengetriebe für Industriearmaturen, wie Schieber, Hähne, Klappen und Ventile zeigt, ist kein eindeutiger Hinweis zu entnehmen, daß die aus Kunststoff gefertigte Schnecke 38 direkt im Kunststoffgehäuse 12, 18 gelagert ist. Es ist in der Beschreibung (Spalte 4, Zeilen 50 bis 54) lediglich die Rede davon, daß die Schnecke 38 "in entsprechenden Einsenkungen oder Lageraugen 48 bzw. Lagerdurchbruch 46 gelagert ist". In der Beschreibungseinleitung der D8, Spalte 2, Zeilen 5 bis 8, wird zwar ausgeführt, daß infolge von besonderen Eigenschaften der Kunststoffe sich auch bisher notwendige Lagerbuchsen usw. vermeiden lassen, doch kann daraus nicht zwangsläufig geschlossen werden, daß beim Ausführungsbeispiel der D8 eine direkt gelagerte Schnecke zur Anwendung kommt. Im Anspruch 1 der D8 wird auch schon auf die Verwendung eines kohlefaserverstärkten Kunststoffskerns für das Schneckenrad verwiesen, jedoch handelt es sich bei dem in der D8 beschriebenen Getriebe um einen manuell betätigten Antrieb für Industriearmaturen, bei dem im Gegensatz zum Streitpatent kein als Gewindehülse mit innenliegendem Mutterngewinde versehenes Schneckenrad und demnach auch keine längsverschiebbare Spindel zur Anwendung kommt. Ferner wird dort über das Zahnradsegment 26 lediglich eine Verstellung über etwa 90. vorgenommen. Bei dem elektromotorischen Antrieb zur Sitzverstellung nach dem Streitpatent herrschen im Schneckengetriebe andere Drehzahl- und Drehmomentverhältnisse als bei manuell betätigten Getrieben gemäß D8, so daß ein Fachmann bei der Weiterentwicklung und Verbesserung von Sitzverstellgetrieben nicht auf konstruktive Details einer manuellen Armaturverstellung zurückgreifen und sie aus dem dortigen Zusammenhang lösen wird.
4.4. Aus diesen Gründen kommt die Beschwerdekammer zu dem Schluß, daß der Gegenstand nach dem Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag II auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht. Das Patent hat somit auf der Basis des Hilfsantrages II Bestand.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Der Hauptantrag und die Hilfsanträge I und III werden zurückgewiesen.
3. Die Sache wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent mit folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:
Beschreibung gemäß Patentschrift;
Patentansprüche 1 bis 3 gemäß Hilfsantrag II;
Zeichnung gemäß Patentschrift.