T 0829/99 () of 8.3.2002

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2002:T082999.20020308
Datum der Entscheidung: 08 März 2002
Aktenzeichen: T 0829/99
Anmeldenummer: 90909441.9
IPC-Klasse: A61B 1/04
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Endoskop mit einer am distalen Ende angeordneten Videoeinrichtung
Name des Anmelders: Karl Storz GmbH & Co. KG
Name des Einsprechenden: Dr. Roland Schmiedl
Kammer: 3.2.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Neuheit, erfinderische Tätigkeit: ja nach Änderungen
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das Patent zu widerrufen, Beschwerde eingelegt.

II. Das Patent war wegen Mangel an Neuheit gegenüber der Druckschrift:

E1 = JP - A - 64-83238

widerrufen worden.

III. Auf Antrag der Beschwerdeführerin fand am 8. März 2002 eine mündliche Verhandlung statt, an deren Ende die Entscheidung über die Beschwerde verkündet wurde.

IV. Beantragt war seitens der Beschwerdeführerin die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents wie erteilt (Hauptantrag), oder mit Beschreibung und Ansprüchen wie in der mündlichen Verhandlung am 8. März 2002 überreicht, Zeichnungen wie erteilt (Hilfsantrag).

Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) hatte die Zurückweisung der Beschwerde beantragt.

V. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag in der erteilten Fassung lautet wie folgt:

"Endoskop mit einer am distalen Ende eines Endoskop-Schaftes angeordneten Videoeinrichtung, die mittels eines Übertragungssystems mit einer proximal angeordneten Versorgungseinheit verbunden ist, und die ein Objektiv aufweist, das ein mittels einer Beleuchtungseinheit beleuchtetes Objektfeld auf einen Bildaufnehmer abbildet, wobei das Objektiv und der Bildaufnehmer zu einer Videoeinheit zusammengefaßt sind, dadurch gekennzeichnet, daß die Videoeinheit derart beweglich an dem Endoskop-Schaft gehalten ist, daß die Querschnitts-Außenkontur der Videoeinheit beim Einführen in den zu beobachtenden Hohlraum im wesentlichen innerhalb der Querschnitts-Außenkontur des distalen Endes des Endoskop-Schaftes liegt, und daß nach Beendigung des Einführvorganges die Videoeinheit relativ zum distalen Ende des Endoskop-Schafts über die Querschnitts-Außenkontur hinaus bewegbar ist".

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag lautet wie folgt:

"Endoskop mit einer am distalen Ende eines Endoskop-Schaftes angeordneten Videoeinrichtung, die mittels eines Übertragungssystems mit einer proximal angeordneten Versorgungseinheit verbunden ist, und die ein Objektiv aufweist, das ein mittels einer Beleuchtungseinheit beleuchtetes Objektfeld auf einen Bildaufnehmer abbildet, wobei das Objektiv und der Bildaufnehmer zu einer Videoeinheit zusammengefaßt sind, wobei die Videoeinheit derart beweglich an dem Endoskop-Schaft gehalten ist, daß die Querschnitts-Außenkontur der Videoeinheit beim Einführen in den zu beobachtenden Hohlraum im wesentlichen innerhalb der Querschnitts-Außenkontur des distalen Endes des Endoskop-Schaftes liegt, und nach Beendigung des Einführvorganges die Videoeinheit relativ zum distalen Ende des Endoskop-Schafts über die Querschnitts-Außenkontur hinaus bewegbar ist, dadurch gekennzeichnet, daß die Videoeinheit um eine zur Achse des Endoskop-Schaftes parallele und bezogen auf die Stirnfläche der Videoeinheit exzentrische Achse schwenkbar ist".

Der Hilfsantrag enthält zwei weitere unabhängige Ansprüche 21 und 24 mit demselben Oberbegriff wie Anspruch 1, deren Kennzeichen wie folgt lautet:

Anspruch 21:

"dadurch gekennzeichnet, daß der Endoskop-Schaft einen Hauptkanal aufweist und die Videoeinheit derart in den Hauptkanal eingesetzt ist, daß sie in diesem verschoben werden kann und, daß an der Videoeinheit exzentrisch bezogen auf den Querschnitt der Videoeinheit eine als Bewegungselement dienende Schubstange angebracht ist, wobei die Videoeinheit in einer Richtung verschiebbar ist, die mit der Endoskop-Achse einen Winkel ungleich 0 einschließt"

Anspruch 24:

"dadurch gekennzeichnet, daß die Videoeinheit wenigstens zwei Bildaufnehmer mit zugeordneten Objektiven aufweist und um wenigstens eine zur Längsachse des Endoskop-Schaftes senkrechte Achse drehbar bzw. schwenkbar ist".

VI. Die Beschwerdeführerin argumentierte wie folgt:

Hauptantrag

Druckschrift E1 weise keine relativ zum distalen Ende des Endoskop-Schaftes bewegbare Videoeinrichtung sondern eine an dessen distalen Ende im Schaft eingebaute Videoeinrichtung auf. Dies entspräche dem üblichen Aufbau eines Endoskops, von dem die Erfindung als Stand der Technik ausgehe und wie es in der mündlichen Verhandlung von der Beschwerdeführerin vorgeführt worden sei. Vom vorgeführten Gerät unterscheide sich der Gegenstand nach Druckschrift E1 lediglich dadurch, daß die Videoeinheit gegenüber der Längsachse des Schaftes anstatt gebogen zu werden, parallel verschoben werden könne, wodurch eine Austrittsöffnung für eine Zange freigegeben werde. Auf Seite 3 der deutschen Übersetzung von Druckschrift E1 sei von "im vorderen harten Ende des Endoskops vorgesehenen Objektivsystems" die Rede. Das bedeute, daß die Videoeinheit Teil des Endoskops sei. Das folge auch daraus, daß das Endoskop nach Druckschrift E1 eine Außenhaut 3 aufweise, die bis zum Ende des Endoskops erstrecke und die Videoeinheit umfasse.

Hilfsantrag

Die Gegenstände der unabhängigen Ansprüche 1, 21 und 24 seien eindeutig neu. Eine parallele Verschiebung wie in Druckschrift E1 sei einer Schwenkung nicht gleichzustellen. Die Gegenstände der Ansprüche 1, 21 und 24. seien auch erfinderisch, da es nicht naheliegend sei, von einem Endoskop nach Druckschrift E1 ausgehend eine flexiblere und einfachere Ausgestaltung wie in den unabhängigen Ansprüchen beansprucht zu entwickeln.

VII. Die Beschwerdegegnerin trug folgende Argumente vor. Der in Anspruch 1 des Hauptantrags gegenüber Druckschrift E1 geltend gemachte Unterschied in der Position der Videoeinheit relativ zum Endoskop-Schaft stelle lediglich ein Spiel mit Worten dar. Ein struktureller Unterschied sei nicht zu sehen. In der Ausführungsform nach Figur 2a stimme das distale Ende des Schaftes mit dem distalen Ende der Videoeinheit überein. Im übrigen schließe die im Anspruch gewählte Formulierung: "am distalen Ende des Endoskop-Schaftes angeordnete Videoeinheit" nicht aus, daß die Videoeinheit vor dem distalen Ende angeordnet sein könne. Der Ausdruck: "distales Ende" sei funktionell als die Stelle zu verstehen, an der das Instrument (Zange) austrete.

Anspruch 1 des Hilfsantrags sei nicht neu, weil die Endlage der beanspruchten Videoeinheit wie bei Druckschrift E1 parallel zur Achse des Schaftes bleibe. Auf jedem Fall sei Anspruch 1 nicht erfinderisch, da eine Schwenkung nur eine naheliegende Alternative zu einer Translationsbewegung darstelle, wie auf Seite 8 der englischen Übersetzung von Druckschrift E1 mit den Worten "instead of the activating device, other means can be used for moving the rigid portion" schon angedeutet sei. Die Gegenstände der Ansprüche 21 und 24 seien auch nicht neu beziehungsweise nicht erfinderisch.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Hauptantrag

2.1. Neuheit

Es ist von der Beschwerdeführerin unbestritten, daß aus der Druckschrift E1 ein Endoskop bekannt ist mit einer am distalen Ende eines Endoskop-Schaftes angeordneten Videoeinrichtung (5, 7, 9), die mittels eines Übertragungssystems mit einer proximal angeordneten Versorgungseinheit verbunden ist, und die ein Objektiv (5) aufweist, das ein mittels einer Beleuchtungseinheit (siehe Anspruch 1) beleuchtetes Objektfeld auf einen Bildaufnehmer abbildet, wobei das Objektiv und der Bildaufnehmer zu einer Videoeinheit zusammengefaßt sind. Diese bekannte Vorrichtung weist somit alle Merkmale im Oberbegriff des Anspruchs 1 auf.

Die Beschwerdeführerin ist jedoch der Auffassung, daß bei der bekannten Vorrichtung die Videoeinheit im Endoskop-Schaft stationär gehalten ist und somit auch nicht relativ zum distalen Ende des Endoskop-Schafts über dessen Querschnitts-Außenkontur hinaus, sondern nur zusammen mit dem distalen Ende und innerhalb der Querschnitts-Außenkontur bewegbar sei und daß deshalb die bekannte Vorrichtung nicht die kennzeichnende Merkmalskombination des Anspruchs 1 aufweise. Sie stützt ihre Auffassung insbesondere darauf, daß gemäß der Übersetzung der Beschreibung von E1 (vgl. der die Seiten 3 und 4 überbrückende Absatz) die Videoeinheit "in einem starren Abschnitt des distalen Endes" des Endoskops angeordnet ist.

Ausgehend von Anspruch 1 ist für die Entscheidung der Neuheitsfrage somit ausschlaggebend, ob bei der bekannten Vorrichtung die Videoeinheit relativ zum Ende des Endoskop-Schaftes im Sinne des angegriffenen Patents bewegbar ist. Dabei ist es nicht von Bedeutung, welche Bezeichnung der Autor der Entgegenhaltung für ein bestimmtes konstruktives Merkmal gewählt hat, sondern vielmehr, ob das Endoskop nach Druckschrift E1 ein Merkmal aufweist, welches konstruktiv und/oder funktionell dem patentgemäßen "Ende des Endoskopschaftes" gleichzusetzen ist.

Das Wesen der Anspruch 1 charakterisierenden Merkmalskombination besteht darin, daß die Videoeinheit während des Einführvorganges mit der Außenkontur des übrigen Endoskops fluchtet, nach Beendigung des Einführvorganges aber aus dieser Position seitlich wegbewegt werden kann. Dies eröffnet die Möglichkeit, gegebenenfalls den Zugang zu einem oder mehreren Kanälen (z. B. für Instrumente) des Endoskops freizulegen (vgl. EP-B-434 793, Spalte 3, Zeilen 37 bis 55 und Ausführungsformen nach Figuren 1 bis 6 und 8). Bei solchen Ausführungsvarianten ist das "Ende des Endoskop-Schaftes" dann dort zu sehen, wo der Kanal oder die Kanäle distal enden.

Aus den Figuren der Druckschrift E1 ergibt sich, trotz etwa bestehender Übersetzungsmängel im Detail der Beschreibung, eindeutig, daß der die Videoeinheit enthaltende Abschnitt (1) über Parallellenker (17) seitlich aus der Außenkontur des restlichen Endoskops wegschwenkbar ist und dabei eine Öffnung (11) für eine Pinzette (13) freigibt. Unbenommen einer in der Druckschrift E1 vergebenen anderen Bezeichnung, ist die Position dieser Öffnung (11) somit das "Ende des Endoskop-Schaftes" in dem oben bestimmten Sinne und die Vorrichtung nach Druckschrift E1 offenbart das beanspruchte Merkmal des Patents, daß die Videoeinheit relativ zum Ende des Endoskops bewegbar ist.

Somit erfüllt die aus der Druckschrift E1 bekannte Vorrichtung auch die Merkmalskombination im Kennzeichen des Anspruchs 1.

Dementsprechend ist der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrages nicht neu gegenüber Druckschrift E1.

3. Hilfsantrag

3.1. Die Fassung des Hilfsantrages entspricht den Erfordernissen der Artikel 84 und 123 EPÜ. Bezüglich der unabhängigen Ansprüche ist folgendes zu bemerken:

Anspruch 1 ist aus den gewährten Ansprüchen 1 und 2; Anspruch 21 aus den Ansprüchen 1, 10,22 und aus der ursprünglichen Beschreibung, Seite 2, 2. Absatz; Anspruch 24 aus den Ansprüchen 1, 26 und 29 zusammengefaßt.

3.2. Neuheit

Die unabhängigen Ansprüche 1, 22 und 24 unterscheiden sich vom in Druckschrift E1 enthaltenen Stand der Technik durch das jeweilige Kennzeichen.

Die Gegenstände dieser Ansprüche sind somit unbestritten neu.

3.3. Erfinderische Tätigkeit

Die der Erfindung zugrundeliegende Aufgabe ist es, ausgehend von der Druckschrift E1 ein flexibler einsetzbares, konstruktiv einfacheres und dadurch funktionssicheres Endoskop mit Videoeinrichtung bereitzustellen.

Den kennzeichnenden Merkmalen der drei unabhängigen Ansprüche liegt der gemeinsame Lösungsgedanke zugrunde, anders als bei der aus E1 bekannten, komplizierten Parallellenkeranordnung das Ausfluchten der Videoeinrichtung durch einfache, exzentrische Schwenkbewegungen um Längsachsen des Endoskopschaftes oder durch Drehbewegungen senkrecht zu diesen Achsen und gegebenenfalls durch einfache Verschiebungen entlang diesen Achsen zu bewirken.

Der genannte Stand der Technik bietet keinen Hinweis, der den Fachmann in naheliegender Weise zu den unterscheidenden Merkmalen Führen kann. Dementsprechend beruhen die Gegenstände der unabhängigen Ansprüche 1, 21 und 24 auf einer erfinderischen Tätigkeit.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent in geändertem Umfang mit folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:

- Beschreibung, Seiten 2 - 9 und Ansprüche 1- 47 wie in der mündlichen Verhandlung überreicht,

- Zeichnungen wie erteilt.

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