T 0608/99 () of 17.11.2000

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2000:T060899.20001117
Datum der Entscheidung: 17 November 2000
Aktenzeichen: T 0608/99
Anmeldenummer: 94107592.1
IPC-Klasse: H01M 8/04
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren und Vorrichtung zur Befeuchtung von Prozeßgas für den Betrieb von Brennstoffzellensystemen
Name des Anmelders: XCELLSIS GmbH
Name des Einsprechenden: Siemens AG
Kammer: 3.4.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 123(1)
European Patent Convention 1973 R 86(3)
Schlagwörter: Mangelnde erfinderische Tätigkeit (bestätigt)
Zulässigkeit spät eingereichter Hilfsanträge (Hilfsantrag 1: ja; Hilfsantrag 2: nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Das europäische Patent Nr. 0 629 014 (Anmeldenummer 94. 107 592.1) wurde von der Einspruchsabteilung widerrufen.

Ihre Entscheidung begründete die Einspruchsabteilung damit, daß das Patent in der erteilten Fassung im Hinblick auf den Inhalt der Druckschrift

D1: EP-A-0 301 757

den Erfordernissen der Artikel 52 und 56 EPÜ in Bezug auf erfinderische Tätigkeit nicht genüge.

II. Gegen diese Entscheidung erhob die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) Beschwerde.

III. Es wurde am 17. November 2000 mündlich verhandelt.

Am Ende der mündlichen Verhandlung beantragte die Beschwerdeführerin die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und, als ihren Hauptantrag, die Aufrechterhaltung des erteilten Patents.

Anspruch 1 des erteilten Anspruchssatzes lautet wie folgt:

"1. Verfahren zur Befeuchtung von Prozeßgas für den Betrieb von Brennstoffzellen, bei dem fein zerstäubtes Wasser in einer vorgegebenen Menge mit Hilfe einer Einspritzdüse (5) aus einer Versorgungsleitung (6) in eine Gaszuführungsleitung (2) der Brennstoffzelle (1) eingespritzt wird, wobei ein Sollwert für die zuzuführende Wassermenge in Abhängigkeit von Betriebsparametern ermittelt und durch Ansteuerung eines in der Versorgungsleitung (6) angeordneten Dosierventils (7) eingestellt wird."

Als Hilfsantrag 1 beantragte die Beschwerdeführerin die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf der Grundlage eines mit Brief vom 16. Oktober 2000 eingereichten Anspruchssatzes, wobei Anspruch 1 dem Anspruch 1 des Hauptantrags entspricht, mit folgendem Zusatz:

"wobei als Dosierventil (7) ein Magnetventil verwendet wird, welches von einem Steuergerät (9) abhängig von Betriebsparametern angesteuert wird".

Als Hilfsantrag 2 beantragte die Beschwerdeführerin ferner, das Patent in geänderter Fassung aufrechtzuerhalten auf der Grundlage eines ebenfalls mit Brief vom 16. Oktober 2000 eingereichten Anspruchssatzes, wobei Anspruch 1 dem Anspruch 1 des Hauptantrags entspricht, mit folgendem Zusatz:

"wobei das Wasser vor einer Verdichtung der Zuluft in die Luftzuführungsleitung (2) eingespritzt wird".

Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde der Patentinhaberin.

Ferner beantragte sie die Nichtzulassung der Hilfsanträge 1 und 2 der Patentinhaberin wegen verspäteter Einreichung.

IV. Zur Stützung ihrer Anträge wies die Beschwerdeführerin insbesondere darauf hin, daß das Erreichen einer ausreichenden Befeuchtung der Elektrolytmembran ein zentrales Problem bei der Prozeßgassteuerung von Brennstoffzellen darstelle, das im ermittelten Stand der Technik durch ganz andere Mittel gelöst worden sei, als in dem vorliegenden Patent. So sei z. B. die Verwendung von porösen Materialien wie Filzen, von wasserdurchlässigen Membranen oder von Perlatorbädern vorgeschlagen worden.

Die Druckschrift D1 offenbare lediglich die Verwendung von passiven Befeuchtungsvorrichtungen, wie z. B. von Düsen oder einfachen Ventilen. Um die Kontrolle der eingespeisten Wassermengen zu unterstützen, werde dort noch eine zusätzliche, geringe Rezirkulation des Brenngases empfohlen. Nachdem die Druckschrift D1 sich auch nur damit befasse, ein Überfluten der Anode zu vermeiden und nicht, wie das vorliegende Patent, auf eine dynamische, von Laständerungen und Betriebsparametern der Brennstoffzelle abhängige Prozeßgasbefeuchtung abziele, könne ihre Lehre nur in Kenntnis der Erfindung zum beanspruchten Verfahren führen.

Zur Zulässigkeit der Hilfsanträge wies die Beschwerdeführerin darauf hin, daß sie auf einer eingeschränkten Fassung der Ansprüche basierten, wobei die zusätzlichen Merkmale in der Beschreibung eindeutig offenbart seien.

Darüber hinaus seien die Vorteile der Verwendung eines Magnetventils gemäß dem Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 im Einspruchsverfahren eingehend erörtert worden. Die Vorteile einer Wassereinspritzung vor der Verdichtung der Zuluft gemäß dem Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 seien auch in der Beschreibung deutlich gewürdigt.

V. Die Beschwerdegegnerin trug ihrerseits vor, daß die Offenbarung der Druckschrift D1 sich nicht auf die Verwendung einer passiv arbeitenden Venturi-Düse zur Prozeßgasbefeuchtung in einer Brennstoffzelle beschränke. Die Druckschrift weise insbesondere auch auf die Verwendung eines einfachen Ventils hin, das im Hinblick insbesondere auf die mehrfach erwähnte Notwendigkeit, die Wassermengen zu steuern bzw. zu regeln, zwangsläufig über eine Regeleinrichtung angesteuert werden müsse. Daß zur Ansteuerung einer solchen Regeleinrichtung ein Sollwert für die zuzuführende Wassermenge in Abhängigkeit von Betriebsparametern ermittelt und eingestellt werden müsse, liege für den Fachmann auf der Hand.

Zu ihrem Antrag, die Hilfsanträge 1 und 2 der Beschwerdeführerin nicht zuzulassen, wies die Beschwerdegegnerin darauf hin, daß diese erst einen Monat vor der mündlichen Verhandlung eingereicht wurden. Daher habe ihr nicht ausreichend Zeit zur Verfügung gestanden, um diese Hilfsanträge gründlich zu prüfen bzw. eine entsprechende Recherche zum Stand der Technik durchzuführen. Darüber hinaus richteten sich die beiden Hilfsanträge auf ganz unterschiedliche Aspekte, wobei der Gegenstand des zweiten Hilfsantrags in keiner Weise denjenigen des Hilfsantrags 1 einschränke und auch das Ausführungsbeispiel gemäß der einzigen Figur des Patents nicht abdecke.

Im übrigen sei ein Magnetventil gemäß dem Hilfsantrag 1 ein notorisch fachbekanntes ansteuerbares Dosierventil.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde erfüllt die Erfordernisse des Übereinkommens. Sie ist daher zulässig.

2. Hauptantrag der Beschwerdeführerin

2.1. Neuheit

Die Druckschrift D1 offenbart ein Verfahren zur Befeuchtung von Prozeßgas für den Betrieb von Brennstoffzellen, bei welchem fein zerstäubtes Wasser mit Hilfe einer Einspritzdüse 4 (vgl. die Figur) aus einer Versorgungsleitung 2 in eine Gaszuführungsleitung der Brennstoffzelle eingespritzt wird. Gemäß der einzig konkret beschriebenen Ausführung besteht die Düse aus einer Ansaugvorrichtung ("aspirator means") (vgl. Spalte 2, Zeile 47 bis Spalte 3, Zeile 14).

Die Beschreibung weist mehrfach darauf hin, daß die Ansaugvorrichtung die Menge des zugeführten Wassers bestimmt (vgl. Spalte 3, Zeilen 24 bis 32 oder Spalte 4, Zeilen 3 bis 7). Die Parteien sind sich darüber einig, daß dies in der beschriebenen Ausführung dadurch erreicht wird, daß sich die Menge des aufgrund des Venturi-Unterdrucks angesaugten Wassers selbsttätig in Abhängigkeit von den Änderungen des Gasvolumenstroms in der Gaszuführungsleitung ändert.

Von diesem Stand der Technik unterscheidet sich das Verfahren gemäß Patentanspruch 1 dadurch, daß ein Sollwert für die zuzuführende Wassermenge in Abhängigkeit von Betriebsparametern ermittelt und durch Ansteuerung eines Dosierventils eingestellt wird.

Die weiteren in der Akte befindlichen Druckschriften kommen dem beanspruchten Gegenstand nicht näher.

Somit ist dieser Gegenstand im Sinne von Artikel 54 EPÜ neu.

2.2. Erfinderische Tätigkeit

Das in der Druckschrift D1 offenbarte Verfahren stellt unbestritten den nächstkommenden Stand der Technik dar. Bei diesem Verfahren stellt sich die in die Gaszuführungsleitung eingespritzte Wassermenge aufgrund der Verwendung einer Venturi-Düse selbsttätig in Abhängigkeit vom Gasvolumenstrom ein.

Im Gegensatz dazu wird bei dem beanspruchten Verfahren ein Sollwert für die zuzuführende Wassermenge in Abhängigkeit von Betriebsparametern ermittelt und durch Ansteuerung eines in der Versorgungsleitung angeordneten Dosierventils eingestellt.

Diese im Anspruch 1 angegebenen Unterscheidungsmerkmale umfassen insbesondere die in der vorliegenden Patentschrift im Zusammenhang mit der einzigen Figur beschriebene Ausführung, bei welcher der Betriebsparameter, in dessen Abhängigkeit ein Sollwert ermittelt wird, der Luftvolumenstrom ist, der mittels eines Sensors 10 in der Luftzuführungsleitung 2 gemessen wird. Somit wird durch den vorliegenden Anspruch 1 ein Verfahren mitumfaßt, bei welchem genau wie im Verfahren gemäß der Druckschrift D1 die Befeuchtung des Prozeßgases in Abhängigkeit von dem Betriebsparameter Luftvolumenstrom erfolgt. Entgegen der diesbezüglichen Argumentation der Beschwerdeführerin erfolgt nach Auffassung der Kammer die beanspruchte Ansteuerung eines Dosierventils, die z. B. die Ermittlung eines Sollwerts in Abhängigkeit von dem mittels eines Sensors gemessenen Gasvolumenstrom vorsieht, nicht zwingend dynamischer als in dem bekannten Verfahren, bei welchem sich die Wassermenge unmittelbar und selbsttätig in Abhängigkeit von dem Luftvolumenstrom verändert.

Somit ist nach Auffassung der Kammer die dem beanspruchten Gegenstand zugrundeliegende Aufgabe im wesentlichen darin zu sehen, eine Alternative zu der aus der Druckschrift D1 bekannten Prozeßgasbefeuchtung bereitzustellen.

Die Druckschrift D1 erwähnt ausdrücklich die Notwendigkeit, die in das System eingeführte, als "kritisch" bezeichnete Wassermenge so zu regulieren, daß die Brennstoffzelle einerseits ausreichend gekühlt, andererseits ein Fluten der Anode jedoch vermieden wird. Dazu lehrt die D1 ein einfaches Ventil zu verwenden oder mittels der Ansaugvorrichtung ebenso die Wassermenge zu steuern als das Wasser anzusaugen (vgl. Spalte 3, Zeilen 20. bis 32: "a simple valve could be used or the aspirator means could control the amount of liquid water introduced as well as aspirating the water").

Wenn der Fachmann diesen Anweisungen in der Druckschrift D1 folgend die Verwendung eines einfachen Ventils in Betracht zieht und damit eine ähnliche Regulierung der Wassermenge in Abhängigkeit von dem Gasvolumenstrom anstrebt wie mit der dort ebenfalls beschriebenen Venturi-Düse, wird er nach Auffassung der Kammer unmittelbar erkennen, daß dies nur möglich ist, wenn die von diesem einfachen Ventil abgegebene Wassermenge entsprechend gesteuert wird. Daß dazu ein Sollwert in Abhängigkeit von dem Gasvolumenstrom ermittelt und das Ventil diesem Sollwert entsprechend angesteuert werden muß, ist für den Fachmann in Analogie zur Venturi-Düse selbstverständlich.

Somit umfaßt der Anspruch 1 ein Verfahren, das sich in naheliegender Weise aus dem Inhalt der Druckschrift D1 ergibt.

2.3. Aus diesen Gründen ist der Hauptantrag der Beschwerdeführerin nicht gewährbar.

3. Hilfsantrag 1

3.1. Die Beschwerdegegnerin hat die Zulässigkeit dieses Hilfsantrags wegen verspäteter Einreichung bestritten.

Der Hilfsantrag wurde zwar erst einen Monat vor der mündlichen Verhandlung eingereicht. Der Gegenstand seines Anspruchs 1 unterscheidet sich jedoch von demjenigen des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag lediglich dadurch, daß das dort erwähnte "Dosierventil (7)" nunmehr als "Magnetventil (7)" bezeichnet wird, das von einem Steuergerät abhängig von Betriebsparametern angesteuert wird.

Nachdem in der gesamten vorliegenden Patentschrift, mit Ausnahme der Ansprüche, der Begriff "Dosierventil" nicht zu finden ist, die entsprechende Vorrichtung aber stets als "Magnetventil (7)" bezeichnet wird (vgl. Spalte 1, Zeilen 36 bis 39, Spalte 2, Zeilen 37 bis 42 und 52 bis 55), führt nach Auffassung der Kammer diese Änderung zu keiner überraschenden Änderung der Sachlage. Die Beschwerdegegnerin hat selbst überzeugend vorgetragen, daß steuerbare Magnetventile notorisch vorbekannte Dosierventile darstellen.

Aus diesen Gründen ist der Hilfsantrag der Beschwerdeführerin zumindest formell zulässig.

3.2. Nachdem die Kammer der Auffassung der Beschwerdegegnerin zustimmen kann, daß Magnetventile an sich weit verbreitete, über elektrische Signale bekanntlich leicht steuerbare Dosierventile darstellen, kann die Wahl eines solchen Magnetventils als angesteuertes Dosierventil an sich keinerlei Beitrag zur erfinderischen Tätigkeit des beanspruchten Verfahrens leisten.

Somit beruht auch das Verfahren gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 auf keiner erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ.

3.3. Aus diesen Gründen ist der Hilfsantrag 1 der Beschwerdeführerin nicht gewährbar.

4. Hilfsantrag 2

Der Anspruch 1 des erst einen Monat vor der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrags 2 enthält im Vergleich zu dem Anspruch 1 des Hauptantrags noch das zusätzliche Merkmal, wonach das Wasser vor einer Verdichtung der Zuluft in die Luftzuführungsleitung eingespritzt wird.

Dieses Merkmal war bislang in keinem der Ansprüche aufgeführt, so daß es mit hoher Wahrscheinlichkeit weder von der Recherchenabteilung beim Erstellen des europäischen Recherchenberichts gemäß Artikel 92 EPÜ, noch von der Prüfungs- bzw. Einspruchsabteilung berücksichtigt wurde.

Ferner hat die Frage der Reihenfolge von Wassereinspritzung und Luftverdichtung und der damit verbundenen Vorteile keinen unmittelbaren Bezug zu den dem Beschwerdeverfahren bislang zugrundeliegenden Überlegungen. Diese haben sich ausschließlich auf die Beurteilung des durch die beanspruchte Verwendung und Steuerung eines Dosierventils anstelle der bekannten Venturi-Düse gelieferten Beitrags beschränkt.

Aus diesen Gründen war bei dem vorliegenden Verfahrensstand eine abschließende Beurteilung der Patentfähigkeit des Gegenstandes des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag weder der Beschwerdegegnerin noch der Kammer möglich.

Die Beschwerdeführerin konnte die Kammer auch nicht davon überzeugen, daß dem zusätzlichen Merkmal in Anspruch 1 von Hilfsantrag 2 bei weiterer Prüfung eine besondere Bedeutung im Hinblick auf die erfinderische Tätigkeit zukommen könnte. Deshalb sieht die Kammer davon ab, die Sache an die erste Instanz zur weiteren Entscheidung auf der Grundlage dieses Hilfsantrags zurückzuverweisen. Dies hat die Beschwerdeführerin übrigens selbst auch nicht beantragt.

Aus diesen Gründen wird der mit Brief vom 16. Oktober 2000 eingereichte Hilfsantrag 2 nicht berücksichtigt (Artikel 123 (1) in Verbindung mit Regel 86 (3) EPÜ; vgl. dazu Singer/Stauder, Rdn. 53 zu Artikel 114 und Rdn. 28 zu Artikel 123 EPÜ).

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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