T 0097/99 () of 6.2.2001

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2001:T009799.20010206
Datum der Entscheidung: 06 Februar 2001
Aktenzeichen: T 0097/99
Anmeldenummer: 91903919.8
IPC-Klasse: H02M 3/335
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Elektronisches Schaltnetzteil
Name des Anmelders: Braun GmbH
Name des Einsprechenden: Koninklijke Philips Electronics N.V.
Kammer: 3.5.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Neuheit (Hauptantrag und Hilfsantrag 1: verneint; Hilfsantrag 2: bejaht)
Erfinderische Tätigkeit (Hilfsantrag 2: bejaht)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0002/88
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde des Patentinhabers richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das Europäische Patent Nr. 0 520 999 widerrufen wurde.

II. Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung hat folgenden Wortlaut:

"Elektronisches Schaltnetzteil zur Speisung eines Verbrauchers (6) aus einer Eingangsspannungsquelle (20), mit einem Sperrwandler mit einem Übertrager (5), dessen Primärwicklung (51) in Reihe zur Kollektor-Emitter-Strecke eines ersten Transistors (1) parallel zur Eingangsspannungsquelle (20) und dessen Sekundärwicklung (52) in Reihe zum Verbraucher (6) und einer ersten Diode (7) geschaltet ist, wobei der Emitter des ersten Transistors (1) über einen ersten Widerstand (8) mit Masse- oder Bezugspotential und die Basis des ersten Transistors (1) an eine Steuerschaltung (St) angeschlossen ist, mit einem parallel zum Verbraucher (6) geschalteten Kondensator (16), wobei die Spannung an der dem Bezugspotential abgewandten Anschluß (B) des Kondensators (16) gleiche Polarität aufweist wie die Spannung am Verbindungspunkt (A) des ersten Widerstandes (8) mit dem ersten Transistor (1), dadurch gekennzeichnet, daß zwischen dem Verbindungspunkt (A) des ersten Widerstandes (8) mit dem ersten Transistor (1) und dem Bezugspotential abgewandten Anschluß (B) des Kondensators (16) ein zweiter Widerstand (81) angeschlossen ist."

III. Die angefochtene Entscheidung bezieht sich auf den durch folgende Dokumente nachgewiesenen Stand der Technik:

D1: GB-A-2 138 977

D2: EP-B-0 226 128

D3: US-A-4 005 351

D4: US-A-4 464 619

D5: EP-B-0 130 411.

Der Widerruf des Streitpatents ist mit mangelnder Neuheit des Gegenstands des Anspruchs 1 gegenüber D2 begründet (siehe angefochtene Entscheidung, Punkte II.4 und II.5). Das strittige Merkmal, ein parallel zum Verbraucher geschalteter Kondensator, an welchem der Verbindungspfad mit dem ersten Widerstand angeschlossen ist, umfasse auch einen Gegenstand, bei dem ein Kondensator über Dioden mit einem Verbraucher parallelgeschaltet sei. Das in D2 offenbarte Schaltnetzteil weise daher alle Merkmale des Anspruchs 1 des Streitpatents in der erteilten Fassung auf. Die Definition einer Parallelschaltung gemäß "IEEE Standard Dictionary of Electrical and Electronics Terms" (ANSI/IEEE Std 100-1984, Third Edition), auf die sich der Patentinhaber stütze und die besage, daß zwei parallelgeschaltete Zweipole mit ihren beiden Enden an das gleiche Paar von Anschlüssen geschaltet seien, könne in diesem eindeutigen Sinn nicht für Patentansprüche gelten. Denn der Anmelder müsse eine gewisse Freiheit in der Ausgestaltung seiner beanspruchten Gegenstände haben. Der Patentinhaber habe im Oberbegriff des Anspruchs 1 ebenfalls eine Formulierung gewählt, daß die "Primärwicklung (51) in Reihe zur Kollektor-Emitter-Strecke eines ersten Transistors (1) parallel zur Eingangsspannungsquelle (20)" geschaltet sei, obwohl dieser parallele Zweig in den Ausführungsbeispielen noch den ersten Widerstand (8) in Reihe aufweise.

Die angefochtene Entscheidung (Punkt II.6 und Seite 4, letzter Absatz - Seite 5, Absatz 1) vertritt jedoch auch die Auffassung, daß aus keinem der genannten Dokumente ein Schaltnetzteil mit einem Nebenweg (über den zweiten Widerstand 81) bekannt oder nahegelegt sei, das beim Start einen größeren Anlaufstrom liefere, indem über diesen Nebenweg so lange ein Strom fließe, bis der Kondensator aufgeladen sei. Dieser Gegenstand wäre neu und erfinderisch. Der Patentinhaber habe eine diesbezügliche Anregung zur Klarstellung jedoch nicht aufgegriffen.

IV. Die Kammer hat mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung den Parteien die vorläufige Ansicht mitgeteilt, daß der Wortlaut des Anspruchs 1 weitere Bauteile in den parallelen Zweigen nicht notwendigerweise ausschließe, aber gleichzeitig auf die unterschiedliche Funktion der Verbindung über den ersten Widerstand hingewiesen, die der Beschreibung des Streitpatents zu entnehmen sei, nämlich einen spannungsabhängigen Teil des Anlaufstroms zu führen.

V. Der Beschwerdeführer hat mit Schreiben vom 3. Januar 2001 einen neuen Anspruch 1 als Hilfsantrag 1 eingereicht, der sich von Anspruch 1 in der erteilten Fassung dadurch unterscheidet, daß zwischen "eines ersten Transistors (1)" und "parallel zur Eingangsspannungsquelle (20)" (Patentschrift, Seite 5, Zeile 10) das Merkmal "und eines ersten Widerstands (8)" eingefügt ist und daß der Ausdruck "über einen ersten Widerstand (8)" entsprechend durch "über den ersten Widerstand (8)" in Zeile 12 ersetzt ist.

VI. Der Beschwerdegegner hat sich mit Schreiben vom 11. Januar 2001 erstmals im Beschwerdeverfahren geäußert. Er habe dem bisherigen Vorbringen nichts hinzuzufügen. Er werde nicht an der mündlichen Verhandlung teilnehmen, halte aber seinen Antrag aufrecht, das Streitpatent zu widerrufen.

VII. Der Beschwerdeführer hat in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 6. Februar 2001 geänderte Ansprüche 1 bis 6 gemäß Hilfsantrag 2 eingereicht. Der Beschwerdeführer beantragt somit die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents (Hauptantrag), hilfsweise die Aufrechterhaltung in geändertem Umfang mit den Patentansprüchen gemäß Hilfsantrag 1 bzw. mit den in der mündlichen Verhandlung als Hilfsantrag 2 überreichten Ansprüchen 1 bis 6.

VIII. Patentanspruch 1 des Hilfsantrags 2 lautet wie folgt:

"Elektronisches Schaltnetzteil zur Speisung eines Verbrauchers (6) aus einer Eingangsspannungsquelle (20), mit einem Sperrwandler mit einem Übertrager (5), dessen Primärwicklung (51) in Reihe zur Kollektor-Emitter-Strecke eines ersten Transistors (1) parallel zur Eingangsspannungsquelle (20) und dessen Sekundärwicklung (52) in Reihe zum Verbraucher (6) und einer ersten Diode (7) geschaltet ist, wobei der Emitter des ersten Transistors (1) über einen ersten Widerstand (8) mit Masse- oder Bezugspotential und die Basis des ersten Transistors (1) an eine Steuerschaltung (St) angeschlossen ist, mit einem parallel zum Verbraucher (6) geschalteten Kondensator (16), wobei die Spannung an der dem Bezugspotential abgewandten Anschluß (B) des Kondensators (16) gleiche Polarität aufweist wie die Spannung am Verbindungspunkt (A) des ersten Widerstandes (8) mit dem ersten Transistor (1), dadurch gekennzeichnet, daß zwischen dem Verbindungspunkt (A) des ersten Widerstandes (8) mit dem ersten Transistor (1) und dem Bezugspotential abgewandten Anschluß (B) des Kondensators (16) ein zweiter Widerstand (81) angeschlossen ist, so daß ein zusätzlicher Primärstrom geliefert wird, solange die Spannung am Verbraucher (6) kleiner ist als die Spannung am ersten Widerstand (8)."

IX. Der Beschwerdeführer hat im wesentlichen wie folgt argumentiert:

Die Einspruchsabteilung habe nicht dargelegt, warum das Merkmal Parallelschaltung des Verbrauchers und Kondensators trotz eindeutiger gegenteiliger Darstellung in der Figur 1 von D2 dem Dokument unmittelbar und eindeutig zu entnehmen sein soll. Zudem sei dieses Merkmal zwischen den Parteien überhaupt nicht strittig gewesen. Die Entscheidung sei somit nicht mit Gründen versehen und daher aufzuheben.

Ausgehend von der im Streitpatent genannten Aufgabe, ein Schaltnetzteil so auszubilden, daß es einen erhöhten Anlaufstrom für den Verbraucher liefern könne, unterscheide sich der Gegenstand des Anspruchs 1 vom Schaltnetzteil in D2 dadurch, daß er zur Lösung dieser Aufgabe zwischen Primärseite und Sekundärseite eine Verbindung mit einem zweiten Widerstand aufweise, die an den dem Verbraucher parallelgeschalteten Kondensator angeschlossen sei. Eine solche Verbindung gebe es in D2 nicht, weil der Kondensator nicht dem Verbraucher parallelgeschaltet sei.

Eine Parallelschaltung sei nach der Definition des IEEE Standard Dictionary dann gegeben, wenn Zweipole zwischen demselben Verbindungsknotenpaar angeschossen seien.

Bei dem Schaltnetzteil in D2 sei der Kondensator (12) daher nicht mit dem Verbraucher (61, 62) parallelgeschaltet. Außerdem sei ein Anschluß des Kondensators an Bezugspotential angeschlossen, wodurch auch die Funktion einer Parallelschaltung nicht mehr gegeben sein könne. D2, Seite 6, Zeilen 20 und 21, führe zudem auch aus, daß die Spannungen am Verbraucher und Kondensator in der Schalterposition "Schnelladung" nur bei Vernachlässigung der Durchlaßspannungen der Dioden gleich seien. In dieser Schalterposition (Anschluß C des Schalters 7 mit B verbunden) gebe es aber keine Verbindung zwischen dem Anschluß des Kondensators, der dem Bezugspotential abgewandt sei, und dem ersten Widerstand (23). Eine solche Verbindung gebe es nur in der Schalterposition "Erhaltungsladung" (Anschluß C des Schalters 7 mit A verbunden), bei welcher aber die Spannung am Kondensator 12 konstant sei (D2, Seite 4, Zeilen 55 bis 64). Daraus folge, daß der Kondensator und der Verbraucher weder im Sinne der genannten Definition noch funktionell parallelgeschaltet seien.

Die im Oberbegriff des Anspruchs 1 des Hauptantrags angegebene Parallelschaltung mit der Eingangsspannungsquelle sei zwar ungenau. Deswegen sei im Hilfsantrag 1 klargestellt, daß die Reihenschaltung aus Primärwicklung, Kollektor-Emitter-Strecke des ersten Transistors und des ersten Widerstands parallel zur Eingangsspannungsquelle geschaltet sei. Dennoch gebe es in der Beschreibung oder in den Zeichnungen der Patentschrift keinerlei Anhaltspunkte, die Parallelschaltung des Kondensators mit dem Verbraucher wie in der angefochtene Entscheidung auszulegen.

Der zum Verbraucher parallelgeschaltete Kondensator nach dem Streitpatent habe im übrigen mit dem erfindungswesentlichen Teil des Schaltnetzteils nichts zu tun und diene lediglich zum Kurzschließen hochfrequenter Störspannungen. Er könnte daher auch weggelassen werden. Wichtig sei nur, daß über die Verbindung mit dem zweiten Widerstand ein zusätzlicher Primärstrom fließen könne. Dadurch könne kurzzeitig ein gegenüber dem normalen Betriebsstrom höherer Anlaufstrom geliefert werden. Ein Schaltnetzteil mit einer solchen Verbindung zwischen Primärseite und Sekundärseite, insbesondere wie im Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 festgelegt ist, sei durch keines der Dokumente nahegelegt.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Die Änderungen des jeweiligen Anspruchs 1 der Hilfsanträge 1 und 2 sind in der Beschreibung der veröffentlichten Anmeldung (WO-A-91/15053, Seite 4, letzter Absatz bzw. Seite 3, Absatz 4) sowie in den entsprechenden Passagen der Patentschrift (Seite 3, Zeilen 10 und 11 bzw. Seite 2, Zeilen 46 bis 50) offenbart und schränken den Gegenstand des Anspruchs 1 jeweils ein. Sie verstoßen daher nicht gegen Artikel 123 (2) und (3) EPÜ.

3. Hauptantrag

3.1. D2 (Seite 6, Zeilen 17 bis 35; Figur 1) offenbart ein elektronisches Schaltnetzteil zur Speisung eines Verbrauchers (Batterie 61) aus einer Eingangsspannungsquelle. Der Verbraucher kann dabei mit Schnelladestrom (D2, Seite 4, Zeilen 45 bis 54) oder mit Erhaltungsladestrom (im folgenden "Schalterposition A"; D2, Seite 4, Zeile 55 bis Seite 5, Zeile 5) gespeist werden. In beiden Schalterpositionen sind ein erster Stromzweig (Reihenschaltung des Verbrauchers 61 mit einer ersten Diode 31) und ein zweiter Stromzweig (Reihenschaltung eines Kondensators 12 mit einer zweiten Diode 32) parallel zur Sekundärwicklung eines Übertragers (52) geschaltet, und der Verbindungspunkt des Kondensators mit der zweiten Diode ist an Masse- oder Bezugspotential gelegt (D2, Seite 4, Zeilen 7 bis 9; Figur 1). Es besteht kein Zweifel, daß der erste Stromzweig mit dem Verbraucher parallel zum zweiten Stromzweig mit dem Kondensator im Sinne der vom Beschwerdeführer angeführten Definition (IEEE Standard Dictionary) geschaltet ist, da beide Stromzweige mit zwei elektrischen Anschlüssen zwischen demselben Verbindungsknotenpaar (Anschlüsse der Sekundärwicklung 52) angeschossen sind. Es muß daher auch für beide Stromzweige gelten, daß die Summe der Teilspannungen an Verbraucher plus Diode bzw. an Kondensator plus Diode gleich der Spannung der Sekundärwicklung ist. Die Verbindung des Kondensators mit Bezugspotential ändert nichts an der Gültigkeit dieser Beziehung, da jeder der beiden Stromzweige mit der Sekundärwicklung je einen geschlossenen Stromkreis (Masche) bildet, für den die Summe der Spannungen Null sein muß.

3.2. In der Schalterposition A des Schaltnetzteils der Figur 1 von D2 ist zwischen dem Verbindungspunkt eines ersten Widerstands (23) mit einem ersten Transistor (1) und einem dem Bezugspotential abgewandten (positiven) Anschluß des Kondensators ein zweiter Widerstand (25) (über in Durchlaßrichtung gepolte Dioden 35, 33 und 41) angeschlossen. Mit einer Batterie (61) als Verbraucher in dem einen Stromzweig fließt immer dann Strom, wenn die Spannung an den Anschlüssen der Batterie größer ist als die innere Spannung der Batterie (Zellenspannung), die unter anderem vom Ladezustand der Batterie abhängt (vgl. D2, Seite 5, Zeilen 27 bis 41; Figur 4). Wenn Erhaltungsladestrom in die Batterie fließt, ist der Spannungsabfall an der leitenden Diode (31) annähernd konstant und weist einen für die Diode charakteristischen Wert auf. Da die Summe der Teilspannungen an den Anschlüssen der Batterie plus Diode gleich der Summe der Teilspannungen am Kondensator plus Diode ist, kann die Spannung an den Anschlüssen der Batterie einen Maximalwert nicht überschreiten, der durch die maximale Spannung an dem Kondensator im parallelen Zweig bestimmt ist (vgl. D2, Seite 4, Zeile 65 bis Seite 5, Zeile 5). Wenn die maximale Spannung erreicht ist, wird über den Verbindungszweig zum Primärkreis ein Transistor (2) leitend und damit das Schaltnetzteil außer Betrieb gesetzt. Die Spannung am Kondensator sinkt in der Folge entsprechend seiner Entladezeitkonstante ab, bis der Transistor (2) wieder sperrt. Beim Wiedereinschalten fließt daher durch die beiden parallelgeschalteten Zweige ein vom Ladezustand der Batterie bzw. des Kondensators (und den annähernd konstanten Durchlaßspannungsabfällen der Dioden) abhängiger Strom, bis die Spannung des Kondensators wieder den Schaltpunkt des Transistors (2) erreicht hat. Die Parallelschaltung des Verbraucherzweigs mit dem Kondensatorzweig in D2 bewirkt, daß sich ein Puls-Pausen-Verhältnis des Verbraucherstroms entsprechend dem Kondensatorladestrom ergibt (D2, Seite 6, Zeilen 22 bis 35).

3.3. Der Wortlaut des Anspruchs 1 des vorliegenden Hauptantrags legt weder fest, unter welchen Bedingungen der Verbindungszweig Strom führt, noch in welcher Richtung, noch schließt er aus, daß in der Festlegung des Gegenstands nicht genannte Elemente, wie z. B. Dioden in den Verbraucher- und Kondensatorzweigen, vorhanden sein können. Wenn das Fehlen weiterer Elemente in der genannten Parallelschaltung für die Erfindung wesentlich sein sollte, müßte dies auch bei der Festlegung des Gegenstands der Erfindung zum Ausdruck kommen (Artikel 84 und Regel 29 (1) und (3) EPÜ). Nur dann könnte das Fehlen weiterer Elemente als Abgrenzungsmerkmal des beanspruchten Gegenstandes gegenüber dem Stand der Technik berücksichtigt werden.

3.4. Das scheint hier aber nicht der Fall zu sein. Der Beschwerdeführer hat nach Ansicht der Kammer zu Recht darauf hingewiesen, daß eine Parallelschaltung des Kondensators mit dem Verbraucher für die in der Patentschrift (z. B. Seite 2, Zeilen 46 bis 50; Seite 4, Zeilen 3 bis 8 und Zeilen 25 bis 58; Figur 3) beschriebene Funktion des Schaltnetzteils nicht unbedingt erforderlich ist. Demnach kommt es darauf an, daß über den Verbindungszweig ein Primärstrom fließt, solange die Spannung am Verbraucher kleiner ist als die Spannung am ersten Widerstand. Diese Funktion wäre durch weitere Elemente in den parallelen Verbraucher- und Kondensatorzweigen nicht wesentlich beeinträchtigt, wenn diese einen relativ kleinen Spannungsabfall, wie jenen einer Diode in Durchlaßrichtung, aufweisen.

3.5. Schließlich kann auch die in der Patentschrift (Seite 2, Zeilen 40 bis 42) genannte Aufgabe nicht dazu herhalten, den breit gefaßten Anspruch durch eine enge Auslegung gegenüber D2 neu zu machen. Denn die in der Beschreibung genannte Aufgabe kann nicht als einschränkendes Zweckmerkmal des Patentanspruchs angesehen werden. Eine beanspruchte Erfindung ist nur dann neu, wenn sie mindestens ein wesentliches technisches Merkmal enthält, durch das sie sich vom Stand der Technik unterscheidet (vgl. G 2/88, ABl. EPA 1990, 93, Punkt 7). Der vorliegende Anspruch 1 enthält jedoch keine Merkmale, die eindeutig im Sinne einer Lösung dieser Aufgabe ausgelegt werden müßten. Er enthält auch keine Merkmale, die durch Angabe des Zwecks oder der Funktion die beanspruchte Vorrichtung näher definieren. Die beanspruchte Erfindung nach dem Hauptantrag kann somit nicht als neu gelten (Artikel 54 (1) EPÜ).

4. Hilfsantrag 1

4.1. Bei dem in D2 (Figur 1) offenbarten Schaltnetzteil ist der erste Widerstand (23) ebenfalls in Reihe zur Kollektor-Emitterstrecke-Strecke des ersten Transistors (1) und die Reihenschaltung parallel zur Eingangsspannungsquelle geschaltet. Das ist vom Beschwerdeführer auch nicht bestritten worden.

4.2. Mit dieser Änderung trifft zwar das Argument nicht mehr zu, daß schon die Formulierung des Oberbegriffs des Anspruchs 1 anschaulich bestätigt, daß ein Merkmal, welches eine Parallelschaltung von elektrischen Bauteilen festlegt, noch weitere nicht genannte Bauteile in demselben Stromzweig aufweisen könne. Die Änderung kann daher als Indiz angesehen werden, daß der Patentinhaber beabsichtigt, dem Merkmal Parallelschaltung im vorliegenden Anspruch 1 eine einheitliche Bedeutung zu geben. Sie kann aber nicht zu einer unterschiedlichen Auslegung der Parallelschaltung des Verbrauchers und Kondensators und damit zu einer anderen Beurteilung der Frage der Neuheit führen. Denn die Ansprüche dienen nach dem EPÜ dazu, den Schutzbereich des Patents (Artikel 69 EPÜ) unter Berücksichtigung der Voraussetzungen für die Patentierbarkeit nach den Artikeln 52 bis 57 EPÜ festzulegen (vgl. G 2/88, supra, Punkt 2.5). Sie sind daher nach objektiven Kriterien unter Heranziehung der Beschreibung und der Zeichnungen auszulegen. Objektiv kann jedoch dem Ausdruck "Parallelschaltung" im vorliegenden Zusammenhang nicht die enge Bedeutung zukommen, die der Beschwerdeführer ihm beimißt (siehe Punkte 3.1 bis 3.5 oben).

5. Hilfsantrag 2

5.1. Das in D2 offenbarte Schaltnetzteil liefert keinen zusätzlichen Primärstrom über die Verbindung zwischen dem ersten Widerstand (23) und dem Kondensator (12), solange die Spannung am Verbraucher (61) kleiner ist als die Spannung am ersten Widerstand. Denn in dem aus D2 bekannten Schaltnetzteil fließt ein Sekundärstrom über Dioden (35, 33), um über einen weiteren Transistor (2) den ersten Transistor (1) abzuschalten, wenn die Spannung am Verbraucher einen maximalen Wert erreicht (siehe Punkt 3.2 oben). Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 gilt daher als neu.

5.2. Die angefochtene Entscheidung (Punkt II.6 und Seite 4, letzter Absatz - Seite 5, Absatz 1) führt aus, daß aus keinem der genannten Dokumente ein Schaltnetzteil mit einem Nebenweg (über den zweiten Widerstand 81) bekannt oder nahegelegt ist, das beim Start einen größeren Anlaufstrom liefert, indem über diesen Nebenweg so lange ein Strom fließt, bis der Verbraucher die Spannung am ersten Widerstand erreicht hat (bzw. der parallel geschaltete Kondensator auf eine entsprechende Spannung aufgeladen ist). Der Beschwerdegegner hat dem im Beschwerdeverfahren nicht widersprochen. Die Kammer sieht keinen Grund, in diesem Punkt von der Auffassung der angefochtenen Entscheidung abzuweichen. Die Gegenstände des Anspruchs 1 sowie der davon abhängigen Ansprüche 2 bis 6 müssen daher als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend angesehen werden (Artikel 56 EPÜ).

6. Wie aus dem Vorangehenden, insbesondere Punkt III oben und den Bemerkungen der Kammer zu diesen Ausführungen der angefochtenen Entscheidung, hervorgeht, hat sich die Einspruchsabteilung mit den relevanten Sachverhalten, die zur angefochtenen Entscheidung geführt haben, sowie mit den Argumenten der Parteien in klar nachvollziehbarer Weise auseinandergesetzt. Die angefochtene Entscheidung ist daher im Sinne der Regel 68 (2) EPÜ auch begründet.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent in geändertem Umfang mit folgender Fassung aufrechtzuerhalten:

Patentansprüche 1 bis 6: überreicht in der mündlichen Verhandlung als Hilfsantrag 2;

Beschreibung und Zeichnungen: wie erteilt.

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