T 0759/99 () of 6.9.2001

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2001:T075999.20010906
Datum der Entscheidung: 06 September 2001
Aktenzeichen: T 0759/99
Anmeldenummer: 94919679.4
IPC-Klasse: B65D 75/48
B65D 75/62
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Beutelverpackung für flüssige Arzneimittel
Name des Anmelders: Byk Gulden Lomberg Chemische Fabrik GmbH
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit, nach Beschränkung (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0219/87
T 1034/96
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Mit am 27. Juni 1996 zur Post gegebener Entscheidung wies die Prüfungsabteilung die europäische Patentanmeldung Nr. 94 919 679.4 zurück.

Die Zurückweisung wurde damit begründet, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 gegenüber dem Stand der Technik nach dem Dokument US-A-2 430 995 (D1) sowie nach dem Dokument EP-A-0 494 582 (D2) nicht neu sei.

II. Durch die Entscheidung T 1034/96 - 3.2.1 vom 16. Januar 1998 wurde die Neuheit des Gegenstands des Anspruchs 1 gegenüber diesem Stand der Technik festgestellt, die Zurückweisungsentscheidung aufgehoben und die Sache an die Prüfungsabteilung zur weiteren Prüfung im Hinblick auf erfinderische Tätigkeit zurückverwiesen.

III. Mit am 11. März 1999 zur Post gegebener Entscheidung wies die Prüfungsabteilung die europäische Patentanmeldung erneut zurück.

Der dieser Entscheidung zugrundeliegende, gegenüber der ersten Zurückweisungsentscheidung unveränderte Anspruch 1 lautet:

"Darreichungsform für Einzeldosen von flüssigen, oral einzunehmenden Arzneimitteln, dadurch gekennzeichnet, daß das Arzneimittel in einem Schlauchfolienbeutel (1) vorliegt."

Die Zurückweisung erfolgte mit der Begründung, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 durch Zusammenschau der Dokumente D1, D2 und des bekannten Vierrand-Siegelbeutels nahegelegt worden sei.

Die Prüfungsabteilung vertrat hierbei die Auffassung, daß Schlauchfolienbeutel eine gängige Verpackungsform mit hoher Verbraucherakzeptanz für eine Vielzahl von festen, pulverförmigen oder flüssigen Produkten wie z. B. Bonbons, Milch, Einzeldosen von Zucker, Kaffeepulver, Ketchup, Mayonnaise, Senf, Kosmetika, usw. seien.

Es läge dem Fachmann nahe, eine herkömmliche Schlauchfolienverpackung nach dem Vorbild von D2 als Darreichungsform für Einzeldosen von oral zu verabreichenden flüssigen Arzneimitteln vorzusehen, um somit in vorhersehbarer Weise die Vorteile der Darreichungsform nach D1 zu nutzen und die Nachteile des Vierrand-Siegelbeutels zu vermeiden.

IV. Gegen diese Entscheidung legte die beschwerdeführende Anmelderin frist- und formgerecht Beschwerde ein.

Sie beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent mit den am 13. März 2001 eingereichten Patentansprüchen 1 bis 8, der am 25. Mai 2001 eingereichten Beschreibung und den ursprünglich eingereichten Zeichnungen zu erteilen.

Sie macht im wesentlichen geltend, daß das der Erfindung zugrundeliegende technische Problem darin bestehe, eine Darreichungsform für Einzeldosen von flüssigen, oral einzunehmenden Arzneimitteln zur Verfügung zu stellen, die eine höhere Akzeptanz bei den Patienten besitze und die direkte orale Einnahme der gesamten Einzeldosis erleichtere. Der mit diesem Problem befaßte Fachmann könne aus D2 schon deshalb keine Hinweise oder Anregungen entnehmen, weil der dort beschriebene Dreinahtschlauchfolienbeutel keinesfalls für eine direkte orale Einnahme des Inhalts vorgesehen sei.

V. Der geltende Anspruch 1 lautet:

"Darreichungsform zur direkten oralen Einname eines flüssigen Arzneimittels, bestehend aus einem eine Einzeldosis des Arzneimittels enthaltenden, eine als gesiegelte Flachnaht ausgeführte Längsnaht (5) aufweisenden Dreinahtschlauchfolienbeutel (1) aus Aluminiumverbundfolie."

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Änderungen

Nachdem der Begriff "Folienstickpacks" in den ursprünglich eingereichten Unterlagen als unklar bezeichnet worden war, weil es sich nicht um eine in der Verpackungstechnik verwendete Begriffsbezeichnung handelt, wurde er nunmehr durch den in diesem Gebiet üblichen genaueren Begriff "Dreinahtschlauchfolienbeutel" ersetzt.

Aus Seite 1 (zweite Zeile von unten) und Seite 2 (erster Absatz, erste Zeile und ganzer dritter Absatz) sowie aus den Figuren 1 und 2 der ursprünglichen Anmeldungsunterlagen kann der Fachmann entnehmen, daß es sich bei dem "Folienstickpack" im Sinne der Erfindung um einen Dreinahtschlauchfolienbeutel handelt, der "aus den üblichen Aluminiumverbundfolien durch Anbringen von endseitigen gesiegelten horizontalen Quernähten und einer vertikalgesiegelten Flachnaht", d. h. durch Anbringen von drei Nähten hergestellt wird.

Der beanspruchte Dreinahtschlauchfolienbeutel wird durch die Merkmale "eine als gesiegelte Flachnaht ausgeführte Längsnaht (5) aufweisend" und "aus Aluminiumverbundfolie" präzisiert. Diese Merkmale finden sich in den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 6 und 7. bzw. auf Seite 2, Absatz 3 der ursprünglichen Beschreibung.

Diese Änderungen gehen daher nicht über das ursprünglich Offenbarte hinaus (Artikel 123 (2) EPÜ).

3. Aufgabe und Lösung

Die Anmeldung betrifft einen Folienbeutel als Darreichungsform für Einzeldosen von flüssigen, oral einzunehmenden Arzneimitteln.

Laut der Beschreibungseinleitung der europäischen Patentanmeldung werden zahlreiche Medikamente in flüssiger Form oral eingenommen. Unter anderem um die Dosiergenauigkeit zu erhöhen, Hygieneprobleme zu vermeiden und Einzeldosen überall verfügbar zu haben, werden flüssige Medikamente in Folienbeuteln zur Verfügung gestellt. Insbesondere bei Antacida, die in der Regel als Suspensionen vorliegen, habe sich diese Darreichungsform bewährt.

Die europäische Patentanmeldung schildert die sogenannten Vierrand-Siegelbeutel, in denen diese Suspensionen bereitgestellt werden, als bekannt, aber mit Nachteilen behaftet, wenn die Patienten den Inhalt des Beutels direkt in die Mundhöhle ausdrücken und/oder den Beutel aussaugen wollen. Da die Vierrand-Siegelbeutel durch Rundumversiegelung von zwei Verbundfolien gebildet würden und die Siegelnähte am Beutelrand relativ scharfkantig seien, werde die direkte Entnahme aus dem Vierrand-Siegelbeutel in den Mund als nicht sehr angenehm empfunden. Darüber hinaus sei es, da die seitlichen Siegelnähte im Vergleich zu den Beutelfolien relativ steif seien, für viele Patienten schwierig, die gesamte Einzeldosis ohne Verlust einzunehmen.

Hiervon ausgehend kann die der europäischen Anmeldung zugrundeliegende Aufgabe darin gesehen werden, einen Folienbeutel für Einzeldosen von flüssigen, oral einzunehmenden Arzneimitteln zur Verfügung zu stellen, der die vorstehend erwähnten Nachteile des Vierrand-Siegelbeutels nicht aufweist, d. h. eine direkte und vollständige Entleerung des flüssigen, oral zu verabreichenden Arzneimittels aus dem Folienbeutel in den Mund eines Patienten ohne Verletzungsgefahr ermöglicht und eine höhere Akzeptanz bei den Patienten besitzt.

Diese Aufgabe wird nach Auffassung der Kammer dadurch gelöst, daß gemäß Anspruch 1, die Einzeldosen von flüssigen, oral einzunehmenden Arzneimitteln in Dreinahtschlauchfolienbeuteln aus Aluminiumverbundfolie, die eine als gesiegelte Flachnaht ausgeführte Längsnaht aufweisen, vorliegen.

4. Neuheit

Die Neuheit des Gegenstands des Anspruchs 1 ist offensichtlich.

Dies wurde schon bei dem weniger stark eingeschränkten Anspruch 1 gemäß der Zurückweisungsentscheidung in der Entscheidung T 1034/96 festgestellt.

5. Erfinderische Tätigkeit

5.1. Die angepaßte Beschreibung der europäischen Anmeldung gibt an, daß Dreinahtschlauchfolienbeutel an sich bekannt seien und bisher für Zucker- oder Butterportionen verwendet werden, jedoch nicht für eine direkte orale Einnahme des Inhalts.

Der Behauptung der Prüfungsabteilung, Schlauchfolienbeutel seien auch für flüssige Lebensmittel wie Ketchup, Senf oder Mayonnaise vor dem Anmeldetag der europäischen Anmeldung eingesetzt worden, wurde von der Anmelderin widersprochen. Sie kann nur als eine unbewiesene Vermutung behandelt werden, die bei der Frage der erfinderischen Tätigkeit nicht berücksichtigt zu werden braucht.

5.2. Das Dokument D1 betrifft eine aus einem thermoplastischen Kunststoff bestehende Ampulle für Arzneimittel, die in Notlagen, z. B. auf dem Schlachtfeld, zur Anwendung kommen soll. Die einzelnen Ampullen werden aus einem längeren extrudierten Rohr durch Zusammendrücken der selbsttragenden Rohrwandung zur Bildung von Quernähten hergestellt. Von einem Dreinahtschlauchfolienbeutel aus Aluminiumverbundfolie, der eine als gesiegelte Flachnaht ausgeführte Längsnaht aufweist, ist hierbei keine Rede.

In diesem Dokument wird auch angegeben, daß die Ampulle Arzneimittel aufnehmen könne. Bei den erwähnten beispielhaften Substanzen Sulfanilamide, Sulfathiosal oder Sulfadiazine handelt es sich um Feststoffe. Mit der Problemstellung der direkten oralen Verabreichung von flüssigen Arzneimitteln beschäftigt sich diese Druckschrift nicht.

5.3. Das Dokument D2 betrifft die Anordnung der Längsnaht und der Aufreißkerbe eines Dreinahtschlauchfolienbeutels. Als eventuelle Inhaltsstoffe für den Dreinahtschlauchfolienbeutel sind Kaffeepulver und Zucker, d. h. pulverförmige Nahrungsmittel angegeben. In Spalte 4, Zeile 57 ist auch von "schlecht ausfließendem Inhalt wie Suppen" die Rede. Diese Passage bezieht sich zweifellos nicht auf flüssige Suppen, sondern auf Suppenpulver, das beispielsweise auf einen Löffel oder in ein Gefäß ausgeschüttet werden kann. Hinweise darauf, daß der dort beschriebene Dreinahtschlauchfolienbeutel zusammen mit flüssigen Arzneimitteln als Darreichungsform für eine direkte, orale Verabreichung einer Dosis eines flüssigen Arzneimittels geeignet ist, können dem Dokument D2 nicht entnommen werden.

5.4. Die in der Anmeldungsbeschreibung erwähnten Vierrand-Siegelbeutel, die als nächstkommender Stand der Technik anzusehen sind, enthalten Einzeldosen von flüssigen Arzneimitteln. Sie werden zur Entnahme der Einzeldosis aufgeschnitten oder aufgerissen und ermöglichen eine direkte, orale Entnahme (d. h. Entleerung direkt in den Mund des Patienten). Jedoch gibt dieser Stand der Technik dem Fachmann keinerlei Hinweise darauf, diese Einzeldosen von flüssigen oral einzunehmenden Arzneimitteln in einen Dreinahtschlauchfolienbeutel aus Aluminiumverbundfolie mit einer als gesiegelte Flachnaht ausgeführten Längsnaht zu verpacken und damit eine unproblematische direkte orale Einnahme des flüssigen Arzneimittels zu bewirken und die Akzeptanz bei den Patienten zu steigern.

Wie vorstehend ausgeführt, sind dem Dokument D2 keinerlei Hinweise auf die direkte orale Einnahme irgend eines flüssigen, zum Verzehr geeigneten Stoffes in Zusammenhang mit einem Dreinahtschlauchfolienbeutel zu entnehmen. Ebenso wenig findet sich in diesem Stand der Technik ein Hinweis auf Darreichungsformen für die orale Einnahme von flüssigen Arzneimitteln in Zusammenhang mit diesen Verpackungsmitteln. Dementsprechend fehlt auch jedweder Hinweis auf die Erhöhung der Patienten-Akzeptanz, die darauf zurückzuführen ist, daß die Einzeldosis des flüssigen, oral einzunehmenden Arzneimittels direkt und vollständig in den Mund eines Patienten und zwar ohne Verletzungsgefahr entleert werden kann.

Ergänzend ist darauf hingewiesen, daß es bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht darauf ankommt, ob der Fachmann durch Verpacken der Einzeldosen von flüssigen oral einzunehmenden Arzneimitteln in Dreinahtschlauchfolienbeuteln statt in Vierrand-Siegelbeuteln zur Erfindung hätte gelangen können. Zu fragen ist vielmehr, ob er in Erwartung der tatsächlich erzielbaren Vorteile bei einer direkten oralen Einnahme, d. h. im Lichte der bestehenden technischen Aufgabe so vorgegangen wäre, weil dem Stand der Technik Anregungen für die Erfindung zu entnehmen waren (siehe z. B. die Entscheidung T 219/87 vom 11. März 1998, Punkt 7.4). Wie bereits dargelegt, sind jedoch dem Stand der Technik keine Anregungen für die Erfindung zu entnehmen.

5.5. Aus alledem folgt, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 auf erfinderischer Tätigkeit beruht und somit patentfähig ist.

Die Patentfähigkeit der abhängigen Ansprüche 2 bis 8 wird von derjenigen des Patentanspruchs 1 getragen; diese sind daher gleichfalls patentfähig.

Gegen die geänderte Beschreibung bestehen ebenfalls keine Bedenken.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die erste Instanz mit der Auflage zurückverwiesen, ein Patent mit den am 13. März 2001 eingereichten Ansprüchen 1 bis 8, der am 25. Mai 2001 eingereichten Beschreibung und den ursprünglich eingereichten Zeichnungen zu erteilen.

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