T 1034/96 () of 16.1.1998

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1998:T103496.19980116
Datum der Entscheidung: 16 Januar 1998
Aktenzeichen: T 1034/96
Anmeldenummer: 94919679.4
IPC-Klasse: B65D 75/48
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Beutelverpackung für flüssige Arzneimittel
Name des Anmelders: Byk Gulden Lomberg Chemische Fabrik GmbH
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54(1)
European Patent Convention 1973 Art 111(1)
Schlagwörter: Neuheit (ja)
Zurückverweisung an die erste Instanz
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0759/99

Sachverhalt und Anträge

I. Die europäische Patentanmeldung Nr. 94 919 679.4 wurde mit einer am 27. Juni 1996 zur Post gegebenen Entscheidung durch die Prüfungsabteilung zurückgewiesen.

II. Der dieser Entscheidung zugrundeliegende unabhängige Anspruch 1 lautet wie folgt:

" Darreichungsform für Einzeldosen von flüssigen, oral einzunehmenden Arzneimitteln, dadurch gekennzeichnet, daß das Arzneimittel in einem Schlauchfolienbeutel vorliegt."

Die geltenden abhängigen Ansprüche 2 bis 10 richten sich auf bevorzugte Ausführungsformen des Gegenstands des Anspruchs 1.

Die Zurückweisung erfolgte mit der Begründung, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 gegenüber dem Stand der Technik nach dem Dokument US-A-2 430 995 (D1) sowie nach dem Dokument EP-A-0 494 582 (D2) nicht neu sei.

Die Prüfungsabteilung vertrat hierbei die Auffassung, daß der Anspruch 1 eine herkömmliche Schlauchbeutelverpackung betreffe, die als Darreichungsform für Einzeldosen von flüssigen, oral einzunehmenden Arzneimitteln dienen solle. Herkömmliche Schlauchbeutelverpackungen, die aufgrund ihrer konstruktiven Gegebenheiten und Materialeigenschaften zur Aufnahme von Einzeldosen von flüssigen Arzneimitteln geeignet seien, nähmen daher den durch den Anspruch definierten Gegenstand neuheitsschädlich vorweg.

III. Gegen diese Entscheidung ist am 30. August 1996 Beschwerde eingelegt und gleichzeitig die Beschwerdegebühr entrichtet worden.

Die Beschwerdebegründung ist am 29. Oktober 1996 eingegangen.

Die Beschwerdeführerin beantragt, die Entscheidung aufzuheben und die Erteilung eines Patents zu beschließen bzw. die Angelegenheit an die Prüfungsabteilung zurückzuverweisen, hilfsweise eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.

IV. Zur Stützung ihres Antrags trägt die Anmelderin im wesentlichen folgendes vor:

Arzneistoffe würden in vielfältiger Form verabreicht. Von allen diesen Darreichungsformen seien zahlreiche Variationen bekannt, die für den jeweiligen Anwendungszweck eine vorteilhafte Einbringung des Wirkstoffs in den Körper des Patienten erlaubten. Diese Variationen könnten sich auf die Art und Verarbeitung der verwendeten Hilfsstoffe und deren Kombination, auf die äußere Formgebung und auch auf weitere technische Merkmale, wie Verpackungen oder Verabreichungshilfen beziehen. Der Begriff Darreichungsform umfasse zumindest alle diejenigen technischen Merkmale, die in ihrer Kombination zur Lösung der zugrundeliegenden Aufgabe beitrügen. Es gehe nicht an, bei solchen Erfindungen zur Bestimmung der Neuheit nur einen Teil der Merkmale, also z. B. nur die Vorrichtungs- oder nur die stofflichen Merkmale zu berücksichtigen, oder, wie es in der Zurückweisungsbegründung versucht werde, ein Merkmal als verwendungsbestimmte Kennzeichnung des anderen Merkmals zu diskreditieren.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde entspricht den Erfordernissen der Artikel 106 bis 108 sowie der Regeln 1 (1) und 64 EPÜ. Sie ist daher zulässig.

2. Die Kammer kann sich der Auffassung der Prüfungsabteilung nicht anschließen, daß der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 über einen zur Aufnahme einer Einzeldosis eines flüssigen, oral einzunehmenden Arzneimittels geeigneten Schlauchfolienbeutel nicht hinausgehe. Obwohl die Kammer einige Bedenken dahingehend hat, ob die Bezeichnung "Darreichungsform" zutreffend ist, da hierunter die Form (z. B. der physikalische Zustand, die Anwesenheit von Hilfsstoffen) des Arzneimittels als solches verstanden wird, ist sie der Auffassung, daß der als "Darreichungsform" bezeichnete Gegenstand des Anspruchs 1 aus zwei Merkmalen, nämlich dem Schlauchfolienbeutel und dessen Inhalt, besteht. Bei der Beurteilung der Neuheit dieses Gegenstandes kommt es daher darauf an, ob im Stand der Technik ein Schlauchfolienbeutel als Behälter für eine Einzeldosis eines flüssigen, oral einzunehmenden Arzneimittels vorgeschlagen worden ist.

Das Dokument D1 bezieht sich insbesondere auf eine aus einem thermoplastischen Kunststoff bestehende Ampulle für Arzneimittel, die in Notlagen, z. B. auf dem Schlachtfeld, zur Anwendung kommen soll. Die einzelnen Ampullen werden aus einem längeren extrudierten Rohr durch Zusammendrücken der selbsttragenden Rohrwandung zur Bildung von Quernähten hergestellt. Die Quernähte können vollkommen abgedichtet oder als selbstschließende Verschlüsse ("self - closing openings") ausgebildet sein. Nach Auffassung der Kammer ist es offensichtlich, daß nach der Lehre des Dokuments D1 ein verhältnismäßig dickes, hartes Material zum Einsatz kommen muß, um die dort dargestellten Ampullen zu verwirklichen. Diese Ampullen sind daher keine Schlauchfolienbeutel im herkömmlichen Sinne.

Das Dokument D2 betrifft die Anordnung der Längsnaht und der Aufreißkerbe eines Schlauchfolienbeutels. Als eventuelle Inhaltsstoffe für den Schlauchfolienbeutel sind Kaffeepulver und Zucker angegeben, vgl. Spalte 2, Zeilen 26 bis 28.

Es geht somit hervor, daß weder das Dokument D1, noch das Dokument D2 den Gegenstand des Anspruchs 1 hinsichtlich seiner beiden Teilmerkmale offenbart. Die restlichen im Recherchenbericht genannten Dokumente kommen dem Gegenstand des Anspruchs 1 nicht näher. Dieser Gegenstand ist daher gegenüber dem zitierten Stand der Technik neu (Artikel 52 (1) EPÜ.

3. Laut der einleitenden Beschreibung der vorliegenden Anmeldung war es bekannt, Einzeldosen von flüssigen, oral einzunehmenden Arzneimitteln in Vierrand -Siegelbeuteln, die durch Rundumversiegelung zweier Verbundfolien gebildet werden, zu verpacken. Bei der direkten Einnahme aus solchen Beuteln in den Mund träten Schwierigkeiten auf, die durch die beanspruchte Erfindung vermieden werden sollten. Was die erfinderische Tätigkeit betrifft, stellt sich daher die Frage, ob es ausgehend von dem in der Anmeldung anerkannten Stand der Technik für den Fachmann nahegelegen hat, die Einzeldosen in Schlauchfolienbeuteln statt in Vierrand - Siegelbeuteln zu verpacken. Da die Prüfungsabteilung diese Frage noch nicht geprüft hat, macht die Kammer in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung von ihrem Ermessen nach Artikel 111 (1) EPÜ Gebrauch, die Sache zur weiteren Prüfung an die erste Instanz zurückzuverweisen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zur weiteren Prüfung zurückverwiesen.

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