T 0865/99 () of 1.3.2002

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2002:T086599.20020301
Datum der Entscheidung: 01 März 2002
Aktenzeichen: T 0865/99
Anmeldenummer: 93100609.2
IPC-Klasse: B25J 9/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Mehrachsiger Roboter
Name des Anmelders: KUKA Roboter GmbH
Name des Einsprechenden: ASEA BROWN BOVERI Aktiebolag
Kammer: 3.2.07
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung über die Aufrechterhaltung des Patents 0 552 688 in geändertem Umfang Beschwerde eingelegt.

Mit dem Einspruch war das gesamte Patent im Hinblick auf Artikel 100 a) EPÜ (mangelnde Neuheit und erfinderische Tätigkeit) angegriffen worden.

Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, daß die im Artikel 100 a) EPÜ genannten Einspruchsgründe der Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang nicht entgegenstünden.

II. Im Einspruchsverfahren sind unter anderen folgende Entgegenhaltungen genannt worden:

D4: JP-A-2-100892

D8: EP-A-0 435 285

D9: Prospekt der Firma TEIJIN SEIKI "REDUCTION GEAR FOR HIGH PRECISION CONTROL", 1989, 5 Blatt

D10: Werkstattzeichnug Getriebe FAD 35.

III. Am 1. März 2002 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.

i) Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

ii) Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in geändertem Umfang auf der Grundlage des Anspruchs 1 (Hauptantrag) aufrechtzuerhalten, hilfsweise auf der Grundlage des Hilfsanspruchs 1, beide eingereicht in der mündlichen Verhandlung am 1. März 2002.

IV. Der unabhängige Anspruch 1 (Hauptantrag) lautet wie folgt:

"1. Mehrachsiger Roboter mit einem Gestell (2) und einem darauf um eine Grundachse (5) drehbar angeordneten und angetriebenen Karussell (3), wobei das Gestell (2) eine zentrale Stützsäule (6) mit einer Kopfplatte (8) aufweist, wobei die Stützsäule (6) als kombinierte Momenten- und Lagerstütze ausgebildet ist, und wobei der Antrieb (11) für das Karussell (3) im wesentlichen in Höhe oder oberhalb der Karussell-Grundplatte (10) angeordnet ist, dadurch gekennzeichnet, daß die Stützsäule (6) außenseitig von einem Kabelschlepp (15) umgeben ist, daß das Kabelschlepp von einer abnehmbaren Verkleidung umgeben ist, daß das Getriebe (13) als hochuntersetzendes Zykloiden- oder Planetengetriebe ausgebildet ist, daß das Getriebe (13) auf der Kopfplatte (8) angeordnet ist und daß das Drehlager in das Getriebe (13) im vertikalen Bereich zwischen der Kopfplatte (8) der Stützsäule (6) und einem Abtriebsteil (20) des Getriebes (13) integriert ist."

V. Die Beschwerdeführerin hat schriftlich und mündlich im wesentlichen folgendes vorgetragen:

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents beziehe sich auf einen Roboter mit einem Gestell und einem darauf um eine Grundachse drehbar angeordneten und angetriebenen Karussell und weise folgende Merkmale auf:

1. Das Gestell 2 weist eine zentrale Stützsäule 6 auf.

2. Die Stützsäule 6 weist eine Kopfplatte 8 auf.

3. Die Stützsäule 6 ist als kombinierte Momenten- und Lagerstütze ausgebildet.

4. Der Antrieb 11 für das Karussell 3 ist im wesentlichen in Höhe oder oberhalb der Karussellgrundplatte 10 angeordnet.

5. Die Stützsäule 6 ist außenseitig von einem Kabelschlepp 15 umgeben.

6. Das Kabelschlepp ist von einer abnehmbaren Verkleidung umgeben.

7. Das Getriebe 13 ist ein hochuntersetzendes Zykloiden- oder Planetengetriebe.

8. Das Getriebe 13 ist auf der Kopfplatte 8 angeordnet.

9. Das Drehlager ist in das Getriebe 13 integriert.

10. Diese Integration erfolgt im vertikalen Bereich zwischen der Kopfplatte 8, der Stützsäule 6 und einem Abtriebsteil 20 des Getriebes 13.

Diese Merkmale verteilten sich auf drei verschiedene Gegenstände, die nichts miteinander zu tun hätten, nämlich:

Gegenstand A, der sich auf den Aufbau und die Anordnung des Getriebes und des Drehlagers mit dem Ziel einer kompakter Bauweise beziehe und gekennzeichnet sei durch die Merkmale 1, 2, 3, 4, 7, 8, 9 und 10.

Gegenstand B, der sich auf einen Kabelschlepp beziehe und durch das Merkmal 5 bestimmt werde.

Gegenstand C, der sich auf die Verwendung einer Verkleidung beziehe und durch das Merkmal 6 bestimmt werde.

Die Entgegenhaltung D8 offenbare als nächstliegender Stand der Technik die Merkmale 1, 2, 3, 4, 8, 9 und 10 des Anspruchs 1.

Wenn der Fachmann beim Roboter gemäß der Entgegenhaltung D8 als nachteilig ansehe, daß die Lager- und Getriebeanordnung eine relativ große Bauhöhe erfordere, so werde er eine Lager- und Getriebeanordnung in Betracht ziehen, die diesen Nachteil nicht aufweise. Derartige Anordnungen seien ihm beispielsweise durch die Entgegenhaltungen D9 oder D10 bekannt, welche in das Drehlager integrierte, hochuntersetzende Zykloiden- oder Planetengetriebe offenbarten.

Der Fachmann würde daher eine derartige, aus der Entgegenhaltung D9 oder D10 bekannte integrierte Lager- und Getriebeanordnung in den Roboter der Entgegenhaltung D8 einbauen und somit zum Gegenstand A des Anspruches 1 gelangen.

Der Gegenstand B beziehe sich auf die Anbringung eines bekannten Kabelschlepps, welche Maßnahme in keinerlei Zusammenhang mit der Ausbildung und Anbringung von Drehlager und Getriebe stehe.

Ein Kabelschlepp, welches das Gestell bzw. die Stützsäule umgibt, sei aus der Entgegenhaltung D4 bekannt. Somit sei der Gegenstand B des Anspruches 1 aus der Entgegenhaltung D4 bekannt.

Die Entgegenhaltung D4 zeige außerdem eine teilweise abnehmbare Verkleidung und nehme somit auch den Gegenstand C des Anspruchs 1 vorweg.

Da die Aggregation der drei Gegenstände A, B und C zu keinen synergetischen Effekt führe, beruhe der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

VI. Die Beschwerdegegnerin hat schriftlich und mündlich im wesentlichen folgendes vorgetragen:

Die Entgegenhaltung D8 befasse sich mit der Belastbarkeit eines Roboters und einem hierzu vorgesehenen, auf einem Karussell befestigtem, verschwenkbarem Parallelogramm-Gestänge. Das Karusell sei, wie die Figur 4 zeige, auf einem zweistufig ausgebildeten Sockel angeordnet, der in einem oberen Bereich mit reduziertem Durchmesser, von einem Lager umgeben sei, welches wiederum von dem Karussell umgriffen werde. Außerdem, seien hierbei Lager und Getriebe getrennt übereinander angeordnet und nicht ineinander integriert. Diese Konstruktion habe für den Roboter gemäß der Entgegenhaltung D8 ihren spezifischen Sinn, nämlich dass der zweistufig ausgebildete Lagersockel hohe Kippkräfte aufnehmen solle.

Daher würde es der Fachmann nicht in Betracht ziehen, von dieser speziellen, zur Aufnahme hoher Kippkräfte gewählten Lagerkonstruktion des Roboters gemäß der Entgegenhaltung D8 abzugehen und dafür eine Lagerkonstruktion gemäß D9 oder D10 vorzusehen, welche zur Aufnahme hoher Kippkräfte offensichtlich weniger geeignet sei.

Die Entgegenhaltung D4 zeige zwar ein in das Sockelteil eines Roboters integriertes Kabelschlepp. Hierbei sei die das Kabelschlepp umgebende Verkleidung nicht abnehmbar.

Daher könne der in Betracht gezogene Stand der Technik den Fachmann nicht zu dem im Anspruch 1 des Streitpatents angegebenen Roboter anregen.

Entscheidungsgründe

1. Hauptantrag

1.1. Änderungen

Der Gegenstand des geänderten Anspruchs 1 ist in den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 1, 4, 6, 11 und 13 sowie in der ursprünglichen Beschreibung Seite 5, zweiter und fünfter Absatz offenbart. Der Schutzumfang des erteilten Anspruchs 1 ist durch die Aufnahme zusätzlicher Merkmale eingeschränkt worden.

Die Erfordernisse des Artikels 123 (2) und (3) EPÜ sind erfüllt.

Dies wurde im bisherigen Verfahren nicht bestritten.

1.2. Erfinderische Tätigkeit

1.2.1. Nächster Stand der Technik

Die Entgegenhaltung D8 offenbart den der Erfindung am nächsten kommenden Stand der Technik, nämlich einen mehrachsigen Roboter mit einem Gestell (1) und einem darauf um eine Grundachse (J1) drehbar angeordneten und angetriebenen Karussell (2), wobei das Gestell (1) eine zentrale Stützsäule (siehe die vertikale Wandung des unteren Teils des Sockels) aufweist, die als kombinierte Momenten- und Lagerstütze ausgebildet ist und eine Kopfplatte (siehe die horizontale obere Platte des unteren Teils des Sockels) aufweist, und wobei der Antrieb (4) für das Karussell (2) im wesentlichen in Höhe der Karussell-Grundplatte angeordnet ist.

Die Entgegenhaltung D8 befaßt sich mit der Erhöhung der Belastbarkeit eines Roboters und löst dieses Problem durch ein speziell ausgebildetes Parallelogramm-Gestänge für den Roboterarm.

1.2.2. Aufgabe

Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, einen Roboter zu schaffen, der bei freier Zugänglichkeit der im Gestell- und Karussellbereich liegenden Elemente, insbesondere eines Kabelschlepps, dennoch eine kompakte Ausgestaltung in dem Sockelbereich aufweist.

1.2.3. Lösung

Diese Aufgabe wird gemäß der Erfindung des Streitpatents dadurch gelöst, daß die Stützsäule außenseitig von einem Kabelschlepp umgeben ist, daß das Kabelschlepp von einer abnehmbaren Verkleidung umgeben ist, daß ein hochuntersetzendes Zykloiden- oder Planetengetriebe auf der Kopfplatte der Stützsäule angeordnet ist und daß das Drehlager in das Getriebe im vertikalen Bereich zwischen der Kopfplatte der Stützsäule und einem Abtriebsteil des Getriebes integriert ist.

Diese Lösungsmerkmale gemäß dem kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 stehen nicht als Aggregation nebeneinander, sondern bedingen sich im Hinblick auf die der Erfindung zugrundeliegenden Aufgabenstellung gegenseitig, nämlich Kompaktheit durch die Positionierung der Stützsäule in das Innere des Kabelschlepps und die Anordnung eines niedrigbauenden hochuntersetzenden Zykloiden- oder Planetengetriebes mit integriertem Drehlager auf der Kopfplatte der Stützsäule und Zugänglichkeit des Kabelschlepps durch Verwendung einer abnehmbaren äußeren Verkleidung.

1.2.4. Die o. g. erfindungsgemäße Lösung wird durch die von der Beschwerdeführerin genannten Entgegenhaltungen aus folgenden Gründen nicht nahegelegt:

Beim Roboter gemäß der Entgegenhaltung D8 (vgl. insbesondere Figur 4) besteht das Getriebe für das Karussell 2 aus einem vom Motor 4 angetriebenen Ritzel 4b und einem mit diesem kämmenden Zahnrad 4c, welches auf einem auf dem Gesell 1 befestigten Lagerstutzen aufgebracht ist. Das Drehlager 3 für das Karussell befindet sich unterhalb des Getriebes ebenfalls auf dem Lagerstutzen. Der Roboter gemäß der Entgegenhaltung D8 weist daher kein hochuntersetzendes Zykloiden- oder Planetengetriebe und kein Drehlager, welches im vertikalen Bereich zwischen Kopfplatte der Stützsäule und Abtriebsteil des Getriebes in das Getriebe integriert ist, auf. Die Entgegenhaltung D8 erwähnt weder ein Kabelschlepp noch eine abnehmbare Verkleidung für ein solches Kabelschlepp.

Die Entgegenhaltung D4 offenbart einen Rotationsmechanismus für einen Industrieroboter mit einem Kabelschlepp. In den Roboter gemäß der Entgegenhaltung D4 sind weder ein hochuntersetzendes Zykloiden- oder Planetengetriebe, noch eine Integrierung des Drehlagers in das Getriebe im vertikalen Bereich zwischen Kopfplatte der Stützsäule und Abtriebsteil des Getriebes vorhanden. Auch eine abnehmbare, außen um den Kabelschlepp angeordnete Verkleidung ist beim Roboter gemäß der Entgegenhaltung D4 nicht vorhanden.

Die Entgegenhaltungen D9 und D10 offenbaren hochuntersetzende Planetengetriebe mit integriertem Drehlager, welche bei Industrierobotern einsetzbar sind. In diesen Entgegenhaltungen wird nicht erwähnt, in welchem Bereich eines Industrieroboters ein solches Getriebe eingesetzt wird. Der Fachmann enthält aus diesen Entgegenhaltungen auch keinen Hinweis, ein solches Getriebe in dem Bereich zwischen dem Karussell und der Stützsäule eines Roboters einzusetzen. Nach Ansicht der Kammer würde der Fachmann vom Einsatz eines solchen Getriebes in dem entsprechenden Bereich des aus der Entgegenhaltung D8 bekannten Roboters absehen. Denn die in Figur 4 der Entgegenhaltung D8 gezeigte Lager- und Getriebeanordnung (beinhaltend einen Lagerzapfen, welcher von dem speziell ausgebildeten Karussellunterteil umgriffen wird) ist offensichtlich speziell zur Aufnahme hoher Kippkräfte gewählt worden. Diese vorteilhafte Anordnung würde der Fachmann wohl nicht gegen eine Anordnung gemäß den Engegenhaltungen D9 oder D10 austauschen, welche für sich offensichtlich zur Aufnahme hoher Kippkräfte weniger geeignet als die Anordnung gemäß der Figur 4 der Entgegenhaltung D8 ist.

1.2.5. Daher beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ.

1.2.6. Ansprüche 2 bis 8

Das gleiche wie für den Anspruch 1 gilt auch für die Gegenstände der abhängigen Ansprüche 2 bis 8, welche vorteilhafte Ausgestaltungen des Gegenstandes des Anspruchs 1 betreffen.

1.3. Da somit der vom Beschwerdeführer angezogene Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 a) EPÜ (mangelnde erfinderische Tätigkeit) nicht greift, ist das Streitpatent in geänderter Form gemäß dem Hauptantrag der Beschwerdegegnerin aufrechtzuerhalten.

2. Da dem Hauptantrag der Beschwerdegegnerin stattgegeben wird, braucht auf den Hilfsantrag der Beschwerdegegnerin nicht eingegangen zu werden.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent in geändertem Umfang mit folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:

- Anspruch 1 (Hauptantrag), eingereicht am 1. März 2002

- Ansprüche 2 bis 8, eingereicht am 9. Juni 1999

- Beschreibung, Seiten 2 und 3, eingereicht am 9. Juni 1999

- Zeichnungen, Figuren 1 bis 3, eingereicht am 3. Dezember 1998.

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