European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2003:T058599.20030317 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 17 März 2003 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0585/99 | ||||||||
Anmeldenummer: | 94116230.7 | ||||||||
IPC-Klasse: | C04B 18/02 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren zur Einfärbung von Baustoffen | ||||||||
Name des Anmelders: | BAYER AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Brockhues GmbH & Co. KG | ||||||||
Kammer: | 3.3.05 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit: ja - nicht nahegelegte Alternative | ||||||||
Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 0 650 939 zurückzuweisen.
Der einzige unabhängige Anspruch 1 des Streitpatents hat folgenden Wortlaut:
"1. Verfahren zur Einfärbung von Baustoffen wie Beton oder Asphalt durch anorganische Pigmentgranulate, dadurch gekennzeichnet, dass anorganische Pigmente mit Bindemitteln in Mengen von 0,1 bis 10 Gew. % unter Bildung eines kohäsiven Pulvers vermischt werden, dieses kohäsive Pulver einem Kompaktierschritt bei Linienkräften von 0,1 bis 15 kN/cm unterworfen wird, die dabei entstehenden Schülpen einer Dichte 0,5 bis 3,0 g/cm3 durch nachfolgendes Schroten auf einem Siebgranulator in Keime und Pulver zerlegt und diese durch Nachrollen auf einem Drehteller oder in einer Drehtrommel vollständig aufgranuliert und mit den Baustoffen vermischt werden."
II. In ihrer Entscheidung hat die Einspruchsabteilung vier Druckschriften, darunter
D1 = DE-A-36 19 363
und die nicht zum Stand der Technik gehörende
D3 = EP-A-0 802 242,
sowie Versuchsberichte beider Parteien berücksichtigt. Die Einspruchsabteilung kam zu dem Schluss, dass das beanspruchte Verfahren im Hinblick auf den angezogenen Stand der Technik und unter Berücksichtigung der vorgelegten Versuchsberichte nicht nahe gelegen habe.
III. In ihrer Beschwerdebegründung hat die Beschwerdeführerin (Einsprechende) das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit im Hinblick auf D1 und die allgemeinen Kenntnisse eines Fachmanns erneut bestritten. In vier weiteren Eingaben hat die Beschwerdeführerin unter anderem auf Entscheidung T 0119/82 (ABl. EPA 1984, 217) verwiesen, und weitere Versuchsberichte, die Druckschriften
D6 = Datenblätter zu roten, schwarzen und gelben "Bayferrox" Pigment-Pulvern,
D7 = Vauck / Müller, Grundoperationen chemischer Verfahrenstechnik, 1992, 9. Auflage, Seiten 688 und 689,
D9 = DE-A-1 467 427,
D10 = DE-A-41 36 964,
D11 = DE-A-41 37 901,
D12 = DE-A-40 41 137,
und
D8 = Ein Schreiben und Lieferliste der Firma Babcock-BSH betreffend "VACUPRESS" Verdichtungsmaschinen
nachgereicht.
Zuletzt machte sie auch mangelnde erfinderische Tätigkeit im Hinblick auf eine Kombination von D1 mit D9 geltend.
IV. In ihren drei Antwortschreiben hat die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) sämtliche Einwände zurückgewiesen und den Standpunkt vertreten, dass das beanspruchte, mehrstufige Verfahren im Hinblick auf den genannten Stand der Technik nicht nahe gelegen habe.
V. Am 17. März 2003 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt, an der beide Parteien teilnahmen.
VI. Die schriftlichen und mündlichen Ausführungen der Parteien können, soweit sie für die vorliegende Entscheidung von Belang sind, wie folgt zusammengefasst werden:
Die Beschwerdeführerin war der Auffassung, dass der nächstliegende Stand der Technik D1 unter anderem das leichte Verdichten einer Paste offenbare, welche als Spezialfall eines kohäsiven Pulvers anzusehen sei. Da der mittels eines Walzentrockners erzielbare Verdichtungsgrad des Pigments vergleichbar sei mit dem gemäß Anspruch 1 erzielbaren, träten dabei implizit geringe Linienkräfte von zumindest 0,1 kN/cm auf, nicht zuletzt auch im Hinblick auf die üblicherweise zum Einsatz kommenden Gegenwalzen. Diesbezüglich verwies sie auf D7. Grundsätzlich sei auch die durch das Herstellen, Entlüften und Trocknen einer Pigmentpaste erzielte Verdichtung als eine leichte Kompaktierung des Pigments anzusehen. Der Fachmann würde demnach aus dieser in D1 beschriebenen Verfahrensalternative ohne erfinderisches Zutun folgern, dass lediglich Kompaktierungen bei Linienkräften größer als 15 kN/cm auszuschließen seien, nicht aber leichte Kompaktierungen im beanspruchten Bereich. Grundsätzlich sei das durch Walzentrocknung und Zerkleinerung erhältliche Feingranulat gemäß D1 staubfrei. Ein gegebenenfalls erforderliches Abrunden und Vergrößern des erhaltenen Feingranulats, unter Einarbeitung von eventuell bei der Zerkleinerung angefallenem Pigment-Staub, im Rahmen einer abschließenden Aufbaugranulation sei trivial und im Hinblick auf D1 nahe liegend, da dort die Aufbaugranulation als Option beschrieben werde. In D9 bis D12 werde dargelegt, dass Verdichtungen bei geringen Linienkräften gemäß Anspruch 1 bei der Herstellung von Pigmentgranulaten vorteilhaft seien. Auch bestand im Hinblick auf D1 und D8 bis D12 kein Vorurteil gegen jegliche Kompaktierung und Verdichtung von Pigmenten vor deren Schrotung bzw. Zerkleinerung. Aus ihren neu eingereichten Versuchsberichten gehe hervor, dass das Walzentrocknen und das Kompaktieren bei geringen Linienkräften zu gleichwertigen Pigmente führe. Unter Bezugnahme auf T 0119/82 argumentierte sie, dass das beanspruchte Verfahren, das aus einer Kombination an sich bekannter Schritte bestehe und auf der Verwendung eines bereits gemäß D1 erhältlichen Granulats basiere, nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen könne.
Die Beschwerdegegnerin war der Ansicht, dass D1 Granulierverfahren auf der Basis von Kompaktierprozessen ausschließe. Ferner sei in D1 weder der Einsatz von kohäsiven Pulvern noch eine Kompaktierung bei Linienkräften von 0,1 bis 15 kN/cm offenbart. Ein kohäsives Pulver sei ein relativ trockenes Produkt und hätte ein anderes Förderverhalten als eine Paste. D9 bis D12 beträfen weder das Einfärben von Baustoffen noch die Bildung von Granulaten unter Verwendung von Bindemitteln. Ein abschließendes Aufgranulieren durch Nachrollen von Vorgranulat (Keim) und Pulver sei in den genannten Dokumenten nicht offenbart. Beansprucht sei nicht ein (Zwischen-)Produkt sondern ein in mehrfacher Hinsicht vorteilhaftes, mehrstufiges Verfahren, welches durch die genannten Dokumente nicht nahe gelegt werde.
VII. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochten Entscheidung und den Widerruf des Patents.
Die Beschwerdeführerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.
Entscheidungsgründe
1. Im vorliegenden Fall war lediglich die Frage der erfinderischen Tätigkeit zu entscheiden.
2. Im Einvernehmen mit den Parteien sieht die Kammer Dokument D1 als nächstliegenden Stand der Technik an.
Der Offenbarungsgehalt von D1
3. D1 offenbart ein Verfahren zum Einfärben von Beton mit Pigment-Granulaten, welche aus einem oder mehreren Pigmenten, einem oder mehreren, die Dispergierung des Pigments im Beton fördernden Bindemitteln und gegebenenfalls anderen Zusatzstoffen bestehen. Die die Dispergierung fördernden Bindemittel werden in Mengen von 0,1 bis 15 Gewichtsprozent, vorzugsweise 1 bis 8 Gewichtsprozent, eingesetzt. Die Herstellung derartiger Granulate, welche darüber hinausgehend auch frei fließend und praktisch staubfrei sein sollen, kann nach D1 auf verschiedenen Wegen erfolgen, wobei folgende Varianten ausdrücklich angeführt sind:
a) die Aufbaugranulierung von Pigmentpulver im Granulierteller bzw. in der Granuliertrommel unter Eintropfen der in Wasser gelösten Bindemittel;
b) die Herstellung feinteiliger Granulate aus Mischungen aus Bindemittel, Pigment und Flüssigkeit, vorzugsweise Wasser, und gegebenenfalls anderen Zusätzen durch Trocknungsprozesse, und insbesondere
i) das Aufbringen des Gemischs in Pastenform in dünner Schicht auf einen Walzentrockner, gefolgt von der Zerkleinerung des getrockneten Guts zu Feingranulat;
ii) das Trocknen des Gemischs in dünner Schicht auf einem Bandtrockner und dessen anschließende Zerkleinerung zu Feingranulat; bzw.
c) die Herstellung von Perlgranulaten durch Sprühtrocknung des Gemischs.
Siehe insbesondere Ansprüche 1 und 3 bis 7, Spalte 3, Zeilen 37 bis 68, Spalte 4, Zeile 37 bis Spalte 5, Zeile 3, sowie Spalte 5, Zeilen 8 bis 11.
In D1 nicht offenbarte Merkmale
4. Die in vorliegendem Anspruch 1 angegebene, zur Herstellung der Pigment-Granulate eingesetzte Abfolge von Verfahrensschritten ist in D1 nicht offenbart.
4.1. Insbesondere offenbart D1 nach Auffassung der Kammer nicht die Bildung eines kohäsiven Pulvers durch Mischen von Pigment(en) und 0,1 bis 10 Gew.-% Bindemittel und die anschließende Kompaktierung des kohäsiven Pulvers bei Linienkräften von 0,1 bis 15 kN/cm.
4.1.1. Im Unterschied zu der in D1 verwendeten Terminologie fällt Wasser laut Streitpatent unter den Begriff "Bindemittel", siehe beispielsweise Anspruch 6 und Seite 3, Zeilen 21 bis 22 des Streitpatents und z. B. Anspruch 6 der D1. Die Menge an Bindemittel, also inklusive des gegebenenfalls verwendeten Wassers, welche dem Pigmentpulver vor der Kompaktierung zugegeben werden soll, ist laut Anspruch 1 des Streitpatents auf maximal 10 Gewichtsprozent beschränkt, wobei diese Zumischung zur Bildung eines kohäsiven Pulvers führt.
Im Gegensatz dazu wird gemäß den in D1 konkret offenbarten Verfahren das Pigment nicht nur mit der bevorzugten Menge an dispergierend wirkendem Bindemittel (1 bis 8 Gew-%) versetzt, sondern zusätzlich noch mit der zur Weiterverarbeitung notwendigen Menge an Flüssigkeit, vorzugsweise Wasser. Die einzigen Herstellungs-Beispiele 1 bis 3 in D1 betreffen alle die als bevorzugt bezeichnete Verfahrensalternative c) der Granulierung durch Sprühtrocknung von Suspensionen der Pigmente, welche zusätzlich zu dem dispergierend wirkenden Bindemittel noch einen Wasseranteil von weit über 10 Gewichtsprozent enthalten. D1 enthält darüber hinausgehend keinerlei explizite Angaben bezüglich der in den anderen erwähnten Verfahrensalternativen einzusetzenden Flüssigkeits- bzw. Wassermengen. Bezüglich der oben genannten Variante b) i) wird lediglich angegeben, dass das Gemisch aus die Dispergierung förderndem Bindemittel, Flüssigkeit (vorzugsweise Wasser) und Pigment "in Pastenform" in dünner Schicht auf einen Walzentrockner aufgebracht wird. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass in dem den älteren Stand der Technik betreffenden Teil von D1 lediglich Pigmentpasten erwähnt werden, welche 30 bis 70% Wasser enthalten, siehe Spalte 2, Zeilen 26 bis 27.
Die Beschwerdeführerin hat keinerlei Nachweis für ihre in der mündlichen Verhandlung vorgebrachte Behauptung erbracht, wonach das Vermischen von Pigmentpulvern mit Bindemitteln wie z. B. Wasser in Mengen von maximal 10% zwingend zu einem Gemisch führen würde, welches man als - wenngleich "sehr dicke" - Paste auffassen könnte. Der Auffassung der Beschwerdeführerin, wonach ein Fachmann die gemäß Verfahrensalternative b) i) zum Einsatz kommende Paste als kohäsives Pulver gemäß vorliegendem Anspruch 1 ansehen würde, kann sich die Kammer daher nicht anschließen. Die Kammer ist vielmehr der Meinung, dass ein Fachmann eine Dispersion von Pigmentpartikeln in Wasser, welche in dünner Schicht auf einer Trockenwalze auftragbar und demnach ein gewisses Fliessverhalten aufweisen muss, nicht als ein kohäsives Pulver, also als ein Gemisch, bei welchem diskrete Agglomerate vorliegen, auffassen würde.
Die gemäß Streitpatent im Rahmen des Granulationsvorgangs durchzuführende Bildung eines kohäsiven Pulvers durch die Vermischung von Pigmentpulver mit maximal 10% Flüssigkeit bzw. Bindemittel ist daher nach Auffassung der Kammer in D1 weder explizit noch implizit offenbart.
4.1.2. Nach Anspruch 1 des Streitpatents wird das kohäsive Pulver einer Kompaktierung bei Linienkräften von 0,1 bis 15 kN/cm unterworfen. Damit wird nach Auffassung der Kammer klar zum Ausdruck gebracht, dass eine mechanische Verdichtung des kohäsiven Pulvers in einem Walzenspalt stattfinden muss, siehe auch Seite 3, Zeilen 32 bis 34 des Streitpatents.
D1 enthält keinerlei explizite Angaben zu möglicherweise im Verlauf der angesprochenen Walzentrocknung auf die zu trocknende Paste einwirkenden Linienkräften, ganz zu schweigen zu Linienkräften im Bereich von 0,1 bis 15. kN/cm. Aus Dokument D7 geht zwar hervor, dass in gewissen Walzentrocknern die brei- oder pastenartigen Nassgüter in der Regel mittels Auftragsstangen oder Andrückwalzen geebnet und an die Trockenwalze gepresst werden, siehe Seite 688, Bild 10.49 und den dazugehörigen Text, sowie Seite 689, erster Absatz, während das Nassgut in anderen Walzentrockner-Typen zwischen zwei Trockenwalzen hindurchgeführt wird, siehe Seite 688, Bild 10.50 und den dazugehörigen Text, sowie Seite 689, zweiter und dritter Absatz. Aus D7 lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass derartige Trockner stets mit Walzenspalten und Nassguteigenschaften (Fließverhalten) betrieben werden, die derart eingestellt sind, dass es im Walzenspalt zwangsläufig zur Einwirkung von Linienkräften im Bereich gemäß Anspruch 1 auf das zu trocknende Gut kommt. Für die von der Beschwerdegegnerin bestrittene Behauptung der Beschwerdeführerin, wonach bei einer Walzentrocknung in jedem Fall Linienkräfte von mindestens 0,1 kN auftreten, liegt demnach nach Auffassung der Kammer kein schlüssiges Beweismaterial vor.
Da eine Paste im wesentlichen aus Flüssigkeit und Feststoff besteht, kann sie lediglich unter bestimmten, in D1 jedoch nicht angesprochenen Umständen mechanisch komprimiert bzw. verdichtet werden, zum Beispiel wenn sie, wie von der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vorgetragen wurde, Luftblasen enthält. Es ist daher nicht schlüssig nachvollziehbar, wieso eine Gegenwalze oder Auftragsstange ausreichen soll, um zwingend zu einer Verdichtung des Pigmentpulvers zu führen. Selbst wenn die Kammer gegen ihre Überzeugung (siehe Punkt 6.3) im Sinne der Beschwerdeführerin akzeptieren würde, dass D1 (Spalte 3, Zeilen 42 bis 47) lediglich solche Granulierverfahren ausdrücklich ausschließt, welche auf einer Kompaktierung bei relativ hohen Kräften von mehr als 15 kN/cm beruhen und/oder bei denen das fertige Granulat direkt durch eine derartige Kompaktierung erhalten wird, wie z. B. bei der Brikettierung, bedeutet dies daher nicht zwangsläufig, dass der Fachmann die Walzentrocknung gemäß D1 als eine Kompaktierung bei niedrigen Linienkräften ansehen würde.
Es erscheint der Kammer plausibel, dass, wie von der Beschwerdeführerin wiederholt vorgetragen wurde, ein Pigmentpulver durch die beim Aufschlämmen und wieder Trocknen erfolgende Sedimentierung und Entlüftung, also selbst ohne Einwirkung von durch eine Walze aufgebrachten Linienkräften, zu einem gewissen Grad verdichtet werden kann. Die von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Ähnlichkeit der verdichteten Produkte, wie zum Beispiel Schülpen, aus einer leichten Kompaktierung bzw. aus einer Walzentrocknung erlaubt jedoch nicht zwingend den Rückschluss, dass bei der Walzentrocknung gemäß D1 auf jeden Fall geringe, kompaktierend wirkende Linienkräfte von mindestens 0,1 kN/cm durch eine Walze ausgeübt worden sein müssen.
4.1.3. Aufgrund der obigen Überlegungen kann sich die Kammer der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht anschließen, wonach die in D1 beschriebene Verfahrensalternative b) i) implizit eine leichte Kompaktierung im Sinne von Anspruch 1 des Streitpatents offenbare. Die Kammer ist vielmehr davon überzeugt, dass der Fachmann die verdichtende und das Pigment bindende Verfahrensstufe der Walzentrocknung einer Pigmentpaste gemäß D1 und die beanspruchte Verfahrensstufe einer mechanischen Kompaktierung eines kohäsiven Pigmentpulvers bei relativ geringen Linienkräften nicht als verfahrenstechnisch gleichwertig ansehen würde.
4.2. Schlußendlich wird auch eine Aufbaugranulierung in einem Granulierteller bzw. einer Granuliertrommel in D1 lediglich als eigenständiges Verfahren angesprochen (oben erwähnte Variante a)), nicht jedoch als abschließender Schritt im Anschluss an eine Zerkleinerung (Schrotung) des getrockneten Pigments zu Feingranulat gemäß Alternative b) i). Eine Einarbeitung des bei der Zerkleinerung gegebenenfalls anfallenden Pulveranteils wird in D1 auch nicht angesprochen.
Erfinderische Tätigkeit
5. Die laut Streitpatent zu lösende technische Aufgabe besteht in der Bereitstellung eines Verfahrens zur Granulation von Pigmenten und zur Vermischung der erhaltenen Granulate mit Baustoffen wie Beton oder Asphalt zum Zweck der Einfärbung der letzteren. Die zum Einsatz kommenden Granulate sollen ausreichend stabil, staubarm, dosierfähig und von gleich guter Dispergierbarkeit sein wie bisher zur Einfärbung verwendete Pulver, siehe Seite 3, Zeilen 3 bis 6.
5.1. Die Einspruchsabteilung ist in der angefochtenen Entscheidung zu dem Schluss gelangt, dass der Fachmann das Verfahren nach Anspruch 1 auch "im Rahmen möglicher spezieller Einzelsituationen (spezielles Pigment, spezieller Binder, spezielle Einfärbesituation)" problemlos mit dem angestrebten Erfolg durchzuführen vermag, und dass das Verfahren nach Anspruch 1 "bei hohem Durchsatz die Fertigung dosierfähiger, staubarmer Granulate mit günstigen Transporteigenschaften" ermöglicht und Granulaten führt, "die eine hohe Farbstärke beim Einfärben der Baustoffe gewährleisten".
5.2. Dieser Auffassung der Einspruchsabteilung hat die Beschwerdeführerin im Beschwerdeverfahren nicht widersprochen. Vielmehr hat sie wiederholt auf die Ähnlichkeit und qualitative Gleichwertigkeit der granulierten Produkte hingewiesen, welche einerseits durch das in D1 beschrieben Walzentrocken und andererseits durch das Kompaktieren bei geringen Linienkräften erhältlich sind. Nicht zuletzt im Hinblick auf die in der Patentschrift enthaltenen Beispiele erscheint es auch der Kammer glaubhaft und plausibel, dass die in der Patentschrift angegebene Aufgabe durch das Verfahren nach Anspruch 1 tatsächlich gelöst wird.
5.3. Nach Auffassung der Beschwerdeführerin wird die besagte Aufgabe bereits durch die Verfahrensalternative b) i) gemäß D1 gelöst. Wie in D1, Spalte 3, Zeilen 60 bis 68, generell angegeben, seien auch die durch Walzentrocknung und anschließende Zerkleinerung erhältlichen Feingranulate praktisch staubfrei, frei fließend und pneumatisch förderbar, und färben gleich gut ein wie die Pigmente in Pulverform. Aus ihren im Beschwerdeverfahren eingereichten Versuchen ergebe sich, dass die derart erhältlichen Produkte bezüglich ihrer Schüttdichte und Fliesseigenschaften mit den nach dem beanspruchten Verfahren erhältlichen vergleichbar, und im Einzelfall sogar besser als diese seien.
5.4. Die Patentinhaberin hat die Richtigkeit der Angaben in diesen neuen Versuchsberichten im Ergebnis nicht bestritten. Sie hat jedoch bezweifelt, dass mittels einer Zerkleinerung gemäß D1, Verfahrensalternative b) i), unmittelbar ein staubfreies Feingranulat erhalten werde könne.
5.5. Unter diesen Umständen kann die Kammer, ausgehend von D1, die technische Aufgabe jedenfalls in der Bereitstellung eines alternativen Verfahrens zur Granulierung von Pigmenten mit Hilfe von Bindemitteln und zur Einfärbung von Baustoffen mittels der erhaltenen Granulate sehen, wobei die zum Einsatz kommenden Granulate ausreichend stabil, staubarm, dosierfähig und von gleich guter Dispergierbarkeit sein sollen wie bisher zur Einfärbung verwendete Pulver.
6. Ausgehend von der Verfahrensalternative b) i) gemäß D1 stellt sich demnach die Frage, ob der Fachmann die verfahrenstechnischen Änderungen, die notwendig sind, um zum beanspruchten Verfahren zu gelangen, als eine nahe liegende Lösung der gestellten Aufgabe angesehen hätte.
6.1. Laut D1 ist die angestrebte Herstellung von Bindemittel enthaltenden Pigment-Granulaten zur Einfärbung von Beton "gemäß Stand der Technik auf vielfältige Arten möglich", siehe Spalte 3, Zeilen 42 bis 44 und Spalte 4, Zeilen 37 bis 39. Konkret vorgeschlagen werden jedoch lediglich die oben unter Punkt 3. aufgelisteten Verfahrens-Varianten a), b) i), b) ii) und c).
6.2. Bei den in D1 hinreichend konkret beschriebenen Verfahren b) i), b) ii) und c) wird in einem ersten Schritt jeweils eine mehr oder weniger flüssige Dispersion des Pigments in Flüssigkeit (Slurry bis Paste) hergestellt. Die zugegebene Flüssigkeit wird anschließend durch Zufuhr von Wärmeenergie im Verlauf der Granulatbildung (bei Sprühtrocknung) oder vor der Granulierung (Trocknen auf Walze oder Band) wieder aus der Suspension entfernt. Auch bei der in D1 angesprochenen Aufbaugranulation mittels Granulierteller oder -trommel (Verfahrensalternative a)) bedarf es laut Streitpatent eines relativ großen Zusatzes an Wasser und einer anschließenden Trocknung, siehe Seite 2, Zeilen 50 bis 55. Letzteres wurde von der Beschwerdeführerin nicht bestritten.
6.3. Ferner werden "Press- und Brikettiergranulate" bzw. "Granulate aus Brikettier- und Kompaktierprozessen" in der D1 ausdrücklich ausgeschlossen, "da hier Dispergierschwierigkeiten auftreten", siehe Anspruch 1 und Spalte 3, Zeilen 44 bis 47. Es ist unstrittig, dass der Fachmann unter dem Begriff "Brikettierprozesse" solche verstehen würde, bei denen höhere als die in Anspruch 1 genannten Linienkräfte zum Einsatz kommen würden. D1 gibt jedoch keine Untergrenze bezüglich der Press- oder Linienkräfte an, ab der eine "Kompaktierung" nachteilig wäre, bzw. unterhalb welcher eine Kompaktierung nicht nachteilig wäre. Aus einer gemäß Verfahrensvariante b) i) erzielbaren Verdichtung von Pigmenten durch Dispergieren in Flüssigkeit und anschließendem Walzentrocknen zu folgern, dass eine Kompaktierung des Pigments im Walzenspalt bei geringen Linienkräften durch den Begriff "Kompaktierung" nicht ausgeschlossen werden soll, entspringt nach Auffassung der Kammer einer rückschauenden Interpretation der D1. Im Hinblick auf die besagten Passagen ist die Kammer daher ebenfalls zu der Auffassung gelangt, dass D1 von einer Verdichtung bzw. Kompaktierung des Pigments unter Aufbringung von Presskräften, wie zum Beispiel einer mechanischen Kompaktierung eines Bindemittel-Pigment-Gemischs in einem Walzenspalt, auch bei geringen Linienkräften, ganz generell abrät.
6.4. Im Hinblick auf den generellen Ausschluss von Kompaktierverfahren und die durchgehende Verwendung von flüssigen bzw. pastösen Ausgangsmischungen gemäß D1 ist die Kammer davon überzeugt, dass der Durchschnittsfachmann in Unkenntnis der Erfindung durch dieses Dokument gerade nicht angeregt wird, Überlegungen anzustellen, die ihn in nahe liegender Weise zu der nach Anspruch 1 vorgeschlagenen, leichten mechanischen Kompaktierung eines relativ trockenen Pigments in einem Walzenspalt führen könnten, welche noch dazu einen vorteilhaft geringeren Trocknungsaufwand zur Folge hat.
6.5. Laut Anspruch 1 werden die Schülpen durch Schroten in einem Siebgranulator in Keime und Pulver zerlegt. Dieses Material wird anschließend vollständig aufgranuliert, wobei es zwangsläufig auch gerundet wird. Das entstehende Produkt hat demnach einen kompakten Kern und eine äußere aufgebaute Schicht, siehe dazu gutachtlich D3, Seite 3, Zeilen 30 bis 32. D1 erwähnt nicht einen bei der abschließenden Zerkleinerung gemäß Verfahrensalternative b) i) möglicherweise anfallenden Staub- oder Feinstanteil. Selbst unter der Annahme, dass D1 mittels des allgemeinen Hinweises auf die Aufbaugranulation, siehe Spalte 3, Zeile 48 und Spalte 4, Zeilen 40 bis 46, eine derartige, gegebenenfalls für notwendig erachtete Nachrundung des auf anderem Wege erhaltenen Granulats nahe legt, ist die Kammer daher nicht davon überzeugt, dass D1 auch das anspruchsgemäße, vollständige Aufgranulieren des bei der Zerkleinerung des walzengetrockneten Materials anfallenden Granulats mit einem möglicherweise anfallenden pulverförmigen (Fein-)Anteil anregt.
6.6. Ein Granulat der besagten Struktur mit kompaktem Kern und aufgebauter äußerer Schicht ist in D1 nicht offenbart. Schon allein aus diesem Grund ist der Hinweis auf Entscheidung T 0119/82 nicht zielführend. Selbst bei unterstellter Vergleichbarkeit der nach D1 bzw. nach Anspruch 1 erhältlichen Granulate kann ein neues Herstellverfahren im Einzelfall durchaus erfinderisch sein, und zwar selbst dann, wenn die dabei zu kombinierenden Verfahrensstufen aus dem Stand der Technik bekannt waren. Im vorliegenden Fall waren jedoch weder der Schritt des Kompaktierens eines kohäsiven, maximal 10 Gewichtsprozent Bindemittel enthaltenden Pigment-Pulvers bei geringen Linienkräften noch der Schritt des vollständigen Aufbaugranulierens eines kompakten Keimes mit bei der Schrotung anfallendem Pulver bekannt. Nicht zuletzt im Hinblick auf die nicht bestrittenen verfahrenstechnischen Vorteile des Gesamtverfahrens nach Anspruch 1, wie geringerer Wassereinsatz und Trocknungsaufwand, Ausbeute (praktisch kein Staubanfall) und geringer Steuerungsaufwand (siehe Seite 4, Zeilen 13 bis 19 und Seite 2, Zeile 43 bis Seite 3, Zeile 7), bei insgesamt guten und ausgewogenen Eigenschaften der zur Einfärbung gelangenden Granulate (siehe Tabelle I) kommt die Kammer zu dem Schluss, dass das Verfahren gemäß Anspruch 1 durch D1 nicht nahe gelegt war.
7. Auch unter Berücksichtigung der von der Beschwerdeführerin nachgereichten Dokumente D8 bis D12 kann die Kammer zu keinem anderen Schluss gelangen. Diese Dokumente beschreiben alle eine verdichtende Behandlung von (trockenen) anorganischen Pigmenten in einem Walzenspalt, unter anderem bei Linienkräften im beanspruchten Bereich, zur Verbesserung ihrer Anwendungseigenschaften, wie Schüttgewicht, Farbkraft, Dispergierbarkeit, Förderverhalten und/oder Teilchengrößenverteilung. Bis auf D9 erwähnen sie keinerlei spezielle Einfärbungsanwendungen, und auch D9 erwähnt nicht die Einfärbung von Baustoffen. Eine Granulierung der Pigmente mit Hilfe von Bindemitteln oder eine abschließende Aufgranulierung des verdichteten Materials mit dem bei seiner Zerkleinerung anfallenden Feinanteils wird in keiner diese Druckschriften angesprochen.
7.1. D8 betrifft Spezial-Maschinen des Typs "VACUPRESS", welche Walzwerke bzw. Filterwalzen umfassen (siehe Brief an Dr. Vogler) und zur Verdichtung von Pulvern dienen. Mit Maschinen dieses Typs werden offenbar auch Pigmente verdichtet. Es wurde nicht bestritten, dass derartige Maschinen vor dem Prioritätstag zur (trockenen) Verdichtung von Pigmentpulvern bei geringen Linienkräften von maximal 0,5 kN/cm benutzt wurden. D8 enthält jedoch keine Angaben zum Zweck der Verdichtung und zu den Eigenschaften des verdichteten Materials.
7.2. D9 offenbart ein Verfahren zur Verbesserung der Farbkraft von Titandioxid-Pigmenten ohne nachteilige Auswirkungen auf deren Dispergierbarkeit in thermoplastischen Massen und Kautschuk. Das Schüttgewicht des Pigments wird zunächst in einem trockenen Verdichtungsschritt erhöht, welcher durch Trockenmahlen oder Pressen, insbesondere "mit Hilfe von Mühlen, Walzenstühlen, durch Verdichten unter Druck usw." erfolgt. "Geeignet sind beispielsweise Zweiwalzenmischer, Kollergänge, Rollquetscher, Kolloidmühlen, Kugelmühlen, u. dgl.". D9 enthält keine Angaben zur Größenordnung der gegebenenfalls auftretenden Linienkräfte. Siehe Anspruch 2, Seite 3, erster Absatz und die Beispiele. Das verdichtete Material wird anschließend in einem weiteren Schritt mit Hilfe spezieller Mühlen, insbesondere Strahlmühlen, wieder aufgelockert. Die Schüttdichte des Produkts wird dabei auf eine Schüttdichte reduziert, die in etwa der des Ausgangsprodukts entspricht.
7.3. Die Dokumente D10 bis D12 betreffen alle die Behandlung von bindemittelfreien anorganischen (Roh-)Pigmenten zwischen sich drehenden Walzen, inter alia auch bei Linienkräften im einstelligen kN/cm-Bereich. Die Pigmente werden dabei gemahlen und verdichtet bzw. kompaktiert. Bei dieser Behandlung fallen Agglomerate an, welche laut D10 als "staubarmes Kompaktierungsgranulat", laut D11 als "leicht dosierbares und nicht staubendes Material" und laut D12 als "Schülpen" bezeichnet werden. Siehe D10, Seite 2, Zeilen 24 bis 26 und Zeile 31, D11, Ansprüche 1 und 2, Seite 2, Zeilen 18 bis 22, und D12, Ansprüche 1 und 2, Seite 2, Zeilen 16 bis 32.
7.4. D8 bis D12 ist entnehmbar, dass ein mechanisches Verdichten bzw. Kompaktieren von bindemittelfreiem Pigmentpulver, auch bei geringen Linienkräften, gegebenenfalls gefolgt von erneuter Zerkleinerung, vorteilhaft sein kann. Die Beschwerdeführerin hat jedoch nicht in überzeugender Weise dargelegt, wieso diese Information den mit der technischen Aufgabe konfrontierten Fachmann dazu hätte anregen sollen, die relativ nassen, in D1 offenbarten Verfahren durch das Walzenkompaktieren eines kohäsiven Pulvers aus Pigment und Bindmittel zu ersetzen, und dies trotz der in D1 im Zusammenhang mit der Herstellung von Bindemittel enthaltenden Granulaten ausgesprochenen Warnung vor dem Kompaktieren. Darüber hinaus wird eine an die in D9, D11 und D12 angesprochene Mahlung/Desagglomeration des zuvor verdichteten Materials, welche möglicherweise zu einem als "Keime und Pulver" anzusehenden Material führt, anschließende, vollständige Aufbaugranulation auf einem Drehteller oder in einer Drehtrommel durch diese Dokumente mit Sicherheit nicht angeregt.
8. Die Kammer hat sich davon überzeugt, dass auch die übrigen, im Verlauf des Einspruchs- und des Beschwerdeverfahrens angezogenen Entgegenhaltungen weder für sich genommen noch in Kombination, auch mit den oben abgehandelten Dokumenten, das Verfahren gemäß Anspruch 1 nahe zu legen vermögen.
9. Das Verfahren des Anspruchs 1 und die besonderen Ausführungsformen dieses Verfahrens gemäß den Ansprüchen 2 bis 11. des Streitpatents beruhen demnach auf einer erfinderischen Tätigkeit.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.