European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2000:T086399.20000616 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 16 Juni 2000 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0863/99 | ||||||||
Anmeldenummer: | 97101611.8 | ||||||||
IPC-Klasse: | B21C 37/16 B21C 37/15 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren zur Herstellung von Rohren mit Abschnitten unterschiedlicher Wanddicke | ||||||||
Name des Anmelders: | BENTELER AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.2.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Verwendungserfindung Erfinderische Tätigkeit (ja) |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Mit ihrer am 16. März 1999 zur Post gegebenen Entscheidung wies die Prüfungsabteilung die europäische Patentanmeldung Nr. 97 101 611.8 (Veröffentlichungsnummer: 0 788 849) zurück.
Die Zurückweisung wurde damit begründet, daß der Gegenstand des geltenden einzigen, auf eine Verwendung gerichteten Patentanspruchs im Hinblick auf
D3: EP-A-0 620 056
auf keiner erfinderischen Tätigkeit beruhe.
Im Prüfungsverfahren wurde u. a. auch
D1: DE-A-3 802 445
berücksichtigt.
II. Gegen diese Entscheidung legte die beschwerdeführende Anmelderin frist- und formgerecht Beschwerde ein.
Sie beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent unter Zugrundelegung folgender Unterlagen zu erteilen:
- Patentanspruch: eingegangen am 4. Februar 1998
- Beschreibung: Seiten 1 bis 5 eingegangen am 15. Juli 1999,
Seite 5 ab vierter Absatz sowie Seiten 6 und 7 wie ursprünglich eingereicht;
- Zeichnung: Figuren 1 bis 4 wie ursprünglich eingereicht.
Der einzige Patentanspruch lautet:
"1. Verwendung eines Rohrs (26) mit in Längsrichtung unterschiedliche Wanddicken aufweisenden Abschnitten zur Herstellung von Karosserieteilen oder Fahrwerkskomponenten von Kraftfahrzeugen, bei welchem an einem anfangs ebenen Blech zunächst eine gezielt auf die verteilt über die Länge der späteren Karosserieteile oder Fahrwerkskomponenten in unterschiedlicher Höhe vorliegenden Belastungen abgestimmte walzende Verformung mit in Walzrichtung (WR) bereichsweise wechselnden Blechdicken (s1-s5; s15-s18) erfolgt ist, dann das gewalzte Blech (1, 14) zugeschnitten, anschließend zum Rohr (26) umgeformt und letztlich entlang der Stoßkanten gefügt worden ist."
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Artikel 123 (2) EPÜ
Der Inhalt des geltenden Patentanspruchs stützt sich auf den ursprünglichen Patentanspruch 1 in Verbindung mit der ursprünglichen Beschreibung, insbesondere auf den die Seiten 2 und 3 überbrückenden Absatz.
Außerdem kann ein ursprünglich auf ein Verfahren zur Herstellung eines Gegenstands gerichteter Patentanspruch auf eine bestimmte Verwendung des nach diesem Verfahren hergestellten Gegenstands beschränkt werden, wenn diese, wie im vorliegenden Fall, offenbart ist.
Die beanspruchte Verwendung geht somit nicht über das ursprünglich Offenbarte hinaus.
3. Neuheit
Die Neuheit der beanspruchten Verwendung ist offensichtlich. Sie wurde im Prüfungsverfahren nicht bestritten, so daß sich ein näheres Eingehen hierauf erübrigt.
4. Erfinderische Tätigkeit
4.1. Die Anmeldung betrifft die Verwendung eines Rohrs mit in Längsrichtung unterschiedlichen Wanddicken aufweisenden Abschnitten, bei welchem an einem anfangs ebenen Blech zunächst eine gezielt walzende Verformung mit in Walzrichtung bereichsweise wechselnden Blechdicken erfolgt ist, dann das gewalzte Blech zugeschnitten, anschließend zum Rohr umgeformt und letztlich entlang der Stoßkanten gefügt worden ist.
Ein solches Rohr sowie das Verfahren zu dessen Herstellung sind aus dem Dokument D1 bekannt. Ziel dieses bekannten Herstellungsverfahrens ist es, an dem Stahlrohr verstärkte Enden zu erzeugen. An den verdickten Enden werden Gewinde hergestellt, um die Rohre miteinander kuppeln zu können. Solche Rohre dienen z. B. als Förderrohre in der Erdölindustrie.
In der vorliegenden Patentanmeldung wird ausgeführt, daß die Rohre für die Herstellung von Bauteilen verwendet werden, die unter äußerer Belastung stehen, bei denen aber die auftretenden Spannungen aufgrund der Bauteilkonstruktion verteilt über die Bauteilhöhe unterschiedlich vorliegen. Beispiele für derart unterschiedlich stark belastete Bauteile seien Karosserieteile oder Fahrwerkskomponenten von Kraftfahrzeugen. Werden die Bauteile nach der Maximalbelastung dimensioniert, führe dies bisher nicht nur zu einem unnötigen Materialeinsatz, sondern vor allem auch zu einem unnötigen Gewicht, vgl. hierzu den die ursprünglichen Beschreibungsseiten 2 und 3 überbrückenden Absatz.
4.2. Dementsprechend liegt der Patentanmeldung die Aufgabe zugrunde, die Herstellung von Karosserieteilen oder Fahrwerkskomponenten, welche über ihre Länge gesehen unterschiedlichen Belastungen ausgesetzt sind, in material- und gewichtssparender Bauweise wirtschaftlicher zu gestalten, vgl. Seite 2, Absatz 2 der geltenden Beschreibung.
Die Aufgabe wird nach dem Patentanspruch dadurch gelöst, daß zur Herstellung von Karosserieteilen oder Fahrwerkskomponenten ein aus Dokument D1 bekanntes Rohr mit in Längsrichtung unterschiedliche Wanddicken aufweisenden Abschnitten verwendet wird, bei welchem aber die Wanddicke durch walzende Verformung gezielt auf die verteilt über die Länge der Karosserieteile bzw. Fahrwerkskomponenten in unterschiedlicher Höhe vorliegenden Belastungen abgestimmt ist.
4.3. Durch die gewählte Anspruchsfassung wird der Gegenstand der Patentanmeldung und damit der Schutzbereich auf die Verwendung eines aus dem Stand der Technik bekannten Rohrs mit in Achsrichtung unterschiedlichen Wanddicken für einen bestimmten Zweck, nämlich für die Herstellung von Karosserieteilen bzw. Fahrwerkskomponenten, die an besonders beanspruchten Stellen eine dickere Wandstärke, hingegen an weniger beanspruchten Stellen aus Gewichts- und Materialersparnis eine dünnere Wandstärke aufweisen, eingeschränkt.
Die im Patentanspruch definierte spezielle Verwendung des aus Dokument D1 bekannten Rohrs findet im Stand der Technik keine Anregung.
4.4. Dokument D1 offenbart zwar ein Rohr, zu dessen Herstellung eine walzende Verformung eines Blechs mit in Walzrichtung bereichsweise wechselnden Blechdicken erfolgt. Hieraus werden jedoch Gewinderohre hergestellt beispielsweise für die Erdölindustrie.
Die Rohre sollen verstärkte Enden aufweisen, um hier ein Gewinde einzubringen. Aus diesem Grund schlägt Dokument D1 vor, alle 12 bis 14 Meter Verstärkungen durch An- und Absenken der Oberwalzen eines Walzgerüstes vorzusehen.
Es ist zunächst fraglich, ob der Fachmann, dem sich das durch die Erfindung gelöste Problem stellt, das Dokument D1 wegen der völlig unterschiedlichen Anwendungsgebiete und Zielrichtungen überhaupt in Betracht ziehen würde. Selbst wenn er dies täte, würde er nicht zur Erfindung gelangen, denn die wesentliche Maßnahme der Erfindung, die Wanddicken vorab am ebenen Ausgangsblech auf die spätere Belastung im Kraftfahrzeug abzustellen, ist durch diese Druckschrift nicht nahegelegt.
4.5. Gegenstand des Dokuments D3 ist ein Rohr mit in Achsrichtung unterschiedlichen Wanddicken zum Herstellen eines Strukturbauteils nach dem Innenhochdruckverfahren. Die Fertigung des Rohrs erfolgt aus einzelnen Rohrabschnitten unterschiedlichen Innendurchmessers, die aneinandergeschweißt werden.
Dieser Druckschrift ist mithin der Gedanke, die unterschiedlichen Wanddicken durch auf die jeweilige Belastung abgestimmte walzende Verformung eines Blechs zu erreichen, nicht zu entnehmen.
Richtig ist, daß auch das erfindungsgemäß verwendete Rohr nicht ohne Schweißnaht auskommt. Hierbei handelt es sich jedoch um eine einzige Längsnaht und nicht, wie bei Dokument D3, um mehrere in den verschiedenen Bereichen des Bauteils angeordnete radiale Schweißnähte.
Wie die Anmelderin überzeugend vorgebracht hat, wirkt sich die beim Gegenstand der Erfindung vorhandene axiale Längsnaht wesentlich weniger negativ aus als mehrere Radialnähte, die zwangsläufig jeweils in den Übergängen der Wandabschnitte verlaufen. Durch die hier auftretende Kerbbelastung und Spannungsspitzen sind die Radialnähte bei Dokument D3 in wesentlich stärkerem Maße potentielle Schwachstellen.
Weder das gemäß dem Patentanspruch verwendete Rohr noch die beanspruchte Verwendung dieses Rohrs zur Herstellung von Karosserieteilen bzw. Fahrwerkskomponenten in material- und gewichtssparender Bauweise, die über ihre Länge gesehen unterschiedlich starken Belastungen ausgesetzt sein sollen - sind demgemäß durch Dokument D3 nahegelegt.
4.6. Der Fachmann konnte auch bei einer mosaikartigen Zusammenschau dieser beiden Dokumente nicht in naheliegender Weise und ohne erfinderische Überlegungen zur Erfindung gelangen. In diesem zusammengefaßten Stand der Technik ist nämlich weder das gelöste technische Problem angesprochen, noch läßt sich die wesentliche Maßnahme der erfindungsgemäßen Lösung, die Wanddicken vorab am ebenen Ausgangsblech auf die spätere Belastung in Kraftfahrzeug abzustellen, daraus herleiten.
4.7. Aus alledem folgt, daß der Gegenstand des Patentanspruchs auch auf erfinderischer Tätigkeit beruht und somit gemäß Artikel 52 (1) EPÜ patentfähig ist.
Gegen die geänderte Beschreibung bestehen ebenfalls keine Bedenken
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die erste Instanz mit der Auflage zurückverwiesen, ein Patent mit der folgenden Fassung zu erteilen:
- Patentanspruch: eingegangen am 4. Februar 1998;
- Beschreibung: Seiten 1 bis 5 eingegangen am 15. Juli 1999, Seite 5 ab vierter Absatz sowie Seiten 6 und 7 wie ursprünglich eingereicht;
- Zeichnung: Figuren 1 bis 4 wie ursprünglich eingereicht.