T 0183/99 () of 24.11.2003

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2003:T018399.20031124
Datum der Entscheidung: 24 November 2003
Aktenzeichen: T 0183/99
Anmeldenummer: 90123009.4
IPC-Klasse: G01R 31/36
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 28 KB)
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zum Erkennen eines Ladungsgrenzwertes einer Batterie
Name des Anmelders: Siemens Aktiengesellschaft
Name des Einsprechenden: Robert Bosch GmbH
Kammer: 3.4.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 100(a)
European Patent Convention 1973 Art 52(1)
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) legte gegen die am 16. Dezember 1998 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Einspruch gegen das Patent Nr. 0 487 784 zurückzuweisen, am 17. Februar 1999 Beschwerde unter gleichzeitiger Bezahlung der Beschwerdegebühr ein. Die Beschwerdebegründung ging am 14. April 1999 ein.

II. Mit dem Einspruch wurde der Widerruf des gesamten Patents im Hinblick auf Artikel 100 a) EPÜ mit der Begründung beantragt, daß der Gegenstand der Ansprüche nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Es wurden dabei insbesondere die folgenden Entgegenhaltungen berücksichtigt:

D1: EP-A-0 339 407

D5: "Autoelektrik, Autoelektronik am Ottomotor", Bosch, 1. Ausgabe, Düsseldorf, VDI-Verlag 1987, Seiten 60-67

III. Am 29. August 2003 erging eine Ladung zu einer von beiden Parteien hilfsweise beantragten mündlichen Verhandlung.

IV. Die mündliche Verhandlung fand am 24. November 2003 statt.

Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents in vollem Umfang.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.

V. Anspruch 1 in der erteilten Fassung lautet:

"Verfahren zum Erkennen eines Ladungsgrenzwertes einer Batterie (1), die mit einem Generator (2) und über ein Bordnetz mit individuell zuschaltbaren elektrischen Verbrauchern (31, 32, 33, 34, 35) verbunden ist, wobei

- der Normalwert der Leistungsaufnahme jedes Verbrauchers in einem Speicher (51) gespeichert ist,

- die Gesamtleistungsaufnahme aller momentan zugeschalteten Verbraucher anhand der gespeicherten Normalwerte errechnet wird,

- der Lade- bzw. Entladestrom der Batterie aus der Gesamtleistungsaufnahme und der momentanen Leistungsabgabe des Generators ermittelt wird und daraus und aus einem gespeicherten Wert, der den vorhergehenden Ladezustand der Batterie beschreibt, der momentane Ladezustand der Batterie ermittelt wird,

- bei Unterschreiten des Ladungsgrenzwertes ein Zustandssignal abgegeben wird,

dadurch gekennzeichnet, daß

- die Leistungsabgabe des Generators anhand der Generatordrehzahl und die Generatordrehzahl aus der Motordrehzahl und dem Übersetzungsverhältnis von Motordrehzahl zu Generatordrehzahl ermittelt wird."

VI. Die Beschwerdeführerin machte im Wesentlichen Folgendes geltend:

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Dokument D1 befaße sich mit der gleichen Aufgabe wie das Streitpatent, nämlich damit, den momentanen Ladezustand der Batterie eines Kraftfahrzeuges mittels einer Ladebilanz zu überwachen. Dabei werde der Ladezustand mittels eines Zählers wiedergegeben, wobei die Auf- bzw. Abwärtszählfrequenz insbesondere als Funktion aller eingeschalteten Leistungsverbraucher sowie des Generatorstroms ausgewählt werde. Für die heizbare Frontscheibe werde die Leistungsaufnahme bereits mittels eines vorgegebenen Wertes, der sich in der Zählrate wiederfinde, abgeschätzt. Damit sei es naheliegend, die Leistungsaufnahme der restlichen Verbraucher ebenfalls anhand vorgegebener Verbrauchswerte zu ermitteln. Weiter sei eine Ermittlung der Leistungsabgabe des Generators für die Ladebilanz anhand der Generatordrehzahl, und Letztere anhand der Motordrehzahl und des Übersetzungsverhältnisses von Motor- zu Generatordrehzahl banales Standardfachwissen, wie durch Dokument D5 belegt.

VII. Die Beschwerdegegnerin führte im Wesentlichen aus:

In dem aus Dokument D1 bekannten Verfahren werde weder die Gesamtleistungsaufnahme noch die Leistungsabgabe des Generators ermittelt. D1 beruhe grundsätzlich auf der pauschalen Annahme, daß der Generator derart ausgelegt sei, daß die Leistungsaufnahme aller Verbraucher mit Ausnahme der Frontscheibe gedeckt sei. Damit spielten in D1 die Leistungsaufnahme der restlichen Verbraucher sowie die Leistungsabgabe des Generators keine Rolle. Der Hinweis auf eine Änderung der Auf- bzw. Abwärtszählfrequenz in Abhängigkeit der restlichen Verbraucher beziehe sich lediglich auf weitere Verbraucher hoher Leistung. Dokument D5 zeige lediglich die erforderliche Leistungsabgabe eines Generators auf Grund aller vorhandenen Verbraucher und enthalte somit auch keinen Hinweis auf eine Ermittlung der Leistungsaufnahme momentan zugeschalteter Verbraucher oder einer momentanen Leistungsabgabe des Generators.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde erfüllt die Erfordernisse der Artikel 106 bis 108 EPÜ sowie der Regel 64 EPÜ und ist somit zulässig.

2. Erfinderische Tätigkeit

2.1. Aus Dokument D1 (vgl. die Figur und die zugehörige Beschreibung) ist ein Verfahren zum Erkennen eines Ladungsgrenzwertes einer Batterie z. B. eines Kraftfahrzeuges, die mit einem Generator und über ein Bordnetz mit individuell zuschaltbaren elektrischen Verbrauchern (z. B. mit einer beheizbaren Frontscheibe 10 und restlichen Verbrauchern) verbunden ist.

Gemäß D1 wird mittels eines elektronischen Zählers Buch geführt über den Ladezustand der Batterie. Der Zählerstand beschreibt den momentanen Ladezustand der Batterie. Insbesondere entspricht z. B. der maximale Zählwert des Zählers dem maximalen Ladezustand der Batterie (vgl. Spalte 5, Zeilen 1 bis 6) und ein Zählwert Null (oder sonstiger unterer Grenzwert) einem unteren Grenzwert des Ladezustandes der Batterie, bei dem gerade noch sichergestellt ist, daß ein eventuelles Wiederanlassen des Fahrzeuges noch möglich ist (vgl. Spalte 1, Zeilen 28 bis 36; Spalte 3, Zeilen 10 bis 14; Spalte 4, Zeilen 14 bis 21; Ansprüche 1, 2). Beim Unterschreiten des Ladungsgrenzwertes wird ein Zustandssignal abgegeben, wodurch ein Verbraucher hoher Leistungsaufnahme ausgeschaltet wird.

Ausgehend von einem Zählerstand, der dem vorhergehenden Ladezustand der Batterie entspricht, wird durch ein Auf- bzw. Abwärtszählen dem Aufladen der Batterie durch den Generator bzw. Entladen der Batterie durch den Verbraucher hoher Leistung sowie die restlichen Verbraucher Rechnung getragen. Insbesondere entspricht gemäß D1 die jeweils in Abhängigkeit der zugeschalteten restlichen Verbraucher gewählte Taktfrequenz für das Aufwärtszählen der Ladungszunahme der Batterie, die sich offenkundig aus der Differenz zwischen Leistungsabgabe durch den Generator und Leistungsaufnahme der gerade zugeschalteten restlichen Verbraucher (vgl. Spalte 5, Zeilen 31 bis 38) ergibt. Die gewählte Taktfrequenz für das Abwärtszählen entspricht andererseits der Leistungsabnahme der Batterie, die sich offenkundig aus der Differenz zwischen Leistungsabgabe durch den Generator und Leistungsaufnahme der heizbaren Frontscheibe sowie der gerade zugeschalteten restlichen Verbraucher ergibt.

Dieser Unterschied zwischen Auf- bzw. Abwärtszählen beruht im Übrigen darauf, daß D1 von einem Zustand ausgeht, bei dem der Generator derart gestaltet ist, daß seine Leistungsabgabe die Leistungsaufnahme der restlichen Verbraucher alleine deckt, nicht jedoch die Gesamtleistungsaufnahme bei zusätzlich eingeschaltetem Verbraucher hoher Leistungsaufnahme.

2.2. Das Argument der Beschwerdegegnerin, der Hinweis auf eine Änderung der Auf- bzw. Abwärtszählfrequenz in Abhängigkeit der restlichen Verbraucher (Spalte 5, Zeilen 31 bis 38) beziehe sich lediglich auf weitere Verbraucher hoher Leistung, konnte nicht überzeugen. Aus der Beschreibung geht hervor (vgl. Spalte 1, Zeilen 42 bis 55), daß mit den restlichen Verbrauchern alle in dem Fahrzeug vorhandenen Verbraucher, mit Ausnahme der Verbraucher hoher Leistungsaufnahme, bezeichnet werden.

Auch das von der Beschwerdegegnerin vorgebrachte Argument, das aus Dokument D1 bekannte Verfahren beruhe grundsätzlich auf der pauschalen Annahme, daß der Generator derart ausgelegt sei, daß die Leistungsaufnahme aller Verbraucher, mit Ausnahme der Frontscheibe, gedeckt sei, so daß die Leistungsaufnahme der restlichen Verbraucher sowie die Leistungsabgabe des Generators keine Rolle spielten, konnte nicht überzeugen. Wie oben dargelegt entspricht in D1 zum Beispiel die Frequenz, mit der aufwärts gezählt wird, der Differenz zwischen Leistungsabgabe durch den Generator und Leistungsaufnahme durch die zugeschalteten restlichen Verbraucher. Um zu einem geeigneten Wert für die Aufwärtszählfrequenz zu gelangen, ist deshalb die Leistungsabgabe durch den Generator zu berücksichtigen.

2.3. Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich somit von dem aus D1 bekannten Verfahren dadurch, daß die physikalischen Größen wie Lade- bzw. Entladestrom der Batterie bzw. momentane Gesamtleistungsaufnahme der Verbraucher und Leistungsabgabe durch den Generator, die in D1 in den verwendeten Größen Aufwärts- bzw. Abwärtszählfrequenz enthalten sind, direkt berechnet werden. Dabei wird zum einen die Gesamtleistungsaufnahme aller momentan zugeschalteten Verbraucher anhand gespeicherter Normalwerte der Leistungsaufnahme jedes Verbrauchers errechnet. Zum anderen wird die Leistungsabgabe des Generators anhand der Generatordrehzahl und die Generatordrehzahl wiederum aus der Motordrehzahl und dem Übersetzungsverhältnis von Motordrehzahl zu Generatordrehzahl ermittelt.

2.4. Die objektive Aufgabe, die sich aus diesem Unterschied herleiten läßt, besteht darin, die aus D1 bekannte Ermittlung des Ladezustandes der Batterie präziser zu gestalten und damit ein zuverlässigeres Erkennen des Ladungsgrenzwertes der Batterie zu ermöglichen.

Die Aufgabestellung an sich beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Es ist offensichtlich wünschenswert in D1, daß einerseits die Heizung der Frontscheibe uneingeschränkt verfügbar bleibt solange noch ausreichend Restladung in der Batterie für ein Wiederanlassen des Fahrzeuges vorhanden ist, andererseits immer sichergestellt ist, daß ein Wiederanlassen des Fahrzeuges tatsächlich noch möglich ist. Dafür ist es unabdingbar, daß in D1 der Zählerstand immer tatsächlich dem momentanen Ladezustand der Batterie entspricht. Es ist für einen auf dem Gebiet der Fahrzeugelektrik und -elektronik tätigen Durchschnittsfachmann unmittelbar einsichtig, daß dies am besten mittels einer genauen Berücksichtigung aller Komponenten der Ladebilanz zu erreichen ist. Entscheidend für die Ladebilanz ist nun einerseits die Leistungsabgabe durch den Generator und andererseits die Leistungsaufnahme durch alle zugeschalteten Verbraucher. Es bietet sich somit dem Fachmann unmittelbar an, beide genau zu berechnen.

Was die Ermittlung der Gesamtleistungsaufnahme aller zugeschalteten Verbraucher anbelangt, so beruht in D1 die Berücksichtigung der Leistungsaufnahme des Verbrauchers hoher Leistung auf einer Überwachung, ob der Verbraucher eingeschaltet ist, sowie auf einen vorgegebenen, der Leistungsaufnahme des Verbrauchers entsprechenden Wert, der sich in der Abwärtszählfrequenz wiederfindet. Für die Ermittlung der Gesamtleistungsaufnahme erscheint es für den Fachmann naheliegend, dieses Prinzip analog auf die restlichen Verbraucher auszudehnen. Damit stellt aber die Berechnung der Gesamtleistungsaufnahme aller zugeschalteten Verbraucher anhand gespeicherter Normalwerte der Leistungsaufnahme jedes Verbrauchers eine auf der Hand liegende Maßnahme dar.

Was andererseits die Ermittlung der Leistungsabgabe durch den Generator anbelangt, so gehört es zu dem durch Dokument D5 belegten Grundlagenwissen des genannten Fachmannes, daß die Generatorleistung eines Fahrzeuges im Normalbetrieb stark variiert. Damit ist es für den Durchschnittsfachmann unmittelbar einsichtig, daß die eher pauschale Berücksichtigung der Generatorleistung in der Ladebilanz in D1 verbesserungsbedürftig ist.

In diesem Zusammenhang zeigt Dokument D5 (vgl. Seite 60, rechte Spalte, dritter Absatz; Seite 61, Figur 51) insbesondere, daß die tatsächliche vom Generator abgegebene Leistung eine wesentliche Rolle in der Ladebilanz eines Kraftfahrzeuges spielt. Zudem zeigt D5, daß die Leistungsabgabe des Generators von der Motordrehzahl abhängig ist, die je nach Betriebsbedingung des Fahrzeuges stark variiert, da die Leistungsabgabe eines Generators naturgemäß von seiner Drehzahl abhängig ist (vgl. Seite 62, Figur 52), wobei Letztere durch den Antrieb mit vorgegebenem Übersetzungsverhältnis von der Motordrehzahl bestimmt wird (vgl. Seite 65, letzter Absatz).

Es ist deshalb für den Fachmann naheliegend, die Leistungsabgabe des Generators anhand der Generatordrehzahl oder der Motordrehzahl zu ermitteln.

Da in Kraftfahrzeugen üblicherweise die Motordrehzahl ohnehin bereits ermittelt wird, liegt es zudem auf der Hand, die Generatordrehzahl aus der Motordrehzahl und dem bekannten Übersetzungsverhältnis von Motordrehzahl zu Generatordrehzahl zu ermitteln.

2.5. Aus den genannten Gründen beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents somit nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 100 a), 52 (1), 56 EPÜ).

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

Quick Navigation