European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2002:T032599.20020110 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 10 Januar 2002 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0325/99 | ||||||||
Anmeldenummer: | 94905641.0 | ||||||||
IPC-Klasse: | C08G 18/10 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Wärmeaktivierbares modulares Bauteil, dessen Verwendung, Verfahren zur Direktverglasung von Fahrzeugen, sowie Klebstoff | ||||||||
Name des Anmelders: | Gurit-Essex AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.3.03 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Änderungen - Erweiterungen (bejaht), unzulässige Verallgemeinerung Klarheit der Ansprüche (verneint) Stützung von Ansprüchen durch die Beschreibung (verneint) |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die am 10. Februar 1994 unter Beanspruchung der Prioritäten zweier Schweizer Voranmeldungen (435/93-8 und 354/94-4) vom 12. Februar 1993 und 8. Februar 1994 als internationale Patentanmeldung Nr. PCT/CH94/00027 eingereichte europäische Patentanmeldung Nr. 94 905 641.0 mit der Veröffentlichungsnummer EP-A-0 638 099 (WO-A-94/18255) und dem Titel "Wärmeaktivierbares modulares Bauteil, dessen Verwendung, Verfahren zur Direktverglasung von Fahrzeugen, sowie Klebstoff" wurde von der Prüfungsabteilung mit Entscheidung vom 23. Oktober 1998 zurückgewiesen. Die Zurückweisung erfolgte auf der Grundlage eines mit Schreiben vom 5. Mai 1998 eingereichten Anspruchssatzes mit 49 Ansprüchen. Die unabhängigen Ansprüche lauteten wie folgt:
"1. Bei Umweltsbedingen unter 30 C mindestens 14 Tage lagerfähiges Glasmodul, welches zum Einkleben in einen Rahmen oder Flansch ohne Verwendung eines Montageklebers vorbereitet ist und entlang seines Randes einen profilierten, direkt auf der Glasscheibe oder auf einen separaten Zwischenträger liegenden Klebstoffstrang aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass der Klebstoffstrang aus einem Klebstoff besteht:
- welcher bei Raumtemperatur fest, nichtklebrig und latent reaktiv ist;
- welcher eine Erweichungstemperatur von 35 bis 60. C aufweist;
- bei welchem bei einer Aktivierungstemperatur von 70 bis 180 C die Reaktion einleitbar ist;
- welcher dabei für eine für die Montage ausreichende Zeit klebrig und nichtfliessend aber plastisch verformbar bleibt;
- welcher entlang seiner Kontaktfläche zum modularen Bauteil gegebenenfalls bereits ausgehärtet ist; und
- welcher zu mehr als 50 Gewichtsprozent aus einem oder mehreren der folgenden Produkte besteht:
- einem oder mehreren Polyurethanen mit blockierten Isocyanat-Gruppen;
- einem oder mehreren Polyurethan-Vorprodukten, welche aus Polyolen und/oder Polyaminen und aus verkapselten Polyisocyanaten bestehen;
- einem oder mehreren Polyurethanen mit radikalisch polymerisierbaren Gruppen;
wobei von diesen Produkten mindestens eines aus einem kristallisierendem Polyol aufgebaut ist und wobei 5 bis 15 Gewichtsprozent der zum Aufbau der Polyurethane dienenden Polyole Polyester-Polyole sind, während der Rest Polyether-Polyole sind."
"21. Verwendung eines Glasmoduls nach einem der Ansprüche 1 bis 20 für die Direktverglasung von Fahrzeugen, insbesondere von Automobilen."
"22. Verfahren zum Verkleben eines modularen Bauteils mit einem anderen Bauteil ohne Verwendung eines Monatageklebers, dadurch gekennzeichnet, dass man:
- entlang dem Rand des modularen Bauteils einen profilierten Klebstoffstrang aus einem latent reaktiven Klebstoff, welcher zu mehr als 50 Gewichtsprozent aus einem oder mehreren der folgenden Produkte besteht:
- einem oder mehreren Polyurethanen mit blockierten Isocyanat-Gruppen;
- einem oder mehreren Polyurethan-Vorprodukten, welche aus Polyolen und/oder Polyaminen und aus verkapselten Polyisocyanaten bestehen;
- einem oder mehreren Polyurethanen mit radikalisch polymerisierbaren Gruppen;
wobei von diesen Produkten mindestens eines aus einem kristallisierendem Polyol aufgebaut ist, und wobei 5 bis 15 Gewichtsprozent der zum Aufbau der Polyurethane dienenden Polyole Polyester-Polyole sind, während der Rest Polyether-Polyole sind,
in weichem Zustand aufträgt;
- den Klebtoffstrang [sic], gegebenenfalls nach Erhitzen auf seine Aktivierungstemperatur von 70. bis 180 C entlang seiner Kontaktfläche zum modularen Bauteil, um ihn zur Reaktion zu bringen, verfestigen lässt;
- das so erhaltene lagerfähige modulare Bauteil, gegebenenfalls nach Zwischenlagerung, zu einer Montagelinie transportiert;
- nötigenfalls den unausgehärteten Teil des Klebstoffs zum mindesten entlang der Kontaktfläche mit dem modularen Bauteil durch rasches Aufheizen auf eine Aktivierungstemperatur von 70 bis 180 C zur Reaktion bringt und den nicht durch Druck verformbaren Klebstoffteil über den gesamten Querschnitt plastisch verformbar, aber nichtfliessend macht;
- das modulare Bauteil mit dem mit ihm zu verklebenden anderen Bauteil zusammenbringt, auf eine vorbestimmte Fügedistanz zusammenpresst, gegebenenfalls den noch nicht aktivierten Teil des Klebstoffes zur Reaktionseineitung rasch auf die Aktivierungstemperatur von 70 bis 180 C und den Verbund zum Mindesten bis zur Verfestigung des Klebstoffs fixiert und dann ohne weiteres Dazutun noch fertig ausreagieren lässt;
mit der Massgabe, dass die Differenz zwischen der Auftragungstemperatur und der Aktivierungstemperatur des Klebstoffs mindestens 20. C beträgt."
"47. Latent reaktiver oder reaktiver Polyurethan-Klebstoff, welcher zu mehr als 50 Gewichtsprozent aus einem oder mehreren der folgenden Produkte besteht:
- einem oder mehreren Polyurethanen mit blockierten Isocyanat-Gruppen;
- einem oder mehreren Polyurethan-Vorprodukten, welche aus Polyolen und/oder Polyaminen und aus verkapselten Polyisocyanaten bestehen;
- einem oder mehreren Polyurethanen mit radikalisch polymerisierbaren Gruppen;
wobei von diesen Produkten mindestens eines aus einem kristallisierendem Polyol aufgebaut ist, und wobei 5 bis 15 Gewichtsprozent der zum Aufbau der Polyurethane dienenden Polyole Polyester-Polyole sind, während der Rest Polyether-Polyole sind."
Die weiteren Ansprüche betrafen jeweils bevorzugte Ausführungsformen der Gegenstände der ihnen unmittelbar voranstehenden unabhängigen Ansprüche.
II. Die Zurückweisung wurde mit einer Verletzung des Erfordernisses des Artikels 123 (2) EPÜ begründet, da in den oben wiedergegebenen Ansprüchen 1, 22 und 47 der ursprüngliche, als unklar angesehene Begriff "überwiegend" durch die Formulierung "zu mehr als 50 Gewichtsprozent" ersetzt worden sei, die keine Stützung durch die ursprünglichen Anmeldungsunterlagen finde.
III. Am 10. Dezember 1998 wurde daraufhin von der Anmelderin (Beschwerdeführerin) unter gleichzeitiger Entrichtung der vorgeschriebenen Gebühr Beschwerde erhoben und beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Prüfungsabteilung anzuweisen, die Prüfung auf Grundlage des oben genannten Anspruchssatzes vom 5. Mai 1998 fortzusetzen. Gemäß einem Eventualantrag solle die Prüfung auf Grundlage der Patentansprüche 1 bis 41 vom 9. September 1997 fortgesetzt werden, dessen Anspruchssatz Ansprüche derselben Kategorien wie der Anspruchssatz gemäß Hauptantrag enthielt.
Die am 25. Februar 1999 eingegangene Beschwerdebegründung befaßte sich mit der Zulässigkeit des Ausdrucks "überwiegend" und seiner Bedeutung. Außerdem wurde mündliche Verhandlung beantragt, bevor keinem der vorstehend genannten Anträge stattgegeben werde.
IV. In einem ersten Bescheid vom 15. November 2000 wurden der Beschwerdeführerin als vorläufige Meinung verschiedene Bedenken des Berichterstatters zum Wortlaut der Ansprüche im Hinblick auf die Artikel 84 und 123 (2) EPÜ dargelegt, insbesondere zum oben genannten Zurückweisungsgrund.
Nach einem Fristverlängerungsgesuch für die Beantwortung des Bescheids wurde eine mündliche Verhandlung für den 31. Juli 2001 anberaumt.
In Erwiderung des Bescheids wurden mit einer Eingabe vom 21. Mai 2001 zwei neue Anspruchssätze für einen Haupt- und einen Hilfsantrag vorgelegt sowie einige der angesprochenen Punkte beantwortet.
Daraufhin erging am 5. Juni 2001 ein weiterer Bescheid, in dem eine Reihe meist redaktioneller Punkte des Hauptantrags angesprochen wurden und auf den die Beschwerdeführerin in einem weiteren Schriftsatz vom 2. Juli 2001 mit einer Abänderung des Hauptantrags (Ansprüche 1 bis 32) reagierte.
Nach telefonischen Rücksprachen am 16. und am 23. Juli 2001 über den Wortlaut der vorgeschlagenen Ansprüche gemäß Hauptantrag wurden diese Ansprüche von der Beschwerdeführerin nochmals modifiziert (Fax vom 23. Juli 2001).
Nach dieser letzten Änderung lauteten die unabhängigen Ansprüche des Hauptantrags:
"1. Lagerfähiges modulares Bauteil, welches zum Einkleben in einen Rahmen oder Flansch ohne Verwendung eines zusätzlichen Montageklebers vorbereitet ist und entlang seines Randes einen profilierten direkt auf dem modularen Bauteil liegenden Klebstoffstrang aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass der Klebstoffstrang aus einem Klebstoff besteht:
- welcher bei Raumtemperatur fest, nichtklebrig und latent reaktiv ist;
- welcher eine Erweichungtemperatur von 25 bis 80. C aufweist;
- bei welchem bei einer Aktivierungstemperatur von 70 bis 180 C die Reaktion einleitbar ist;
- welcher dabei für eine für die Montage ausreichende Zeit klebrig und nichtfliessend aber plastisch verformbar bleibt;
- welcher entlang seiner Kontaktfläche zum modularen Bauteil gegebenenfalls bereits ausgehärtet ist;
- welcher überwiegend aus einem oder mehreren der folgenden Produkte besteht:
- ein oder mehrere Polyurethane mit blockierten Isocyanat-Gruppen; oder
- ein oder mehrere Polyurethan-Vorprodukte, welche aus Polyolen und/oder Polyaminen und aus verkapselten Polyisocyanaten bestehen; oder
- ein oder mehrere Polyurethane mit radikalisch polymerisierbaren Gruppen;
wobei von diesen Produkten mindestens eines aus einem kristallisierenden Polyol aufgebaut ist und wobei maximal 20 Gewichtsprozent der zum Aufbau der Polyurethane dienenden Polyole Polyester-Polyole sind, während der Rest Polyether-Polyole sind."
"15. Verfahren zum Verkleben eines modularen Bauteils nach einem der Ansprüche 1 bis 14 mit einem anderen Bauteil ohne Verwendung eines zusätzlichen Montageklebers, dadurch gekennzeichnet, dass man:
- das modulare Bauteil, gegebenenfalls nach Zwischenlagerung, zu einer Montagelinie transportiert;
- den unausgehärteten Teil des Klebstoffs zum Mindesten entlang der Kontaktfläche mit dem modularen Bauteil durch Aufheizen auf eine Aktivierungstemperatur von 70 bis 180 C zur Reaktion bringt und den verbleibenden Teil des Klebstoffstranges unter Anpressdruck plastisch verformbar aber nichtfliessend macht;
- das modulare Bauteil mit dem mit ihm zu verklebenden anderen Bauteil zusammenbringt, auf eine vorbestimmte Fügedistanz zusammenpresst, gegebenenfalls den noch nicht aktivierten Teil des Klebstoffes zur Reaktionseinleitung auf die Aktivierungstemperatur von 70 bis 180 C erhitzt und den Verbund zum Mindesten bis zur Verfestigung des Klebstoffs fixiert und dann ohne weiteres Dazutun noch fertig ausreagieren lässt;
mit der Massgabe, dass die Differenz zwischen der Auftragungstemperatur und der Aktivierungstemperatur des Klebstoffs mindestens 20. C beträgt."
Der anhängige Hilfsantrag in der Fassung vom 21. Mai 2001 enthielt die folgenden unabhängigen Ansprüche:
"1. Lagerfähiges modulares Bauteil, welches für eine Montage durch Verkleben mit einem anderen Bauteil ohne Verwendung eines Montageklebers vorbereitet ist, dadurch gekennzeichnet, dass es entlang seines Randes einen profilierten Klebstoffstrang aus einem latent reaktiven Klebstoff aufweist, welcher überwiegend umfasst:
- ein oder mehrere Polyurethane mit blockierten Isocyanat-Gruppen; oder
- ein oder mehrere Polyurethan-Vorprodukte, welche aus Polyolen und/oder Polyaminen und aus verkapselten Polyisocyanaten bestehen; oder
- ein oder mehrere Polyurethane mit radikalisch polymerisierbaren Gruppen;
bei welchem bei einer Aktivierungstemperatur von 70. bis 180 C die Reaktion einleitbar ist, und welcher gleichzeitig für eine für die Montage ausreichende Zeit klebrig und nichtfliessend aber plastisch verformbar bleibt, und welcher entlang seiner Kontaktfläche zum modularen Bauteil gegebenenfalls bereits ausgehärtet ist."
"16. Verfahren zum Verkleben eines modularen Bauteils mit einem anderen Bauteil ohne Verwendung eines Monatageklebers [sic], dadurch gekennzeichnet, dass man:
- entlang dem Rand des modularen Bauteils einen profilierten Klebstoffstrang aus einem latent reaktiven Klebstoff, welcher überwiegend umfasst:
- ein oder mehrere Polyurethane mit blockierten Isocyanatgruppen; oder
- ein oder mehrere Polyurethan-Vorprodukte, welche aus Polyolen und/oder Polyaminen und aus verkapselten Polyisocyanaten bestehen; oder
- ein oder mehrere Polyurethane mit radikalisch polymerisierbaren Gruppen;
in weichem Zustand aufträgt;
- den Klebtoffstrang [sic], gegebenenfalls nach Erhitzen auf seine Aktivierungstemperatur von 70. bis 180 C entlang seiner Kontaktfläche zum modularen Bauteil, um ihn zur Reaktion zu bringen, verfestigen lässt;
- das so erhaltene lagerfähige modulare Bauteil, gegebenenfalls nach Zwischenlagerung, zu einer Montagelinie transportiert;
- den unausgehärteten Teil des Klebstoffs zum mindesten entlang der Kontaktfläche mit dem modularen Bauteil durch rasches Aufheizen auf eine Aktivierungstemperatur von 70 bis 180 C zur Reaktion bringt und den verbleibenden Teil des Klebstoffstranges unter Anpressdruck plastisch verformbar aber nichtfliessend macht;
- das modulare Bauteil mit dem mit ihm zu verklebenden anderen Bauteil zusammenbringt, auf eine vorbestimmte Fügedistanz zusammenpresst, gegebenenfalls den noch nicht aktivierten Teil des Klebstoffes zur Reaktionseinleitung auf die Aktivierungstemperatur von 70 bis 180 C erhitzt und den Verbund zum Mindesten bis zur Verfestigung des Klebstoffs fixiert und dann ohne weiteres Dazutun noch fertig ausreagieren lässt;
mit der Massgabe, dass die Differenz zwischen der Auftragungstemperatur und der Aktivierungstemperatur des Klebstoffs mindestens 20. C beträgt."
Die Ansprüche 2 bis 15 betrafen bevorzugte Ausführungsformen des Bauteils gemäß Anspruch 1, die Ansprüche 17 bis 36 Ausgestaltungen des Verfahrens von Anspruch 16, darunter Anspruch 17 mit folgendem Wortlaut:
"17. Verfahren nach Anspruch 16 zur Direktverglasung von Fahrzeugen, dadurch gekennzeichnet, dass man:
- entlang dem Rand einer Glasscheibe, entweder direkt auf diese oder auf einen separaten Zwischenträger, den profilierten Klebstoffstrang aufträgt;
- den Klebtoffstrang [sic], gegebenenfalls nach Erhitzen auf seine Aktivierungstemperatur von 70. bis 180 C entlang seiner Kontaktfläche zum modularen Bauteil, um ihn zur Reaktion zu bringen, verfestigen lässt;
- das so erhaltene lagerfähige Glasmodul, gegebenenfalls nach Zwischenlagerung, zur Montagelinie des Fahrzeuges transportiert;
- den unausgehärteten Teil des Klebstoffs zum Mindesten entlang der Kontaktfläche mit dem Glasmodul durch rasches Aufheizen auf die Aktivierungstemperatur zur Reaktion bringt und den verbleibenden Teil des Klebstoffstranges unter Anpressdruck plastisch verformbar aber nichtfliessend macht;
- das Glasmodul in den Rahmen oder Flansch des Fahrzeuges einsetzt und auf die vorbestimmte Fügedistanz einpresst, den noch nicht aktivierten Teil des Klebstoffes auf die Aktivierungstemperatur erhitzt und das Glasmodul zum Mindesten bis zur Verfestigung des Klebstoffs festhält und dann fertig ausreagieren lässt."
V. Am 26. Juli 2001 wurde die Beschwerdeführerin per Fax über die vorläufige Meinung der Kammer zu diesen beiden Anspruchssätzen informiert. Dabei wurde auf verschiedene Bedenken hinsichtlich der Erfordernisse der Artikel 84 und 123 (2) EPÜ hingewiesen.
i) Insbesondere wurde seitens der Kammer hinsichtlich des Hauptantrags bemängelt:
1. Ein Einkleben in einen Rahmen oder Flansch schien ursprünglich nur für ein Glasmodul offenbart zu sein.
2. Die im letzten Absatz von Anspruch 1 angegebenen Charakteristika bezogen sich offenbar auf ein beliebiges der drei aufgelisteten Produkte, nicht aber notwendigerweise auf das, aus dem der Klebstoffstrang besteht.
ii) Den Hilfsantrag betreffend wurden die von der Prüfungsabteilung erhobenen Klarheitsbedenken hinsichtlich der Formulierung "... Klebstoffstrang aus einem latent reaktiven Klebstoff aufweist, welcher überwiegend umfasst:" von der Kammer geteilt.
VI. Hierauf beantragte der Vertreter der Beschwerdeführerin mit einem Fax vom selben Datum die Verlegung der mündlichen Verhandlung.
Daraufhin wurde der Termin der mündliche Verhandlung aufgehoben und ein neuer Termin für den 10. Januar 2002 festgesetzt.
VII. Nach einem Wechsel des Vertreters wurde die Kammer mit Schreiben vom 28. Dezember 2001 informiert, daß die mündliche Verhandlung seitens der Beschwerdeführerin nicht wahrgenommen werde, und Entscheidung nach Lage der Akten beantragt.
VIII. Die mündliche Verhandlung fand am 10. Januar 2002 in Abwesenheit der Beschwerdeführerin statt.
IX. Vor dem bereits zitierten Antrag auf Entscheidung nach Lage der Akten lauteten die zuvor schriftlich eingereichten Anträge der Beschwerdeführerin auf Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung des Falls zur weiteren Prüfung auf Grundlage entweder des Haupt- oder des Hilfsantrages an die erste Instanz.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Gemäß den Bestimmungen des Artikels 111 (1) EPÜ hat sich die Beschwerdekammer nicht nur mit dem Zurückweisungsgrund unter Artikel 123 (2) EPÜ befaßt, sondern auch die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ in Betracht gezogen, die auch im schriftlichen Verfahren vor der Kammer bereits angesprochen worden sind.
3. Hauptantrag
3.1. Artikel 123 (2) EPÜ
3.1.1. Im Fax vom 26. Juli 2001, dessen Eingang vom damaligen Vertreter der Beschwerdeführerin im Rahmen einer telefonischen Rücksprache am selben Tag bestätigt wurde, wurde darauf hingewiesen, daß anscheinend ein Kleben in einen Rahmen oder Flansch nur für ein Glasmodul ursprünglich offenbart worden ist.
3.1.2. Dieser Feststellung wurde seitens der Beschwerdeführerin nicht widersprochen.
3.1.3. Sämtliche Fundstellen in der ursprünglichen Offenbarung, die einen Flansch oder Rahmen betreffen, stehen in ausschließlichem Zusammenhang mit dem Einbau einer (Glas-)Scheibe (ursprüngliche Ansprüche 2, 26 und 50; Seite 27, Zeilen 21 bis 24; Seiten 30 bis 33, Tabellen 3 und 4).
3.1.4. Der Anspruch, der auf ein lagerfähiges modulares Bauteil gerichtet ist, welches zum Einkleben in einen Rahmen oder Flansch ... vorbereitet ist, enthält somit eine durch die ursprünglichen Unterlagen nicht gestützte Verallgemeinerung und erfüllt deshalb nicht die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ.
3.2. Daher kann der Hauptantrag keinen Bestand haben, denn nach gefestigter Rechtsprechung wird über einen Antrag nur als Ganzes entschieden, nicht jedoch über Teilaspekte, z. B. einzelne Ansprüche. Daher können die weiteren Ansprüche des Hauptantrags außer Betracht bleiben.
3.3. Ergänzend sei noch darauf verwiesen, daß der Wortlaut des letzten Absatzes von Anspruch 1 zudem nicht im Einklang mit den Erfordernissen des Artikels 84 EPÜ steht. Es ist nämlich nicht klar, ob und inwieweit die im letzten Absatz des Anspruchs genannten Charakteristika als beschränkende Merkmale des Klebstoffs und damit des Klebstoffstrangs zu verstehen sind; denn diese Charakteristika beziehen sich zwar unbestrittenerweise auf ein beliebiges der drei aufgelisteten Produkte, aus denen der Klebstoff überwiegend bestehen soll, nicht aber notwendigerweise auf das, aus dem der Klebstoffstrang tatsächlich besteht. Hierzu wurde von der Beschwerdeführerin nichts vorgetragen.
4. Hilfsantrag
4.1. Artikel 84 EPÜ
Wiederholt wurde darauf hingewiesen (Bescheid vom 15. November 2000; Fax vom 26. Juli 2001), daß ein Teil der Anmerkungen und Einwände zum jeweiligen Hauptantrag auch auf die Ansprüche des Hilfsantrags zutraf und auch bei dessen Beurteilung zu beachten sein würde.
4.1.1. Hinsichtlich des Wortlauts von Anspruch 1 teilt die Kammer die von der Prüfungsabteilung erhobenen Klarheitseinwände (siehe deren Bescheid vom 30. Oktober 1997, sowie den Bescheid des Berichterstatters vom 15. November 2000). Die Bedeutung der Formulierung "dass es [das Modul] ... einen ... Klebstoffstrang aus einem ... Klebstoff aufweist, welcher überwiegend umfasst ...", auf die im Anspruch ein Hinweis auf drei unterschiedliche Stoffklassen folgt, schließt eine weder zahlenmäßig noch hinsichtlich ihrer stofflichen Zusammensetzung beschränkte Kombination verschiedener Klebstoffe ein. Die Grenzen des Bereichs, innerhalb dessen eine mehrere Komponenten enthaltende Zusammensetzung des Klebstoffstrangs vom Anspruch noch mitumfaßt wird, sind nicht eindeutig erkennbar.
4.1.2. Darüber hinaus erfüllt der Klebstoffstrang (die Raupe), wie er (sie) im beanspruchten Verfahren (jetzt in Anspruch 16) als erste Maßnahme auf das Modul aufgetragen wird, nach Überzeugung der Kammer die allgemeine Definition eines "Montageklebers". Diesem bereits in einem Bescheid erhobenen Einwand wurde von der Beschwerdeführerin seinerzeit nicht widersprochen, sondern ausschließlich im Hauptantrag durch die Einfügung des Wortes "zusätzlich" Rechnung getragen.
4.1.3. Auch einem Einwand zu einem nicht näher definierten "Zwischenträger" im seinerzeitigen Anspruch 1, der im offensichtlichen Widerspruch zur Beschreibungseinleitung stand, in der bereits auf ein bekanntes nachteiliges System mit einem Zwischenträger hingewiesen wird (Seiten 2 bis 5), wurde nicht widersprochen. Dieser Einwand gilt ebenso für die entsprechende Passage im nunmehrigen Anspruch 17, dessen erste Verfahrensmaßnahme lautet:
"... dass man
- entlang dem Rand einer Glasscheibe, entweder direkt auf diese oder auf einen separaten Zwischenträger, den profilierten Klebstoffstrang aufträgt" (Hervorhebung hinzugefügt).
4.1.4. Somit erfüllen die Ansprüche 1, 16 und 17 nicht die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ.
4.2. Daraus ergibt sich zwangsläufig, analog zur Feststellung unter Punkt 3.2, daß auch der Hilfsantrag nicht erfolgreich sein kann und sich daher eine Untersuchung der weiteren Ansprüche erübrigt.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.