T 0221/99 () of 7.11.2000

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2000:T022199.20001107
Datum der Entscheidung: 07 November 2000
Aktenzeichen: T 0221/99
Anmeldenummer: 93114795.3
IPC-Klasse: F16F 15/03
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Aktiver Schwingungstilger
Name des Anmelders: Firma Carl Freudenberg
Name des Einsprechenden: Continental AG
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 111(1)
European Patent Convention 1973 Art 114(2)
Schlagwörter: Zulassung verspätet eingereichter Dokumente
Zurückverweisung an die erste Instanz zur weiteren Entscheidung
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0326/87
T 0097/90
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdegegnerin ist Inhaberin des europäischen Patents Nr. 0 608 480 (Anmeldenummer: 93 114 795.3).

Patentanspruch 1 lautet:

"1. Aktiver Schwingungstilger für ein in einer hin- und hergehenden Bewegung befindliches Maschinenteil, umfassend eine in Richtung der hin- und hergehenden Bewegung verschiebbare Trägheitsmasse, die eine tilgungswirksame Zusatzmasse bildet, sowie eine an dem Maschinenteil festlegbare Tragplatte, wobei die Trägheitsmasse und die Tragplatte durch ein Federelement miteinander verbunden sind, die Eigenfrequenz des Schwingungssystems, das aus der Trägheitsmasse und dem Federelement (5) gebildet ist, höchstens so groß ist wie die Frequenz der hin- und hergehenden Bewegung (2), die Trägheitsmasse durch eine an der Tragplatte (4) relativ unbeweglich festgelegte Tauchspule (6) bewegbar ist, das Federelement (5) durch die Tauchspule (6) verformbar ist, die Trägheitsmasse durch einen Topfmagnet (7) gebildet ist, der die Tauchspule (6) radial innen und außen zumindest teilweise konzentrisch umschließt und der Topfmagnet (7) durch eine Führung (8) parallel zur Achse (9) der Tauchspule (6) geführt ist."

II. Die Beschwerdeführerin legte gegen das erteilte Patent Einspruch ein und beantragte, das Patent wegen fehlender Patentfähigkeit zu widerrufen.

Mit am 28. Dezember 1998 zur Post gegebener Entscheidung wies die Entspruchsabteilung den Einspruch mit der Begründung zurück, daß der geltend gemachte, u. a. auf die Dokumente

D2: DE-A-4 021 039

D3: US-A-4 675 107

gestützte Einspruchsgrund der Aufrechterhaltung des angefochtenen Patents in der erteilten Fassung nicht entgegenstehe.

III. Gegen diese Entscheidung legte die Beschwerdeführerin (Einsprechende) am 1. März 1999 unter Zahlung der vorgeschriebenen Gebühr Beschwerde ein.

Die Beschwerdebegründung wurde am 12. März 1999 eingereicht.

Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Streitpatents.

In ihrer Eingabe vom 3. Juni 1999 wurden erstmals die Dokumente

D8: JP-A-6 435 141 (mit einer englischen Übersetzung)

D9: JP-A-6 088 141 (mit einer englischen Übersetzung

genannt.

Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.

IV. Mit Bescheid vom 17. Mai 2000 teilte die Kammer mit, daß die beiden Dokumente D8 und D9 zwar verspätet genannt seien, jedoch für die Beurteilung der Patentfähigkeit von wesentlicher Bedeutung erscheinen und daher im Verfahren zu berücksichtigen sein dürften.

In Erwiderung hierauf nahmen sowohl die Beschwerdeführerin als auch die Beschwerdegegnerin im Hinblick auf die beabsichtigte Zurückverweisung der Sache an die erste Instanz ihren jeweils hilfsweise gestellten Antrag auf mündliche Verhandlung zurück.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Wie im Bescheid vom 17. Mai 2000 dargelegt, sind die Druckschriften D8 und D9 zwar erst im Beschwerdeverfahren und damit im Sinne von Artikel 114 (2) EPÜ verspätet genannt, sie dürften jedoch für die Beurteilung der Patentfähigkeit von wesentlicher Bedeutung sein und sind daher zu berücksichtigen.

2.1. Bezüglich der Druckschrift D8 (Figur 2) trägt die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) zwei wesentliche Unterschiede zum Gegenstand des angefochtenen Patents vor, nämlich

i) die Tilgermasse sei nicht durch einen Topfmagnet, sondern durch einen mehrteiligen Jochmagnet gebildet;

ii) der Jochmagnet umgebe mit einem großen Spiel die zentrale Welle und sei somit nicht parallel zur Achse der Tauchspule geführt.

Nach Auffassung der Beschwerdekammer dürfte die Anordnung gemäß Figur 2 von Dokument D8 im wesentlichen identisch sein mit dem Ausführungsbeispiel gemäß Figur 5 des Streitpatents, das unter den Schutzumfang des Patentanspruchs 1 fällt. In Anlehnung an den Wortlaut des Patentanspruchs 7 des Streitpatents, in dem das Ausführungsbeispiel gemäß Figur 5 speziell beansprucht ist, ist der Magnet gemäß Figur 2 von Dokument D8 ebenfalls durch einen in axialer Richtung magnetisierten Permanentmagnet (233) gebildet, der vom Magnetgehäuse (234) unter Bildung eines Luftspalts (Figur 2) konzentrisch umschlossen ist. Das Magnetgehäuse (234) besteht aus zwei Magnetkörpern, die dem Permanentmagnet in Richtung der Bewegung beiderseits benachbart zugeordnet sind (ein Magnetkörper ist scheibenförmig ausgebildet und umschließt die Tauchspule radial innenseitig, während der andere Magnetkörper die Tauchspule radial außenseitig umschließt).

Deshalb dürften der Permanentmagnet (233) und das Magnetgehäuse (234) einen "Topfmagnet" im Sinne der Erfindung bilden, der "die Tauchspule radial innen und außen teilweise konzentrisch umschließt", wie dies Patentanspruch 1 fordert.

Sowohl bei der Ausführungsform gemäß Figur 2 von Dokument D8 als auch in dem Ausführungsbeispiel gemäß Figur 5 des Streitpatents besteht das Federelement aus zwei Blattfedern (236). Der "Topfmagnet" ist am oberen Ende und am unteren Ende jeweils durch eine Blattfeder (236) geführt. Eine solche Anordnung dürfte auch eine Parallelführung des "Topfmagneten" (233, 234) zur zentralen Achse (232) sicherstellen.

Somit läßt sich zusammenfassend feststellen, daß offenbar die vorstehend genannten Merkmale i) und ii) bei dem Schwingungstilger gemäß Dokument D8 verwirklicht sind.

2.2. Die Anordnung gemäß Figur 4 des Dokuments D9 scheint im wesentlichen mit dem Ausführungsbeispiel gemäß Figur 1 des Streitpatents übereinzustimmen, wie die Beschwerdeführerin im einzelnen ausgeführt hat.

Die Kammer kommt daher zu dem Ergebnis, daß die verspätet vorgelegten Dokumente D8 und D9 für die Beurteilung der Patentfähigkeit erheblich sind. Hierzu ist anzumerken, daß sich die vorstehenden Ausführungen ausschließlich auf die Relevanzprüfung dieser beiden Druckschriften beziehen und keine abschließende Stellungnahme zur Frage der Patentfähigkeit darstellen.

3. Wenn ein verspätet vorgelegtes Dokument so relevant ist, daß es die Aufrechterhaltung des europäischen Patents in Frage stellt, dann sollte dies nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammer zur Zurückverweisung an die erste Instanz führen, damit die Frage der Patentfähigkeit von zwei Instanzen geprüft werden kann und die Patentinhaberin keinen Instanzverlust erleidet (siehe T 326/87, ABl. EPA 1992, 522 und T 97/90, ABl. EPA 1993, 719). Die Kammer macht deshalb von ihrem Ermessen gemäß Artikel 111 (1) EPÜ Gebrauch und verweist die Sache an die erste Instanz zur weiteren Prüfung der Patentfähigkeit in Hinblick auf die verspätet eingereichten Dokumente D8 und D9 zurück.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die erste Instanz zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen.

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