European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2000:T025799.20000727 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 27 Juli 2000 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0257/99 | ||||||||
Anmeldenummer: | 91111437.9 | ||||||||
IPC-Klasse: | G03H 1/02 B32B 33/00 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Mehrschichtiges optisch variables Element | ||||||||
Name des Anmelders: | GAO Gesellschaft für Automation und Organisation mbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Siemens Building Technologies AG | ||||||||
Kammer: | 3.4.02 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Neuheit und erfinderische Tätigkeit (nach Änderung bejaht) | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Einsprechenden (Beschwerdeführerin) richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchs-abteilung, daß das europäische Patent EP-B-0 466 118 (Anmeldenummer 91 111 437.9 erteilt am 11.10.95, veröffentlicht am 15.01.92, Prioritätstag 10.07.90) in geändertem Umfang den Erfordernissen des EPÜ genügt. In der Entscheidung wurde unter anderem auf die folgenden Druckschriften verwiesen:
D1: DE-A-3 308 831
D2: EP-A-0 201 323
D4: EP-A-0 401 466 (Priorität 05.06.89, Veröffentlichungstag 12.12.90) D8: GB-A-2 136 352.
Zur Frage der Definition des Begriffs "Polyester" wurde im Laufe des Verfahrens unter anderem auf die folgenden Druckschriften verwiesen:
D9: Ullmans Enc. der Tech. Chem.,1976, Bd. 11, S. 683, 1. Abschnitt
D9a: Enc. Polymer Science and Engineering, 1988, Vol. 12, S. 118
D9b: Enc. Polymer Science and Engineering, 1988, Vol. 12, S. 193
D9c: Enc. Polymer Science and Engineering, 1988, Vol. 7, S. 73, 78, 79
D11: Domininghaus, "Die Kunststoffe u. ihre Eigenschaften, VDI Verl. 1988, S. 467
D11a: Domininghaus, "Die Kunststoffe u. ihre Eigenschaften, VDI Verl. 1988 S. 490-506
D12: ICI-Broschüre "Melinex", Industry Note MY.203, 6th ed. 1986
D14: Kunststofftaschenbuch, Carl Hanser Verlag, 1967, S.519,432
A2: Römpp, Chemie-Lexikon, 1987, S. 3285-6
II. Die Einspruchsabteilung stellte fest, daß die Druckschrift D4 Stand der Technik im Sinne des Artikels 54. (3) EPÜ sei und Polyester als geeignetes Material für eine Schutzschicht offenbare. Gegenüber der Lehre dieser Druckschrift sei der Gegenstand des Anspruchs 1 neu, da die beanspruchten Materialen der Schutzschicht entweder spezielle Beispiele eines Polyestermaterials seien oder nicht zu der Familie der Polyester zählen. Von den Druckschriften, die zum Stand der Technik gemäß dem Artikel 54 (2) EPÜ gehören, sah die Einspruchsabteilung die Druckschrift D2 als nächstkommenden Stand der Technik an. Die Verwendung einer Trägerschicht aus PETP in einem Hologrammbogen biete dem Fachmann keinerlei Anregung für deren Verwendung in einem Transferband. Sowohl der Anspruch 9 als auch der Anspruch 10 des angefochtenen Patents führten eindeutig und zweifelsfrei zu einem Transfermaterial gemäß dem Anspruch 1. Aufgrund der im Verfahren befindlichen Druckschriften sei für einen Einwand unter Artikel 56 EPÜ kein Anlaß, wie auch immer deren Offenbarungen kombiniert werden.
III. Im Einspruchsverfahren hatte die Beschwerdeführerin in Bezug auf die Druckschrift A2 argumentiert, daß Polyethylenterephthalate (PETP) und Polycarbonate (PC) zu den Polyestern gehören (vgl. z. B. den letzten Absatz der Seite 5 der Eingabe vom 04.08.97). In der schriftlichen Begründung der Beschwerde verwies die Beschwerdeführerin auch auf die Druckschriften D9, D9a und D9b und schloß daraus, daß unter Polyester generell PETP verstanden werde, wenn kein anderer weniger häufig verwendeter Spezialpolyester genannt sei (vgl. z. B. den ersten Absatz der Seite 5 der Eingabe vom 14.05.99). Somit sei der Gegenstand des Anspruchs 1 - für die meisten der beanspruchten Länder - nicht neu gegenüber der Druckschrift D4. Im übrigen würden die zu PC vorgetragen Bedenken aus den bisherigen Schriftsätzen gelten. Zur erfinderischen Tätigkeit wurde ausgeführt, daß "Etiketten" üblicherweise aus "Transfermaterial" ausgeschnitten seien, was einen grundsätzlich gleichen Schichtaufbau bedeute. Das Ersetzen einer lackierten Schutzschicht durch eine Folie könne nicht als Überwindung eines Vorurteils angesehen werden. Außerdem sei die Anordnung der Trägerschicht auf der Seite der Schutzfolie gegenüber dem aus der Druckschrift D8 bekannten "release"-Papier beim Patentgegenstand eher nachteilig. Der Stand der Technik nach den Druckschriften D2 und D8 sowie dem nachgewiesenen Fachwissen gemäß D9 führe folglich zum Patentgegenstand. Die Beschwerdeführerin verwies auch auf die inkorrekte Bezeichnung "Polytrifluorchlorethylen" für PCTFE
IV. Nach Auffassung der Beschwerdegegnerin könne von fehlender Neuheit nicht gesprochen werden, da keines der beanspruchten Materialien aus der Druckschrift D4 als äußere Schutzschicht bekannt sei. Der Begriff des "Transfermaterials" stehe im Zentrum der Diskussion zur erfinderischen Tätigkeit. Ein kennzeichnendes Merkmal eines Transfermaterials sei die Anordnung eines fragilen Schichtaufbaus auf einer später abzuziehenden Trägerfolie. Auf einem Trägerband aufgeklebte Etiketten andererseits bedingen die Integration einer selbsttragenden Schicht, da sie sonst nicht vom Trägerband zu lösen und auf ein Substrat zu übertragen seien. Der Fachmann habe keinen Grund, die aus der Druckschrift D2 bekannte Transfertechnik durch in einem anderen technischen Zusammenhang aus der Druckschrift D8 bekannte Maßnahmen zu modifizieren.
V. Hilfsweise wurde eine mündliche Verhandlung von beiden Parteien beantragt. Diesen Hilfsanträgen entsprechend wurde eine mündliche Verhandlung anberaumt. In einem als Anlage der Ladung beigefügten Bescheid verwies die Kammer auf die Vielfalt der Polyestertypen und warf die Frage auf, ob sich die Auswahl nur eines bestimmten Polyestermaterials eindeutig und zweifelsfrei aus der Druckschrift D4 ergebe. Der Mitte der linken Spalte der Literaturstelle A2 sei beispielsweise zu entnehmen, daß auch Polycarbonate zu den Polyestern gehören.
VII. Der Wortlaut der unabhängigen Ansprüche lautet wie folgt:
"1. Mehrschichtiges, optisch variables Transfermaterial mit einem Schichtaufbau in der nachfolgend angegebenen Reihenfolge:
- eine abziehbare Trägerschicht (10),
- mindestens eine Schutzschicht (14), wobei die Schutzschicht (14) als selbsttragende und dimensionsstabile Schicht ausgebildet ist, die eine Dicke von wenigen µm bis etwa 20 µm aufweist und aus einer Kunststoffolie aus Polycarbonat (PC), Polyvinylfluorid (PVF), Polyethylenterephthalat (PETP), Polychlortrifluorethylen (PCTFE) oder Tetrafluorethylen/Hexafluorpropylen-Copolymer(FEP) besteht,
- mindestens eine Schicht (16,18,20), die einen optisch variablen Effekt aufweist,
- eine Kleberschicht (22), die vorzugsweise von einer leicht entfernbaren Deckschicht (24) abgedeckt ist."
"9. Verfahren zur Herstellung eines optisch variablen Transfermaterials mit folgenden Schritten:
a) Aufbringen einer Trennschicht (12) auf eine strapazierfähige und in Maschinen bearbeitbare Trägerfolie (10),
b) Aufbringen einer transparenten, selbsttragenden, dimensionsstabilen Schutzfolie (14), mit einer Dicke von wenigen Mikrometern bis etwa 20 µm auf die Trennschicht (12), wobei die Schutzfolie (14) von einer Kunststoffolie aus Polycarbonat (PC), Polyvinylfluorid (PVF), Polyethylenterephthalat (PETP), Polychlortrifluorethylen (PCTFE) oder Tetrafluorethylen/Hexafluorpropylen-Copolymer(FEP) gebildet wird,
c) Beschichten des mit den Schritten a) und b) hergestellten Verbundmaterials mit einer prägbaren Lackschicht (16),
d) Einprägen eines Hologramms in die Lackschicht,
e) Bedampfen der geprägten Lackschicht mit einer dünnen reflektierenden Metallschicht (18),
f) Aufbringen einer die Metallschicht (18) abdeckenden Schutzschicht (20),
g) Aufbringen einer Klebeschicht (22) und gegebenfalls
h) Aufbringen einer ablösbaren Schutzschicht (24).
10. Verfahren zur Herstellung eines optisch variablen Transfermaterials mit folgenden Schritten:
a) Aufbringen einer Trennschicht (12) auf eine strapazierfähige und in Maschinen bearbeitbare Trägerfolie (10),
b) Aufbringen einer transparenten, selbsttragenden, dimensionsstabilen Schutzfolie (14), mit einer Dicke von wenigen Mikrometern bis etwa 20 µm auf die Trennschicht (12), wobei die Schutzfolie (14) von einer Kunststoffolie aus Polycarbonat (PC), Polyvinylfluorid (PVF), Polyethylenterephthalat (PETP), Polychlortrifluorethylen (PCTFE) oder Tetrafluorethylen/Hexafluorpropylen-Copolymer(FEP) gebildet wird,
c) Beschichten des mit den Schritten a) und b) hergestellten Verbundmaterials mit einer fotografischen Emulsion oder einem Fotopolymer,
d) Einbringen eines Volumenhologramms in die Emulsion oder das Fotopolymer durch entsprechende Belichtungsschritte,
e) Abdecken der Emulsion oder des Polymers mit einer schwarzen Rückschicht,
f) Aufbringen einer Klebeschicht (22) und gegebenfalls
g) Aufbringen einer ablösbaren Schutzschicht (24).
In den Ansprüchen 9 und 10 wurde der Begriff "Polytrifluorchlorethylen" von der Kammer in "Polychlortrifluorethylen" berichtigt."
Die Verfahrensansprüche 16 und 17 beinhalten ein Merkmal, das sich auf die Verwendung von Transfermaterial nach Anspruch 8 bzw. 7 bezieht. Die letztgenannten Ansprüche sind auf den Anspruch 1 rückbezogen.
VIII. Während der mündlichen Verhandlung argumentierten die Parteien wie folgt:
Beschwerdeführerin
Aus der Druckschrift D4 (Stand der Technik gemäß Artikel 54. (3) EPÜ) seien alle Merkmale des Anspruchs 1 bekannt. Insbesondere in den Zeilen 42-43 der Spalte 2 sei beispielsweise Polyester als sehr geeignetes Folienmaterial erwähnt. In der Druckschrift D4 würde nicht der theoretische Chemiker, sondern der auf dem Gebiet tätige Fachmann angesprochen. Nach dem nachgewiesenen Verständnis des auf diesem Gebiet tätigen Fachmanns sei Polyester generell als PETP zu verstehen (vgl. D9a, Seite 118, D9b, Seite 193, letzter Absatz oder D12). Der gegen den Anspruch 1 des angefochtenen Patents erhobene Neuheitseinwand betreffe nur die Alternative PETP, was aber ausreiche.
Das zu lösende Problem sei das Anbringen eines holographischen Elements beispielsweise auf einen Geldschein. Die Druckschrift D1 biete diesbezüglich mögliche Ansätze und offenbare eine Klebeschicht, eine holographische Schicht sowie einen Träger. Dabei sei auch eine transparente verschleißfeste Schicht 6 vorgesehen, die die äußere Schicht des fertigen Produkts bilde. Die Aufgabe des angefochtenen Patents sei es, anstelle der Schutzschicht 6 eine möglichst dünne Schicht anzubringen. Der Fachmann würde die Druckschrift D9 konsultieren, um dafür einen geeigneten Film zu finden und würde dazu die auf der Seite 680 der Druckschrift D9 enthaltene Tabelle zu diesem Zweck heranziehen, die ihn sogleich zu einer Schutzfolie aus PEPT führt. Auch die aus der Druckschrift D2 bekannten Stoffe könnten berücksichtigt werden, wobei die Figur 4 relevant sei. Gehe man dagegen von der Folie gemäß den Figuren 6 und 7 der Druckschrift D2 aus, so stelle sich das Problem der einfachen Übertragung des Materials auf ein Substrat. Die Lösung ergebe sich dann unmittelbar aus dem Ausführungsbeispiel gemäß den Figuren 4 und 5 derselben Druckschrift.
Beschwerdegegnerin
Der Versuch, PETP in die Druckschrift D4 (Stand der Technik nach Artikel 54 (3) EPÜ) hineinzulesen, sei ein Versuch, die Frage der erfinderischen Tätigkeit auf unzulässige Weise in die Neuheitsprüfung einzuführen. Die "Etikettenlösung" gemäß den Druckschriften D8 und D2 sei ein anderes Verfahren und nicht auf Transfermaterial zu übertragen. Die Lösungen gemäß den Druckschriften D1 und D2 schlössen von vorneherein eine reißfeste Schutzfolie aus.
Im Anschluß an die Diskussion reichte die Beschwerdegegnerin überarbeitete Unterlagen ein. Der Begriff "Polytrifluorchlorethylen" wurde in "Polychlortrifluorethylen" berichtigt.
IX. Im Hinblick auf die Berücksichtigung der Druckschrift D4 beantragte die Beschwerdeführerin die Vorlage der folgenden Frage an die Große Beschwerdekammer:
"Der Großen Beschwerdekammer ist die Frage zur Entscheidung vorzulegen, ob die in mehreren allg. anerkannten Nachschlagewerken des deutschen und englischen Sprachraums beschriebene Definition eines in der Fachwelt verwendeten Begriffs zur Auslegung eines in einer (zum Stand der Technik gehörenden) älteren Patentanmeldung verwendeten Begriffs bei der Beurteilung der Neuheitsfrage zu berücksichtigen ist, falls unter dem Begriff auch andere Definitionen möglich sind."
X. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents. Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde und die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang mit den in der Entscheidungsformel angegebenen Unterlagen.
XI. Am Ende der Verhandlung wurde die Entscheidung verkündet.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde entspricht den in Regel 65 (1) EPÜ genannten Bestimmungen und ist somit zulässig.
2. Änderungen - Artikel 123 EPÜ
Die im Verfahren vorgenommenen und von der Beschwerdeführerin nicht beanstandeten Änderungen sind in der ursprünglichen Anmeldung offenbart (vgl. beispielsweise die Figuren, Spalte 4, Zeile 16 und die Ansprüche 1, 2, 13 und 14). Durch die Hinweise auf das Transfermaterial, die Schichtfolge und die Materialwahl werden die Ansprüche eingeschränkt. Die Berichtigung des Bergriffs "Polytrifluorchlorethylen" in "Polychlortrifluorethylen" entspricht den Erfordernissen der Regel 88 EPÜ.
3. Neuheit - Artikel 54 (3) EPÜ
3.1. Die Druckschrift D4 gehört zum Stand der Technik nach Artikel 54 (3) EPÜ. In den Zeilen 42-43 der Spalte 2 wird Bezug genommen auf "Polyester". Dieser Begriff schließt eine Reihe von Polykondensationsprodukten ein, die durch eine bestimmte chemische Struktur definiert sind. Eine Definition wird beispielsweise in der Druckschrift A2 angegeben. Daraus ist insbesondere ersichtlich, daß mehrere unterschiedliche Stoffe unter diesen Begriff fallen. Die Beschwerdeführerin hat dies, wenn auch nur mit dem Hinweis auf einen theoretischen Chemiker, zugestanden. Sie hat zudem im Verlauf des Verfahrens selbst argumentiert, daß auch Polycarbonat (PC) neuheitsschädlich durch den Begriff "Polyester" getroffen sei. Die Kammer ist folglich der Auffassung, daß der Begriff "Polyester" mehrere unterschiedliche Stoffe umfaßt, d. h. eine Stoffgruppe definiert. Eine Stoffwahl aus einer Gruppe ist aber, wie die Beschwerdegegnerin mit Hinweis auf Abschnitt C-IV 7.4 der Richtlinien zutreffend ausgeführt hat, im Sinne des Artikels 54 EPÜ neu.
3.2. Die Beschwerdeführerin stellt sich auf dem Standpunkt, daß auch ohne konkreten Hinweis auf PETP in der Druckschrift D4, dieses Material darin offenbart sei, da es für den Fachmann selbstverständlich sei, daß es sich um diesen Stoff handeln müsse. Nach dieser Auffassung wäre es klar und eindeutig, daß ohne gegenteiligen Hinweis der Begriff Polyester nur PETP bedeuten könnte. Die Kammer erachtet es zwar als möglich, daß der Fachmann beim Begriff Polyester vor allem an PETP denkt, andererseits hat sie keine Zweifel, daß der Fachmann weiß, daß auch die anderen im Begriffsumfang liegenden Stoffe in Frage kommen. Somit ist es nach Überzeugeng der Kammer eine Frage der erfinderischen Tätigkeit, ob PETP wegen seiner weiten Verbreitung auf diesem Gebiet als naheliegender, möglicherweise naheliegendster, Vertreter eines Polyesters einzuschätzen ist. Die erfinderische Tätigkeit spielt jedoch im Zusammenhang mit einer Druckschrift, die zum Stand der Technik nach Artikel 54 (3) EPÜ gehört, keine Rolle.
3.3. Die Kammer wird in ihrer Überzeugung durch die umfangreich zitierten Nachschlagewerke bestärkt. Es gibt nämlich keinen Anlaß zu einer Auslegung des Begriffs "Polyester", welche Polyester-Stoffe ausschließt, die nicht PETP sind. So ist im Abschnitt 5.6 der Druckschrift D9 (S. 683) zum Beispiel der Hinweis zu finden: "Als Polyester-Folie bezeichnet man eine Folie aus (PETP). Eigenschaften dieser Folie s. Tab. 1 S. 680." Diese Aussage schließt aber nicht aus, daß auch andere Folien als Polyester-Folie bezeichnet werden, zumal nicht die Bezeichnung Polyester, sondern "Polyethylenterephthalat" in der Tabelle auf Seite 680 verwendet wird. Darüber hinaus wird in diesem Zusammenhang auch erwähnt, daß Folien von untergeordneter Bedeutung aus anderen Estern der Terephthalsäure hergestellt werden. Im Falle der Druckschrift D9a wird nicht auf Filme, sondern Fasern Bezug genommen, sodaß diese Druckschrift bereits aus diesem Grund nicht als neuheitsrelevant angesehen werden kann. Die Aussage, daß Polyester synonym mit PET (zu deutsch: PETP) sei, folgt auf die Feststellung, daß PET am weitesten verbreitet ist, was in Übereinstimmung mit den anderen Literaturstellen die Schlußfolgerung impliziert, daß auch andere, weniger verbreitete Stoffe unter dem Begriff Polyester verwendet werden. Der Gebrauch des Worts "synonymous" (zu deutsch: synonym) kann deshalb in diesem Zusammenhang nur als eine saloppe Sprachwendung verstanden werden. Im Falle der Druckschrift D9b wird vor der Tabelle 1 auf Seite 194 angegeben, daß auch andere Polyester als PET nützliche Filme bilden. Der Hinweis auf Polyester in der Druckschrift D9c schließt die anderen Polyester ebenfalls nicht aus. Die Druckschriften D11 und D11a bestätigen nur die Aussage der Druckschrift A2. Die Druckschrift D12 erwähnt einen "Melinex" Polyester-Film, wobei über die Kennziffer 2412 der Druckschrift D14 hervorgeht, daß "Melinex" Polyterephthalate sind. Gerade aus der Druckschrift D14 läßt sich aber unter der Kennziffer 24 für Polyester die Unterteilung in 241 (lineare Polyester, 2411 (Polycarbonate), 242 (ungesättigte Polyester) und 243 (weiterpolymerisierbare Allylester) entnehmen.
3.4. Aus den vorliegenden Literaturstellen zu diesem Punkt ergibt sich somit das Gesamtbild, daß PETP lediglich als Beispiel eines Polyesters, wenn auch als sein wichtigster Vertreter, anzusehen ist. Der Beschwerdeführerin ist es aus diesem Grund nicht gelungen, die Zweifel auszuräumen, daß die Druckschrift D4 "PETP" klar und eindeutig offenbart, da der Begriff "Polyester" andere mögliche Polyester-Vertreter nicht ausschließt. Somit ist die Neuheit der unabhängigen Ansprüche gegenüber der Druckschrift D4 durch die beanspruchte Stoffwahl gegeben.
4. Neuheit - Artikel 54 (2) EPÜ
4.1. Gemäß der Lehre der Druckschrift D1 (insbesondere in Bezug auf die Figuren 5-8, Seite 15) wird ein geschichtetes Blattmaterial zur Aufnahme einer Einprägung einer lichtbeugenden Struktur vorbereitet. Dieses Blattmaterial umfaßt eine Trägerschicht (5), eine Deckschicht bzw. Trennschicht (8) aus beispielsweise Wachs, eine oder mehrere Schichten aus thermoplastischem Material (vgl. Schichten 6, 7 in Figur 5) über der Deckschicht sowie eine dünne Folie (10). Die Prägeform wird dann in die Folie und die benachbarte thermoplastische Schicht gedrückt, um darin eine lichtbeugende Struktur auszuformen. Die Folie wird mit einer Klebeschicht bedeckt. Auf diese Weise wird ein Transfermaterial hergestellt. Anschließend wird das geschichtete Blattmaterial mit einer Pressenplatte umgekehrt gegen das Substrat gedrückt. Dieser Vorgang bewirkt die Verbindung der Folie mit dem Substrat sowie eine Trennung der Trägerschicht von der Schicht des thermoplastischen Materials, die entlang den Kanten der Pressenplatte bricht (vgl. Zeile 4 der Seite 11) und die äußere Schicht (6) des fertigen Produkts darstellt.
4.2. Eine ähnliche Lehre kann der Druckschrift D2 entnommen werden in Bezug auf die Ausführungsform B. Aus der Figur 3 geht z. B. ein Laminat hervor, bei dem ein Hologramm und eine Klebeschicht 32 von einer Trägerschicht 30 getragen werden. Eine Schutzschicht 34 ist in der Figur 4 vorgesehen, die aus mehreren Harzmischungen zu wählen ist (vgl. Seite 25, Zeile 10 et seq. "Protective Layer"). Gemäß dieser Lehre wird das Hologramm unter Verwendung von Hitze und Druck auf das Substrat transferiert. Dieser Vorgang bewirkt die Verbindung des Hologramms mit dem Substrat sowie eine Trennung desselben von der Trägerschicht.
4.3. Der Gegenstand des Anspruchs 1 und die Lehren der Druckschriften D1 und D2 weisen somit gemeinsam folgende Schichtreihenfolge auf: Trägerschicht (A), Schutzschicht (B), optische Schicht (C) und Klebeschicht (D) {Die Bezugszeichen A,B,C und D wurden zum besseren Verständnis von der Kammer eingefügt}. Das Transfermaterial gemäß Anspruch 1 unterscheidet sich von diesen bekannten Transfermaterialen dadurch, daß eine dimensionsstabile und selbsttragende Schutzschicht bestehend aus einem der in Anspruch 1 genannten Materialien vorgesehen ist. Diese Schicht unterscheidet sich somit von den Schutzschichten 6 (D1) bzw. 34 (D2) dadurch, daß sie nicht dazu geeignet ist, während des Transfervorgangs zu reißen und nur im Umrißbereich des Hologramms transferiert zu werden.
4.4. Der Druckschrift D2 ist in Zusammenhang mit der Ausführungsform C auch die Lehre eines Etikettenmaterials (hologram sheet) zu entnehmen. Bei einem solchen Material wird das Hologramm (beispielsweise 1 in Figur 7) auf einer abziehbaren Trägerschicht (61) angeordnet. Auf der der Trägerschicht gegenüberliegenden Seite des Hologramms befindet sich eine Schutzschicht (64). Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich von dieser Ausführungsform durch die Reihenfolge der Schichten (Trägerschicht auf der anderen Seite, d. h. nach den Bezugszeichen der Kammer in einer Reihenfolge B,C,D und A) sowie durch die Schutzschichtdicke.
4.5. Eine ähnliche Lehre über ein Etikettenmaterial kann der Druckschrift D8 entnommen werden. In diesem Fall wird eine Hologrammschicht gemäß der Figur 7d auf einen Träger (34) aufgebracht. Gemäß den Figuren 8d und 8e werden eine Klebeschicht und eine abziehbare Papierschutzschicht (64) auf die Hologrammschicht aufgebracht. In diesem Fall ist die Schichtreihenfolge ebenfalls B,C,D und A.
4.6. Die anderen im Verfahren befindlichen Druckschriften kommen dem Patentgegenstand nicht näher.
4.7. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist somit neu im Sinne des Artikels 54 EPÜ. Da entsprechende Merkmale auch in den unabhängigen Ansprüchen 9, 10, 16 und 17 enthalten sind, gilt gleiches auch für diese Ansprüche.
5. Erfinderische Tätigkeit - Artikel 56 EPÜ
5.1. Die Kammer teilt die Auffassung der Beschwerdeführerin bezüglich des zu lösenden Problems insofern, als es im allgemeinen um das Anbringen eines holographischen Elements auf ein Substrat, beispielsweise einen Geldschein, geht. Für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit spielt es allerdings eine wichtige Rolle, von welchem Stand der Technik ausgegangen wird, d. h. von einem Transfermaterial, bei dem ein Laminat mit Hilfe eines Trägerbands auf ein Substrat direkt übertragen wird oder von einem Etikettenbogen, bei dem eine selbstragende Schicht zur Stützung der Etiketten zwischen dem Ablösen vom Band und dem Anbringen auf das Substrat vorgesehen ist.
5.2. In einem automatisierten Verfahren eignet sich eher ein Transfermaterial gemäß den Lehren der Druckschriften D1 oder D2 (Ausführungsform B) zum Anbringen eines holographischen Elements. Beim Transferverfahren werden die holographischen Elemente ohne Unterbrechung zuerst von der Trägerschicht und anschließend vom Substrat gestützt. Die genannten Druckschriften stellen deswegen nach der Auffassung der Kammer den dem Patentgegenstand am nächsten kommenden Stand der Technik dar. Gegenüber diesem Stand der Technik wird das Problem der Anfälligkeit des holographischen Elements gegenüber Umwelteinflüssen durch das im Anspruch 1 enthaltene Merkmal der stabilen selbsttragenden Schutzschicht gelöst. Es kann in diesem Zusammenhang nicht außer Acht gelassen werden, daß gemäß dem Stand der Technik sich das Element, das aufgetragen werden soll, trotz seiner inhärenten Zerbrechlichkeit unbeschädigt vom Trägerband lösen muß, da der Transfer sonst mißglückt. Dieser Vorgang begrenzt die Auswahl der Schichten, die einsetzbar sind. Insbesondere ist es aus dieser Sicht unerwünscht, ein Transfermaterial mit einer stabilen selbsttragenden Schutzschicht zu versehen, da diese das Ablösen des Hologramms vom Trägerband beeinträchtigt. Der Fachmann hatte deshalb keinen Grund, eine andere, im Vergleich mit den Druckschriften D1 und D2, stabilere Schutzschicht vorzusehen, beispielsweise gemäß der Tabelle in der Druckschrift D9. Der Gegenstand des Anspruchs 1 setzt sich über die genannten Grenzen hinweg, indem er als neues Merkmal eine stabile selbsttragende Schutzschicht vorsieht. Aus diesem Grund ist das Ersetzen einer lackierten Schicht durch die beanspruchte Schutzschicht nicht naheliegend. Der Fachmann war deshalb ausgehend von den Lehren der Druckschriften D1 und D2 nicht der Lage, in naheliegender Weise zum Gegenstand des Anspruchs 1 zu gelangen.
5.3. Das Anbringen eines holographischen Elements mittels eines Etikettenbogens unterscheidet sich vom Anbringen mittels eines Transfermaterials dadurch, daß die Etiketten zuerst von der Trägerschicht entfernt und dann auf dem Substrat angebracht werden müssen. Deshalb ist eine stabile und selbsttragende Schutzschicht nötig, die die Etiketten beim Anbringen auf dem Substrat nach Abzug der Trägerschicht stützt, d. h. zu einem Zeitpunkt, an dem sie sonst nicht gestützt wären. Die Folge eines Verzichts auf diese Abstützung wäre eine Beschädigung des holographischen Elements. Die Schichtreihenfolge des Etikettenbogens (nach den Bezugszeichen der Kammer B,C,D,A) ist dieser Einsatzbedingung entsprechend aufgebaut, da die Schicht B (Schutzschicht) die stützende Funktion erfüllt. Das Substrat nimmt im Endprodukt die Stelle der Trägerschicht im Etikettenbogen ein. Bei dieser Konstellation ergäbe es keinen Sinn, die Trägerschicht auf der anderen Seite anzuordnen, wie dies notwendig wäre, um zu einem Transfermaterial gemäß dem Anspruchsgegenstand zu kommen. Dies hätte nämlich bei einem Etikettenbogen zur Folge, daß die Bildung der Etiketten durch die Trägerschicht behindert wäre (siehe zum Beispiel "kiss-cut" Schritt g der Figur 8 der Druckschrift D8, wo dann die Papiertrennschicht 64 auch mitgeschnitten würde).
5.4. Die Kammer kann sich aus diesen Gründen der Auffassung der Beschwereführerin nicht anschließen, daß der Aufbau eines Etikettenbogens und der eines Transfermaterials grundsätzlich gleich und kombinierbar sind.
5.5. Auch die verbleibenden im Verfahren befindlichen Druckschriften geben keinen Anlaß, an der erfinderischen Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 zu zweifeln. Dieser gilt somit als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend. Da die unabhängigen Ansprüche 9, 10, 16 und 17 entsprechende Merkmale beinhalten, gelten auch ihre Gegenstände als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend. Gleiches gilt für die abhängigen Ansprüche, die alle auf einen unabhängigen Anspruch rückbezogen sind.
6. Vorlage an die Große Beschwerdekammer
6.1. Artikel 112 (1) EPÜ sieht eine Befassung der Großen Beschwerdekammer nur bei Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung vor. Solche Rechtsfragen liegen im vorliegenden Fall nicht vor. Die von der Beschwerdeführerin formulierte Frage läuft vielmehr darauf hinaus, wie der Fachmann die technische Bedeutung eines in einer Patentanmeldung enthaltenen Begriffs aufgrund seines Wissens im Lichte einiger Nachschlagewerke versteht. Dies ist aber in erster Linie eine technische Frage, weil sie nur auf dem Hintergrund des jeweiligen Sachverhalts zu beantworten ist. Daher kommt eine Befassung der Großen Beschwerdekammer im vorliegenden Fall nicht in Betracht.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird and die erste Instanz zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent in geändertem Umfang mit folgender Fassung aufrechtzuerhalten:-
- Patentanspruch 1, überreicht in der mündlichen Verhandlung; Patentansprüche 2-18, wie von der ersten Instanz aufrechterhalten, wobei jedoch in den Ansprüchen 9 und 10 "Polytrifluorchlorethylen" in "Polychlortrifluorethylen" zu berichtigen ist.
- Beschreibungsseiten 2 und 3, überreicht in der mündlichen Verhandlung mit Einschub A auf Seite 2;
Beschreibungsseite 4 wie in der Patentschrift.
- Zeichnungen wie in der Patentschrift.