T 0506/99 (Katalytische Hydrogenierung/ICI) of 14.2.2002

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2002:T050699.20020214
Datum der Entscheidung: 14 Februar 2002
Aktenzeichen: T 0506/99
Anmeldenummer: 93102815.3
IPC-Klasse: C07C 31/125
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zur Herstellung von Alkoholen oder Aminen
Name des Anmelders: IMPERIAL CHEMICAL INDUSTRIES PLC
Name des Einsprechenden: SÜD-CHEMIE AG
Kammer: 3.3.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 111(1)
Schlagwörter: Neuheit (ja) - Beweislast bei Einsprechendem - keine Beweislastumkehr - Merkmale nicht bewiesen
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0219/83
T 0525/90
T 0954/93
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0762/04
T 0879/08
T 0976/08

Sachverhalt und Anträge

I. Der Beschwerdeführer (Patentinhaber) hat gegen die am 1. April 1999 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung über den Widerruf des europäischen Patents Nr. 559 053 die am 4. Mai 1999 eingegangene Beschwerde eingelegt und am 22. Juli 1999 eine Beschwerdebegründung eingereicht.

II. Im Verfahren vor der Einspruchsabteilung war das Streitpatent in seinem gesamten Umfang vom Beschwerdegegner (Einsprechenden) aus den Einspruchsgründen des Artikels 100 a) und b) EPÜ, insbesondere wegen mangelnder Neuheit, mangelnder erfinderischer Tätigkeit und wegen unzureichender Offenbarung der Erfindung, angegriffen worden. Zur Stützung des Einspruchs wurde unter anderem die folgende Druckschrift angezogen:

(5) EP-A-434 062.

III. Der angefochtenen Entscheidung lagen die in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung eingereichten Ansprüche 1 bis 10 zugrunde. Der einzige unabhängige Anspruch 1 lautete wie folgt:

"1. Verfahren zur Herstellung von Alkoholen oder Aminen durch Umsetzung von Estern, Fettsäuren oder Nitrilen mit Wasserstoff unter Druck und erhöhter Temperatur in Gegenwart eines Katalysators, welcher im nichtreduzierten Zustand aus je 100 Gew.-Teile CuO 40. bis 130 Gew.-Teile ZnO, 2 bis 50 Gew.-Teile Al2O3 und gegebenenfalls 0,5 bis 8 Gew.-Teile Mn-, Mo-, V-, Zr- und/oder Erdalkalimetall-Oxid besteht und eine BET-Gesamtoberfläche von 80 bis 175 m2/g Katalysator im nichtreduzierten Zustand aufweist, wobei 75 bis 95. % der BET-Gesamtoberfläche von Poren eines Radius rp 15 nm gebildet werden."

IV. Die Einspruchsabteilung stellte in der angefochtenen Entscheidung fest, daß der beanspruchte Gegenstand im Hinblick auf die in der Druckschrift (5) offenbarten Lehre nicht neu sei. Diese Druckschrift beschreibe ein Verfahren zur Herstellung von Alkoholen mittels Hydrierung von Carbonsäure(ester)n oder Aldehyden unter Verwendung eines Katalysators, dessen metallische Zusammensetzung gemäß den Beispielen 7 bis 9, 16 bis 18, 25, 26, 66, 72 und 79 unter die Definition des Anspruchs 1 des Streitpatents falle. Zwar seien die anspruchsgemäßen Merkmale Oberfläche und Porenradiusverteilung der Katalysatoren nicht in Druckschrift (5) angegeben, deren Herstellung dort stimme jedoch in wesentlichen Maßnahmen mit jener im Streitpatent überein. Da diese Merkmale des Katalysators in erster Linie von den Fällungsbedingungen und der Calcinierungstemperatur bei seiner Herstellung abhänge, sei davon auszugehen, daß die in Druckschrift (5) hergestellten Katalysatoren ebenfalls eine Gesamtoberfläche und eine Porenradiusverteilung innerhalb der beanspruchten Bereiche aufwiesen. Der beschwerdeführende Patentinhaber habe mit Schriftsatz vom 3. Februar 1999 einen Versuchsbericht vorgelegt, in welchem er einen Katalysator gemäß Druckschrift (5) nachstelle. Dieser nachgearbeitete Katalysator weise eine BET-Gesamtoberfläche innerhalb des beanspruchten Bereiches auf, jedoch solle laut Versuchsbericht 100 % seiner BET-Gesamtoberfläche von Poren eines Radius rp 15 nm gebildet werden. Diese Porenradiusverteilung läge zwar numerisch außerhalb des anspruchsgemäßen Bereiches von 75 bis 95 %, indessen sei die Bestimmung der BET-Gesamtoberfläche mit einem Fehler größer 5 % behaftet, weswegen davon auszugehen sei, daß das aus Druckschrift (5) bekannte Herstellungsverfahren auch zu Katalysatoren führe, deren Porenradiusverteilung innerhalb des beanspruchten Bereiches falle.

V. In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 14. Februar 2002 hat der Beschwerdeführer mit der Einreichung eines neuen Hauptantrages, der lediglich eine grammatikalische Änderung enthält, im wesentlichen die Anspruchsfassung aus dem Einspruchsverfahren weiterverfolgt und zusätzlich zwei geänderte, aus jeweils 10 Ansprüchen bestehende Anspruchssätze als Hilfsanträge I und II eingereicht und die Aufrechterhaltung des Streitpatents in diesem Umfange begehrt.

Der Anspruch 1 des Hilfsantrages I unterscheidet sich von dem des Hauptantrages ausschließlich durch die zusätzlich Angabe eines näher bestimmten Verfahrens, gemäß welchem der im streitgegenständlichen Verfahren eingesetzte Katalysator erhältlich ist. Der Anspruch 1 des Hilfsantrages II enthält die weitere Maßgabe, daß das streitgegenständliche Verfahren in der Flüssigphase durchgeführt wird.

VI. Zur Neuheit des Anspruchsgegenstandes hat der Beschwerdeführer im wesentlichen vorgetragen, daß sich das beanspruchte Herstellungsverfahren von dem in der Druckschrift (5) offenbarten durch die im Verfahren eingesetzten Katalysatoren unterscheide. Wie sich aus der Nacharbeitung der Beispiele der Druckschrift (5) ergebe, welche der Beschwerdeführer in Form eines Versuchberichtes im Einspruchsverfahren eingereicht habe, wiesen die im Stand der Technik verwendeten Katalysatoren zwar eine metallische Zusammensetzung und eine BET-Gesamtoberfläche auf, welche innerhalb der im Anspruch 1 des Streitpatents angegebenen Bereiche lägen, indessen erfüllten sie nicht das streitgegenständliche Merkmal, daß 75 bis 95. % der BET-Gesamt-Oberfläche von Poren eines Radius 15. nm zu bilden seien. Bei den im Verfahren der Druckschrift (5) eingesetzten Katalysatoren werde 100 % der BET-Gesamtoberfläche von Poren eines Radius 15. nm gebildet, d. h. es gebe keine Poren >15 nm.

In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer räumte der Beschwerdeführer ein, daß der im Versuchsbericht angegebene Wert von 100 % der BET-Gesamtoberfläche aus Poren mit einem Radius 15 nm nicht aus den beiden beigefügten Meßdiagrammen in der vorgelegten Fassung hervorgehe. Er erläuterte, daß sich dieser Wert jedoch nach einer Neu-Kalibrierung der Meßdiagramme ergebe; hierzu sei die Abszisse so weit parallel zu verschieben, bis die Meßkurve die Abszisse schneide.

Für den Fall, daß ihm der Nachweis eines Unterschiedes zwischen den Katalysatoren, die im Verfahren des Streitpatents und der Druckschrift (5) eingesetzt würden, durch seinen Versuchsbericht nicht glaubhaft gelungen sei, hat der Beschwerdeführer vorsorglich vorgetragen, daß nicht er als Patentinhaber die Beweislast für die Neuheit des Patentgegenstandes trage, sondern vielmehr der beschwerdegegnerische Einsprechende für die Neuheitsschädlichkeit der Druckschrift (5) beweispflichtig sei. Er hielt fest, daß der beschwerdegegnerische Einsprechende zur vorgeblichen Neuheitsschädlichkeit dieser Druckschrift weder Substantiiertes vorgetragen, noch einen einzigen Nachweis im Verlaufe des gesamten Verfahrens erbracht habe, welcher die Neuheitsschädlichkeit dieser Druckschrift für die beanspruchte Erfindung belege. Nachdem der Beschwerdegegner seiner Beweisplicht für die Neuheitsschädlichkeit nicht nachgekommen sei, sei die Neuheit des Patentgegenstandes gegenüber der Druckschrift (5) festzustellen.

VII. Der Beschwerdegegner hat sich ausschließlich in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer geäußert und dort im wesentlichen vorgetragen, daß der Versuchsbericht des Beschwerdeführers nicht schlüssig sei. So gehe aus den dem Versuchsbericht beigefügten Meßdiagrammen gerade nicht der im Versuchsbericht selbst angegebene Wert hervor, daß 100 % der BET-Gesamtoberfläche des Katalysators aus Poren mit einem Radius 15 nm gebildet würden. Die Meßkurve im entsprechenden Diagramm enthalte keine Radius-Meßwerte für einen Teil der BET-Gesamtoberfläche. Nehme man die vom Beschwerdeführer deswegen angeregte Neu-Kalibrierung des Meßdiagramms vor, indem man die Abszisse so weit parallel verschiebe, bis die Meßkurve die Abszisse schneide, so fülle man zwar vordergründig die Meßlücke, jedoch verschiebe sich dadurch notwendigerweise gleichzeitig die Skala der Ordinate. Die BET-Gesamtoberfläche betrage dann in einem neu-kalibrierten Meßdiagramm nur noch ca. 72 m2/g, welche im Widerspruch zur zahlenmäßigen Angabe von 87. m2/g im Versuchbericht stehe. Wegen dieser Ungereimtheiten sei der Versuchsbericht des Beschwerdeführers insgesamt nicht überzeugungskräftig. Folglich sei ihm der Beweis mißlungen, daß die Druckschrift (5) nicht neuheitsschädlich sei.

Zur Frage der Beweislast für die Neuheitsschädlichkeit der Druckschrift (5) hat der Beschwerdegegner vorgetragen, daß im vorliegenden Fall die Beweislast nicht bei ihm als Einsprechendem liege, denn es bestünden begründete Zweifel an der Neuheit des Patentgegenstandes gegenüber dieser Druckschrift. So sei das Herstellungsverfahren des Katalysators im Streitpatent und in der Druckschrift (5) gleich, woraus sich der zwingende Schluß ergebe, daß auch die hergestellten Katalysatoren selbst sich nicht unterschieden. Dies zeige auch der vom Beschwerdeführer vorgelegte Versuchsbericht, dessen Ergebnisse ebenfalls in diese Richtung deuteten. So sei der im Versuchsbericht angegebene Wert, daß 100 % der BET-Gesamtoberfläche des Katalysators aus Poren mit einem Radius 15 nm gebildet würden, zahlenmäßig nur geringfügig von dem anspruchsgemäßen Grenzwert von 95 % entfernt und beide Werte unterschieden sich wohl kaum, wenn man von einer Fehlergrenze von 5 % ausgehe. Bei einem Abwägen der Wahrscheinlichkeit sei die Neuheit eher zu verneinen als zu bejahen. Dem beschwerdegegnerischen Einsprechenden sei somit der Anscheinsbeweis der Neuheitsschädlichkeit der Druckschrift (5) gelungen. Damit kehre sich die Beweislast um, nämlich sie verschiebe sich von ihm als Einsprechendem auf den Patentinhaber. Dessen Gegenbeweis, daß die Druckschrift (5) keine neuheitsschädliche Offenbarung enthalte, sei diesem jedoch mit dem eingereichten Versuchsbericht mißlungen. Folglich liege mangelnde Neuheit des Patentgegenstandes vor.

VIII. Der Beschwerdeführer hat beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in geändertem Umfang mit den Ansprüchen 1 bis 10 gemäß dem in der mündlichen Verhandlung am 14. Februar 2002 eingereichten Haupt- beziehungsweise Hilfsantrag 1 oder 2 aufrechtzuerhalten.

Der Beschwerdegegner hat die Zurückweisung der Beschwerde beantragt.

IX. Am Ende der mündlichen Verhandlung wurde die Entscheidung der Kammer verkündet.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Das Streitpatent ist ausschließlich wegen mangelnder Neuheit gegenüber der Druckschrift (5) widerrufen worden. Einziger Streitpunkt in diesem Beschwerdeverfahren ist daher die Neuheit des Patentgegenstandes im Hinblick auf diese Druckschrift.

Hauptantrag

3. Neuheit

3.1. Die Druckschrift (5) offenbart ein Verfahren zur Herstellung von Alkoholen mittels Hydrierung von Carbonsäure(ester)n oder Aldehyden unter Verwendung eines Katalysators, dessen metallische Zusammensetzung in den Beispielen 7 bis 9, 16 bis 18 und 25 unter die Definition des Anspruchs 1 des Streitpatents fällt. Die anspruchsgemäßen Merkmale Gesamtoberfläche und Porenradiusverteilung des Katalysators sind nicht in dieser Druckschrift angegeben. Dieser Offenbarungsgehalt der Druckschrift (5) wird in der angefochtenen Entscheidung festgestellt und ist insoweit auch zwischen Beschwerdeführer und Beschwerdegegner unstreitig. Die Kammer hat keine Veranlassung, hiervon abzuweichen.

3.2. Die Neuheitsschädlichkeit der Druckschrift (5) für das beanspruchte Verfahren wird in der angefochtenen Entscheidung festgestellt, indem hinsichtlich der Merkmale Gesamtoberfläche und Porenradiusverteilung des Katalysators der Entgegenhaltung auf die Ergebnisse des Versuchsberichtes zurückgegriffen wird, den der beschwerdeführende Patentinhaber im Einspruchsverfahren mit Schriftsatz vom 3. Februar 1999 gerade zum Beweis des Gegenteils, nämlich der Neuheit des Patentgegenstandes gegenüber dieser Druckschrift, eingereicht hat. Die Parteien haben im Beschwerdeverfahren gegenteilige Auffassungen dazu vertreten, ob dieser Versuchsbericht nun die Neuheit des beanspruchten Verfahrens gegenüber der Druckschrift (5) oder die Neuheitsschädlichkeit dieser Druckschrift belege. Die Kammer hält es daher für angezeigt, zuerst diese Streitfrage zu entscheiden ist.

3.2.1. In diesem Versuchsbericht wird ein Katalysator nach einem im einzelnen auf Seite 5 des Schriftsatzes vom 3. Februar 1999 ausgeführten Verfahren hergestellt. Dieses Herstellungsverfahren ist der auf Seite 5, Zeilen 33 bis 41 angegebenen experimentellen Vorschrift der Beispiele von Druckschrift (5) entnommen. Auf Seite 6 des oben genannten Schriftsatzes führt der Versuchsbericht in tabellarischer Form die gemessenen Werte des gemäß Druckschrift (5) nachgearbeiteten Katalysators an. Für den mit der Bezeichnung "1. Versuch" versehenen Katalysator wird eine BET-Gesamtoberfläche von 87. m2/g genannt und außerdem angegeben, daß 100 % der BET-Gesamtoberfläche von Poren eines Radius rp 15 nm gebildet werden. Diese beiden zahlenmäßigen Angaben des Versuchsberichts beruhen auf einem Meßdiagramm mit der Bezeichnung "(KFE492.SOR)", das dem Versuchsbericht beigefügt ist.

3.2.2. Dieses Meßdiagramm gibt die Meßkurve des Katalysators mit der Bezeichnung "1. Versuch" wieder, wie der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer ausgeführt hat. In diesem Diagramm ist als Ordinate die kumulierte BET-Gesamtoberfläche des Katalysators in der Einheit [m2/g] über dessen Porenradius in der Einheit [ ] als Abszisse aufgetragen. Die Meßkurve in diesem Diagramm enthält indessen keine Meßwerte für Porenradien 11 nm, obwohl diese laut Meßpunkt einen wesentlichen Teil der BET-Gesamtoberfläche, nämlich ca. 9 m2/g, ausmachen. Aufgrund dieser Meßlücke kann dem vorgelegten Diagramm gerade nicht die zahlenmäßige Angabe im Versuchsbericht entnommen werden, daß 100 % der BET-Gesamtoberfläche von Poren eines Radius rp 15 nm gebildet werden. Dies hat der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung auch eingeräumt.

3.2.3. Der Beschwerdeführer erläuterte in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer, daß dieses Diagramm durch Verschieben des Koordinatensystems neu zu kalibrieren sei. So sei die Abszissenachse so weit parallel nach oben zu verschieben, bis die Meßkurve die Abszisse schneide, was dann den neuen Nullpunkt auf der Ordinate ergebe. Nach der Neu-Kalibrierung zeige die Meßkurve, daß 100 % der BET-Gesamtoberfläche von Poren eines Radius rp 15 nm herrührten.

Eine derartige Neu-Kalibrierung des Diagramms verschiebt jedoch notwendigerweise gleichzeitig die Skala der Ordinate, wonach die Meßkurve dann einen Wert für die BET-Gesamtoberfläche von ca. 72 m2/g ausweist. Diese Feststellung ist vom Beschwerdeführer nicht bestritten worden. Indessen steht dieser Meßwert der BET-Gesamtoberfläche im Widerspruch zur zahlenmäßigen Angabe im Versuchsbericht von 87 m2/g, für die es folglich keine Grundlage gibt.

3.2.4. Zusammenfassend ist daher festzustellen, daß einerseits das vorgelegte Meßdiagramm die Angabe im Versuchsbericht, 100 % der BET-Gesamtoberfläche des Katalysators würden von Poren eines Radius rp 15 nm gebildet, nicht trägt und andererseits ein "neu-kalibriertes" Meßdiagramm eine von der numerischen Angabe im Versuchsbericht abweichende BET-Gesamtoberfläche des Katalysators ergibt.

3.3. Auf Grund der oben ausgeführten, unauflöslichen Widersprüche und Ungereimtheiten kommt die Kammer zu dem Schluß, daß zumindestens hinsichtlich der Merkmale BET-Gesamtoberfläche und Porenradiusverteilung des Katalysators die Angaben im Versuchsbericht des beschwerdeführenden Patentinhabers vom 3. Februar 1999 nicht glaubwürdig sind. Folglich vermag dieser Versuchsbericht den von Beschwerdeführer behaupteten Unterschied zwischen den im Verfahren der Druckschrift (5) und den im Verfahren des Streitpatents eingesetzten Katalysatoren nicht zu belegen. Mangels Beweiskraft ist der Versuchsbericht bei der Beurteilung der Neuheit des Patentgegenstandes gegenüber dieser Entgegenhaltung vollständig unberücksichtigt zu lassen.

Damit kann weder der Beschwerdeführer seine Behauptung der Neuheit des Streitpatents noch der Beschwerdegegner seine entgegengesetzte Behauptung der fehlenden Neuheit erfolgreich auf dieses Beweismittel stützen.

3.4. Als Konsequenz aus der getroffenen Feststellung der Kammer über die mangelnde Beweiskraft des Versuchsberichtes des beschwerdeführenden Patentinhabers folgt, daß, wie bereits unter Punkt 3.1 ausgeführt, die Druckschrift (5) das streitgegenständliche Verfahren beschreibt, ohne jedoch Angaben über die Merkmale BET-Gesamtoberfläche und Porenradiusverteilung des eingesetzten Katalysators zu enthalten.

3.5. Beide Parteien haben im Beschwerdeverfahren divergierende Auffassungen zu der entscheidungserheblichen Frage vertreten, wer von beiden im vorliegenden Fall die Beweislast trägt, ob die im Verfahren der Druckschrift (5) eingesetzten Katalysatoren nun hinsichtlich BET-Gesamtoberfläche und Porenradiusverteilung gleich oder unterschiedlich zu den im streitgegenständlichen Verfahren eingesetzten seien.

Nicht er als Patentinhaber, so der Beschwerdeführer, trage die Beweislast für die Neuheit des Patentgegenstandes, sondern der beschwerdegegnerische Einsprechende sei für die Neuheitsschädlichkeit der Druckschrift (5) beweispflichtig. Der Beschwerdegegner sei seiner Beweisplicht jedoch nicht nachgekommen. Bei dem besonderen Offenbarungsgehalt der Druckschrift (5), so der Beschwerdegegner, finde im vorliegenden Fall eine Beweislastumkehr zu seinen Gunsten als Einsprechender statt, so daß der beschwerdeführende Patentinhaber für die Neuheit seines erteilten Patentes Beweis antreten müsse.

3.5.1. Nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern reicht es in einem Einspruchs(beschwerde)verfahren nicht aus, wenn der Einsprechende ein erteiltes Patent mit einer nicht belegbaren Behauptung angreift. Stellen die Parteien entgegengesetzte Tatsachenbehauptungen auf und kann der Sachverhalt von Amts wegen nicht aufgeklärt werden, so geht es zu Lasten des angreifenden Einsprechenden, wenn er seine Behauptung, welche die Patentfähigkeit erschüttern würde, nicht zu belegen vermag. Daher kann eine solche Behauptung nur als unbewiesene Vermutung behandelt werden, die der Patentfähigkeit des erteilten Patents im Ergebnis nicht entgegenzustehen vermag. Diese Beweispflicht gilt insbesondere, wenn der Einsprechende Einwände gegen die Neuheit des Patents erhebt (siehe Entscheidungen T 219/83, Punkt 12 der Entscheidungsgründe, ABl. EPA 1986, 211; T 525/90, Punkte 3.2 und 4 der Entscheidungsgründe; T 954/93, Punkt 7.6 der Entscheidungsgründe, beide nicht veröffentlicht im ABl. EPA).

Im vorliegenden Fall greift der beschwerdegegnerische Einsprechende die Neuheit des Streitpatents mit der Behauptung der Neuheitsschädlichkeit der Druckschrift (5) an. Er stellt dafür die Tatsachenbehauptung auf, daß die im Verfahren dieser Entgegenhaltung eingesetzten Katalysatoren zahlenmäßig eine BET-Gesamtoberfläche und Porenradiusverteilung aufweisen, die innerhalb des beanspruchten Bereiches des Streitpatents liegen. Der beschwerdeführende Patentinhaber tritt dieser Behauptung entgegen und der Sachverhalt kann von Amts wegen nicht aufgeklärt werden. Somit kann die Behauptung des beschwerdegegnerischen Einsprechenden, die im Verfahren der Druckschrift (5) eingesetzten Katalysatoren seien hinsichtlich BET-Gesamtoberfläche und Porenradiusverteilung identisch zu den im Verfahren des Streitpatents verwendeten mit der Folge, daß das in dieser Entgegenhaltung offenbarte Verfahren das beanspruchte Verfahren neuheitsschädlich vorwegnehme, nur als unbewiesene Vermutung behandelt werden, welche die Neuheit des Streitpatents nicht zu zerstören vermag.

3.5.2. Der Beschwerdegegner hat nun eingewandt, daß im vorliegenden Fall die Beweislast nicht bei ihm als Einsprechendem liege, denn es bestünden begründete Zweifel an der Neuheit des Patentgegenstandes gegenüber der Druckschrift (5), da das Herstellungsverfahren des Katalysators im Streitpatent und das in der Druckschrift (5) gleich seien, woraus sich der zwingende Schluß ergebe, daß auch die hergestellten Katalysatoren selbst sich nicht unterschieden. Dies ergebe sich auch aus dem Versuchsbericht des Beschwerdeführers, dessen Ergebnisse ebenfalls in diese Richtung zeigten. Auch sei der im Versuchsbericht angegebene Wert für die Porenradiusverteilung im Katalysator von 100 % der BET-Gesamtoberfläche aus einem Porenradius 15 nm zahlenmäßig nur geringfügig von dem anspruchsgemäßen Grenzwert von 95 % entfernt und beide Werte unterschieden sich wohl kaum, wenn man von einer Fehlergrenze von 5 % ausgehe. Ihm, dem Beschwerdegegner, sei somit der Anscheinsbeweis der Neuheitsschädlichkeit der Druckschrift (5) gelungen. Damit kehre sich die Beweislast um, nämlich sie verschiebe sich von ihm als Einsprechendem auf den beschwerdeführenden Patentinhaber.

3.5.2.1. Einerseits stützt sich der Beschwerdegegner hierbei auf die Ergebnisse und die Zahlenangaben des Versuchsberichtes des Beschwerdeführers. Dieser Versuchsbericht ist jedoch, wie unter Punkt 3.3 im einzelnen ausgeführt, mangels Beweiskraft vollständig unberücksichtigt zu lassen.

3.5.2.2. Andererseits geht der Einwand des Beschwerdegegners von der Voraussetzung der Identität des Verfahrens zur Herstellung des Katalysators in Druckschrift (5) und im Streitpatent aus. Diese Voraussetzung ist indessen nicht erfüllt, da sich der Fällungs- und der Calcinierungsschritt, welche unbestritten die wesentlichen Verfahrensschritte für die Ausbildung der Oberflächenmerkmale des Katalysators darstellen, in Entgegenhaltung und Streitpatent unterscheiden. So wird im Streitpatent der Fällungsschritt durch langsames Zusammenführen der Mischsalzlösung und des Fällungsmittels unter intensiver Vermischung bei einer Temperatur von oberhalb 70 C und einem konstanten pH-Wert innerhalb eines Bereich von 6,5 bis 8,5 ohne nachfolgende Alterung durchgeführt (Seite 4, Zeilen 1 bis 9), während in Druckschrift (5) der Fällungsschritt durch schnelle Zugabe des Fällungsmittels zur Mischsalzlösung bei einer Temperatur von 60 C und einem beliebigen pH-Wert mit anschließender dreistündiger Alterung durchgeführt wird (Seite 5, Zeilen 36 bis 48). Die Dauer der Calcinierung beträgt im Streitpatent mindestens 3. Stunden (Seite 4, Zeile 15), in der Entgegenhaltung indessen 2 Stunden (Seite 5, Zeile 40). Eine Identität der Katalysator- Herstellungsverfahren im Streitpatent und in Druckschrift (5) und einer sich daraus zwangsläufig ergebenden Gleichheit der Oberfläche der Katalysatoren selbst, wie vom Beschwerdegegner behauptetet, wird somit von den Tatsachen nicht gestützt.

3.5.2.3. Aus diesen Gründen vermag das Vorbringen des Beschwerdegegners, im vorliegenden Fall die Beweislast von ihm als Einsprechendem auf den Patentinhaber zu verschieben, die Kammer nicht zu überzeugen.

3.5.3. Zusammenfassend fehlt es der Druckschrift (5) folglich an der notwendigen zahlenmäßigen Offenbarung der BET-Gesamtoberfläche und der Porenradiusverteilung des im Herstellungsverfahren eingesetzten Katalysators, wie sie Anspruch 1 des Streitpatents fordert. Nachdem der beschwerdegegnerische Einsprechende seiner Beweispflicht hinsichtlich dieser beiden Merkmale nicht genügt hat, geht diese Beweislücke zu seinen Lasten, so daß sein auf diese Entgegenhaltung gestützter Neuheitseinwand nicht durchgreift.

3.6. Die Kammer kommt daher zu dem Schluß, daß die Druckschrift (5) den beanspruchten Gegenstand nicht neuheitsschädlich vorwegnimmt.

4. Zurückverweisung (Artikel 111 EPÜ)

Da das Streitpatent einzig wegen mangelnder Neuheit gegenüber der Druckschrift (5) widerrufen worden ist, die Kammer indessen die Neuheit des Patentgegenstandes gegenüber dieser Entgegenhaltung festgestellt hat, war die angefochtene Entscheidung aufzuheben. Gleichwohl hat die Kammer keine Entscheidung in der ganzen Angelegenheit getroffen, da die Einspruchsabteilung weder zur Neuheit des Patentgegenstandes gegenüber dem weiterem, im Verfahren befindlichen Stand der Technik noch zu weiteren Fragen der Patentierbarkeit, insbesondere der erfinderischen Tätigkeit, eine beschwerdefähige Entscheidung getroffen hat. Hierzu steht eine abschließende Prüfung der ersten Instanz noch aus. Die Kammer hält es daher nicht für angezeigt, an deren Statt diese Fragen zu entscheiden, um auch diesbezüglich den Parteien die Möglichkeit auf eine Beschwerde vor der zweiten Instanz zu erhalten. Unter diesen Umständen verweist die Kammer in Ausübung ihrer Befugnisse gemäß Artikel 111 (1) EPÜ die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an die erste Instanz zurück. Durch diese Zurückverweisung wird weder dem Beschwerdeführer noch dem Beschwerdegegner die Möglichkeit eröffnet, vor der ersten Instanz auf bereits von der Kammer entschiedene Fragen erneut zurückzukommen, da die Einspruchsabteilung bei unverändertem Tatbestand an die rechtliche Beurteilung durch die Kammer gemäß Artikel 111 (2) EPÜ gebunden ist.

Hilfsanträge 1 und 2

5. Nachdem dem Hauptantrag des Beschwerdeführers stattgegeben wird, war auf seine nachrangigen Hilfsanträge 1 und 2 nicht weiter einzugehen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird zur weiteren Entscheidung auf Basis der Ansprüche 1 bis 10 des Hauptantrages, eingereicht in der mündlichen Verhandlung am 14. Februar 2002, an die erste Instanz zurückverwiesen.

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