T 0414/99 () of 1.8.2002

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2002:T041499.20020801
Datum der Entscheidung: 01 August 2002
Aktenzeichen: T 0414/99
Anmeldenummer: 93113778.0
IPC-Klasse: C04B 35/50
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 33 KB)
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zur Herstellung eines rotationssymmetrischen Formteiles eines Hochtemperatursupraleiters
Name des Anmelders: ABB RESEARCH LTD.
Name des Einsprechenden: Hoechst AG
Kammer: 3.3.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 83
European Patent Convention 1973 Art 100(a)
European Patent Convention 1973 Art 100(b)
Schlagwörter: Ausreichende Offenbarung (bejaht)
Erfinderische Tätigkeit (ja): Rückschauende Betrachtungsweise
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Das europäische Patent mit der Veröffentlichungsnummer 592 797 wurde mit einem Satz von 10 Ansprüchen erteilt, wobei der einzige unabhängige Anspruch 1 lautete:

"Verfahren zur Herstellung eines rotationssymmetrischen Formteiles eines Hochtemperatursupraleiters aus einem pulverförmigen Ausgangsmaterial,

a) wobei das Formteil in einer rotierenden Schmelzform (4) bei einer 1. Prozesstemperatur (T1) oberhalb der Schmelztemperatur (Tm) des Hochtemperatursupraleiters seine rotationssymmetrische Form erhält und

b) die Drehzahl (n) der Schmelzform (4) mindestens so gross ist, dass die auf das Ausgangsmaterial wirkende Zentrifugalkraft mindestens gleich der Erdanziehungskraft ist,

dadurch gekennzeichnet,

c) dass pulverförmiges Ausgangsmaterial in die rotierende Schmelzform (4) eingebracht wird und

d) dass anschliessend durch Aufschmelzen bei der 1. Prozesstemperatur (T1) und Erstarren lassen in der Schmelzform (4) ein festes, zusammenhängendes Werkstück geformt wird."

II. Gegen das Patent wurde gestützt auf Artikel 100 a) und b) EPÜ eingesprochen.

III. Von den im Einspruchsverfahren genannten 9. Entgegenhaltungen wird in der vorliegenden Entscheidung auf die folgenden Bezug genommen:

D1: DE-A-4 019 368

D2: EP-A-0 482 221

D4: EP-A-0 390 499

D7: Zeichnung 7800-06-005, Eisenwerke Friedrich Wilhem Düker GmbH & Co KG, 97753 Karlstadt, mit Beschreibung der Schleudergußmaschinen vom Typ BZ 3 und BZ 1

D8: US-A-4 632 686.

IV. Die Einspruchsabteilung stellte fest, daß die von der Einsprechenden vorgebrachten Argumente unter Artikel 100 b) EPÜ eher die Klarheit der Anspruchsfassung (Artikel 84 EPÜ) als die Ausführbarkeit (Artikel 83 EPÜ) des beanspruchten Verfahrens betrafen. Darüber hinaus war sie der Auffassung, daß die Einsprechende keine überzeugenden Argumente vorgetragen hat, wie man die Offenbarung gemäß D1 als nächstliegendem Stand der Technik mit der Lehre eines anderen Dokuments aus dem Stand der Technik, insbesondere D2, kombinieren könnte, um zum beanspruchten Gegenstand zu gelangen.

V. Die Beschwerde der Einsprechenden richtete sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Einspruch zurückzuweisen. Mit der Beschwerdeschrift wurde ein neues Dokument erstmals genannt.

VI. Mit der Erwiderung vom 22. Dezember 1999 reichte die Beschwerdegegnerin zwei neue Sätze von Patentansprüchen als Basis für zwei Hilfsanträge ein.

VII. Am 1. August 2002 hat eine mündliche Verhandlung stattgefunden, an der die Beschwerdegegnerin entsprechend ihrer Ankündigung vom 12. Juli 2002 nicht teilgenommen hat.

VIII. Die schriftlich und mündlich vorgetragenen Argumente der Beschwerdeführerin im Hinblick auf den Einwand unter Artikel 100 b) EPÜ lassen sich wie folgt zusammenfassen:

- Mit den in Anspruch 1 definierten Maßnahmen allein könne kein Hochtemperatursupraleiter erhalten werden.

- Das Verfahren gemäß Anspruch 9 sei nicht ausführbar, denn eine Metallform aus Silber oder Gold sei gegenüber der Schmelze bei 880 °C bis 930 °C nicht inert.

Der Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit wurde im wesentlichen wie folgt begründet:

- Ein Fachmann, der vor der Aufgabe steht, die kritische Stromdichte eines Formteiles nach dem Verfahren gemäß D1 zu erhöhen, würde selbstverständlich auf D2 zurückgreifen.

- Entsprechend würde er anstelle einer Schmelze das Ausgangsmaterial als Pulver in die rotierende Form einbringen und in der Form aufschmelzen lassen.

- Vorbild für das Einbringen von keramischem Pulvermaterial in eine rotierende beheizbare Form finde der Fachmann in D7 bzw. D8.

IX. Die Patentinhaberin hat schriftlich im wesentlichen wie folgt vorgetragen:

- In D1 werde als vorteilhaft angesehen, eine Gießtechnik zur Herstellung zylindrischer Hohlkörper anzuwenden. Es habe somit keinerlei Veranlassung bestanden, von dieser Technik abzuweichen und ein nicht geschmolzenes Material einzubringen.

- Selbst eine Kombination von D2 mit D1 würde nicht zum beanspruchten Gegenstand führen.

- Es sei fraglich, ob D7 zum Stand der Technik gehöre. Darüber hinaus würde der Fachmann auf der Suche nach einer Modifikation für das Verfahren gemäß D1 weder D7 noch D8 in Betracht ziehen.

Zum Einwand unter Artikel 100 b) EPÜ wurde mit Verweis auf das im Einspruchsverfahren eingereichte Schreiben vom 15. Dezember 1997 und auf die angefochtene Entscheidung wie folgt vorgetragen:

- Dem Fachmann sei geläufig, beim Schmelzen von Hochtemperatursupraleitern geeignete Metallformen einzusetzen.

- Wegen seiner geringen Löslichkeit im relevanten Temperaturbereich könne Silber als im technischen Sinne inert angesehen werden.

X. Die Beschwerdeführerin hat beantragt, den angefochtenen Beschluß der Einspruchsabteilung aufzuheben und das Streitpatent zu widerrufen.

Die Beschwerdegegnerin hat schriftlich beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen oder, hilfsweise, das Patent mit einem geänderten Anspruch 1 und den erteilten Ansprüchen 2 bis 10 gemäß einem der am 22. Dezember 1999 eingereichten Hilfsanträge aufrechtzuerhalten.

Entscheidungsgründe

Hauptantrag

1. Offenbarung der Erfindung

Die Einsprechende hat den Einwand unter Artikel 100 b) EPÜ gegen die Ansprüche 1 und 9 erhoben.

1.1. Anspruch 1

Die Einsprechende hat vorgetragen, das Verfahren gemäß Anspruch 1 richte sich auf die Herstellung von Formteilen eines Hochtemperatursupraleiters, welche im wesentlichen nur durch die Verfahrenschritte des Aufschmelzens und Erstarrenlassens definiert sei. Aus der Beschreibung gehe hervor, daß es sich hierbei speziell um Hochtemperatursupraleiter des Typs Bi-Sr-Ca-Cu-O handelt (siehe Streitpatent, Spalte 2, Zeilen 24 bis 30 mit Spalte 1, Zeile 12 bis Spalte 2, Zeile 20). Es sei dem Fachmann jedoch bekannt und in D2 ausdrücklich erwähnt, daß solches Material nach dem Erstarren noch einer anschließenden Nachbehandlung bedürfe, um supraleitend zu werden (D2, Seite 4, Zeilen 10 bis 15).

Die Kammer kann der Beschwerdeführerin insoweit zustimmen, daß Anspruch 1 möglicherweise nicht alle wesentlichen Verfahrenschritte explizit definiert. Die Beschwerdeführerin hat aber in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, daß es gemäß dem allgemeinen Fachwissen auf dem einschlägigen Gebiet eines abschließenden Langzeitglühens bedarf, um aus dem zunächst gebildeten nicht supraleitenden Formteil ein Endprodukt mit supraleitenden Eigenschaften herzustellen. Die Kammer ist daher der Auffassung, daß der Fachmann diesen Schritt des Langzeitglühens als implizit im beanspruchten Verfahren enthalten versteht. Die Kammer stellt außerdem fest, daß die Beschwerdeführerin nicht argumentiert hat, daß die Beschreibung der Patentschrift nicht ausreichend offenbart, wie der Fachmann konkret und zuverlässig zum gewünschten Supraleiter gelangt. In der Tat wird in der Beschreibung gelehrt, wie die Nachbehandlung zu gestalten ist, um die Sprungtemperatur des Supraleiters zu optimieren (Spalte 3, Zeile 57 bis Spalte 5, Zeile 30, Beispiele 1 und 2 und Fließschema, Figur 2). Demzufolge kann hier von mangelnder Offenbarung keine Rede sein.

1.2. Anspruch 9

Anspruch 9 betrifft ein Verfahren, bei dem "die Schmelzform innenseitig mit einer Metallform aus einem Material ausgekleidet oder beschichtet ist, welches gegenüber dem Supraleiter und dessen Schmelzphasen inert ist". Bevorzugt wird dabei eine "Metallform aus Silber oder Gold oder aus einer Legierung dieser Metalle".

1.2.1. Die Beschwerdeführerin hat bemerkt, Silber verhalte sich bei der auftretenden Temperatur zwischen 880 und 930 °C gegenüber der Schmelze des Supraleitermaterials nicht inert. Der Fachmann könne daher nicht das Verfahren mit einer Silberform ausführen, ohne daß das Silber mit der Schmelze zu einer Hülle reagiere.

1.2.2. Die Kammer stellt fest, daß es nicht unüblich ist, Silberformen beim Schmelzen von Hochtemperatursupraleitern einzusetzen (siehe beispielsweise D2, Seite 4, Zeile 35). Es ist dabei unumstritten, daß Silber in dem für das Streitpatent relevanten Temperaturbereich zu einem gewissen Grade löslich wird (siehe Schreiben der Beschwerdegegnerin im Einspruchsverfahren vom 15. Dezember 1997, Seite 3, Absatz 3). Im Streitpatent selbst wird beschrieben, daß das Metall (Silber) im Endeffekt als Armierung auf dem Supraleiter verbleiben kann (siehe Spalte 3, Zeilen 19 bis 28). Daher kann die Kammer der Beschwerdegegnerin darin folgen, daß "inert" im Streitpatent nicht die Bedeutung hat, daß absolut keine Reaktion auftreten darf, sondern daß das Metall soweit reagieren kann, daß es auf der Oberfläche des Supraleiters als Hülle bleibt. Nachdem diese Auslegung von der Beschreibung gestützt ist und nicht im Widerspruch zu der Beobachtung der Beschwerdeführerin steht, geht der Einwand mangelnder Offenbarung ins Leere.

2. Neuheit

Ein Verfahren zur Herstellung eines rotationssymmetrischen Formteiles eines Hochtemperatursupraleiters, bei dem pulverförmiges Ausgangsmaterial in eine rotierende Schmelzform eingebracht wird, ist in keinem Dokument des vorliegenden Standes der Technik offenbart. Die Neuheit des Gegenstands gemäß Anspruch 1 wurde auch nicht bestritten.

3. Erfinderische Tätigkeit

3.1. Anspruch 1 betrifft ein Verfahren zur Herstellung eines rotationssymmetrischen Formteiles eines Hochtemperatursupraleiters in einer rotierenden Schmelzform, wobei pulverförmiges Ausgangsmaterial in die rotierende Schmelzform eingebracht und anschließend durch Aufschmelzen bei der 1. Prozeßtemperatur oberhalb der Schmelztemperatur des Hochtemperatursupraleiters und Erstarren lassen in der Schmelzform ein festes, zusammenhängendes Werkstück geformt wird. Die Drehzahl der Schmelzform ist dabei mindestens so groß, daß die auf das Ausgangsmaterial wirkende Zentrifugalkraft mindestens gleich der Erdanziehungskraft ist.

3.2. Die Kammer kann die Auffassung der Parteien teilen, daß D1 den nächstliegenden Stand der Technik darstellt. Aus D1 kann entnommen werden, daß Zylinder bzw. Ringe auf der Basis eines Wismut-2-Schichtkuprates hergestellt werden, indem die homogene Schmelze in eine rotierende, kalte Schmelzform eingeschleudert wird.

3.3. Die Beschwerdegegnerin hat geltend gemacht, beim Verfahren gemäß D1 entstehe durch unterschiedliche Erstarrungsgeschwindigkeiten am Rande und im Probeinneren ein Gefüge mit unterschiedlicher Dichte und innerer Spannung (vgl. Streitpatent, Spalte 1, Zeilen 18 bis 23). Dieser Hypothese wurde von der Beschwerdeführerin nicht widersprochen. Sie steht auch im Einklang mit der Beschreibung in D1, die besagt:

"Beim Einfließen der Schmelze erstarrt diese sehr rasch in sehr dünner Schicht infolge der Abkühlung durch die Kokille, wobei diese dünne Schicht glasartigen Charakter hat, während die große Masse des erstarrten Materials ein heterogenes Gefüge besitzt" (Spalte 3, Zeilen 22 bis 27).

Die Kammer kann daher der Beschwerdegegnerin folgen und die technische Aufgabe gegenüber D1 unter anderem darin sehen, ein Verfahren zur Herstellung von gattungsgemäßen Formteilen derart zu entwickeln, daß es zu einem homogenen Gefüge des Formteils führt (siehe Eingabe vom 15. September 1998 und Streitpatent, Spalte 2, Zeilen 36 bis 43).

3.4. Die gemäß Anspruch 1 vorgeschlagenen Maßnahmen zur Lösung der gestellten Aufgabe unterscheiden sich im wesentlichen von dem Verfahren nach D1 darin, daß anstatt einer homogenen Schmelze pulverförmiges Ausgangsmaterial in die rotierende Schmelzform eingebracht und erst anschließend bei einer Prozeßtemperatur oberhalb der Schmelztemperatur des Hochtemperatursupraleiters aufgeschmolzen wird. Es stellt sich zunächst die Frage, ob die oben angegebene technische Aufgabe mit diesen unterscheidenden Maßnahmen auch gelöst wird.

3.5. Die Beschwerdeführerin hat argumentiert, daß bei Einführung des feinen Pulvers zu erwarten sei, daß das Pulver spontan auf die Schmelztemperatur aufgeheizt werde und wahrscheinlich schmelzflüssig auf die Wandung der Schmelzform bzw. auf die darauf lagernde Schmelze treffe.

Die Kammer teilt die Auffassung der Beschwerdeführerin, daß der Wortlaut des Anspruchs 1 eine Ausführungsform umfaßt, bei der das Ausgangsmaterial in eine vorgeheizte Form eingebracht wird. Ob das Pulver dann spontan schmilzt, steht dahin. Fest steht, daß in D1 die Schmelze in eine nicht vorgeheizte Form einfließt und rasch erstarrt. Im Gegensatz dazu wird gemäß Streitpatent das Ausgangsmaterial immer erst in der rotierenden Form aufgeschmolzen und erstarrt dann. Die Beschwerdeführerin hat vorgetragen, daß es eben diese homogene Erstarrung der rotierenden Schmelze ist, welche zu einem homogenen Gefüge des Formteils führt (siehe auch Streitpatent, Spalte 2, Zeilen 36 bis 38). Nachdem diese Aussage von der Beschwerdeführerin nicht widerlegt wurde, hält es die Kammer für glaubhaft, daß die bestehende technische Aufgabe auch tatsächlich mit den kennzeichnenden Merkmalen gelöst wird.

3.6. Es bleibt zu klären, ob die vorgeschlagene Lösung der gestellten Aufgabe durch den einschlägigen Stand der Technik nahegelegt wurde.

Zweifellos ist Ziel des beanspruchten Verfahrens, mit dem homogenen Gefüge des Formteils letztendlich verbesserte supraleitende Eigenschaften, speziell eine höhere kritische Stromdichte, zu erreichen (Streitpatent, Spalte 2, Zeilen 24 bis 30 und Zeilen 36 bis 44). Infolgedessen würde der Fachmann, vor die oben genannte Aufgabe gestellt (siehe Punkt 3.3 oben), D2 zu Rate ziehen, welche sich ebenfalls mit der Verbesserung der kritischen Stromdichte befaßt (Seite 3, Zeilen 3 bis 5).

Aus D2 ist ein Verfahren zur Herstellung eines Hochtemperatursupraleiters bekannt, bei dem die Komponenten in einem Verhältnis vorliegen, das nur wenig von der erforderlichen Stöchiometrie abweicht, die Mischung aufgeschmolzen und die erstarrte Schmelze nachbehandelt wird (Seite 3, Zeilen 15 bis 28). Der Schmelzprozeß kann prinzipiell auf zwei Arten durchgeführt werden:

i) die Pulvermischung wird in einem Tiegel aufgeschmolzen und die Schmelze in eine Kokille abgegossen oder

ii) die Pulvermischung wird in eine gewünschte Form eingefüllt oder eingepreßt, und dann aufgeschmolzen (Seite 3, Zeile 57 bis Seite 4, Zeile 9 und Seite 4, Zeilen 34 bis 36).

Der Beschwerdeführerin hat vorgetragen, aus D2 gehe klar hervor, daß der Schmelzprozeß ii) gegenüber dem Schmelzprozeß i) die Erzielung von höheren Stromdichten ermögliche (Seite 4, Zeile 20). Die Kammer stellt jedoch fest, daß sich der Schmelzprozeß i) von D2 einer Gießtechnik bedient, während der Schmelzprozeß ii) einer ganz anderen Technik entspricht, nämlich der üblichen Vorgehensweise zur Herstellung von Preßtabletten (vgl. dazu D4, Seite 2, Zeilen 15 bis 17). Somit unterscheiden sich diese Schmelzprozesse nicht nur durch das Einsatzmaterial (Schmelze oder Pulver), sondern auch durch die Herstellungstechnik der Proben (Gießtechnik oder Tablettierung).

Auf der anderen Seite wendet D1 aus bestimmten Gründen die spezielle Schleudergußtechnik an, bei der die Kokille nicht aufgeheizt wird sondern zur Abkühlung dient (siehe Punkt 3.2 oben und D1, Spalte 1, Zeile 66 bis Spalte 2, Zeile 1 und Spalte 3, Zeilen 19 bis 22). Die Kammer ist der Auffassung, daß der Fachmann, der die Lösung für die bestehende Aufgabe sucht, dieses als vorteilhaft angesehene Merkmal nicht ohne Vorbild abändern würde. Es ist vor allem nicht ersichtlich, wie der Fachmann das Verfahren gemäß D1 mit dem Schmelzprozeß ii) gemäß D2 kombinieren soll, um zum beanspruchten Verfahren zu erlangen, ohne erfinderisch tätig zu werden.

3.7. Die Beschwerdeführerin hat vorgetragen, Vorbilder für eine solche Vorgehensweise fänden sich in D7 bzw. D8.

3.7.1. Die Beschwerdeführerin hat angeführt, D7 zeige eine Schleudergießmaschine, die mit einer Gießvorrichtung und einer Pulverzuführeinrichtung ausgestattet sei. Damit sei der wechselseitige Einsatz der Ofenanlage sowohl für die Zufuhr von Schmelzen als auch von Pulver bekannt.

D7 betrifft eine Anlage zur Herstellung von Metallzylindern. Die Kammer hat in der mündlichen Verhandlung festgestellt, daß das Schlichtepulver dort, wie von der Beschwerdegegnerin bereits vor der Einspruchsabteilung vorgetragen, die Aufgabe eines Trennmittels zwischen Kokillenwand und Schmelze hat (D7, Maschinenbeschreibung BZ 3, Blatt 2, Absatz c)). Dem wurde von der Beschwerdeführerin nicht widersprochen. Die Kokillen können in einem separaten Ofen vorgewärmt werden (siehe Maschinenbeschreibung für Schleudergießanlage BZ 1, Absatz m)). Die Beschreibung der Anlage weist jedoch keine Beheizung, sondern nur eine Kühlung für die Kokillen im Verwendungsbereich auf (Maschinenbeschreibung für Schleudergießanlage BZ 1, Absatz b)). Die Kammer ist in Übereinstimmung mit der Beschwerdegegnerin davon überzeugt, daß das Pulver beim gesamten Prozeß ungeschmolzen bleibt, während die zu vergießende Metallschmelze in den rotierend gekühlten Kokillen erstarrt. Die beweispflichtige Beschwerdeführerin hat nichts Gegenteiliges nachweisen können. D7 kann daher den Fachmann nicht dazu anregen, in einer Schleudergießanlage anstatt der Metallschmelze Keramikpulver in die Kokille einzubringen und dort aufzuschmelzen. Bei dieser Sachlage erübrigt sich die Frage, ob das Dokument D7 der Öffentlichkeit vor dem Prioritätstag des Streitpatents überhaupt zugänglich war.

3.7.2. Die Beschwerdeführerin hat auch vorgetragen, daß der Fachmann D8 heranziehen würde, wenn er vor die Aufgabe gestellt werde, ein keramisches Pulver in einer rotierenden Kokille aufzuschmelzen.

Die Kammer kann der Beschwerdeführerin darin zustimmen, daß D8 in großen Zügen die Herstellung eines rotationssymmetrischen Formteiles durch Einbringen von keramischen Pulvern in eine rotierende Form mit anschließendem Aufschmelzen und Erstarren derselben lehrt. Die Kammer stellt jedoch fest, daß es sich bei D8 ausschließlich um die Herstellung von Tiegeln handelt. Wie die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, ist ein Tiegel ein "rotationssymmetrisches Formteil", diese Form ist aber auf dem Gebiet der Hochtemperatursupraleiter unbrauchbar. Der Fachmann würde also unter dem in Anspruch 1 verwendeten Ausdruck "rotationssymmetrisches Formteil eines Hochtemperatursupraleiters" die Tiegelform nicht subsummieren. Somit ist die Kammer der Auffassung, daß die Druckschrift D8 kein Fachgebiet betrifft, in dem der Fachmann sich nach einer Anregung zur Lösung der bestehenden Aufgabe umsehen würde.

In der Substanz betrifft D8 die Herstellung von Tiegeln aus Quarz in einer vertikal rotierenden Form, deren Wandung unter Vakuum steht. In dieser Entgegenhaltung geht es in erster Linie darum, die Blasenbildung in den Tiegeln möglichst zu vermeiden. Zu dem Zweck wird das Quarzmaterial nacheinander in zwei verschiedenen Partikelgrößen verwendet (siehe Zusammenfassung). Bei dem Herstellungsprozeß wird die innere Quarzschicht aus feinen Partikeln mit Hilfe eines elektrischen Bogens geschmolzen; die so entstandene Glasschicht unterstützt das Vakuum und wirkt der Blasenbildung entgegen (Spalte 3, Zeilen 8 bis 29).

Ferner geht aus D8 hervor, daß die Glasschicht von innen nach außen wächst und nach Beendigung des Verfahrens eine äußere Schicht ungeschmolzenen Quarzes als Isolierung zurückbleibt, was bei der Herstellung von Hochtemperatursupraleitern nicht der Fall sein kann (siehe D8, Spalte 3, Zeilen 39 bis 42 und Spalte 4, Zeilen 19 bis 24).

Zusammengefaßt gehört D8 zu einem anderen technischen Gebiet. Die in D8 angesprochenen technischen Probleme sind völlig andere als diejenigen, die sich bei der Herstellung von Formteilen aus Hochtemperatursupraleitern stellen. Schließlich ist die Vorgehensweise in D8 für die Herstellung von Hochtemperatursupraleitern grundsätzlich nicht geeignet. Der Vortrag der Beschwerdeführerin würde darauf hinauslaufen, daß der Fachmann trotzdem aus dieser Offenbarung die einzige Lehre herausnehmen würde, Pulver in eine rotierende Form einzubringen und aufzuschmelzen. Die Kammer ist der Auffassung, daß diese Analyse nur auf der Kenntnis der Erfindung und somit auf einer rückschauenden Betrachtungsweise beruhen kann.

3.8. Die Beschwerdeführerin hat nicht aufgezeigt, daß die gemäß Anspruch 1 vorgeschlagene Lösung der Aufgabe aus D1 entweder für sich betrachtet oder in Kombination mit einer anderen im Verfahren befindlichen Entgegenhaltung herleitbar war. Die Kammer muß daher zu der Schußfolgerung kommen, daß das Verfahren gemäß Anspruch 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

4. Die Ansprüche 2 bis 10 betreffen bevorzugte Ausführungsarten des Verfahrens gemäß Anspruch 1. Deren Gegenstand ist somit ebenfalls neu und erfinderisch. Dem Hauptantrag der Beschwerdegegnerin, das Patent in der erteilten Form aufrechtzuerhalten, kann daher stattgegeben werden.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Quick Navigation