T 0435/99 () of 13.12.2001

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2001:T043599.20011213
Datum der Entscheidung: 13 Dezember 2001
Aktenzeichen: T 0435/99
Anmeldenummer: 94105142.7
IPC-Klasse: F16L 59/02
C04B 30/02
C04B 38/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Mikroporöser Wärmedämmformkörper
Name des Anmelders: Wacker-Chemie GmbH, et al
Name des Einsprechenden: (I) Diehl AKO Stiftung & Co. KG.
(II) I.R.C.A Spa. INDUSTRIA RESISTENCE CORAZZATE E AFFINI
(III) Ceramaspeed Limited
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (Hauptantrag und Hilfsanträge), (verneint)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Auf die europäische Patentanmeldung Nr. 94 105 142.7 wurde das europäische Patent Nr. 0 618 399 erteilt, dessen Anspruch 1 wie folgt lautet:

"Mikroporöser Wärmedämmformkörper bestehend aus verpreßtem Wärmedämmaterial enthaltend 30 - 100 Gew.-% feinteiliges Metalloxid, 0 - 50 Gew.-% Trübungsmittel, 0. - 50 Gew.-% Fasermaterial und 0 - 15 Gew.-% anorganisches Bindemittel, dadurch gekennzeichnet, daß zumindest eine Oberfläche des Formkörpers Kanalporen mit einer Grundfläche der Pore von 0,01 - 8 mm2 und mit einer Eindringtiefe von 5 - 100 %, bezogen auf die Dicke des Formkörpers, aufweist, wobei pro 1 cm2 der Formkörperoberfläche 0,004 - 10 Kanalporen enthalten sind."

II. Von den Beschwerdeführerinnen (Einsprechenden) I, II und III gegen das Patent eingelegte, auf die Einspruchsgründe gemäß Artikel 100 a) EPÜ (mangelnde Neuheit, fehlende erfinderische Tätigkeit) gestützte Einsprüche, in denen zum Stand der Technik u. a. auf die Druckschriften (D4) US-A-4 985 163 und (D14) DE-U-8 803 533 verwiesen wurde, führten zu der am 5. März 1999 zur Post gegebenen Zwischenentscheidung, in der festgestellt wurde, daß das Patent unter Berücksichtigung der von der Patentinhaberin im Einspruchsverfahren vorgenommenen Änderungen (nach dem damals und auch weiterhin geltenden Hilfsantrag II) den Erfordernissen des Übereinkommens genügt.

III. Gegen diese Entscheidung haben die Beschwerdeführerinnen (Einsprechenden) I bis III sowie die Beschwerdeführerinnen (Patentinhaberinnen) am 22. April, 28. April, 29. April bzw. am 22. April 1999 unter jeweils gleichzeitiger Bezahlung der Beschwerdegebühr Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdebegründungen sind am 29. Juni, 5. Juli, 28. Juni 1999 sowie am 16. Juni 1999 eingegangen.

IV. Am 13. Dezember 2001 wurde vor der Beschwerdekammer mündlich verhandelt.

Die Beschwerdeführerinnen I und III sowie die bei der mündlichen Verhandlung nicht vertretene Beschwerdeführerin II beantragten die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

Die Beschwerdeführerinnen IV beantragten, die Beschwerde der Einsprechenden zurückzuweisen und das Patent wie erteilt aufrechtzuerhalten (Hauptantrag), hilfsweise auf der Basis der Hilfsanträge I und II (beide eingegangen am 9. November 2001), ggf. jeweils unter Hinzufügung der Wortfolge "und Formkörper mit nur zwei Kanalporen ausgenommen sind", aufrechtzuerhalten.

Gemäß Hilfsantrag I wurde der ersten Zeile des erteilten Anspruchs 1 die Wortfolge "Schockartig durch ein Widerstandsheizelement aufzuheizender" vorangesetzt und gemäß Hilfsantrag II wurde in den ansonsten unveränderten Wortlaut des erteilten Anspruchs 1 in Zeile 1 nach den Worten "Mikroporöser Wärmedämmformkörper" die Wortfolge "mit Dichten von 250 bis 350 g/l" eingefügt.

Gemäß einem weiteren Hilfsantrag IA wurde in der mündlichen Verhandlung beantragt, in den Anspruch 1 nach Hilfsantrag I nach dem Wort "Schockartig" noch die Wortfolge "innerhalb von 1 bis 5 Sekunden" einzufügen.

V. Die von den Beschwerdeführerinnen I und III in der mündlichen Verhandlung vorgebrachten Argumente lassen sich in etwa wie folgt zusammenfassen:

Die Beschreibungseinleitung und der Oberbegriff des Anspruchs 1 des Streitpatents gehen von mikroporösen Wärmedämmformkörpern aus, wie sie z. B. aus der D4 bekannt seien, in deren Beschreibung, Spalte 6, Zeilen 41 bis 46 auf die Verwendung u. a. bei Heizspiralen, d. h. Widerstandsheizelementen bei Heizplatten von Kochherden und auf die (D16') DE-A-2 744 079 (= deutsche Ausgabe der britischen Druckschrift GB-A-1 579 729, (D16)) verwiesen sei, in der ebenfalls von solchen Heizplatten die Rede sei. Wie weiter der Beschreibungseinleitung des Streitpatents zu entnehmen sei, würden in üblicher Weise solche Strahlungsheizeinheiten sehr schnell in Zeitintervallen von weniger als 6 Sekunden aufgeheizt, was beispielsweise aus der solche Heizeinheiten betreffenden GB-A-2 199 706 abzuleiten sei. Weiterhin könne dies auch dem "Illustrationsblatt CERAMASPEED" DOMOTECHNICA 1991 (D11) entnommen werden. Die Verwendung des im Oberbegriff des Anspruchs 1 angegebenen Dämmaterials nach der D4 für schnelle Aufheizzeiten in Intervallen von 1 bis 5 Sekunden sei somit ebenfalls dem Stand der Technik zu entnehmen. Daher sei ein Wärmedämmkörper nach dem Oberbegriff des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag, Hilfsantrag I und IA vollständig vorbekannt. Dies gelte auch für den Oberbegriff des Anspruchs 1 nach dem Hilfsantrag II, da das dort zusätzlich eingefügte Teilmerkmal "Formkörper mit Dichten von 250 bis 350 g/l" ebenfalls schon aus der D4, Spalte 2, Zeilen 47, 48 bekannt sei.

Des weiteren seien in der D14 die im Kennzeichen des Anspruchs 1 des Streitpatents angegebenen, in die Formkörperoberfläche eingebrachten Poren in Anwendung bei einem mikroporösen, aus einem verdichteten, expandierten Blähgraphit bestehenden Wärmedämmformkörper beschrieben. Gemäß D14 brächten diese Kanalporen die beim Aufheizen aus eingeschlossenen Feuchtigkeitsmengen entstehenden Dämpfe vom Innern des Formkörpers an die Oberfläche und würden somit eine Zerstörung der Struktur des Formkörpers vermeiden. Es handle sich bei dem Graphit nach der D14 ähnlich wie beim Streitpatent um einen aus expandiertem und danach zerkleinertem Graphitpulver bestehenden, gesinterten Dämmkörper, der sich beim Aufheizen infolge der in den Mikroporen eingeschlossenen Feuchtigkeit vergleichbar verhalte wie der mikroporöse Formkörper nach der D4 und dem Streitpatent. Es sei daher für einen Fachmann naheliegend, bei schnell und schockartig aufzuheizenden Wärmedämmkörpern mit Widerstandsheizelementen gemäß D4 zur Vermeidung des bekannten Problems die Maßnahmen gemäß D14 zumindest auszuprobieren und, wie beim Streitpatent geschehen, im Erfolgsfalle anzuwenden. Was die zusätzlich im Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag I und IA in den Anspruch 1 aufgenommene Wortfolge betreffe, so sei dieses Merkmal im Sinne vom Artikel 84 EPÜ unklar, so daß diese Anspruchsfassungen schon allein aus diesem Grunde nicht zulässig seien. Außerdem könne die zusätzliche Angabe "schockartig" bzw. "schockartig innerhalb von 1 bis 5 Sekunden" nur so verstanden werden, daß der beanspruchte Formkörper für eine schockartige Erhitzung geeignet sein soll. Dies stelle jedoch keine nennenswerte Einschränkung des Anspruchs 1 nach dem Hauptantrag dar.

Aus diesen Gründen beruhe der Gegenstand des Anspruchs 1 nach allen Anspruchsfassungen nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

VI. Die Beschwerdeführerinnen IV (Patentinhaberinnen) argumentierten im wesentlichen wie folgt:

Die Wärmedämmplatte nach der D14 unterscheide sich hinsichtlich ihrer Zusammensetzung und Eigenschaften derart vom beanspruchten Wärmedämmformkörper, daß sie vom Fachmann als eine Lösungsmöglichkeit für das in Rede stehende Problem gar nicht berücksichtigt worden wäre. Im übrigen hätte sie im Falle einer Kombination ihres Inhalts mit der D4 nicht zum Gegenstand des Streitpatents geführt. Es seien außerdem mehrere gedankliche Hindernisse vorhanden gewesen, die einen Fachmann davon abgehalten hätten, bei dem bekannten Formkörper nach der D4 Kanalporen nach der D14 anzuwenden. Bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit sei darüber hinaus auch zu beachten, daß die in der Beschreibungseinleitung des Streitpatents erörterten und von der Beschwerdeführerin III als "vulcanoing effect" bezeichneten Zerstörungen in der Struktur des Formkörpers bei schockartigem Aufheizen am Prioritätstag dem Fachmann nicht bekannt waren und in keiner der zum Stande der Technik zu rechnenden Veröffentlichungen in irgendeiner Weise angedeutet worden seien. Wenngleich eine schnelle Aufheizung der in Rede stehenden Beheizungsvorrichtungen an sich schon bekannt war, so seien doch die problematischen Folgen für den Formkörper nicht erkannt worden. Um zu der beanspruchten Lösung zu kommen, habe ein Fachmann zunächst das in Rede stehende Problem erkennen müssen, bevor er sich auf die Suche nach einer Lösung zu dessen Beseitigung habe machen können. Die Erfindung habe demnach mit der Aufgabenstellung begonnen.

Ein erstes Hindernis für den Fachmann, die Druckschrift D14 zur Lösung heranzuziehen, liege in ihrer gegenüber dem Streitpatent unterschiedlichen Aufgabenstellung. Während sich die D14 mit einer langsamen Aufheizung befasse, sollen beim Streitpatent thermische Schädigungen des Formkörpers bei schockartiger Aufheizung verhindert werden. Darüber hinaus bestehe der Wärmedämmkörper nach der D14 aus einem brennbaren, elektrisch leitenden Material, nämlich Graphit, und zwar aus laminaren Graphitlagen, im Gegensatz zu der mikroporösen Struktur nach dem Streitpatent. Es handle sich demnach bei der D14 um einen impermeablen, d. h. diffusionsdichten Schichtkörper, im Gegensatz zu dem durchlässigen, porösen Formkörper beim Streitpatent. Es habe somit kein Anlaß bestanden, die aus der D14 bekannten Kanalporen, welche ein Ausleiten der unter Hitze verdampfenden Einlagerungsverbindungen durch die isolierenden Schichten des Graphits ermöglichen sollen, bei einem an sich schon mikroporösen Formkörper nach der D4 anzuwenden. Da weiter beim Formkörper nach dem Streitpatent und der D4 keine verdampfenden Einlagerungsverbindungen im Sinne der D14 vorhanden seien, habe es auch von daher keinen Grund gegeben, nach dem Vorbild der D14 Kanalporen vorzusehen. Darüber hinaus habe der Fachmann beim Einbringen solcher Poren in den im wesentlichen aus Metalloxid bestehenden Formkörper nach der D4 damit rechnen müssen, daß die Ausleitfähigkeit für Wasserdampf bei einem mikroporösen Körper durch einen weitgehend undurchlässigen Lochmantel erschwert würde. Die große Porosität des beanspruchten Wärmeformkörpers folge auch aus der Dichteangabe für den Formkörper nach dem Streitpatent, wie dies auch im Anspruch 1 nach dem Hilfsantrag II definiert sei. Aus einem Vergleich der Rohdichte der im Formkörper verwendeten Materialien mit der wesentlich herabgesetzten Dichte von 250 bis 350 g/l beim Formkörper lasse sich eine Porosität von 90 % für das Streitpatent errechnen. Demgegenüber sei bei der D14 auf eine Rohdichte von wenigstens 1000 g/l und daher auf einen um den Faktor 3 größeren Wert verwiesen. Die Porosität betrage dort höchstens 56 %. All dies habe den Fachmann davon abgehalten, die aus der D14 bekannten Kanalporen zur Lösung der neuen Aufgabenstellung bei einem Formkörper nach der D4 in Erwägung zu ziehen.

Auch die Anwendung des Dämmkörpers als Isoliermittel in Industrieöfen nach der D14 unterscheide sich von der Anwendung des Dämmkörpers in Strahlungsheizeinheiten mit Widerstandsheizelementen beim Streitpatent. Selbst wenn man davon ausginge, daß die beanspruchte Anwendung aus der D16' und die kurze Aufheizzeit schon aus der GB-A-2 199 706 bekannt seien, müsse noch berücksichtigt werden, daß der Fachmann neben der D4 und der D14 auch noch den Inhalt dieser Vorveröffentlichungen in Erwägung hätte ziehen müssen, um zur Lehre des Streitpatents zu gelangen.

Was die schockartige Aufheizung innerhalb eines Zeitintervalls von 1 bis 5 Sekunden (Hilfsanträge I und IA) anbetreffe, so sei dieses Merkmal in den ursprünglichen unterteilten Unterlagen klar und eindeutig offenbart.

Da nachgewiesen sei, daß für den Fachmann nicht nur kein Weg aufgezeigt war, der eine Kombination der D4 mit der D14 im Sinne der Aufgabenlösung vorteilhaft oder überhaupt möglich erscheinen habe lassen, sondern daß sogar zahlreiche und erhebliche gedankliche Hindernisse vorhanden waren, diese Kombination in Betracht zu ziehen, müsse das Vorliegen von erfinderischer Tätigkeit für alle Anspruchsfassungen bejaht werden.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 sowie den Regeln 1 (1) und 64 EPÜ; sie ist zulässig.

2. Hauptantrag

2.1. Der aus der D4 bekannte Formkörper ist mikroporös und entspricht aufgrund seines ähnlichen Herstellungsprozesses und seiner ebenfalls hochprozentigen Porosität dem im Oberbegriff des Anspruchs 1 des Streitpatents beschriebenen Wärmedämmformkörper.

Die Anordnung von Kanalporen in zumindest einer Oberfläche eines Wärmedämmformkörpers, die aus D4 nicht bekannt ist, ist andererseits zusammen mit den Bemessungsangaben für die Poren und deren Verteilung entsprechend dem Kennzeichen des Anspruchs 1 des Streitpatents der D14 zu entnehmen. Das bei der Wärmedämmplatte nach der D14 verwendete Material besteht allerdings aus verdichtetem, expandiertem Graphit und unterscheidet sich demnach von dem im Oberbegriff des Anspruchs 1 des Streitpatents angegebenen Material, das im wesentlichen (30 bis 100 Gew.-%) aus feinteiligem Metalloxid sowie ggf. weiteren Zusatzmitteln besteht.

Der Formkörper nach dem Anspruch 1 ist somit gegenüber der D4 und der D14 sowie dem weiteren Stand der Technik unbestritten neu.

2.2. Der aus der D4 bekannte mikroporöse Wärmedämmformkörper kommt nach den Ausführungen im Streitpatent in durch Widerstandsheizelemente aufheizbaren Strahlungsheizeinheiten zur Anwendung, die in den für derartige Einheiten üblichen Intervallen von 1 bis 5. Sekunden zum Glühen gebracht werden. Diese Anwendung des gattungsgemäßen Formkörpermaterials ist in der D4, Spalte 6, Zeilen 41 bis 46 unter Hinweis auf weiteren Stand der Technik, u. a. nach der DE-A-2 744 079 (D16') erwähnt. Das ausgeprägte Absorptionsvermögen der Oberflächen dieser bekannten Formkörper führt zu einer großen Feuchtigkeitsaufnahme, so daß bei einem Einsatz hoher thermischer Energie innerhalb kurzer Zeit explosionsartig Wasserdampf entsteht, der die Struktur des Wärmedämmformkörpers zerstören würde.

Die dem Streitpatent zugrundeliegende Aufgabe besteht demnach gemäß Streitpatentschrift in der Erhöhung der Gasdurchlässigkeit von mikroporösen Wärmedämmformkörpern, insbesondere in der Erhöhung der Wasserdampfdiffusion vom Innern zur Oberfläche des Formkörpers, so daß in dessen Innern lokaler Überdruck, der die Formstruktur zerstören würde, vermieden wird.

Die in kurzen Zeitintervallen stattfindende Aufheizung von Kochplatten war am Prioritätstag des Streitpatents dem Fachmann geläufig, wie die Beschwerdeführerin I durch Vorlage der GB-A-2 199 706 (vgl. den Übergang der Seiten 11 und 12, wonach die Aufheizzeit nicht wesentlich größer als 4 bis 6 Sekunden sein soll) in der mündlichen Verhandlung belegt hat. Bei einer solchen schnellen, im Streitpatent als schockartig bezeichneten Aufheizung mußte dem Fachmann das in Rede stehende Problem, das im Streitpatent als Strukturzerstörung und von der Beschwerdeführerin III als "vulcanoing effect" bezeichnet wird, unweigerlich auffallen. Die dem Streitpatent zugrundeliegende Aufgabenstellung hat sich demnach dem mit Strahlungsheizelementen befaßten Fachmann zwangsläufig offenbart und vermag daher zur Begründung der erfinderischen Tätigkeit nichts beizutragen.

Da die zur Lösung der in Rede stehenden Aufgabe beim Streitpatent im Kennzeichen des Anspruchs 1 definierte Anbringung von Kanalporen mit allen weiteren Bemessungs- und Verteilungsmerkmalen aus der D14 schon bekannt war, ist zu prüfen, ob der Fachmann die D14 und ihren Offenbarungsinhalt ausgehend von einem Formkörper nach der D4 auf der Suche nach einer Problemlösung in Betracht gezogen hätte.

Gemäß D14 entstehen beim Erhitzen des verdichteten expandierten Graphits großflächig Blasen, welche die Festigkeit der Platten vermindern und somit offensichtlich deren Struktur zerstören. In der D14 ist auch im einzelnen erläutert, daß die aus expandiertem und zu Pulver vermahlenem Graphit bestehenden Partikel zu dem gewünschten plattenförmigen Formkörper verdichtet werden und dieser schwierig zu entlüften sei. Im Innern der Platte seien im allgemeinen Luftreste und kleine Anteile nicht zersetzter Einlagerungsverbindungen enthalten. Weiterhin ist in der D14 ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Platten in feuchter Atmosphäre auch geringe Feuchtigkeitsmengen aufnehmen. Im Anschluß an diese Ausführungen ist in der D14 (Seite 3 unten) angegeben, daß bei Erwärmung die Einlagerungen verdampfen und sich ausdehnen, wodurch in den Platten senkrecht zur Plattenebene auseinandertreibende Binnendrücke entstehen.

Ein fachmännischer Leser dieser Textstellen erkennt somit, daß die in der Platte entstehenden Dämpfe nicht nur von den Einlagerungsverbindungen, sondern auch von den eingeschlossenen Feuchtigkeitsmengen stammen müssen. Der hierdurch entstehende, unerwünschte Druckaufbau im Innern des Gefüges wird bei der D14 durch die in die Oberfläche der Platten eingebrachten Bohrungen verhindert. Er entnimmt demnach der D14 die Lehre, daß die beim Aufheizen von porösen Wärmedämmkörpern u. a. aus eingeschlossenen Feuchtigkeitsmengen entstehende Dämpfe durch in die Oberfläche des Formkörpers eingebrachte Bohrungen bzw. Kanalporen abzuleiten sind, um eine Zerstörung des Formkörpergefüges zu verhindern. Die Aufgabenstellung der D14, nämlich die Beseitigung der beim Erhitzen des Formkörpers durch Verdampfen von Einschlüssen, wie Feuchtigkeitsmengen auftretenden schädlichen Binnendrücke im Formkörper, entspricht im Prinzip der beim Streitpatent gestellten Aufgabe.

2.3. Die Patentinhaberinnen haben geltend gemacht, daß der Blähgraphit nach der D14 zur Schichtenbildung und damit zu einem laminaren Aufbau der daraus gefertigten Platten führe. Dem widersprach insbesondere die Beschwerdeführerin I, da die Werkstoffe nach D4 (und dem Streitpatent) einerseits und der D14 andererseits beide aus verpreßtem, pulverförmigem und danach expandiertem Material bestünden und folglich eine ähnliche nicht laminare Struktur aufwiesen.

Unter Abwägung der ihr zur Verfügung stehenden Informationen schließt sich die Beschwerdekammer der Auffassung der Beschwerdeführerin I an, zumal die von der Patentinhaberin geltend gemachte Textstelle auf Seite 5 der D14 das Abscheren von "Graphitlagen" bei der Handhabung der "aufgetriebenen Vergleichsplatten" (ohne Bohrungen) betrifft. Dies dürfte so zu verstehen sein, daß die Graphitlagen erst durch den inneren Überdruck entstehen und nicht schon im intakten Gefüge der Dämmkörperplatte vorhanden sind.

Aufgrund dieser im Prinzip ähnlichen Gefügestruktur der in der D4 und der D14 verwendeten Formkörper mußte daher der Fachmann entgegen der Ansicht der Patentinhaberinnen auch nicht befürchten, daß das Anbringen von Bohrungen bzw. Kanalporen, wie sie die Graphitformkörper nach der D14 zeigen, bei einem Werkstoff nach der D4 eine spürbare Verschlechterung der Durchlässigkeit durch Verschmieren der Porenwandungen zur Folge haben würde. Es besteht kein Grund für die Annahme, daß bei einer Lochung eines Metallsinterkörpers eine höhere Verdichtung der Porenwandungen auftreten würde als bei einer Lochung eines Graphitsinterkörpers. Auch die in der D14 genannten relativ langen Aufheizungsintervalle stellen kein überzeugendes Argument dafür dar, daß ein Fachmann die zur "Entdampfung" bei der D14 vorgesehenen Maßnahmen bei einem Werkstoff nach der D4 nicht wenigstens versuchsweise in Betracht gezogen hätte. In beiden Fällen, nämlich der schnellen Aufheizung bei Strahlungsheizeinheiten einerseits und der langsamen Aufheizung bei Industrieöfen andererseits, geht es letztlich um das gleiche grundlegende Problem, nämlich die beim Aufheizen entstehenden Dämpfe aus den Formkörpern herauszuleiten.

Es war daher für einen Fachmann naheliegend, die aus Wärmedämmformkörpern nach der D14 bekannte Porenanordnung zu ihrem bestimmungsgemäßen Zweck auch bei Wärmedämmformkörpern nach der D4 anzuwenden und somit zum Gegenstand nach dem Anspruch 1 des Streitpatents zu gelangen. Der Gegenstand nach dem Anspruch 1 (Hauptantrag) beruht demnach nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

3. Hilfsanträge I und IA

3.1. Gemäß Hilfsantrag I bzw. IA wird dem Text des Anspruchs 1 nach dem Hauptantrag der Satzteil "Schockartig durch ein Widerstandsheizelement aufzuheizender" bzw. "Schockartig innerhalb von 1 bis 5. Sekunden durch ein Widerstandsheizelement aufzuheizender" vorangestellt. Diese sich auf das Aufheizintervall des mikroporösen Wärmedämmformkörpers beziehenden zusätzlichen Angaben sind in den ursprünglichen und erteilten Unterlagen des Beschreibungsteils des Streitpatents zu finden und insofern nicht zu beanstanden.

Das Aufheizintervall ist in der Beschreibungseinleitung des Streitpatents dahingehend definiert, daß hiermit die Zeitspanne umschrieben wird, in der die "Strahlungsheizeinheiten mittels der üblichen Widerstandsheizelemente.... zum Glühen gebracht werden". Hierunter ist, wie von allen bei der mündlichen Verhandlung Anwesenden bestätigt wurde, das Glühen der Widerstandsheizelemente zu verstehen.

Insofern entsprechen die Anspruchsfassungen gemäß Hilfsantrag I und IA den Anforderungen von Artikel 84 EPÜ.

3.2. Der nach Hilfsantrag I bzw. IA dem Anspruchswortlaut gemäß Hauptantrag vorangestellte Textteil betrifft nicht die Zusammensetzung bzw. die konstruktive Gestaltung des beanspruchten Wärmedämmformkörpers, sondern die Aufheizgeschwindigkeit eines ihm zugeordneten Widerstandsheizelementes und definiert demnach einen Anwendungsfall, für den der beanspruchte Heizkörper geeignet sein soll.

Wie schon im vorstehenden Absatz 2.2 ausgeführt wurde, sind die bei den in Rede stehenden, bekannten Strahlungsheizeinheiten im Bereich von 1 bis 5 Sekunden liegenden Aufheizintervalle für das Widerstandsheizelement von Wärmedämmformkörpern bekannt, wie der GB-A-2 199 706 zu entnehmen ist. Da die Textstelle auf Seite 12, Zeile 1 der GB-A-2 199 706 auf Strahlungsheizeinheiten für Kochplatten bezogen ist, wie sie in der (D16') DE-A-2 744 079 (als "cross reference" in Spalte 6, Zeile 46 der D4 genannt) beschrieben sind, definiert der zusätzliche dem Anspruch 1 vorangestellte Text (Hilfsanträge I und IA) lediglich ein Anwendungsgebiet, das für gattungsgemäße Wärmedämmkörper nach der D4 dem Fachmann geläufig war.

3.3. Die weiteren Ausführungen zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit, wie sie in den vorstehenden Absätzen 2.2 und 2.3 zum Anspruch 1 gemäß Hauptantrag aufgeführt sind, gelten auch für die Anspruchsfassungen gemäß Hilfsantrag I und IA, denn es bestand für einen Fachmann kein Grund, die bei nicht definierten Aufheizintervallen (Anspruch 1 nach dem Hauptantrag) naheliegenden Vorkehrungen nicht auch für kürzere Aufheizintervalle in Betracht zu ziehen.

Aus diesem Grund ist auch der Anspruch 1 nach dem Hilfsantrag I und dem Hilfsantrag IA mangels erfinderischer Tätigkeit nicht gewährbar.

4. Hilfsantrag II

Die Fassung des Anspruchs 1 nach dem Hilfsantrag II unterscheidet sich vom Text des Anspruchs 1 nach dem Hauptantrag allein durch die Einfügung des Merkmals, daß der Wärmedämmformkörper "mit Dichten von 250 bis 350 g/l" versehen ist.

Diese Beschränkung des beanspruchten Wärmedämmformkörpers auf einen begrenzten Dichtenbereich, wie er unbestritten aus der D4 bekannt ist, vermag der Lehre nach dem Anspruch 1 gemäß Hauptantrag ebenfalls nichts Erfinderisches hinzuzufügen. Durch diese Beschränkung des Dichtenbereiches wird, nach Vortrag der Patentinhaberinnen, indirekt die Porosität des beanspruchten Formkörpers definiert, die bei einem Vergleich des nicht expandierten Werkstoffes mit einem expandierten Werkstoff auf eine Porosität im Bereich von 90. % hinweist.

Die beanspruchte Formkörperdichte ist in etwa um den Faktor 3 kleiner als die bei der D14 erwähnte Dichte des expandierten Graphitdämmkörpers. Im vorliegenden Falle spielt jedoch die absolute Dichte der Werkstoffe eine untergeordnete Rolle, da für die Feuchtigkeitsaufnahme eines porösen Sinterwerkstoffes der Grad der Porosität entscheidend ist.

Da auch der Werkstoff nach der D4 (Spalte 5, Zeilen 39 bis 42) eine Porosität des gattungsgemäßen Werkstoffes von 50 bis 90 % angibt, handelt es sich bei dem gemäß Anspruch 1 nach Hilfsantrag II im Oberbegriff definierten Werkstoff ebenfalls um ein bekanntes Material. Es ist also kein Hindernisgrund erkennbar, warum ein Fachmann die bei der D14 bekannte Bohrungsanordnung nicht auch bei diesem bekannten Werkstoff zu ihrem bestimmungsgemäßen Zweck anwenden sollte, wie dies vorstehend unter Absatz 2.3 zum Hauptantrag erläutert ist.

Aus diesen Gründen beruht auch der Gegenstand nach dem Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag II nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

5. Die weiteren Hilfsanträge betreffen die Beifügung eines Disclaimers in den Anspruchswortlaut gemäß dem Hauptantrag und den Hilfsanträgen I und II.

Nach überwiegender Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist die Aufnahme eines Disclaimers in einen Anspruch ausnahmsweise nur dann zulässig, wenn dies die zufällige Vorwegnahme durch einen neuheitsschädlichen Stand der Technik, der für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ohne Bedeutung ist, verhindern kann. Dies ist jedoch, wie die vorstehenden Ausführungen zeigen, hier nicht der Fall. Diese Hilfsanträge sind demnach nicht zulässig.

6. Das Streitpatent kann daher mit keiner der beantragten Fassungen des Anspruchs 1 aufrechterhalten werden.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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