T 0792/99 () of 7.11.2000

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2000:T079299.20001107
Datum der Entscheidung: 07 November 2000
Aktenzeichen: T 0792/99
Anmeldenummer: 95111042.8
IPC-Klasse: B62D 65/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Kraftfahrzeugmodul und Verfahren zu seiner Montage
Name des Anmelders: ADAM OPEL AG
Name des Einsprechenden: Renault Automation
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 113(1)
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (verneint)
Fernbleiben der Patentinhaberin von der mündlichen Verhandlung
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdegegnerin ist Inhaberin des europäischen Patents Nr. 0 693 416 (Anmeldenummer: 95 111 042.8).

II. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) legte gegen das Patent Einspruch ein und beantragte, das Patent wegen fehlender Patentfähigkeit zu widerrufen.

Sie berief sich dabei u. a. auf

- D1: EP-A-0 235 959 und

- eine offenkundige Vorbenutzung eines Kraftfahrzeugmoduls, die im Einspruchsbeschwerdeverfahren u. a. durch folgende Beweismittel dokumentiert wurde:

- R1c: Fotographie des Unterbaus eines Kraftfahrzeugs auf einem Hilfsrahmen

- R1a: Zeitschrift von "Renault Automation" November 1993, in der die Photographie R1c veröffentlicht worden ist.

- D3: "Homme + Robot" = Clio" L'information du véhicule N 182, S. 43-45, Juni 1990

- R6, R7, R8: Erklärungen der Herren M. Siena, J. Bibal der Firma GECOM vom 11. Oktober 1999 und B. Deschamps der Firma Renault vom 8. Oktober 1999.

III. Mit am 14. Juni 1999 zur Post gegebener Entscheidung wies die Einspruchsabteilung den Einspruch zurück.

IV. Gegen diese Entscheidung legte die Beschwerdeführerin (Einsprechende) am 5. August 1999 unter Zahlung der Beschwerdegebühr Beschwerde ein.

Die Beschwerdebegründung wurde am 14. Oktober 1999 eingereicht.

V. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) hat sich zwar zur Beschwerdebegründung und zu einem Bescheid zur Ladung zur mündlichen Verhandlung geäußert, aber entsprechend einer per Telefax vom 31. Oktober 2000 geschickten Ankündigung an der mündlichen Verhandlung am 7. November 2000 nicht teilgenommen.

VI. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.

Sie vertrat die Auffassung, daß gegenüber der offenkundigen Vorbenutzung die Neuheit fehle. Jedenfalls fehle es gegenüber dieser Vorbenutzung in Verbindung mit dem Dokument D1 an erfinderischer Tätigkeit.

VII. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen und das Patent auf der Basis des mit Schreiben vom 30. Oktober 2000 eingereichten Patentanspruchs 1 aufrechtzuerhalten.

Sie machte im wesentlichen folgendes geltend:

Nach der Lehre des angefochtenen Patents würden Kraftstoffleitungen, Bremsleitungen und Kraftstofftank vormontiert und mit entsprechenden Komponenten des Kraftstoff- und Bremssystems verbunden. Der Motor des Kraftfahrzeugs und weitere Fahrzeugkomponenten würden dagegen erst nach der Montage des erfindungsgemäßen Kraftfahrzeugmoduls montiert, wobei die Montagerichtung von der des erfindungsgemäßen Kraftfahrzeugmoduls abweichen könne. Beispielsweise werde der Motor bei einigen Fahrzeugen von oben in einen nach unten abgeschlossenen Motoraum eingesetzt.

Auf der Abbildung R1c sei ein komplett vormontierter Unterbau zu erkennen, der nicht nur ein Bündel von fünf Leitungen und einen Kraftstofftank sondern auch einen Motor, Fahrzeugachsen, Federelemente und einer Abgasanlage aufweise.

Die auf dieser Abbildung zu sehende Anordnung könne schon deshalb die Patentfähigkeit des beanspruchten Moduls nicht in Frage stellen, weil der Fachmann einen kompletten Unterbau nicht als Modul bezeichnen werde. Das erfindungsgemäße Modul habe den Vorteil, daß die Komponente des Bremssystems und des Kraftstoffsystems montiert werden können, bevor die sogenannte "Hochzeit" stattfinde, also bevor der komplette Unterbau mit einer selbsttragenden Karosserie verbunden werde. Desweiteren sei es unüblich, Kraftstoff- und Bremsleitungen miteinander durch Verbindungselemente vor der Endmontage zu verbinden.

VIII. Patentanspruch 1 lautet:

"1. Kraftfahrzeugmodul, dadurch gekennzeichnet, dass es aus miteinander in Verbindung stehenden Kraftstoffleitungen (8), Bremsleitungen (9) und einem Kraftstofftank (1) und gegebenenfalls aus weiteren Komponenten des Kraftstoff- und Bremssystems besteht."

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Stand der Technik

Die geltend gemachte offenkundige Vorbenutzung stützt sich im wesentlichen auf die Zeitschrift "Renault Automation" vom November 1993, in der die Abbildung R1c veröffentlicht worden ist. Diese Abbildung zeigt die Montage eines Unterbaus für ein Kraftfahrzeug. Die Teile des Unterbaus sind auf einem Hilfsrahmen plaziert.

Die Zeitschrift D3 verdeutlicht das in der Abbildung R1c gezeigte Montageverfahren. Der im letzten Absatz der rechten Textspalte beginnende Text auf Seite 44 beschreibt ebenfalls die Montage eines Kraftfahrzeugunterbaus, der den Motor, den Kraftstofftank, Leitungen, das Auspuffsystem, die Stoßdämpfer, das Getriebe und das Fahrwerk umfaßt. Diese Teile werden auch auf einen Hilfsrahmen positioniert. Anschließend führen acht Manipulatoren 18 Verschraubungen und 17 Klipsverbindungen aus. Danach wird der Hilfsrahmen angehoben und der Unterbau mit der Karosserie verbunden.

Aus den Dokumenten R1c oder D3 ist zwar nicht zu entnehmen, ob die Kraftstoffleitungen, die Bremsleitungen und der Kraftstofftank aneinander angeschlossen sind, jedoch werden, wie in Dokument D3 ausdrücklich angegeben ist, mit diesem Montageverfahren 25. Posten abgeschafft, in welchen die Werker Überkopfarbeit leisten mußten. Ziel dieses Montageverfahrens ist mithin, diese Überkopfarbeit so weit wie möglich zu reduzieren. Dieses Ziel wird erreicht, wenn möglichst viele Elemente des Unterbaus, einschließlich der Kraftstoffleitungen, der Bremsleitungen und des Kraftstofftanks an die anderen entsprechenden Komponenten angeschlossen sind.

In den Erklärungen R6 und R7 wird bestätigt, daß zumindest die Bremsleitungen und die Kraftstoffleitungen durch Klammern oder Klipse miteinander verbunden und dann auf einen Hilfsrahmen positioniert werden. Dort soll die Verbindung mit einem Kunststofftank erfolgt sein.

Diese offenkundige Vorbenutzung wurde seitens der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) nicht in Frage gestellt. Vielmehr hat sie ausgeführt, daß diese Montageweise von ihr bereits 1935 praktiziert wurde.

Deshalb ist die geltend gemachte offenkundige Vorbenutzung, die im wesentlichen durch vorveröffentlichte Druckschriften belegt ist, als nachgewiesen anzusehen und bei der Ermittlung bezüglich Neuheit und erfinderische Tätigkeit zu berücksichtigen.

3. Aufgabe - Lösung

Gemäß den Ausführungen in der Beschreibungseinleitung ist Ausgangspunkt für die beanspruchte Erfindung ein Verfahren zur Montage von Kraftfahrzeugen, bei welchem die Fahrzeugbaugruppen bzw. -teile wie ein Kraftstofftank, ein ABS-Hydrogerät, ein Hauptbremszylinder einzeln von Werkern vorwiegend in ergonomisch ungünstiger Position überkopf an einer hängenden Karosserie gehaltert werden. Das Verschrauben dieser Elemente am Unterbau oder einer Stirnwand erfordere viel Zeit, wobei Schraubstellen oftmals an schwer zugänglichen Orten anzubringen seien. Anschließend werden Kraftstoff- und Bremsleitungen an den Unterbau der Karosserie herangeführt und dort mit den genannten Komponenten verschraubt. Auch diese Operationen erfolgten vorwiegend in ergonomisch ungünstigen Überkopfpositionen. Die genannten Arbeiten am Kraftstoff- und Bremssystem des Kraftfahrzeugs müßten mit sehr hoher Qualität ausgeführt werden, da diese Systeme sicherheitsrelevant seien.

Die Streitpatentschrift bezeichnet es als die der Erfindung zugrunde liegende Aufgabe, die Arbeitsbedingungen bei der Montage von Teilen des Kraftstoff- und Bremssystems deutlich zu verbessern und den erforderlichen Handarbeitsaufwand zu verringern.

Diese Aufgabe wird durch ein Kraftfahrzeugmodul entsprechend Patentanspruch 1 und ein Verfahren zu seiner Montage, das im Patentanspruch 7 gekennzeichnet ist, gelöst.

4. Neuheit

Die Abbildung R1c zeigt ein vormontiertes Kraftfahrzeugmodul auf einem Modul-Hilfsrahmen, das ein Bündel von fünf Leitungen, einen Kraftstofftank sowie den Motor, das Getriebe, Fahrzeugachsen, Federelemente und die Auspuffanlage aufweist. Da es sich um einen kompletten Fahrzeugunterbau handelt, der mit der Karosserie vereinigt wird, müssen auch die Bremsleitungen notwendigerweise vorhanden sein.

Der völlig eindeutige Ausdruck "besteht aus" im Patentanspruch 1 ist so zu verstehen, daß das beanspruchte Modul ausschließlich aufweist, was dort spezifiziert ist, nämlich Kraftstoff- und Bremsleitungen, einen Kraftstofftank und gegebenenfalls weitere Komponenten des Kraftstoff- und Bremssystems. Das Vorhandensein von weiteren Komponenten auf dem Modul-Hilfsrahmen, die keine Teile des Kraftstoff- und Bremssystems sind, ist somit ausgeschlossen.

Das beanspruchte Modul, das ausschließlich Teile des Kraftstoff- und Bremssystems aufweist ist somit gegenüber diesem Stand der Technik neu.

5. Erfinderische Tätigkeit

5.1. Die dem angefochtenen Patent zugrunde liegende Aufgabe war bereits bei der offenkundigen Vorbenutzung bestimmend, wie aus Dokument D3 bei dem die Seiten 44 und 45 überbrückenden Absatz hervorgeht. Dort wird ausdrücklich darauf hingewiesen, daß durch das in Rede stehende Montageverfahren Posten gespart werden können, in welchen Werker Überkopfarbeit leisten mußten. Um dieses Ziel zu erreichen, wird dort ein vormontiertes Modul, das den kompletten Unterbau eines Kraftfahrzeugs bildet, vorgeschlagen. Dieser komplette Unterbau wird von der Unterseite der Karosserie her an diese herangebracht und mit ihr verbunden.

5.2. Wie die Beschwerdegegnerin richtig ausgeführt hat, kann die Karosserie einen nach unten abgeschlossenen Motorraum aufweisen, so daß der Motor und andere Cockpit-Komponenten von oben in den abgeschlossenen Motorraum eingesetzt werden müssen. Die Komponenten des Brems- und Kraftstoffsystems sind jedoch immer von unten her zu montieren. Für diese Fälle sei das beanspruchte Modul vorteilhaft. Es erhebt sich somit die Frage, ob es für den Fachmann naheliegend ist, in diesem Fall Komponenten des kompletten Unterbaus gemäß Abbildung R1c wegzulassen, so daß das Modul ausschließlich Komponenten des Kraftstoff- und Bremssystems aufweist. Nach Auffassung der Kammer ist dies zu bejahen. Es kann nicht als eine den Rahmen fachmännischer Überlegungen übersteigende erfinderische Leistung angesehen werden, anstatt eines den kompletten Unterbau bildenden Moduls ein "unvollständiges" vormontiertes Modul mit Teilen, die zwingend von unten an der selbsttragenden Karosserie gehaltert werden müssen, nämlich Brems- und Kraftstoffleitungen und dem Kraftstofftank vorzusehen.

Dem in diesem Zusammenhang seitens der Beschwerdegegnerin vorgebrachten Argument, es sei unüblich Kraftstoff- und Bremsleitungen miteinander durch Verbindungselemente vor der Endmontage zu verbinden, kann die Kammer nicht zustimmen. Dokument D1 lehrt nämlich bereits mehrere Leitungen insbesondere durch Klipse zu einer Einheit zu verbinden, wobei ausdrücklich angegeben ist, daß eine solche Einheit Kraftstoff- und Bremsleitungen für Kraftfahrzeuge umfassen kann (Spalte 1, zweiter Absatz dieser Druckschrift). Im übrigen gibt diese Druckschrift dem Fachmann hierzu einen Hinweis, Kraftstoff- und Bremsleitungen, die zu einer Einheit verbunden sind und somit - wie Patentanspruch 1 es fordert - miteinander in Verbindung stehen, bei der Montage eines Kraftfahrzeugs einzusetzen.

Auch die Ausführungen, der komplette vormontierte Unterbau gemäß Abbildung R1c sei im Gegensatz zur Erfindung kein Modul, vermögen nicht zu überzeugen. Es trifft zwar zu, daß dort sämtliche Teile des Fahrwerks auf einen Hilfsrahmen vormontiert werden. Jedoch werden auch bei der beanspruchten Erfindung Komponenten auf einem Hilfsrahmen positioniert und wird diese vormontierte Einheit von unten an eine Karosserie herangeführt und alle in dieser Einheit enthaltenen Komponenten an der Karosserie befestigt.

5.3. Aus alledem folgt, daß der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (Artikel 56 EPÜ) und somit nicht patentfähig ist (Artikel 52 (1) EPÜ).

Patentanspruch 1 hat deshalb keinen Bestand, weshalb der einzige Antrag der Beschwerdegegnerin zurückzuweisen ist.

6. Die vorliegende Entscheidung, die am Ende der mündlichen Verhandlung verkündet wurde, stützt sich auf einen Einspruchsgrund und die zugehörigen Tatsachen und Beweismittel, zu denen die nicht erschienene Beschwerdegegnerin vorher Stellung genommen hatte; sie entspricht somit Artikel 113 (1) EPÜ (vgl. die Entscheidung G 4/92, ABl. EPA 1994, 149).

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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