T 0684/99 () of 8.4.2003

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2003:T068499.20030408
Datum der Entscheidung: 08 April 2003
Aktenzeichen: T 0684/99
Anmeldenummer: 93114316.8
IPC-Klasse: C08L 23/02
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 859 KB)
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Polyolefin-Formmasse mit breitem Schmelzbereich, Verfahren zu ihrer Herstellung und ihre Verwendung
Name des Anmelders: Basell Polyolefine GmbH
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.3.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 83
European Patent Convention 1973 Art 84
Schlagwörter: Klarheit, Ausführbarkeit (nein) - nicht über die gesamte Anspruchsbreite
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0659/93
T 0172/99
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die vorliegende am 22. Februar 1999 eingegangene Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung vom 21. Dezember 1998, mit der die Europäische Patentanmeldung No. 93 114 316.8, angemeldet am 7. September 1993 unter Beanspruchung einer DE Priorität vom 12. September 1992 und veröffentlicht unter der No. 0 588 208, zurückgewiesen wurde. Die Beschwerdegebühr wurde gleichzeitig mit der Einlegung der Beschwerde entrichtet; die schriftliche Beschwerdebegründung ist am 3. Mai 1999 eingegangen.

II. Die angefochtene Entscheidung beruht auf den am 26. November 1998 eingegangenen Ansprüchen 1 bis 10, dessen Anspruch 1 wie folgt lautet:

"1. Polyolefinformmasse, erhältlich durch

A) Mischen von mindestens zwei Polyolefinen

oder

B) Direktpolymerisation zu mindestens zwei Polyolefinen durch Polymerisation von Olefinen der Formel RaCH = CHRb, worin Ra und Rb gleich oder verschieden sind und ein Wasserstoffatom oder einen Alkylrest mit 1 bis 14 C-Atomen bedeuten, oder Ra und Rb mit den sie verbindenden Atomen einen Ring bilden können, bei einer Temperatur von -60 bis 200°C, bei einem Druck von 0,5 bis 100 bar, in Lösung, in Suspension oder in der Gasphase, in Gegenwart eines Katalysators, welcher aus mindestens zwei Übergangsmetallkomponenten (Metallocenen) und einem Aluminoxan der Formel II

FORMEL (II)

für den linearen Typ und/oder der Formel III

FORMEL (III)

für den cyclischen Typ, wobei in den Formeln II und III die Reste R gleich oder verschieden sein können und eine C1-C6-Alkylgruppe, eine C1-C6-Fluoralkylgruppe, eine C6-C18-Arylgruppe, eine C6-C18-Fluorarylgruppe oder Wasserstoff bedeuten und n eine ganze Zahl von 0 bis 50 ist, oder besteht und die Aluminiumoxan-Komponente zusätzlich eine Verbindung der Formel AlR3 enthalten kann,

wobei die Kombination von Ethylen(bis-tetrahydroindenyl) hafniumdichlorid mit Ethylen(bis-tetrahydroindenyl) zirconiumdichlorid als Übergangsmetallkomponenten ausgeschlossen ist und wobei sich die Schmelzpunkte von mindestens zwei der Polyolefine aus A) oder B) - gemessen mit der Methode der DSC bei einer Aufheiz- oder Abkühlgeschwindigkeit von höchstens 20°C - um mindestens 5°C unterscheiden, dadurch gekennzeichnet, daß die Polyolefinformmasse im DSC-Spektrum - gemessen bei einer Aufheiz- [o]der Abkühlgeschwindigkeit von höchstens 20°C einen breiten, bimodalen oder multimodalen Schmelzbereich aufweist, wobei das Maximum des Schmelzbereichs zwischen 120 und 165°C, die Halbwertsbreite des Schmelzpeaks breiter als 10°C ist und die in Viertelpeakhöhe ermittelte Breite größer als 15° C ist."

Die Ansprüche 2 und 3 waren von Anspruch 1 abhängig, die unabhängigen Ansprüche 4, 5 und 8 betrafen jeweils ein Verfahren zur Herstellung einer Polyolefinmasse gemäß den Ansprüchen 1 bis 3, die Ansprüche 6 und 7 waren von Anspruch 5 abhängig, der unabhängige Anspruch 9 betraf die Verwendung der Formmasse gemäß den Ansprüchen 1 bis 3 zur Herstellung von Formkörpern und der unabhängige Anspruch 10 betraf aus der Formmasse gemäß den Ansprüchen 1 bis 3 herstellbare Formkörper.

III. Die angefochtene Entscheidung stellt u. a. folgendes fest:

i) Anspruch 1 sei unklar, weil der Peak der multimodalen Kurve zur Ermittlung der Halbwertsbreite und der Viertelpeakhöhe nicht spezifiziert sei; auch fehle in der Anmeldung eine Anleitung, wie diese Parameter an erweiterten Peaks (mit Schultern) zu bestimmen seien.

ii) Der Argumentation der Anmelderin, wonach die Messung am höchsten Peak zu erfolgen habe, stehe entgegen, daß die Anmeldung weder Peakhöhe, noch Null-Höhe definiere.

iii) Auch sei die Messung der Peakhöhen nicht Teil des allgemeinen Fachwissens; D1 (EP-A-0 351 189) benötige zwei Seiten zur Erläuterung der dort vorgenommenen Messungen.

iv) Die in Viertelpeakhöhe ermittelte Breite und die Halbwertsbreite des Schmelzpeaks seien daher bedeutungslos.

v) Wegen der vorstehend unter i) bis iii) dargelegten Mängel könne die beanspruchte Erfindung nicht im Sinne von Artikel 83 EPÜ ausgeführt werden.

vi) Der Gegenstand des Anspruchs 1 der vorliegenden Anmeldung sei gegenüber D1 auch nicht neu, weil diese Entgegenhaltung alle Merkmale dieses Anspruchs offenbare außer der Breite in Viertelpeakhöhe, die aber wegen Unklarheit bedeutungslos sei.

vii) Da D1 die beiden in Anspruch 4 angegebenen Herstellungsalternativen offenbare, und da die in D1 nicht explizit offenbarten Polyolefin-Molekulargewichte und Viskositätszahlen durch jedes Polyolefin erfüllt seien, sei auch der Gegenstand von Anspruch 4 nicht neu.

viii) Der Gegenstand der Ansprüche 5 bis 8 der Anmeldung unterscheide sich vom Stand der Technik gemäß D3 (EP-A-0 310 734) nur durch die dort fehlende Angabe eines Schmelzpunktunterschieds der Polyolefine von mindestens 5°C. Da eine unerwartete Wirkung dieses Merkmals nicht belegt sei, und da D1 offenbare, daß Polyolefin-Formmassen aus mindestens zwei Polyolefinen einer solchen Schmelzpunktdifferenz eine verbesserte Verarbeitbarkeit aufweisen, könne diesem Unterscheidungsmerkmal keine erfinderische Tätigkeit zuerkannt werden.

IV. In Reaktion auf eine entsprechende Aufforderung durch den Berichterstatter der Kammer vom 5. November 2001 ergänzte die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 29. Mai 2002 ihre Beschwerdebegründung und reichte neue Ansprüche 1 bis 9 als Grundlage für die Erteilung eines Patents ein, deren Anspruch 1 wie folgt lautet:

"1. Polyolefinformmasse, erhältlich durch direkte Polymerisation von Propylen oder Copolymerisation von Propylen mit anderen Olefinen der Formel RaCH = CHRb, worin Ra und Rb gleich oder verschieden sind und ein Wasserstoffatom oder einen Alkylrest mit 1 bis 14 C-Atomen bedeuten, zu mindestens zwei Polyolefinen, wobei die Schmelzpunkte von mindestens zwei der Polyolefine um mindestens 5°C differieren und die Polyolefinformmasse im DSC-Spektrum, gemessen mit einer Aufheiz-/Abkühlgeschwindigkeit von 20°C/min, einen breiten, bimodalen oder multimodalen Schmelzpeak aufweist, wobei das Maximum des Peaks im Schmelzbereich zwischen 120 und 165°C liegt, die Halbwertsbreite des Schmelzpeaks breiter als 10°C ist und die in Viertelpeakhöhe ermittelte Breite größer als 15° C ist, wobei die Polymerisation bei einer Temperatur von -60 bis 200°C, bei einem Druck von 0,5 bis 100 bar, in Lösung, in Suspension oder in der Gasphase, in Gegenwart einer Katalysators durchgeführt wird, welcher

(A) aus mindestens zwei Übergangsmetallkomponenten und einem Aluminoxan der Formel II

FORMEL (II)

für den linearen Typ und/oder der Formel III

FORMEL (III)

für den cyclischen Typ, wobei in den Formeln II und III die Reste R gleich oder verschieden sein können und eine C1-C6-Alkylgruppe, eine C1-C6-Fluoralkylgruppe, eine C6-C18-Arylgruppe, eine C6-C18-Fluorarylgruppe oder Wasserstoff bedeuten und n eine ganze Zahl von 0 bis 50 ist, besteht und zusätzlich eine Verbindung AlR3 enthalten kann,

oder welcher

(B) aus mindestens zwei Übergangsmetallkomponenten und einer salzartigen Verbindung der Formel RxNH4-xBR'4 oder der Formel R3PHBR'4, worin R gleich oder verschieden Alkyl oder Aryl, R' Aryl, das fluoriert oder teilfluoriert sein kann, und x = 1, 2 oder 3 bedeutet, und gegebenenfalls einem Alumoxan besteht,

wobei als Übergangsmetallkomponenten mindestens zwei Metallocene der Formel I verwendet werden,

FORMEL (I)

worin

M1 Zr, Hf oder Ti bedeutet,

R1 und R2 gleich oder verschieden sind und ein Wasserstoffatom, eine C1-C10-Alkylgruppe, eine C1-C10-Alkoxygruppe, eine C6-C10-Arylgruppe, eine C6-C10-Aryloxygruppe, eine C2-C10-Alkenylgruppe eine C7-C40-Arylalkylgruppe, eine C7-C40-Alkylarylgruppe, eine C8-C40-Arylalkenylgruppe oder ein Halogenatom bedeuten,

R³ und R4 gleich oder verschieden sind, und einen ein- oder mehrkernigen, unsubstituierten oder substituierten Kohlenwasserstoffrest, welcher mit dem Metallatom M1 eine Sandwichstruktur bilden kann, bedeuten,

FORMEL

=BRŽŽ, =AlRŽŽ, -Ge-, -Sn-, -O-, -S-, =SO, =SO2, =NRŽŽ, =CO, =PRŽŽ oder =P(O)RŽŽ ist,

wobei

R11, R12 und R13 gleich oder verschieden sind und ein Wasserstoffatom, ein Halogenatom, eine C1-C10-Alkylgruppe, eine C1-C10-Fluoralkylgruppe, eine C6-C10-Arylgruppe, eine C6-C10-Fluorarylgruppe, eine C1-C10-Alkoxygruppe, eine C2-C10-Alkenylgruppe, eine C7-C40-Arylalkylgruppe, eine C8-C40-Arylalkenylgruppe, eine C7-C40-Alkylarylgruppe bedeuten oder R11 und R12 oder R11 und R13 jeweils mit den sie verbindenden Atomen einen Ring bilden und

M2 Silizium, Germanium oder Zinn ist,

R8 und R9 gleich oder verschieden sind und die für R11 genannte Bedeutung haben,

m und n gleich oder verschieden sind und null, 1 oder 2 sind, wobei m plus n null, 1 oder 2 ist."

Die Ansprüche 2 bis 4 entsprechen im wesentlichen den entsprechenden letztgültigen Ansprüchen, Anspruch 5 ist gegenüber seinem Vorläufer im wesentlichen analog zu Anspruch 1 geändert und die Ansprüche 6 bis 9 entsprechen den letztgültigen Ansprüchen 6, 7, 9 und 10.

V. In ihren Schriftsätzen (Beschwerdebegründung, Schriftsätze vom 29. Mai 2002 und 4. September 2002) argumentierte die Beschwerdeführerin wie folgt:

i) Die Termini in Anspruch 1 "breiter, bimodaler oder multimodaler Schmelzpeak" und "Maximum des Peaks im Schmelzbereich" seien nach Regel 88 EPÜ und im Hinblick auf die ISO Norm 3146 zulässige Korrekturen.

ii) Unter einem Peak könne nur der von der Basislinie abweichende Bereich der DSC-Kurve verstanden werden; ein Schmelzpeak sei daher der gesamte Anteil der DSC-Kurve zwischen der Temperatur, bei der die Kurve von der Basislinie abweicht und der Temperatur, bei der sie wieder auf sie zurückläuft, unabhängig davon wieviele Spitzen die Kurve in diesem Bereich aufweise. Falls die Kurve zwischen zwei Maxima die Basislinie berührt/schneidet liegen somit zwei Peaks vor.

iii) Halbwertsbreite und Breite in Viertelpeakhöhe werden in dem Abstand von der Basislinie ermittelt, der der Hälfte bzw. einem Viertel der Höhe im Maximum des Peaks entspricht.

iv) Somit sei die Bedeutung der Begriffe Halbwertsbreite und Breite in Viertelpeakhöhe eindeutig, wenn der Schmelzpeak nur eine oder mehrere Spitzen mit Talsohlen, die höher sind als die Hälfte der Peakhöhe, aufweise. In diesem Falle könnten diese Werte ermittelt werden aus den Abständen der Schnittpunkte der jeweiligen Basislinien-Parallelen mit der DSC-Kurve.

v) Sind die Talsohlen niedriger, und liegen somit mehr als zwei Schnittpunkte vor, so könnten die Halbwertsbreite und die Breite in Viertelpeakhöhe ermittelt werden als Summe der Abschnitte, bei denen die DSC-Kurve oberhalb dieser Abschnitte liegt, ohne die Abschnitte, bei denen die DSC-Kurve unterhalb der Abschnitte liegt.

vi) Die Bedingungen der Artikel 83 und 84 EPÜ seien somit erfüllt.

vii) Der beanspruchte Gegenstand sei auch neu, da die in D1 offenbarten Ethylen-Copolymeren und Polyethylen-Mischungen sich von den anmeldungsgemäß beanspruchten sowohl durch die Art der Monomere, als auch durch die eingesetzten Katalysatoren unterschieden.

viii) Gegenüber D3 bestand die Aufgabe der Erfindung, Polyolefine mit einem breiten Schmelzbereich zur Verfügung zu stellen. Gemäß D1 können aus Mischungen von LLDP und HDPE sowie aus bestimmten Ethylen-Copolymeren Massen mit breitem Schmelzbereich hergestellt werden. D1 enthält aber keinen Hinweis, daß durch die Polymerisation von Propylen mit anderen Olefinen Formmassen mit einem breiten Schmelzbereich hergestellt werden können, wenn die Polymerisation mit mindestens zwei Metallocenen als Übergangsmetallkomponenten durchgeführt wird. Eine Kombination von D3, das weder den anmeldungsgemäß erforderlichen Schmelzpunktunterschied von 5°C, noch die erforderlichen Werte der Halbwertsbreite und der Breite in Viertelpeakhöhe offenbart, mit D1 lege somit die Erfindung nicht nahe.

VI. Am 8. April 2003 fand eine mündlichen Verhandlung statt, an der die Beschwerdeführerin trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht teilnahm, wobei sie ihr Nichterscheinen unter Zurückziehung ihres vorherigen Antrags auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Schriftsatz vom 6. März 2003 angekündigt hatte. Am Ende der mündlichen Verhandlung verkündete der Vorsitzende die Zurückweisung der Beschwerde.

VII. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Erteilung eines Patents auf der Grundlage der mit Schriftsatz vom 29. Mai 2002 eingereichten Ansprüche 1 bis 9.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Artikel 123(2) EPÜ

Bezüglich der Erfüllung der Erfordernisse dieses Artikels durch die geltende Anspruchsfassung bestehen keine Bedenken.

3. Klarheit und Ausführbarkeit (Artikel 84 und 83 EPÜ)

3.1. Die Passage in Anspruch 1:

"wobei ... die Polyolefinformmasse im DSC-Spektrum ... einen breiten, bimodalen oder multimodalen Schmelzpeak aufweist, wobei ... die Halbwertsbreite des Schmelzpeaks breiter als 10°C ist und die in Viertelpeakhöhe ermittelte Breite größer als 15° C ist"

läßt eine technisch klare Interpretation nicht für alle von dieser Definition umfaßten Polyolefinformmassen des Anspruchs 1 zu, mit der Folge, daß der Fachmann nicht in der Lage ist, die Halbwertsbreite des Schmelzpeaks (B1/2) und die in Viertelpeakhöhe ermittelte Breite des Schmelzpeaks (B1/4) solchermaßen betroffener Polyolefinformmassen festzustellen. Der Anspruchsgegenstand ist somit nicht über die gesamte beanspruchte Anspruchsbreite durchführbar.

3.2. Da weder die Ansprüche selbst, noch die Beschreibung eine technische Anleitung zur Bestimmung von B1/2 und B1/4 enthalten, steht dem Fachmann dazu nur sein allgemeines Fachwissen zur Verfügung, wie es teilweise auch im ISO Standard 3146 Niederschlag fand.

3.3. Es kann der Beschwerdeführerin zugestimmt werden, daß der Fachmann mit diesem Wissen in der Lage ist, die Höhe eines Schmelzpeaks aus einem DSC-Spektrum zu bestimmen, nämlich ausgehend von der Basislinie (wie in ISO 3146, Punkt 13.3 definiert) durch Messung der Amplitude des höchsten Scheitelwerts.

3.4. Auch die Bestimmung von B1/2 und B1/4 kann der Fachmann bei Schmelzpeaks, die sich im wesentlichen als harmonischer sinusartiger Kurvenzug darstellen ohne weiteres durchführen, nämlich durch Messung der Strecken, die durch die Kurve aus in entsprechendem Abstand (1/2 oder 1/4 der maximalen Amplitude) zur Basislinie gezogenen Parallelen geschnitten werden.

3.5. Unklarheiten bezüglich der Bestimmung von B1/2 und B1/4 bestehen für den Fachmann hingegen, wenn der anspruchsgemäß bi- oder multimodale Schmelzpeak eine Schulter oder mehr als einen Scheitelwert aufweist.

3.6. Für diesen Fall hat die Anmelderin in ihrem Schriftsatz vom 10. Oktober 1996 bezüglich der DSC-Kurven der Figuren 1 bis 5 der Entgegenhaltung D1 (EP-A-0 351 189) eine Bestimmung von B1/4 gewählt, bei der Schultern und Nebenscheitelwerte unberücksichtigt bleiben und B1/4 nur an dem dem höchsten Scheitelwert entsprechenden (extrapolierten, Schultern und Nebenscheitelwerte unterdrückenden) Kurvenverlauf bestimmt wird.

Dieser Interpretation lag die Absicht einer Abgrenzung des damaligen (nicht auf Polyolefin-Formmassen auf Propylenbasis eingeschränkten) Anspruchsgegenstands gegenüber den in D1 offenbarten Ethylen-Alpha-olefin Copolymeren mit einem endothermen DSC-Peak im Bereich von 75°C bis 100°C zugrunde.

3.7. In der Eingabe vom 4. September 2002 (Seite 3, erster Absatz) hat die Beschwerdeführerin diese von ihr im Prüfungsverfahren selbst angewendete Bestimmungsmethode als falsch bezeichnet, "da offensichtlich ist, daß zur Beschreibung der Breite einer Kurve nur Werte auf der Kurve diskutiert werden können".

3.8. Für den von Anspruch 1 ebenfalls mitumfaßten Fall, daß der Schmelzpeak mehr als einen Scheitelwert aufweist und das Tal/die Täler dazwischen niedriger als 1/2 bzw. 1/4 der Maximalamplitude sind, meint die Beschwerdeführerin in ihrem Schriftsatz vom 4. September 2002 (Seite 3, zweiter Absatz), "daß es sich aus der puren Logik ergibt, daß die Halbwertsbreite (oder die in Viertelpeakhöhe ermittelte Breite) die Summe der Abschnitte ist, bei denen die DSC-Kurve oberhalb dieser Abschnitte liegt, ohne die Abstände, in denen die DSC-Kurve unterhalb dieser Abschnitte liegt". Anders gesagt, unterdrückt diese Bestimmungsmethode von B1/2 und B1/4 jene Streckenanteile, die über der (Depression der) DSC-Kurve liegen. Als Begründung führt die Beschwerdeführerin im folgenden Absatz dieses Schreibens aus, daß für die Bestimmung von B1/2 und B1/4 nur Strecken Berücksichtigung finden können, die zum Peak selbst zählen, der nach ISO 3146 als Kurvenverlauf vom Verlassen der Basislinie bis zu ihrem Wiederberühren definiert ist.

3.9. Wenngleich den vorstehenden Argumenten der Beschwerdeführerin eine gewisse Logik innewohnt, und die von ihr vorgeschlagene Methode der Bestimmung von B1/2 und B1/4 im diskutierten Fall mehrerer Scheitelwerte zweifellos eine Methode ist, die der Fachmann in Erwägung ziehen wird, so kann doch nicht übersehen werden, daß es auch Argumente für andere Bestimmungsmethoden gibt.

3.9.1. So war die Beschwerdeführerin, wie oben (Punkt 3.6) dargelegt, vor der ersten Instanz der Meinung, daß für eine breite Molekulargewichtsverteilung, wie sie in D1 und anmeldungsgemäß angestrebt wird, im wesentlichen die Charakteristik des Hauptschmelzpeaks maßgeblich ist, eine Option zur Bestimmung von B1/2 und B1/4, der der Fachmann somit offensichtlich durchaus Gewicht beimißt.

3.9.2. Aber selbst wenn, wie die Beschwerdeführerin jetzt argumentiert, diese Bestimmungsmethode von B1/2 und B1/4 vom Fachmann nicht ernsthaft in Erwägung gezogen würde, bleibt als weitere Möglichkeit noch die Berücksichtigung aller Streckenabschnitte der in 1/2- oder 1/4-Höhe des maximalen Scheitelwerts gezogenen Basislinienparallelen, also auch der Streckenanteile, die über der (Depression der) DSC-Kurve liegen.

Dafür spricht, daß es für die anmeldungsgemäß zu lösende Aufgabe, nämlich die Bereitstellung von Polyolefin-Formmassen mit breitem, verarbeitungsfreundlichem Schmelzbereich (Seite 1, dritter Absatz der ursprünglichen Anmeldung: für Tiefziehen, Blasformen, Extrusion, Spritzstreckblasen, etc.) im wesentlichen auf dessen gesamte Breite ankommt und eine Kurvendepression innerhalb des Schmelzpeaks unter gewisse Amplitudenwerte (1/2, 1/4) nach Meinung der Kammer keine Rolle spielen kann und soll. Die anspruchsgemäße Definition der Breite des Schmelzbereichs unter Verwendung der Parameter B1/2 und B1/4 soll dieses DSC-Schmelzverhalten ausdrücken, wobei diese Parameter aber nur die Bedeutung von Definitionshilfen des Kurvenverlaufs haben; auch Kurvenbreiten in anderen Amplitudenhöhen könnten zur Beschreibung der angestrebten Breite des Schmelzbereichs herangezogen werden. Ob gerade bei B1/2 und/oder B1/4 eine Kurvendepression unter die entsprechenden Amplitudenhöhen vorliegt (die etwa bei geringfügig höheren Amplitudenhöhen nicht vorliegen würde), sollte technisch für die zu lösende Aufgabe keine Bedeutung haben. Eine Nichtberücksichtigung solcher "Depressionstrecken" scheint daher im Lichte der vorliegenden technischen Aufgabe an sich nicht zielführend.

3.10. Anspruch 1 enthält somit weder allein, noch im Lichte der Beschreibung eine technisch eindeutige, für den gesamten vom Anspruch abgedeckten Bereich gültige Definition der wesentlichen Anspruchsmerkmale B1/2 und B1/4. Der Anspruch ist daher weder klar, noch durch die Beschreibung gestützt (cf. T 659/93 vom 7. September 1994; nicht veröffentlicht im ABl. EPA). Ebensowenig kann ein Fachmann die beanspruchte Erfindung aufgrund der vorliegenden Offenbarung im gesamten vom Anspruch abgedeckten Bereich ausführen.

In diesem Zusammenhang weist die Kammer auch noch hin auf das in T 172/99 vom 7. März 2002 (Gründe 4.5.6; nicht im Abl. EPA veröffentlicht) hervorgehobene Prinzip der Billigkeit, wonach ein Anmelder/Patentinhaber, der sich als essentielles Erfindungsmerkmal auf einen ungewöhnlichen Parameter stützen will, eine besondere Verpflichtung hat zur Definition dieses Parameters im Sinne seiner korrekten und vollständigen Offenbarung und im Sinne seiner Verläßlichkeit zur Abgrenzung der Erfindung.

3.11. Anspruch 1 erfüllt somit nicht die Bedingungen der Artikel 83 und 84 EPÜ.

4. Bei dieser Sachlage erübrigt sich eine Beurteilung der Erfüllung anderer Erfordernisse (insbesondere der der Artikel 54 und 56 EPÜ) des EPÜ.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Quick Navigation