European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2002:T022299.20020305 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 05 März 2002 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0222/99 | ||||||||
Anmeldenummer: | 91112009.5 | ||||||||
IPC-Klasse: | A61F 13/02 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verbandmaterial auf Folienbasis | ||||||||
Name des Anmelders: | Beiersdorf Aktiengesellschaft | ||||||||
Name des Einsprechenden: | LOHMANN GmbH & Co KG | ||||||||
Kammer: | 3.2.06 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Neuheit (bejaht) Erfinderische Tätigkeit (bejaht) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Der Einspruch gegen das auf die Anmeldung Nr. 91 112 009.5 erteilte europäische Patent Nr. 0 473 918 wurde mit der am 30. Dezember 1998 zur Post gegebenen Entscheidung der Einspruchsabteilung zurückgewiesen. Zum Stand der Technik wurden insbesondere folgende Druckschriften berücksichtigt:
D1: EP-A-0 168 174
D2: WO-A-9 001 915
D3: EP-A-0 254 493
D5: DE-C-3 344 334
D6: US-A-4 374 520
D7: EP-A-0 066 899
D8: EP-A-0 066 899
D9: EP-A-0 161 865.
Anspruch 1 des angefochtenen Patents lautet:
"Verbandmaterial auf Folienbasis, bestehend aus einer Folie (1) die auf der einen Seite auf einer flexiblen u. anschmiegsamen Trägerschicht (2) ablösbar direkt aufgebracht ist durch Gießen, Rakeln, Extrudieren oder dergleichen übliche Methoden der Filmherstellung, wobei beide Schichten (1, 2) die gleichen Größen aufweisen, u. welche Folie (1) auf der anderen Seite mit einer selbstklebenden Schicht (5) versehen ist, die ihrerseits eine klebstoffabweisende Schutzabdeckung (6) aufweist,
dadurch gekennzeichnet daß
- die Trägerschicht (2) einteilig ausgebildet ist,
- separate Griffleisten (3) entlang zweier gegenüberliegender Ränder der Trägerschicht (2) fest angebracht sind, derart, daß die Trägerschicht (2) mit Hilfe der Griffleisten (3) von der Folie (1) ablösbar ist, wobei die Griffleisten (3) nur mit einem Teil ihrer Breite mit der Trägerschicht (2) verbunden sind u. mit dem anderen, vorzugsweise größeren Teil ihrer Breite, über das Verbandmaterial (1) hinausragen,
- die Haftung der Folie (1) auf der Trägerschicht (2) zw. 0.01 u. 0.5 N/cm beträgt u. damit wesentlich geringer ist als die Haftung der Kleberschicht (5) auf der Haut nach Applikation des Verbandmaterials u.
- die Schutzabdeckung (6) überlappend zweigeteilt ist."
II. Am 26. Februar 1999 legte die Beschwerdeführerin (Einsprechende) unter gleichzeitiger Zahlung der Beschwerdegebühr per Fax Beschwerde gegen diese Entscheidung ein. Die Beschwerdebegründung hat sie dem EPA am 4. Mai 1999 per Fax übermittelt.
III. Eine mündliche Verhandlung hat am 5. März 2002 stattgefunden. In dieser Verhandlung hat die Kammer darauf hingewiesen, daß nach ihrer vorläufigen Auffassung bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit auch das Herstellungsverfahren der beanspruchten Verbandmaterialien in die Überlegungen, welche konstruktive Änderungen für den Fachmann naheliegend seien, einbezogen werden müsse.
Die Beschwerdeführerin beantragte, das Patent zu widerrufen.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen und das Patent mit den erteilten Unterlagen aufrechtzuerhalten.
IV. Die Argumente der Beschwerdeführerin zur Stützung ihres Antrags lassen sich im wesentlichen wie folgt zusammenfassen:
Ausgehend von dem in D5 offenbarten Verbandmaterial sei einer der zu lösenden Probleme, daß die Trägerschicht mit der Folie immer noch zu wenig Eigensteifigkeit aufweist. Zur Vereinfachung des Herstellungsverfahrens, das nach D5 wegen dem tiefenkontrollierten Stanzen kompliziert sei, werde der Fachmann die Trägerschicht, die Folie und die Abdeckung auf einmal durchstanzen. Dabei sei eine gleiche Größe dieser Schichten das Ergebnis. D8 oder D9 böten dem Fachmann die Lehre, an den Rändern der Trägerschicht separate selbstklebende Anfaßstreifen anzubringen, die dem Verbandmaterial diese Steifigkeit bringen und zusätzlich als hinausragenden Griffleisten funktionieren würden.
Die beanspruchte Haftung sei bereits durch die Angabe im Anspruch 6 der D5, wonach die Kraft zum Abziehen der Stützfolie von der Verbandfolie geringer sei als die zum Ablösen des Verbandes vom Körper, vorweggenommen. D2 diene dazu, anzugeben, daß die Haftungswerte, die dabei eine Rolle spielten, im beanspruchten Bereich lägen.
Überlappend zweigeteilte Schutzabdeckungen seien in diesem Bereich überall bekannt: D1 oder D3 zeigten solche Schutzabdeckungen, die der Fachmann zur Lösung des Problems einer einfacheren Ergreifung der Schutzabdeckung in dem Verbandmaterial nach D5 verwenden werde. Somit sei der beanspruchte Gegenstand in Hinblick auf die in diesem Fachgebiet üblichen Maßnahmen auch in seiner Kombination von Merkmalen als naheliegend zu betrachten.
V. Die Beschwerdegegnerin entgegnete dem Vorbringen der Beschwerdeführerin damit, daß die Griffleisten nach D8 und D9 nicht einfach auf eine Trägerschicht übertragbar seien weil sie direkt auf der Verbandfolie angebracht würden. Außerdem seien sie durch ihre schwache Verklebung nicht in der Lage, die Trägerschicht - nach dem Anbringen des Verbandmaterials auf die Haut - von der Folie zu entfernen. Der Fachmann habe außerdem keinen Anlaß, die Schutzabdeckung nach D5 anders zu gestalten, weil sie in ihre gewellte Form in D5 bereits als besonders positiv dargestellt sei. Die Haftkräfte aus D2 seien nicht einfach übertragbar, weil sie in dem Verbandmaterial nach D2 dadurch beeinflußt würden, daß es eine Kleberschicht zwischen Folie und Trägerschicht gebe. Beim Streitpatent sei eine solche Schicht überhaupt nicht vorhanden.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Neuheit (Artikel 54 EPÜ)
Die Neuheit des Gegenstandes des Anspruchs 1 wurde im Beschwerdeverfahren nicht mehr bestritten. Sie folgt schon daraus, daß keines der ermittelten Dokumente ein Verbandmaterial mit fest angebrachten separaten Griffleisten, die sich entlang zweier gegenüberliegender Ränder einer Verband-Trägerschicht erstrecken, offenbart.
3. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
3.1. Die Parteien und die Kammer sind sich einig, daß D5 als nächstliegender Stand der Technik gilt.
3.2. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des angefochtenen Patents unterscheidet sich, von beiden Parteien unbestritten, durch folgende Merkmale von dem in D5 offenbarten Verbandmaterial:
a) die Trägerschicht hat die gleiche Größe wie die Folie,
b) separate Griffleisten sind entlang zweier gegenüberliegender Ränder der Trägerschicht fest angebracht, derart, daß die Trägerschicht mit Hilfe der Griffleisten von der Folie ablösbar ist, wobei die Griffleisten nur mit einem Teil ihrer Breite mit der Trägerschicht verbunden sind und mit dem anderen, vorzugsweise größeren Teil ihrer Breite, über das Verbandmaterial hinausragen,
c) die Haftung der Folie auf der Trägerschicht beträgt zwischen 0.01 und 0.5 N/cm und ist damit wesentlich geringer als die Haftung der Kleberschicht auf der Haut nach Applikation des Verbandmaterials,
d) die Schutzabdeckung ist überlappend zweigeteilt.
3.3. Diese Merkmale haben als Ergebnis, daß das Verbandmaterial einfacher hergestellt und einfacher gehandhabt werden kann. Das Streitpatent stellt sich diese Aufgabe auf Spalte 2, Zeilen 40 bis 44.
3.4. Bei der Beurteilung, ob eine erfinderische Tätigkeit nötig war, um zum beanspruchten Verbandmaterial zu gelangen, reicht es nicht aus, darzulegen, daß die einzelnen unterscheidenden Merkmale a) bis d) bekannte Lösungen zu bekannten Teilproblemen betreffen und sie schon deshalb in ihrer Gesamtheit eine naheliegende Lösung darstellen. Denn dies kann leicht dazu führen, daß erfinderische funktionelle Zusammenhänge dieser unterscheidenden Merkmale übersehen werden.
Gerade in Anbetracht des relevanten Standes der Technik bestimmen, nach Auffassung der Kammer, bei der Herstellung des beanspruchten Verbandmaterials der Verfahrensablauf und die Wechselwirkungen der Verfahrensschritte in überwiegendem Maße die Beantwortung der Frage, ob der Fachmann tatsächlich die zu den Merkmalen a) bis d) führenden Änderungen im aus der D5 bekannten Verfahren durchführen wird. Denn es geht dabei immer um Massenproduktion von Verbandmaterialien und um die Wahl dazu bestimmter Verfahrensabläufe, die in geeigneter Weise zu dem erwünschten Endprodukt führen.
3.5. Das Verbandmaterial nach D5 wird auf folgende Weise hergestellt:
Die Folie wird auf die Trägerschicht extrudiert oder gegossen. Dieses Laminat wird mit Hilfe eines Kaschierwerkes mit einem zweiten Laminat, bestehend aus einem mit Kleber versehenen silikonisierten Papier (Abdeckung), verbunden. Die dabei entstehende Breitrolle wird anschließend in Schmalrollen geschnitten. Auf die Papierabdeckung wird mittig ein einseitig haftendes Klebeband angebracht und anschließend werden gleichzeitig zwei tiefenkontrollierte Stanzungen vorgenommen: die eine zum Durchtrennen der Papier-, Kleber- und Folienschicht (die damit entstehenden Seitenstreifen werden entfernt), die andere zum Durchtrennen nur des Klebebandes, der Papierschicht und ggf. teilweise der Kleberschicht. Anschließend werden die abgerundeten Ecken durchgestanzt und die Vereinzelung des Verbandmaterialstreifens in Abschnitte vorgenommen.
3.6. Die Kammer kann aus folgenden Gründen der Argumentation der Beschwerdeführerin nicht folgen:
3.6.1. Ein Fachmann wird nicht, wie die Beschwerdeführerin behauptet, bei dem nach D5 vorgenommenen Stanzen alle vorhandenen Schichten auf einmal durchstanzen (Merkmal a)). Denn dies führt nur zu unnötigem Materialverlust, weil nach dem Schneiden der Schmalrollen die Trägerschicht, die Folie und die Abdeckung bereits auf der gleichen Breite sind. Der Fachmann müßte also bereits noch früher einsehen, daß die Griffleisten gleich auf der Rückseite der Trägerschicht angebracht werden sollten, solange das Verbandmaterial noch auf Schmalrollenformat ist. Woher der Fachmann diese Erkenntnis erlangen und wie er das Verfahren anpassen solle, wurde jedoch weder ausgeführt noch ist dies sonst ersichtlich.
3.6.2. Es gibt auch im zur Verfügung stehenden Stand der Technik keinen Hinweis, Griffleisten auf die Trägerschicht anzubringen, die gleichzeitig an beiden Seiten über das Verbandmaterial hinausragen (Merkmal b)). D6 und D7 erhalten wohl einen Hinweis auf eine (D7) oder sogar zwei (D6) auf der Trägerschicht angebrachten Griffleisten, diese ragen jedoch nicht über ihre Ränder hinaus. Die Anwendung ihrer Lehren würde somit nicht zu diesem Teil des Gegenstandes des Anspruchs 1 führen.
3.6.3. Die von der Beschwerdeführerin herangezogenen D8 und D9 betreffen keine auf der Trägerschicht angebrachten Griffleisten, sondern solche, die gleich auf der Folie angebracht sind, um diese zu versteifen. Nach dem Anbringen der Folie werden sie davon abgezogen. Der Fachmann, ausgehend von dem Verbandmaterial nach D5, hat jedoch keinen Grund, die Eigensteifigkeit dieses Verbandmaterials zu erhöhen, weil dies bereits durch die Verwendung einer Trägerschicht erreicht ist. Die Einsicht, daß durch die Verwendung von Griffleisten, die auf der Trägerschicht angebracht sind, die Folie noch dünner gewählt und somit, wie von der Beschwerdegegnerin bemerkt, unter Beibehalt der notwendigen Steifigkeit des Verbandmaterials eine bessere Flächenklebung der Folie erreicht werden kann, ist jedenfalls weder der D8 noch der D9 zu entnehmen.
Daher kann der Beschwerdeführerin auch nicht in ihrer Auffassung gefolgt werden, daß es sich bei der Verwendung von separaten Griffleisten um eine Lösung handele, die offensichtlich mit den aus D5 bekannten Griffleisten äquivalent sei.
3.6.4. Das Ersetzen der Papierabdeckung mit dem Klebeband durch eine zweigeteilte überlappende Schutzabdeckung (Merkmal d)) erfordert zudem eine technisch nicht unbeachtliche Anpassung des Herstellungsverfahrens, die aus folgendem Grund nicht auf der Hand liegt: nicht nur das tiefenkontrollierte Durchstanzen von Trägerschicht, Folie und Abdeckung, sondern auch das dazu gleichzeitige tiefenkontrollierte wellenförmige Durchstanzen des Klebebandes und der Abdeckung sollte eingestellt und letzteres durch eine Anbringung einer überlappend zweigeteilte Schutzabdeckung ersetzt werden.
Die durch die Beschwerdeführerin zu diesem Merkmal herangezogenen D1 und D3 offenbaren dem Fachmann zwar überlappend zweigeteilte Schutzabdeckungen, vermitteln ihm jedoch keine Lehre, wie dies beim Herstellungsverfahren nach der D5 zu realisieren sei. Auch drängen sie sich nicht als offensichtlich äquivalente Lösung zu der aus D5 bekannten Lösung auf.
3.7. Im Hinblick auf die oben stehenden Gründen kommt die Kammer zum Schluß, daß die genannten, den Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents vom bekannten Verbandmaterial nach D5 unterscheidenden Merkmale a), b) und d) bereits die erfinderische Tätigkeit dieses Gegenstandes begründen.
Daraus ergibt sich, daß eine Diskussion der Frage, ob der Fachmann im Verbandmaterial nach D5 die Haftung der Folie auf der Trägerschicht einrichten wird (Merkmal c)), überflüssig ist.
3.8. Bestandsfähig sind auch die abhängigen Ansprüche 2 bis 4, die bevorzugte Ausführungsformen des Verbandmaterials nach Anspruch 1 betreffen (Regel 29 (3) EPÜ).
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.