T 0836/99 () of 6.11.2002

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2002:T083699.20021106
Datum der Entscheidung: 06 November 2002
Aktenzeichen: T 0836/99
Anmeldenummer: 93103853.3
IPC-Klasse: B01D 19/04
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Entschäumer für feste Pflanzenschutzmittel
Name des Anmelders: Bayer CropScience GmbH
Name des Einsprechenden: SYNGENTA PARTICIPATIONS AG
Kammer: 3.3.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (nein - naheliegende Modifikation)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent mit der Veröffentlichungsnummer 0. 561 265 in vollem Umfang zu widerrufen, wurde von der Patentinhaberin Beschwerde eingelegt.

II. Der Entscheidung lagen die erteilten Ansprüche 1 bis 10 bzw. die in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Verfahrensansprüche 1 bis 9 zugrunde.

III. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, daß die feste Zubereitung gemäß Anspruch 1 des Streitpatents wegen offenkundiger Vorbenutzung nicht mehr neu war. Darüber hinaus beruhte das Verfahren gemäß dem geänderten Anspruch 1 in Hinblick auf diese offenkundige Vorbenutzung nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

IV. Für die Entscheidung nahm die Einspruchsabteilung unter anderem Bezug auf Dokumente, welche die Vorbenutzung stützten, und auf die folgenden Entgegenhaltungen:

P1 EP-A-0 407 874

P2 DE-A-2 233 941

V. In der Beschwerdebegründung hat die Beschwerdeführerin im wesentlichen vorgetragen, daß der Befund mangelnder erfinderischer Tätigkeit der Einspruchsabteilung aus einer unzulässigen rückschauenden Analyse resultiere.

VI. Mit Bescheid vom 30. Oktober 2002 hat die Kammer die Parteien auf eine weitere Entgegenhaltung aufmerksam gemacht, welche im Streitpatent zitiert war:

P3 DE-A-39 26 800

VII. In der mündlichen Verhandlung vom 6. November 2002 hat die Beschwerdeführerin zwei neue Anspruchssätze als Basis für einen Hauptantrag und einen Hilfsantrag eingereicht. Der Anspruchssatz gemäß Hauptantrag bestand aus den unabhängigen Ansprüchen 1 und 8 und den jeweils davon abhängigen Ansprüchen 2 bis 7 bzw. 9 bis 17. Der unabhängige Anspruch 8 lautete wie folgt:

"Verfahren zur Herstellung von Granulatformulierungen für den Einsatz im Pflanzenschutz, wobei die Formulierungen mindestens einen Pflanzenschutzmittelwirkstoff, zusätzlich Netzmittel und mindestens einen Entschäumer enthalten, wobei ein Entschäumer aus der Gruppe der Perfluor-(C6-C18)-alkylphosphinsäuren und/oder Perfluor-(C6-C18)-alkylphosphonsäuren und/oder deren Salze bei der Granulierung durch Sprühtrocknung oder Wirbelbettgranulierung wässriger Suspensionen eingesetzt wird."

Der Anspruchssatz gemäß Hilfsantrag bestand aus dem unabhängigen Anspruch 1 und davon abhängigen Ansprüchen 2. bis 7. Anspruch 1 lautete wie folgt:

"Verfahren zur Herstellung von Granulatformulierungen für den Einsatz im Pflanzenschutz, wobei die Formulierungen mindestens einen Pflanzenschutzmittelwirkstoff, zusätzlich Netzmittel und mindestens einen Entschäumer enthalten, wobei ein Entschäumer aus der Gruppe der Perfluor-(C6-C18)-alkylphosphinsäuren und/oder Perfluor-(C6-C18)-alkylphosphonsäuren und/oder deren Salze eingesetzt wird und die Formulierung durch Nassvermahlung auf Perlmühlen zu wässrigen Suspensionen und deren anschließende Granulierung durch Sprühtrocknung mittels Einstoffdüse oder im Wirbelbett durchgeführt wird."

VIII. In Bezug auf die Herstellung von Granulatformulierungen (Anspruch 8 gemäß Hauptantrag bzw. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag) hat die Beschwerdeführerin im wesentlichen wie folgt vorgetragen:

- Nächstliegender Stand der Technik sei das Verfahren gemäß P3, welches für die Herstellung von Pflanzenschutzformulierungen Entschäumer auf Silikonbasis verwendet. Durch die mechanische Beanspruchung bei der Herstellung verlören jedoch diese Entschäumer teilweise ihre Wirkung.

- Die technische Aufgabe bestehe in der Bereitstellung eines Verfahrens zur Herstellung von schaumarmen oder nicht schäumenden Granulatformulierungen, welches diese Nachteile vermeide.

- Aus P2 sei zwar die Verwendung von Perfluoralkylphosphin- und/oder phopshonsäuren als Entschäumer bekannt, dort sei aber die Stabilität der Entschäumer unter dem Einfluß hoher Scherkräfte nicht einmal angedeutet.

- Die Auswahl derselben Verbindungen für das beanspruchte Verfahren werde vor allem deshalb nicht nahegelegt, da neben der Stabilität des Entschäumers auch noch andere Bedingungen beachtet werden müßten.

- Ein Hinweis in P1 lasse vermuten, daß die Herstellung von Granulaten unter Verwendung der perfluoralkylierten Verbindungen als Entschäumer eventuell schwierig sein könnte.

IX. Die Beschwerdegegnerin hat im wesentlichen wie folgt Stellung genommen:

- Wasserdispergierbare Granulate, welche Herbizide, Netzmittel und perfluoralkylierte Verbindungen als wirksame Entschäumer enthalten, seien aus P1 bekannt.

- Um die aus P1 bekannten Granulate herzustellen, würde der Fachmann Standardgranulierungsverfahren, beispielsweise Granulierverfahren gemäß P3 anwenden und somit in naheliegender Weise zum beanspruchten Verfahren kommen.

- Im Hinblick auf P3 betreffe das Streitpatent Alternativverfahren, welche nicht notwendigerweise zu Granulatformulierungen führen, die besser als die Produkte gemäß P3 seien.

X. Am Ende der mündlichen Verhandlung wurden folgende Anträge gestellt:

Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Basis der Patentansprüche 1 bis 17 gemäß Hauptantrag, hilfsweise auf der Basis der Patentansprüche 1 bis 7 gemäß Hilfsantrag.

Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückzuweisung der Beschwerde.

Entscheidungsgründe

1. Haupt- und Hilfsantrag

Es ist unstrittig, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag dem Gegenstand des von Anspruch 8 gemäß Hauptantrag abhängigen Anspruchs 11 entspricht. Die nachfolgenden Ausführungen zu Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag gelten daher im gleichen Maße für Anspruch 8 bzw. 11 gemäß Hauptantrag.

2. Erfinderische Tätigkeit

2.1. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag ist auf ein Verfahren zur Herstellung von Granulatformulierungen für den Einsatz im Pflanzenschutz gerichtet, wobei die Formulierungen durch Naßvermahlung auf Perlmühlen zu wäßrigen Suspensionen und deren anschließende Granulierung durch Sprühtrocknung mittels Einstoffdüse oder im Wirbelbett erhalten werden.

2.2. Die Kammer kann der Beschwerdeführerin darin folgen, daß P3 den nächstliegenden Stand der Technik darstellt. P3 betrifft wasserdispergierbare Granulate zur Anwendung im Pflanzenschutz, welche nach an sich bekannten Granulierverfahren hergestellt werden (siehe Titel und Zusammenfassung). In den Beispielen 1 bis 12 werden Dispersionen, die einen Pflanzenschutzmittelwirkstoff, ein Netzmittel und einen Entschäumer auf Silikonbasis (SE 2) enthalten, mit Hilfe einer Perlmühle gemahlen, sprühgetrocknet und das so erhaltene Pulver anschließend im Wirbelbett granuliert. Es ist somit unstrittig, daß - vom eingesetzten Entschäumer abgesehen - das Herstellungsverfahren der Granulate in den genannten Beispielen alle im Anspruch 1 definierten Merkmale umfaßt.

2.3. Die Beschwerdeführerin hat geltend gemacht, Entschäumer auf Silikonbasis würden teilweise ihre entschäumende Wirkung verlieren, wenn sie mechanischen Beanspruchungen ausgesetzt sind, welche zum Beispiel beim Vermahlen und/oder bei der Sprühtrocknung bzw. Wirbelbettgranulierung auftreten. Gegenüber P3 bestehe daher die technische Aufgabe in der Bereitstellung eines Verfahrens zur Herstellung von Granulatformulierungen, welches diese Nachteile vermeide.

2.4. Als Lösung der bestehenden Aufgabe wird im Anspruch 1 vorgeschlagen, einen Entschäumer aus der Gruppe der Perfluor-(C6-C18)-alkylphosphinsäuren und/oder Perfluor-(C6-C18)-alkylphosphonsäuren und/oder deren Salze einzusetzen.

2.5. Eine bessere Wirkung der nach dem beanspruchten Verfahren erhältlichen Produkte wurde von der Beschwerdegegnerin bestritten, so daß zunächst geklärt werden muß, ob die von der Beschwerdeführerin formulierte technische Aufgabe (siehe Punkt 2.3) durch die im Anspruch vorgeschlagene Maßnahme tatsächlich gelöst wird.

Die Beschwerdeführerin hat selbst eingeräumt, daß die Wirkung der eingesetzen Entschäumer nicht nur von der Stabilität gegenüber Scherkräften sondern auch von anderen Faktoren, zum Beispiel von den anderen in der Granulatformulierung anwesenden Komponenten, abhängt. Die Kammer stellt jedoch fest, daß die in Frage kommenden Komponenten im Anspruch 1 lediglich gattungsgemäß (nämlich als "Pflanzenschutzmittelwirkstoff" und "Netzmittel") definiert sind. Somit hat die Beschwerdeführerin nicht glaubhaft gemacht, daß die gestellte technische Aufgabe über den ganzen Umfang dieses Anspruchs gelöst ist. Die Kammer kann die Aufgabe in Hinblick auf P3 jedoch darin sehen, im Rahmen der in P3 offenbarten allgemeinen Lehre ein weiteres konkretes Verfahren zur Herstellung von Granulatformulierungen für den Einsatz im Pflanzenschutz bereitzustellen. Die so formulierte technische Aufgabe wird zweifelsfrei durch das beanspruchte Verfahren gelöst.

2.6. Wie in der mündlichen Verhandlung festgestellt wurde, ist das Verfahren gemäß P3 nicht auf die Verwendung von SE 2 als Entschäumer beschränkt. Vielmehr offenbart P3 allgemein Verfahren zur Herstellung von Pflanzenschutzmittelgranulaten unter Verwendung üblicher Formulierungsmittel, welche auf dem technischen Gebiet gängige Entschäumer umfassen (siehe Seite 2, Zeilen 39 bis 50). Es ist auch unumstritten, daß P1 gattungsgemäße Granulate beschreibt, bei denen perfluoralkylierte Verbindungen als Entschäumer verwendet werden, die der Definition gemäß vorliegendem Anspruch 1 entsprechen (siehe Seite 5, Zeilen 6 bis 9 mit Seite 4, Zeilen 16 bis 26, insbesondere Zeilen 19 bis 21). Ein Herstellungsverfahren für solche Granulate ist jedoch in P1 nicht angegeben. Der Fachmann, der im Rahmen der Lehre gemäß P3 nach weiteren Verfahren sucht, wird dabei in erster Linie einen Ersatz der in den Beispielen konkret genannten Einsatzstoffe durch solche in Betracht ziehen, die im Stand der Technik als gleichwirkend beschrieben sind. Wenn er nichts anderes tut als im Sinne der allgemeinen Lehre gemäß P3 anstatt der dort beispielshaft eingesetzten Substanzen die gleichwirkenden, in P1 empfohlenen Herbizide und Netzmittel zu verwenden und in diesem Zusammenhang insbesondere den Entschäumer (SE 2) durch die perfluoralkylierten Verbindungen gemäß P1 zu ersetzen oder zu ergänzen, dann gelangt er ohne weiteres zu einem vom Anspruch 1 umfaßten Verfahren.

2.7. Die Beschwerdeführerin hat argumentiert, der Hinweis in P1 lasse vermuten, die Herstellung von Granulaten könne eventuell mit Schwierigkeiten verbunden sein (siehe Seite 5, Zeilen 6 bis 8: "Verbindungen der Klasse f2) können mit wasserlöslichen Herbiziden (z. B. Herbizide (I) bis (III) und den sulfat- und sulfonathaltigen Netzmitteln bisweilen vorteilhaft zu dispergierbaren Granulaten verarbeitet werden."). Dieses Argument hält die Kammer für nicht stichhaltig. Wenn das Wort "bisweilen" überhaupt irgendwelche Bedenken zum Ausdruck bringen sollte, dann wohl nur in Zusammenhang mit der Verarbeitung von bestimmten Wirkstoffen und Netzmitteln zu Granulaten. Die Kammer ist im Gegenteil eher der Auffassung, daß die daran anschließende Bemerkung vermuten läßt, daß auch in solchen Fällen die perfluoralkylierten Verbindungen als Entschäumer empfohlen werden (Seite 5, Zeilen 8 bis 9: "Auch hier wirken die erfindungsgemäß verwendeten perfluoralkylierten Verbindungen als Entschäumer"). Somit würde der Fachmann den gesamten Wortlaut in P1 eher als Anregung für eine Verwendung perfluoralkylierter Verbindungen in problematischen Fällen ansehen.

2.8. Die Beschwerdeführerin hat auch vorgetragen, in P3 sei nicht nur das hier in Frage kommende Granulierverfahren offenbart. So werde in Beispiel 14 die Formulierung nicht naßvermahlen, sondern alle Komponenten bis auf den Entschäumer werden trocken gemischt, gemahlen und dann anschließend durch Aufsprühen einer wäßrigen Lösung des Entschäumers granuliert. Somit habe der Fachmann bereits in Hinblick auf P3 eine Auswahl unter verschiedenen Granulierverfahren zu treffen.

Die Kammer stellt fest, daß die Granulate gemäß P3 prinzipiell jeden beliebigen Entschäumer enthalten und nach an sich bekannten Granulierverfahren hergestellt werden können (siehe Zusammenfassung, letzter Satz). In den ersten 12 Beispielen wird die Formulierung in einer Perlmühle naßvermahlen und anschließend im Wirbelbett granuliert. Die Kammer hält es daher für naheliegend, daß der Fachmann, wenn er sich nach einem weiteren konkreten Granulierverfahren für derartige Formulierungen umsieht, von diesem nicht nur bekannten sondern auch offensichtlich bevorzugten Standardverfahren ausgeht. Daher kommt die Kammer zu dem Ergebnis, daß die Wahl dieses vom Stand der Technik bevorzugten Standardverfahrens im Zusammenhang mit dem eingesetzten Entschäumer keine erfinderische Tätigkeit begründen kann.

2.9. Bei dieser Sachlage ist die Kammer der Auffassung, daß der Vortrag der Beschwerdeführerin in bezug auf die Offenbarung gemäß P2 für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht relevant ist, insbesondere weil sie nicht vorgetragen hat, der Fachmann hätte aus P2 Vorbehalte gegen den Einsatz von perfluoralkylierten Verbindungen in Granulatformulierungen abgeleitet. Der Fachmann, der das Verfahren gemäß P3 im Rahmen der dort angegebenen allgemeinen Lehre zu modifizieren versucht, würde daher unabhängig von der Offenbarung gemäß P2 diese Verbindungen als Entschäumer bei der Herstellung von Pflanzenschutzgranulaten einsetzen (siehe Punkte 2.6 und 2.7. oben).

3. Aus den dargelegten Gründen folgt, daß die Verfahren gemäß Anspruch 8 bzw. 11 des Hauptantrags und gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ beruhen. Beiden Anträgen kann daher nicht stattgegeben werden.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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