T 0461/99 () of 19.7.2001

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2001:T046199.20010719
Datum der Entscheidung: 19 Juli 2001
Aktenzeichen: T 0461/99
Anmeldenummer: 93111479.7
IPC-Klasse: F01N 7/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Anpassung von Verfahren zur Katalysatorwirkungsgradüberprüfung an Katalysatoren mit unterschiedlichem Wirkungsgrad
Name des Anmelders: SIEMENS AKTIENGESELLSCHAFT
Name des Einsprechenden: Robert Bosch GmbH
Kammer: 3.2.04
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 84
Schlagwörter: Neuheit - offenkundige Vorbenutzung (verneint) - unzureichende Beweisführung
Erfinderische Tätigkeit (bejaht)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0472/92
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat gegen die am 26. Februar 1999 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung über die Zurückweisung des Einspruchs gegen das europäische Patent Nr. 0 634 567, unter gleichzeitiger Entrichtung der Beschwerdegebühr, die am 28. April 1999 eingegangene Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdebegründung ist am 25. Juni 1999 eingegangen.

II. Mit dem Einspruch war das gesamte Patent im Hinblick auf Artikel 100 a) EPÜ angegriffen worden.

Die Einspruchsabteilung war aber der Auffassung, daß die vorgebrachten Einspruchsgründe der Aufrechterhaltung des Patents in unveränderter Form nicht entgegenstünden.

III. Von den im Einspruchsverfahren berücksichtigten Entgegenhaltungen hat die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer nur noch folgende Druckschrift genannt:

D2: DE-A-4 101 616.

Zusätzlich hat sie auf folgende, erstmals im Beschwerdeverfahren genannte Druckschrift verwiesen:

D7: Bosch Technische Berichte, Band 7 (1984) Heft 5, Seiten 210 - 219.

Außerdem hat die Beschwerdeführerin im Beschwerdeverfahren zum ersten Mal eine offenkundige Vorbenutzung geltend gemacht und im Zusammenhang damit folgende Unterlagen vorgelegt:

(I) Erzeugnis-Freigabe vom 13.02.1992, Blatt 1 und 2, Best.-Nr. 0 258 003 335

(II) Erzeugnis-Freigabe vom 13.02.1992, Blatt 1 und 2, Best.-Nr. 0 258 003 336

(III) Zeichnung A 258 812 104, Blatt 304 zu Best.-Nr. 0 258 003 335

(IV) Zeichnung A 258 352 104, Blatt 237 zu Best.-Nr. 0 258 003 336

(V) Verladeliste 1 vom 25.05.1993 zu Best.-Nr. 0 258 003 335

(VI) Verladeliste 1 vom 10.05.1993 zu Best.-Nr. 0 258 003 336

(VII) Projektblatt zu Projektnummer 19/117.4 (2 Seiten)

(VIII) Projektblatt zu Projektnummer 19/117.5 (2 Seiten)

(IX) geänderte Zeichnung A 258 812 104, Blatt 304 zu Best.-Nr. 0 258 003 335

(X) geänderte Zeichnung A 258 352 104, Blatt 237 zu Best.-Nr. 0 258 003 336

(XI) Applikationshinweis APP 123 vom 30. September 1991 (von der Beschwerdeführerin als D8 bezeichnet)

(XII) Gesprächsprotokoll eines Abstimmungsgesprächs Komponenten-, Systementwicklung und Applikation in Si am 21. November 1991

(XIII) Internes Kenndatenblatt Y 258 K12 084 (10 Blatt) vom 28.11.91.

IV. Die mündliche Verhandlung hat am 19. Juli 2001 stattgefunden.

Die Beschwerdeführerin hat beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) hat beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

V. Anspruch 1 in der erteilten Fassung lautet wie folgt:

"Vorrichtung zur Anpassung von Verfahren zur Katalysatorwirkungsgradüberprüfung an Katalysatoren mit unterschiedlichen Wirkungsgrad, bei der vor und nach dem Katalysator (3) je eine Sauerstoffsonde (2, 4) angeordnet ist und die Sauerstoffsonde (2, 4) unterschiedliche Ansprechzeiten haben, dadurch gekennzeichnet, daß die Ansprechzeit der Sauerstoffsonde durch eine Veränderung des Schutzrohres der Sauerstoffsonde variiert wird."

VI. Zur Stützung ihres Antrags hat die Beschwerdeführerin folgendes vorgetragen:

Aus dem mit VII bezeichneten Projektblatt sowie den mit I und II bezeichneten Erzeugnisfreigaben sei zu entnehmen, daß die Beschwerdeführerin zusammen mit der Firma Volvo ein Projekt betrieben habe, in dessen Rahmen für Fahrzeuge für den kalifornischen Markt mit Serienanlauf 1. Mai 1993 Motronic-Systeme entwickelt worden seien, die eine Lambda-Sonde vor und eine Lambda-Sonde nach dem Katalysator enthielten. Wie in den mit III, IV, IX und X bezeichneten Zeichnungen gezeigt sei, umfasse die vor dem Katalysator angeordnete Sonde mit der Erzeugnisnummer 0 258 003 336 ein Schutzrohr mit 3. Schlitzen und die hinter dem Katalysator angeordnete Sonde mit der Erzeugnisnummer 0 258 003 335 ein Schutzrohr mit einem Loch und vier Klappen. Unter Berücksichtigung des mit XI, XII und XIII bezeichneten Beweismaterials sei es offensichtlich, daß die vor und hinter dem Katalysator angeordneten Sonden aufgrund ihrer unterschiedlichen Schutzrohre eine unterschiedliche Ansprechzeit hätten. Folglich entspreche die den Katalysator und die beiden Sonden umfassende Baugruppe der vorangehend genannten Motronic-Systeme der in Anspruch 1 vorgeschlagenen Vorrichtung. Aus den mit V und VI bezeichneten Verladelisten sei ersichtlich, daß Sonden mit der Erzeugnisnummer 0 258 003 335 am 27. Mai 1993 und Sonden mit der Erzeugnisnummer 0 258 003 336 am 13. Mai 1993 zum Versand an die Firma Volvo in Gent (BE) verladen worden seien. Aufgrund der üblichen Zustell- und Produktionszeiten sei davon auszugehen, daß die für den kalifornischen Markt vorgesehenen Fahrzeuge mit den eingebauten Sonden bei der Firma Volvo in Gent spätestens Anfang Juni 1993 fertiggestellt und spätestens Anfang Juli 1993 bei den Händlern in Kalifornien angekommen seien. Daher sei die dem Gegenstand nach Anspruch 1 entsprechende Baugruppe der Öffentlichkeit vor dem Anmeldetag des angefochtenen Patents zugänglich gewesen. Neben den kalifornischen Autohändlern müßte auch schon die Firma Volvo als Öffentlichkeit angesehen werden, da die Entwicklung des Gemeinschaftsprojekts zum Zeitpunkt der Lieferung der ersten Serienteile abgeschlossen gewesen sei und somit keine Geheimhaltungspflicht mehr bestanden habe. Kurz vor dem Serienstart stehe die Geheimhaltung eines solchen Projekts nämlich nicht mehr im Vordergrund, sondern es überwiege aus wirtschaftlichen Erwägungen heraus das Interesse, die Öffentlichkeit über das Projekt zu informieren. Unter Berücksichtigung der geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzung sei der Gegenstand nach Anspruch 1 des angefochtenen Patents nicht mehr neu.

Im Hinblick auf die Entgegenhaltungen D2 und D7 beruhe dieser Gegenstand außerdem nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Aus D2, die den der Vorrichtung nach Anspruch 1 am nächsten kommende Stand der Technik bilde, sei bereits eine Vorrichtung zur Katalysatorwirkungsgradüberprüfung mit einer vor einem Katalysator und einer danach angeordneten Sauerstoffsonde bekannt, wobei die Sauerstoffsonden unterschiedliche Ansprechzeiten hätten, wie es in Spalte 1, Zeilen 17 und 18 der D2 beschrieben sei. Demnach sei die bekannte Vorrichtung zu Überprüfungen in einem großen Wirkungsgradbereich geeignet und D2 offenbare eine Vorrichtung, wie sie im Oberbegriff von Anspruch 1 des angefochtenen Patents definiert werde. Hiervon ausgehend liege dem Gegenstand des angefochtenen Patents die Aufgabe zugrunde, Mittel zur Realisierung der unterschiedlichen Ansprechzeiten der beiden Sauerstoffsonden anzugeben. Zur Lösung dieser Aufgabe könne der Fachmann aus D7 (insbesondere aus den Ausführungen auf den Seiten 213 bis 218) die Anregung entnehmen, die Ansprechzeit einer Sauerstoffsonde durch eine Änderung von deren Schutzrohr zu beeinflussen. Die naheliegende Anwendung dieser Lehre auf die aus D2 bekannte Vorrichtung würde dann zwangsläufig zum Gegenstand nach Anspruch 1 führen.

VII. Die Beschwerdegegnerin hat diesen Ausführungen widersprochen und hat folgendes vorgebracht:

Die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Beweise für die geltend gemachten offenkundige Vorbenutzung seien nicht ausreichend, um die vom EPA dafür geforderten strengen Anforderungen zu erfüllen. Insbesondere sei zweifelhaft, ob die Öffentlichkeit tatsächlich vor dem Anmeldetag des angefochtenen Patents Zugang zu dem von der Beschwerdeführerin genannten Motronic-System hatte. So läge kein Beweismittel vor, aus dem hervorgehe, wann die Sonden mit den Erzeugnisnummern 0 258 003 335 und 0. 258 003 336 an die Firma Volvo versandt worden seien, wann sie dort angekommen seien, wann sie in ein für den kalifornischen Markt vorgesehenes Fahrzeug eingebaut worden seien und wann sie bei den Händlern in Kalifornien eingetroffen seien. Im Hinblick auf die eng zusammenliegenden Zeitpunkte der angeblichen Auslieferung des Gegenstands der geltend gemachten Vorbenutzung und der Anmeldung des angefochtenen Patents seien aber gerade diese Daten von erheblicher Bedeutung. Ferner sei auch nicht nachgewiesen worden, daß zum Zeitpunkt der Lieferung der Sonden an die Firma Volvo keine Geheimhaltungsverpflichtung mehr zwischen der Beschwerdeführerin und der Firma Volvo bestand. Die Firma Volvo könne daher keinesfalls als Öffentlichkeit betrachtet werden. Nachdem die geltend gemachte offenkundige Vorbenutzung nicht ausreichend bewiesen worden sei, könne sie dem Patentgegenstand nicht als Stand der Technik entgegengehalten werden.

Es sei richtig, daß D2 eine Vorrichtung offenbare, wie sie im Oberbegriff von Anspruch 1 des angefochtenen Patents als bekannt vorausgesetzt sei. Allerdings seien die unterschiedlichen Ansprechzeiten der dort beschriebenen Sonden als unerwünschte Effekte dargestellt und D2 befasse sich damit, wie der Einfluß der unterschiedlichen Ansprechzeiten unterdrückt werden könne. Folglich würde der Fachmann davon abgehalten, in der Vorrichtung gemäß D2 Maßnahmen zu ergreifen, um die Ansprechzeiten der beiden Sauerstoffsonden absichtlich unterschiedlich einzustellen. Auch D7 könne keine Anregung in Richtung des im angefochtenen Patent beanspruchten Gegenstands geben. Zum einen beträfe diese Druckschrift nur einzelne Sauerstoffsonden und zum anderen werde die Sondenschaltzeit hier nur beeinflußt, um die starke Asymmetrie der Sondenschaltzeiten bei einem Abgassprung von "fett" nach "mager" und umgekehrt zu mindern. Somit könnten D2 und D7 nicht dazu anregen, die Ansprechzeiten der vor und nach einem Katalysator angeordneten Sauerstoffsonden unterschiedlich festzulegen, um eine Überprüfung des Katalysators über einen großen Wirkungsgradbereich zu ermöglichen. Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei daher durch den entgegengehaltenen Stand der Technik nicht nahegelegt.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Interpretation von Anspruch 1

2.1. Nach seinem einleitenden Wortlaut ist Anspruch 1 auf eine "Vorrichtung zur Anpassung von Verfahren zur Katalysatorwirkungsgradüberprüfung an Katalysatoren mit unterschiedlichen Wirkungsgrad" gerichtet. Hierzu umfaßt die Vorrichtung gemäß Anspruch 1 zwei Sauerstoffsonden, die vor und nach einem Katalysator angeordnet sind und die unterschiedliche Ansprechzeiten haben. Außerdem ist die Vorrichtung nach Anspruch 1 durch einen Verfahrensschritt beschrieben, gemäß dem die Ansprechzeiten der Sauerstoffsonden durch eine Veränderung der Schutzrohre der Sauerstoffsonden variiert werden.

Ein konkretes Merkmal, wie mit der beanspruchten Vorrichtung eine Anpassung von Verfahren zur Katalysatorwirkungsgradüberprüfung an Katalysatoren mit unterschiedlichen Wirkungsgrad erreicht werden kann, ist in Anspruch 1 aber nicht enthalten. Anspruch 1 gibt dem Fachmann daher keine klare technische Lehre zum Handeln. Nachdem mangelnde Klarheit (Art. 84 EPÜ) aber kein Einspruchsgrund ist und eine Anspruchsänderung im Sinne von Regel 57a EPÜ nicht allein wegen dieses Mangels möglich ist, ist es bei der gegebenen Sachlage für die weitere Beurteilung dieses Anspruchs notwendig, seinen Wortlaut zu interpretieren.

2.2. Im Hinblick auf das Merkmal, wonach die Ansprechzeit jeder der Sauerstoffsonden durch eine Veränderung des Schutzrohres der Sauerstoffsonde variiert wird, ist aus der Beschreibung des angefochtenen Patents lediglich der allgemeine Hinweis darauf zu entnehmen, daß die Ansprechzeit einer Sauerstoffsonde durch eine Veränderung ihrer Schutzrohrlänge verändert werden kann (siehe Spalte 2, Zeile 24). Wie und wann die Sonden der beanspruchten Vorrichtung "variiert" werden sollen, um die in der Patentschrift genannte Aufgabe (siehe Spalte 1, Zeilen 47 bis 50) zu lösen, ist jedoch nicht dargelegt. Vielmehr wird nur darauf hingewiesen, daß eine kürzere Ansprechzeit der hinteren Sonde insbesondere eine Überprüfung des Katalysators in einem Bereich ermöglicht, in dem der Wirkungsgrad der Sonde noch recht gut ist, während eine längere Ansprechzeit dieser Sonde insbesondere eine Überprüfung eines Katalysators mit einem sehr schlechten Wirkungsgrad ermöglicht (siehe Spalte 2, Zeilen 5 bis 20 des angefochtenen Patents).

Da es wenig wahrscheinlich erscheint und offenbar auch nicht beabsichtigt ist, daß die Schutzrohre der Sauerstoffsonden nach ihrer Anordnung vor und nach dem Katalysator während ihrer Betriebszeit verändert werden, um eine Überprüfung in beiden der vorangehend genannten Bereiche zu ermöglichen, kann der Begriff "Variieren der Schutzrohre" nur als "einmaliges Festlegen der Schutzrohre" interpretiert werden.

2.3. Der Begriff "Vorrichtung zur Anpassung von Verfahren zur Katalysatorwirkungsgradüberprüfung an Katalysatoren mit unterschiedlichem Wirkungsgrad" wird von der Kammer daher so verstanden, daß damit eine Vorrichtung zur Katalysatorwirkungsgradüberprüfung definiert wird, die eine einmalige Anpassung an einen Katalysator mit einem bestimmten Wirkungsgrad ermöglicht. Die diese Vorrichtung beschreibenden Merkmale von Anspruch 1 werden so aufgefaßt, daß die Anpassung vor ihrer Inbetriebnahme durch die Auswahl unterschiedlicher Schutzrohre für eine vor und eine nach dem Katalysator angeordnete Sauerstoffsonde erfolgt, so daß die Sonden unterschiedliche Ansprechzeiten aufweisen.

3. Offenkundige Vorbenutzung des Gegenstands nach Anspruch 1

3.1. Nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammern muß eine offenkundige Vorbenutzung zweifelsfrei nachgewiesen werden. Insbesondere in Fällen in denen praktisch alle Beweismittel für die geltend gemachte offenkundige Vorbenutzung der Verfügungsmacht und dem Wissen des Einsprechenden unterliegen und der Patentinhaber keinen Zugang dazu hat, muß der Einsprechende seine Behauptungen lückenlos nachweisen, weil der Patentinhaber so gut wie keine Möglichkeit hat, das Gegenteil zu beweisen (siehe z. B. T 472/92, ABl. EPA 1998, 161).

3.2. Nachdem die Beschwerdeführerin im vorliegenden Fall eine eigene, der Beschwerdegegnerin unzugängliche Vorbenutzung geltend gemacht hat, ist es gemäß der vorangehend erwähnten Rechtsprechung notwendig, diese Vorbenutzung lückenlos und zweifelsfrei nachzuweisen.

Dieses Erfordernis ist im Hinblick auf den Zeitpunkt und den Ort der geltend gemachten Vorbenutzung jedoch nicht erfüllt. Nach Auffassung der Beschwerdeführerin ist die Vorbenutzung der Öffentlichkeit mit dem Einbau der Lambda-Sonden mit den Erzeugnisnummern 0 258 003 335 und 0. 258 003 336 in Fahrzeuge der Firma Volvo zugänglich geworden oder zumindest mit dem Eintreffen der mit diesen Sonden ausgestatteten Fahrzeuge bei den Autohändlern in Kalifornien. Es liegt jedoch weder ein Beweis dafür vor, wann die Sonden bei der Firma Volvo eingegangen und in von ihr produzierte Fahrzeuge eingebaut worden sind, noch dafür, wann die damit bestückten Fahrzeuge bei den Händlern in Kalifornien eingetroffen sind. Vielmehr leitet die Beschwerdeführerin aus den mit den Verladelisten V und VI nachgewiesenen Verladeterminen für die Sonden ab, daß unter Berücksichtigung der üblichen Zustell- und Produktionszeiten die Fahrzeuge mit den eingebauten Sonden spätestens Anfang Juni 1993 bei der Firma Volvo fertiggestellt und spätestens Anfang Juli 1993 bei den Händlern in Kalifornien eingetroffen sein sollen. Diese auf mehreren Annahmen beruhende Beweisführung ist jedoch nicht geeignet zweifelsfrei nachzuweisen, daß die von der Beschwerdeführerin genannten Herstellungs- und Auslieferungsdaten auch tatsächlich erreicht wurden.

Aus der mit VI bezeichneten Ladeliste ist zu entnehmen, daß am 13. Mai 1993 60 Lambda-Sonden mit der Erzeugnisnummer 0 258 003 336 bei der Beschwerdeführerin zum Versand an die Firma Volvo verladen wurden. Aus der mit V bezeichneten Liste geht hervor, daß am 27. Mai 1993, also erst 14 Tage später, 300 Lambda-Sonden mit der Erzeugnisnummer 0 258 003 335 bei der Beschwerdeführerin zum Versand an die Firma Volvo verladen wurden. Aufgrund der unterschiedlichen Verladetermine erheben sich Zweifel, ob die in den Verladelisten V und VI, insbesondere unter Berücksichtigung der auch von der Beschwerdeführerin angesprochenen heute üblichen "just-in-time" Anlieferung, tatsächlich zusammen in die für den kalifornischen Markt vorgesehenen Fahrzeuge eingebaut wurden. Außerdem ist unklar, wann die übrigen zum Motronic-System gemäß Projektblatt VII gehörigen Teile, insbesondere der Katalysator vor und hinter dem die Sonden eingebaut werden sollten, bei Volvo eingetroffen sind und wann sie dort in Fahrzeuge ab dem Modelljahr 1994 für den kalifornischen Markt eingebaut wurden. Aufgrund der unterschiedlichen Verladetermine der Sonden mit den Erzeugnisnummern 0 258 003 335 und 0 258 003 336 könnte es auch möglich sein, daß diese Teile, wie eventuell auch die weiteren zum Motronic-System gehörigen Teile bei der Firma Volvo bis zum endgültigen Einbautermin zwischengelagert wurden. In dieser Hinsicht ist auch zu berücksichtigen, daß die Auslieferung der Fahrzeuge des Modelljahres 1994 nicht unbedingt schon im Juni 1993 notwendig war.

Somit hat die Beschwerdeführerin nicht zweifelsfrei und lückenlos nachgewiesen, daß die Sonden mit den Erzeugnisnummern 0 258 003 335 und 0 258 003 336 tatsächlich spätestens Anfang Juni 1993 gemäß Projektblatt VII in die für den kalifornischen Markt vorgesehenen Fahrzeuge der Firma Volvo eingebaut wurden, ganz zu schweigen davon daß diese Fahrzeuge spätestens Anfang Juli 1993 bei den Händlern in Kalifornien eingetroffen sind.

Ferner wurde auch nicht schlüssig nachgewiesen, daß die Firma Volvo zum angegebenen Zeitpunkt des Empfangs der Sauerstoffsonden der Öffentlichkeit zuzurechnen war. Die Behauptung der Beschwerdeführerin, daß kurz vor dem Serienstart keine Geheimhaltungspflicht mehr bestanden habe, weil zu diesem Zeitpunkt das Interesse überwogen hätte, die Öffentlichkeit über die gemeinsam entwickelte Vorrichtung zur Katalysatorwirkungsgradüberprüfung zu informieren, ist nicht überzeugend, weil keinerlei Beweismittel (wie z. B. ein Prospekt) vorgelegt wurde, aus dem hervorgeht, daß die Öffentlichkeit tatsächlich darüber informiert wurde. Folglich ist unter Annahme der üblichen Geheimhaltungsverpflichtung zwischen den an einem gemeinsamen Projekt Beteiligten davon auszugehen, daß die Firma Volvo nicht als Öffentlichkeit angesehen werden kann.

Auch für die von der Beschwerdeführerin angesprochene Studien-Gruppe mit anderen Automobilherstellern, in deren Rahmen weiteren Firmen die vorgebrachte offenkundige Vorbenutzung bekannt geworden sein soll, gibt es keine Beweise.

3.3. Nachdem die geltend gemachte offenkundige Vorbenutzung nicht im erforderlichen Umfang nachgewiesen wurde, kann sie nicht dem für den vorliegenden Fall zu berücksichtigenden Stand der Technik zugerechnet werden.

4. Erfinderische Tätigkeit

4.1. Der dem Gegenstand nach Anspruch 1 am nächsten kommende Stand der Technik geht unstrittig aus der bereits im angefochtenen Patent zitierten D2 hervor. Diese Druckschrift offenbart (siehe z. B. Figur 2) eine Vorrichtung zur Katalysatorwirkungsgradüberprüfung, bei der vor und nach einem Katalysator (15) je eine Sauerstoffsonde (16, 18) angeordnet ist. Nachdem D2 außerdem beschreibt (siehe Spalte 1, Zeilen 17 bis 20), daß die Ansprechzeit bei den jeweiligen Sauerstoffsensoren aufgrund deren Ungleichförmigkeit unterschiedlich ist und daß sie sich zusätzlich infolge mit der Zeit auftretenden Änderungen der Eigenschaften des Sauerstoffsensors ändert, ist davon auszugehen, daß auch die Sauerstoffsonden der in D2 offenbarten Vorrichtung unterschiedliche Ansprechzeiten haben.

Allerdings weist D2 auch noch darauf hin (siehe Spalte 1, Zeilen 21 bis 24 und Spalte 4, Zeilen 51 bis 55), daß es aufgrund der unterschiedlichen Ansprechzeiten unmöglich oder zumindest sehr schwierig ist, den Reinigungsfaktor eines Katalysators mit zufriedenstellender Genauigkeit allein von der Ansprechverzögerungszeit ausgehend zu ermitteln. Daher schlägt D2 eine Maßnahme vor, nämlich die Ermittlung des Reinigungsfaktors aus einer Abweichung zwischen einer ersten und einer zweiten, bei unterschiedlichen Betriebszuständen der zugeordneten Brennkraftmaschine bestimmten Ansprechverzögerungszeitdifferenz, mit der der Einfluß der unterschiedlichen Ansprechzeiten der Sauerstoffsonden unterdrückt werden soll. Daraus ist zu schließen, daß eine bewußte Beeinflussung der Sauerstoffsonden, so daß sie unterschiedliche Ansprechzeiten aufweisen, nach D2 nicht vorgesehen ist. Vielmehr werden die unterschiedlichen Ansprechzeiten als unvermeidlicher Nachteil dargestellt, der bei der Katalysatorwirkungsgradüberprüfung besondere Maßnahmen erfordert.

4.2. Von der aus D2 bekannten Vorrichtung ausgehend ist die dem Gegenstand des angefochtenen Patents zugrundeliegende Aufgabe unter Berücksichtigung der Ausführungen im Abschnitt 2 weiter oben darin zu sehen, eine derartige Vorrichtung - vor Inbetriebnahme - so auszugestalten, daß sie an einen Katalysator mit einem bestimmten Wirkungsgrad angepaßt werden kann, so daß - während des Betriebs - eine Überprüfung über einem großen Wirkungsbereich ermöglicht wird.

4.3. Zur Lösung dieser Aufgabe ist es gemäß Anspruch 1 sinngemäß vorgesehen (siehe Abschnitt 2.3), daß die Ansprechzeit der vor und nach dem Katalysator angeordneten Sauerstoffsonden durch unterschiedliche Schutzrohre festgelegt wird.

4.4. Für eine derartige Maßnahme gibt es im nachgewiesenen Stand der Technik keine Anregung. Aus D7 kann der Fachmann zwar die technische Lehre entnehmen, die Ansprechzeit einer Sauerstoffsonde durch die Auswahl des Durchlaßquerschnitts ihres Schutzrohres zu verändern (siehe Seite 211, rechte Spalte, 2. Absatz und Seite 214, linke Spalte, 3. Absatz). Diese Lehre zielt jedoch nur darauf ab, durch die Wahl eines geeigneten Durchlaßquerschnitts für das Schutzrohr einer einzelnen Sonde die Asymmetrie der Ansprechzeiten bei einem Sprung der Abgaszusammensetzung zu mindern. Ein Hinweis darauf, für zwei Sonden zur Katalysatorwirkungsgradüberprüfung bewußt unterschiedliche Schutzrohre vorzusehen, ist aus D7 jedoch nicht zu entnehmen, ganz zu schweigen davon, um auf diese Weise eine Überprüfung in einem bestimmten Wirkungsgradbereich zu ermöglichen.

4.5. Die Ausführungen der Beschwerdeführerin, wonach eine Kombination der aus D2 und D7 zu entnehmenden Lehren in naheliegender Weise zum Gegenstand nach Anspruch 1 führen würde, sind demgegenüber nicht überzeugend.

Es ist zwar richtig, daß D2 bereits eine Vorrichtung betrifft, die im Grundaufbau mit der im Oberbegriff von Anspruch 1 des angefochtenen Patents definierten Vorrichtung übereinstimmt. Nachdem es aber nicht vorgesehen ist, daß die Ansprechzeiten der in D2 beschriebenen Sonden gezielt aufeinander abgestimmt werden, kann diese Entgegenhaltung nicht offenbaren, daß die daraus bekannte Vorrichtung eine Anpassung an einen Katalysator mit einem bestimmten Wirkungsgrad ermöglicht. Folglich unterscheidet sich der Gegenstand nach Anspruch 1 des angefochtenen Patents von der Vorrichtung gemäß D2 nicht nur dadurch, daß die unterschiedlichen Ansprechzeiten der Sonden durch die Auswahl unterschiedlicher Schutzrohre erfolgt, sondern auch noch dadurch, daß mit den unterschiedlichen Ansprechzeiten ein bestimmter Zweck verfolgt wird.

Nachdem D2 die unterschiedlichen Ansprechzeiten als nachteilig für die Ermittlung des Katalysatorwirkungsgrades darstellt und darauf abzielt deren Einfluß darauf zu unterdrücken, wird der Fachmann nicht in Erwägung ziehen, in der aus D2 bekannten Vorrichtung auch noch Mittel vorzusehen, die absichtlich zu unterschiedlichen Ansprechzeiten führen. Vielmehr ist sowohl die von der Beschwerdeführerin genannte Aufgabe, wonach Mittel zur Realisierung der unterschiedlichen Ansprechzeiten der in D2 gezeigten Sonden angegeben werden sollen, als auch das Vorsehen von unterschiedlichen Schutzrohren für diese Sonden nicht mit der aus D2 zu entnehmenden Lehre vereinbar.

Die Kammer ist daher davon überzeugt, daß es für den Fachmann nicht nahegelegen hat, die aus D7 zu entnehmende Anregung, die Ansprechzeit einer Sauerstoffsonde durch die Gestaltung ihres Schutzrohres festzulegen, bei der Vorrichtung nach D2 anzuwenden, um bewußt eine unterschiedliche Ansprechzeit der vor und nach dem Katalysator angeordneten Sonden zu erzielen. Hierzu bedurfte es nämlich zunächst der Erkenntnis, daß damit die Möglichkeit geschaffen wird, den Katalysator sowohl in einem Bereich zu überprüfen, in dem dessen Wirkungsgrad noch relativ gut ist, als auch in einem Bereich in dem er nur noch einen schlechten Wirkungsgrad aufweist. Ein Hinweis darauf ist dem nachgewiesenen Stand der Technik jedoch nicht zu entnehmen.

4.6. Aufgrund der vorstehenden Betrachtungen ist die Kammer zur Schlußfolgerung gelangt, daß der Gegenstand nach Anspruch 1 des angefochtenen Patents auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht und das Patent in der erteilten Fassung bestehen bleiben kann.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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