European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2003:T074299.20030130 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 30 Januar 2003 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0742/99 | ||||||||
Anmeldenummer: | 94103838.2 | ||||||||
IPC-Klasse: | B41F 23/08 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Einrichtung zum Beschichten von Bedruckstoffen in Druckmaschinen | ||||||||
Name des Anmelders: | MAN Roland Druckmaschinen AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Koenig & Bauer Aktiengesellschaft | ||||||||
Kammer: | 3.2.05 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | erfinderische Tätigkeit (nein) | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung über die Zurückweisung des Einspruchs gegen das Patent Nr. 0 619 186 Beschwerde eingelegt.
II. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, daß der in Artikel 100 (a) EPÜ genannte Einspruchsgrund (erfinderische Tätigkeit, Artikel 56 EPÜ) der Aufrechterhaltung des Patents nicht entgegenstehe. Der Gegenstand des Patentanspruchs des Streitpatents stelle eine ganz spezifische, echte Kombination von Merkmalen mit funktioneller Wechselwirkung dar, die durch den Stand der Technik, insbesondere wie in den Dokumenten
K1: US-A 5 176 077 und
K4: Offsetpraxis 3/1993, ""Goldgrube" Busche zeigt Innovationen für den Offset in Dortmund", Seiten 12 bis 15
offenbart, nicht nahegelegt sei.
III. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Streitpatent zu widerrufen. Hilfsweise hat sie die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.
IV. Der unabhängige Patentanspruch 1 des Streitpatents in der erteilten Fassung lautet wie folgt:
"1. Einrichtung (1) zum Beschichten von Bedruckstoffen in Rotationsdruckmaschinen für mehrfarbigen Offsetdruck mit wenigstens einem als Flexodruckwerk ausgebildeten Lackierwerk, wobei
die das Lackierwerk ausbildende Einrichtung (1) aus folgenden Elementen besteht: einem, eine Hochdruckform tragenden Formzylinder (3), der mit einem Druckzylinder (2) in Kontakt steht,
einer Auftragwalze (4) mit Rasterstruktur, die mit dem Formzylinder (3) in Kontakt steht und einem Kammerrakel (5), dessen positives Rakel (8) in Drehrichtung der Auftragwalze (4) an diese angestellt ist und dessen negatives Rakel (9) entgegen der Drehrichtung der Auftragwalze (4) an diese angestellt ist und daß im Inneren des Kammerrakels (5) ein Überdruck erzeugbar ist, indem eine Förderpumpe (7) in Leitungssystemen mit Reservoir (12) dem Kammerrakel vorgeordnet und eine Saugpumpe (6) in Leitungssystemen mit Reservoir (12) dem Kammerrakel (5) nachgeordnet sind."
V. Die Beschwerdeführerin hat im wesentlichen folgendes vorgetragen:
Durch die Präsentation der Firma Busche, die Gegenstand des Dokuments K4 sei, sei eine Lehre offenbart, von der sich der Gegenstand des Streitpatents im wesentlichen nur dadurch unterscheide, daß im Farbführungssystem eine Saugpumpe zum Einsatz komme. Aus Dokument K1 sei es aber bekannt, bei problematischen Druckfarben Saugpumpen einzusetzen. Zudem gehe aus Dokument K1 hervor, daß in der Kammerrakel ein Überdruck herrschen müsse. Der Gegenstand des Streitpatents beruhe daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
VI. Die Beschwerdegegnerin hat im wesentlichen folgendes vorgetragen.
Das Dokument K4 betreffe eine Präsentation bei der Fa. Busche, wobei als Dosiersystem ein Zweiwalzenwerk im Einsatz gewesen sei.
Der Fachmann habe keine Veranlassung gehabt, die in Dokument K4 gegebene Lösung mit der in Dokument K1 gegebenen Lösung zu kombinieren.
Dokument K1 zeige eine Kammerrakel und ein Farbführungssystem mit Förder- und Saugpumpe. Der Formzylinder trage aber keine Hochdruckform und es werde im Innern der Kammerrakel kein Überdruck erzeugt. Es sei weder offenbart noch nachvollziehbar, wie bei der bekannten Vorrichtung im Innern der Kammerrakel ein Überdruck erzielbar sein solle. Die aus Dokument K1 bekannte Ausführung einer Kammerrakel sei daher nicht identisch mit der im Streitpatent angegebenen Lösung.
Ferner beschränke sich die Lösung des Streitpatents nicht auf die Farbzuführung im Bereich Kammerrakel und Rasterwalze. Vielmehr sei die Übertragung des Beschichtungsmaterials von der Rasterwalze in Kombination mit dem eine Hochdruckform tragenden Formzylinder hin zu auf einem Bogenführungszylinder transportierten Bedruckstoff Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents.
Der Gegenstand des Streitpatents beruhe daher auf einer erfinderischen Tätigkeit.
VII. Mit Bescheid vom 17. Mai 2001 hat die Kammer den Parteien ihre vorläufige Auffassung in substantiierter Weise mitgeteilt, daß der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Streitpatent im Hinblick auf die Dokumente K4 und K1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit zu beruhen scheine.
Entscheidungsgründe
Erfinderische Tätigkeit
1. Dokument K4, das den nächstliegenden Stand der Technik wiedergibt, beschreibt eine Einrichtung zum Beschichten von Bedruckstoffen in Rotationsdruckmaschinen für mehrfarbigen Offsetdruck mit einem als Flexodruckwerk ausgebildeten Lackierwerk. Das Lackierwerk weist einen eine Hochdruckform tragenden Formzylinder auf, der, entsprechend der Anwendung eines direkt arbeitenden Flexodruckverfahrens, mit einem Druckzylinder in Kontakt steht (siehe Seite 13, linke Spalte, Zeilen 14 bis 18 des zweiten Absatzes sowie mittlere Spalte, Zeilen 7 bis 12 des letzten Absatzes). Mit diesem Lackierwerk wird in einer Inline-Fertigung, zusätzlich zum Offsetfarbdruck, auf den Bedruckstoff eine Golddruckfarbe ("Acrylac"-Gold) aufgebracht, die auf einem wäßrigen Bindemittelsystem aufbaut (siehe Seite 13, linke Spalte, letzter Absatz). Bei der Präsentation der Firma Busche, von der in Dokument K4 berichtet wird, kam ein Zweiwalzenwerk für die Zuführung der Golddruckfarbe zum Einsatz (siehe Schemazeichnung der Druckmaschine auf Seite 13).
In Dokument K4, siehe Seiten 13 und 14, Brückenabsatz, findet sich ferner der Hinweis, daß Versuche zur weiteren Optimierung des Verfahrens an unterschiedliche Anforderungen auch den Einsatz einer Rasterwalze im Verbund mit einem Kammerrakelsystem umfassen, wie es im Flexodruck bereits vielfach Anwendung finde.
Eine Kammerrakel selbst sowie ein Zuführungssystem zu einer Kammerrakel sind in Dokument K4 nicht beschrieben.
2. Hinsichtlich der Ausbildung dieser Komponenten geht damit der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents über die in Dokument K4 gegebene Offenbarung hinaus.
Ausgehend von dem in Dokument K4 offenbarten Stand der Technik ist, nach Auffassung der Kammer, die dem Streitpatent zugrunde liegende objektive Aufgabe darin zu sehen, eine Einrichtung zur Beschichtung von Bedruckstoffen in Rotationsdruckmaschinen mit einem Kammerrakelsystem zu schaffen, das eine problemlose Inline-Verarbeitung von schnellverdunstenden Flüssigkeiten mit einer Viskosität von etwa 0,1 bis 2 Pas und speziellen Zusammensetzungen mit hohem Pigmentanteil bzw. groben Pigmenten gestattet, siehe Spalte 2, Zeilen 10 bis 15 des Streitpatents.
3. Das Streitpatent schlägt im Patentanspruch 1 hierfür eine Einrichtung mit einem Kammerrakelsystem vor, wobei
a) die positive Rakel der Kammerrakel in Drehrichtung der Auftragwalze mit Rasterstruktur an diese angestellt ist und deren negative Rakel entgegen der Drehrichtung der Auftragwalze an diese angestellt ist, und
b) im Inneren der Kammerrakel ein Überdruck erzeugbar ist, indem eine Förderpumpe in Leitungssystemen mit Reservoir der Kammerrakel vorgeordnet und eine Saugpumpe in Leitungssystemen mit Reservoir der Kammerrakel nachgeordnet sind.
Diese Lösung gestattet es, das Inline-Beschichten mit höherviskosen Flüssigkeiten, unter besonderer Berücksichtigung von Lacken bzw. pigmentierten Farben auf Wasserbasis (Metallglanzdrucke), in einer Druckmaschine vorzunehmen. Aufgrund der geschlossenen Kammer bei der Kammerrakel wird die Verdunstung der verwendeten Flüssigkeit reduziert und die Verarbeitung von schnell verdunstenden, z. B. wasserlöslichen Flüssigkeiten verbessert. Die Kammerrakel verhindert weiterhin das von offenen Rakelblattausführungen bzw. Schöpfwalzenausführungen bekannte Lack- bzw. Farbspritzen. Ebenso wird das mögliche Aufbauen von angetrockneten Lack-/Farbresten an der Rakelschneide verhindert, siehe Spalte 2, Zeilen 19 bis 34 des Streitpatents.
4. Dokument K1 betrifft eine Einrichtung mit einem Kammerrakelsystem zum Aufbringen einer schützenden oder dekorativen Beschichtung auf Bedruckstoffe in Offsetdruckmaschinen, siehe Spalte 5, Zeilen 18 bis 26. Es werden dabei Vorkehrungen getroffen, siehe Spalte 8, Zeilen 37 bis 52, damit das wäßrige Beschichtungsmaterial ständig in einer ausreichenden Menge in der Kammerrakel vorhanden ist und eine Koagulation und ein Verklumpen der Rakelmesser 94, 96 (Figur 2) durch das Beschichtungsmaterial verhindert werden.
Die bekannte Einrichtung umfaßt eine Kammerrakel mit der in Merkmal a) oben beschriebenen Rakelanordnung (siehe Figur 6).
Ferner ist die Kammerrakel Teil eines geschlossenen Leitungssystems, wobei eine Förderpumpe 110 mit Reservoir 102 der Kammerrakel 98 vorgeordnet und eine Saugpumpe 112 mit Reservoir 102 der Kammerrakel 98 nachgeordnet ist (siehe Figur 4). Förder-und Saugpumpe sind Pumpen des gleichen Typs mit einstellbarer Förderleistung, siehe Spalte 8, Zeilen 37 bis 52. Die bekannte Vorrichtung weist somit die in Patentanspruch 1 des Streitpatents und dem Merkmal b) oben unter Punkt 3 genannten Elemente auf, damit im Innern der Kammerrakel ein Überdruck erzeugbar ist.
5. Es kann dahingestellt bleiben, ob während des Betriebs der aus Dokument K1 bekannten Einrichtung tatsächlich ein Überdruck im Innern der Kammer herrscht, da dieses Merkmal nicht Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents ist. Letzterer betrifft lediglich eine Einrichtung mit einem Kammerrakelsystem mit einer Farbzuführung, wobei im Inneren der Kammerrakel ein Überdruck erzeugbar ist, indem eine Förderpumpe in Leitungssystemen mit Reservoir der Kammerrakel vorgeordnet und eine Saugpumpe in Leitungssystemen mit Reservoir der Kammerrakel nachgeordnet sind.
6. Ausgehend von der in Dokument K4 offenbarten Einrichtung und der dort gegebenen Anregung, eine Rasterwalze im Verbund mit einem Kammerrakelsystem zu verwenden, wird der Fachmann bei der Lösung der dem Streitpatent zugrunde liegenden Aufgabe (nämlich Beschichtung von Bedruckstoffen unter Verwendung eines solchen Systems) die in Dokument K1 beschriebene Form der Kammerrakel und Zuführung des Beschichtungsstoffs in Betracht ziehen.
In der in Dokument K1 gezeigten Einrichtung wird zwar der Beschichtungsstoff von der Rasterwalze auf einen speziell für diese Beschichtung mit einem Gummituch versehenen Überführungszylinder auf den Bedruckstoff übertragen. Es handelt sich hierbei also nicht um ein als Flexodruckwerk ausgebildetes Lackierwerk.
Da der hier angesprochene Fachmann jedoch nach einer Lösung für die Zuführung eines Beschichtungsstoffs zur Kammerrakel und zur Rasterwalze strebt, wird er die in Dokument K1 hierfür angegebene Lösung nicht von seinen Überlegungen ausschließen.
7. Die Kombination der Merkmale, die den Gegenstand des Patentanspruchs 1 bilden, war damit durch den Stand der Technik nahegelegt.
Ein sich erst aus der Kombination dieser Merkmale ergebender synergistischer Effekt ist, nach Auffassung der Kammer, nicht zu erkennen und wurde auch nicht geltend gemacht. Die in Spalte 2, Zeilen 19 bis 41 des Streitpatents erwähnten Vorteile ergeben sich aus den jeweiligen Merkmalen. So ist unter anderem die Reduzierung der Verdunstung und die Verhinderung von Lackspritzern auf die Verwendung einer geschlossenen Kammer zurückzuführen, während das Antrocknen zudem durch den geschlossenen Flüssigkeitskreislauf verhindert wird.
8. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Streitpatent beruht daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ. Der Beschwerde ist daher stattzugeben.
9. Die Beschwerdeführerin hat hilfsweise einen Antrag auf mündliche Verhandlung (Artikel 116 EPÜ) gestellt, falls der Beschwerde nicht ohne weiteres stattgegeben werden kann. Die Beschwerdegegnerin hat keinen Antrag auf eine mündliche Verhandlung (Artikel 116 EPÜ) gestellt. Auf die Durchführung einer solchen konnte daher verzichtet werden.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das europäische Patent Nr. 0 619 186 wird widerrufen.