T 0092/99 (Regelungsanordnung/BOSCH) of 11.5.2004

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2004:T009299.20040511
Datum der Entscheidung: 11 Mai 2004
Aktenzeichen: T 0092/99
Anmeldenummer: 92909622.0
IPC-Klasse: G05B 15/02
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Regelungsanordnung, insbesondere für Kraftfahrzeuge
Name des Anmelders: Robert Bosch GmbH
Name des Einsprechenden: WABCO GmbH & Co. OHG
Siemens AG
Mannesmann VDO AG
Kammer: 3.5.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 52(1)
European Patent Convention 1973 Art 54(1)
European Patent Convention 1973 Art 54(2)
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 111(1)
European Patent Convention 1973 Art 114(2)
Schlagwörter: Verspätet vorgebrachte Tatsachen und Beweismittel - (zugelassen)
Erfinderische Tätigkeit (verneint)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0326/87
T 1002/92
T 0249/93
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die am 23. Oktober 1998 ergangene Entscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent Nr. 587 589 zu widerrufen.

II. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) legte mit Schreiben vom 10. Dezember 1998 Beschwerde ein, die im selben Schreiben begründet wurde, und beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent auf der Basis eines beigefügten Anspruchssatzes eingeschränkt aufrechtzuerhalten. Hilfsweise wurde eine mündliche Verhandlung beantragt.

III. Die Beschwerdegegnerin I (Einsprechende I) beantragte mit Schreiben vom 10. März 1999, das Patent auch auf der Basis des neu eingereichten Anspruchssatzes zu widerrufen. Hilfsweise wurde eine mündliche Verhandlung beantragt.

IV. Die Beschwerdegegnerin II (Einsprechende II) äußerte sich zunächst nicht.

V. Die Beschwerdegegnerin III (Einsprechende III) beantragte mit Schreiben vom 2. Juni 1999 den vollständigen Widerruf des Patents.

VI. In einer Anlage zur Ladung zur mündlichen Verhandlung vom 12. November 2003 nahm die Kammer zum Sacherverhalt vorläufig Stellung. Unter anderem wurde auf die Relevanz des schon im Einspruchsverfahren berücksichtigten Dokuments

D3.6: Moderne Mikroelektronik für den Einsatz im ABS Steuergerät, J. Gerstenmeier, VDI-Berichte, Nr. 515, 1984, Seiten 195-199

hingewiesen, das nach Ansicht der Kammer das allgemeine Fachwissen auf dem relevanten Gebiet belegt.

VII. In einem Schreiben vom 6. Februar 2004 nahm die Beschwerdegegnerin 2 erstmals Stellung und beantragte den vollständigen Widerruf des Patents. Sie bezog sich darin auf die erstmals erwähnte Druckschrift

D2.8: P. M. Brushless Servodrive Controlled by a 16 bit Microcomputer, Dietrich Naunin und Hans-Christian Reuss, PESC '88 RECORD (April 1988), Seiten 214 bis 221

VIII. Die Beschwerdeführerin beantragte in einem Schreiben vom 1. April 2004, das Dokument D2.8 als nicht relevant und verspätet zurückzuweisen. Es wurde weiterhin beantragt, daß Patent auf der Basis eines neu eingereichten Hauptantrags beziehungsweise auf der Basis eines ebenfalls neu eingereichten Hilfsantrags aufrechtzuerhalten.

IX. In der mündlichen Verhandlung am 11. Mai 2004, an der die Beschwerdegegnerin III nicht teilnahm, bestätigten die anwesenden Parteien ihre zuvor gestellten Anträge, wobei die Beschwerdeführerin den Anspruch 1 ihres Hilfsantrags zur Ausräumung eines möglichen Konflikts mit Artikel 123 (2) EPÜ umformulierte.

Der Wortlaut von Anspruch 1 des Hauptantrags ist wie folgt:

"Regelungsanordnung für Kraftfahrzeuge, mit einem Stellglied, wobei die Stellwerte für das Stellglied mittels einer digitalen Regelschaltung, der einerseits ein Sollwert und andererseits ein Istwert zugeführt ist, erzeugt werden, mit einer Istwert-Auswerteschaltung, mit einem Daten/Parameter-Speicher, mit einer Schnittstelle, mit einer Programmsteuereinheit mit einem Rechenwerk, mit einer Endstufenansteuereinheit für eine Endstufe, wobei die Istwert-Auswerteschaltung ohne einen Analog/Digitalwandler als rein digitale Istwert- Auswerteschaltung zur Auswertung frequenzproportionaler [sic] Sensorsignale ausgebildet ist, wobei die Endstufe mit einer unterlagerten Stromregelung arbeitet, wobei für die Endstufe ein elektronisch schaltbarer Schnellfreilauf vorgesehen ist, wobei die Komponenten, nämlich Istwert-Auswerteschaltung, Endstufenansteuereinheit, Schnittstelle, Daten/Parameter- Speicher, Rechenwerk und Programmsteuereinheit auf einem Chip integriert sind, wobei die Regelschaltung nur mit einem Regelstreckenelement zusammenwirkt und wobei der Chip in unmittelbarer Nähe des Stellgliedes angebracht ist."

Anspruch 1 nach Hilfsantrag unterscheidet sich davon, daß das Merkmal "Istwert-Auswerteschaltung ohne einen Analog/Digitalwandler als rein digitale Istwert- Auswerteschaltung zur Auswertung frequenzproportinaler [sic] Signale ausgebildet ist" in "Istwert- Auswerteschaltung als rein digitale Istwert- Auswerteschaltung zur Auswertung frequenzproportinaler [sic] Signale, die ohne einen Analog/Digitalwandler zugeführt werden, ausgebildet ist" geändert worden ist. Weiterhin umfaßt der Anspruch die Merkmale:

"wobei die Komponenten auf dem Substrat flächen- und im Hinblick auf regelungstechnische Anforderungen optimiert/spezialisiert ausgebildet sind, wobei das Rechenwerk eine RISC-Rechenstruktur mit einem auf die notwendigen Befehle für die digitale Realisierung des Regelvorgangs beschränkten Befehlssatz aufweist."

Entscheidungsgründe

1. Die form- und fristgerechte Beschwerde ist zulässig

2. Artikel 114 (2) EPÜ

2.1. Dokument D2.8 wurde mit Schreiben vom 6. Februar 2004, und somit etwa sieben Jahre nach Ablauf der Einspruchsfrist eingereicht. Der unabhängige Anspruch des am 6. Februar 2004 vorliegenden Antrags der Beschwerdeführerin ergab sich unmittelbar aus der Kombination der Ansprüche 1, 5 und 6 des erteilten Patents. Somit bestand keine Veranlassung zu einer Nachrecherche von möglicherweise aus der Beschreibung aufgenommenen Merkmalen. D2.8 ist somit verspätet eingereicht. Nach ständiger Rechtsprechung sind in Ausübung des Ermessens nach Artikel 114 (2) EPÜ Beweismittel zu einem solch späten Zeitpunkt nur dann in das Verfahren zuzulassen, wenn sie prima facie hochrelevant sind und der Aufrechterhaltung eines europäischen Patents höchstwahrscheinlich entgegenstehen (siehe T 1002/92, ABl. EPA 1995, 605, Punkt 3 der Gründe, und T 326/87, ABl. EPA 1992, 522, Punkt 2 der Gründe). Die Kammer hat sich davon überzeugt, daß das im vorliegenden Fall zutrifft und hat daher D2.8 in das Verfahren zugelassen.

3. Artikel 123 (2) EPÜ

3.1. Im Laufe der mündlichen Verhandlung stellte die Kammer die Frage, ob das Merkmal "wobei die Istwert-Auswerteschaltung ohne einen Analog/Digitalwandler als reine digitale Istwert- Auswerteschaltung zur Auswertung frequenzproportionaler Sensorsignale ausgebildet ist" im Anspruch 1 nach Hauptantrag aus der ursprünglichen Offenbarung zu entnehmen ist. Nach Aussage der Beschwerdeführerin folgt dieses Merkmal aus der ursprünglichen Offenbarung (siehe mit der ursprünglichen Fassung wortgleiche Passage in Spalte 4, Zeile 37-39 des Streitpatents) die lautet: "Der vom Sensor 15 gelieferte Sensorwert wird nicht - wie im Stand der Technik - über einen Analog/Digital-Wandler dem System zugeführt". Es bestehen jedoch Zweifel, ob dieser Wortlaut einen Analog/Digitalwandler völlig ausschließt, so wie es in Anspruch 1 des Hauptantrags beansprucht ist. Somit würde es sich hierbei um eine unzulässige Erweiterung im Sinne des Artikels 123 (2) EPÜ handeln.

3.2. Die Frage der unzulässigen Erweiterung im Zusammenhang mit dem Hauptantrag mußte jedoch nicht entschieden werden, da dieser Antrag unabhängig von der Interpretation dieses Merkmals mangels erfinderischer Tätigkeit nicht gewährbar war (siehe Punkt 4 unten).

3.3. Im Anspruch 1 des Hilfsantrags wurde den Bedenken hinsichtlich Artikel 123 (2) EPÜ Rechnung getragen. Das geänderte Merkmal "Istwert-Auswerteschaltung als rein digitale Istwert-Auswerteschaltung zur Auswertung frequenzproportionaler Sensorsignale, die ohne einen Analog/Digitalwandler zugeführt werden, ausgebildet ist" ist direkt aus dem Offenbarungsgehalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung zu entnehmen.

4. Neuheit und erfinderische Tätigkeit (Hauptantrag)

4.1. D2.8 ist als nächstliegender Stand der Technik zu betrachten. Dieses Dokument offenbart laut Anspruch 1:

Eine Regelungsanordnung, mit einem Stellglied ("sychronous servodrive", siehe Seite 214, Abstract), wobei die Stellwerte (Spannungen u/q und u/d in Figur 13) für das Stellglied mittels einer digitalen Regelschaltung (Mikrocomputer 8097 in Figur 16), der einerseits ein Sollwert (Position, Geschwindigkeit und Drehmoment, Seite 214, rechte Spalte, 1. Absatz) und andererseits ein Istwert (Strom, Position in Figur 16) zugeführt ist, erzeugt werden, mit einer Istwert- Auswerteschaltung ("Counter" in Figur 16), mit einem Daten/Parameter-Speicher (EPROM in Figur 16), mit einer Schnittstelle (Seite 219, rechte Spalte, 3. Absatz), mit einer Programmsteuereinheit mit einem Rechenwerk (Mikrocomputer 8097 in Figur 16), mit einer Endstufenansteuereinheit (PWM-Ausgang, Seite 219, rechte Spalte, 3. Absatz) für eine Endstufe (in Figur 16 als Wechselrichter mit FETs und Dioden erkennbar), wobei die Endstufe mit einer unterlagerten Stromregelung arbeitet (siehe Seite 219, linke Spalte: "the current iq must be controlled"), wobei die Regelschaltung nur mit einem Regelstreckenelement zusammenwirkt und in unmittelbarer Nähe des Stellglieds angebracht ist (siehe Seite 214, rechte Spalte erster Absatz: Motor und Regelschaltung sind auf derselben Achse montiert).

4.2. Nach dem Vorbringen der Beschwerdeführerin seien die folgenden Merkmale des Anspruchs 1 der Druckschrift D2.8 nicht zu entnehmen:

i) Die Regelungsanordnung ist "für Kraftfahrzeuge".

ii) Es ist ein "elektronisch schaltbarer" Schnellfreilauf vorgesehen.

iii) Die Istwert-Auswerteschaltung ist "ohne einen Analog/Digitalwandler als rein digitale Istwert- Auswerteschaltung zur Auswertung frequenzproportionaler Sensorsignale ausgebildet".

iv) Die Komponenten, nämlich Istwert-Auswerteschaltung, Endstufenansteuereinheit, Schnittstelle, Daten/Parameter-Speicher, Rechenwerk und Programmsteuereinheit sind "auf einem Chip integriert".

4.3. Im Hinblick auf das Merkmal i) stellt die Kammer fest, daß das Merkmal "für Kraftfahrzeuge" nach üblichem Verständnis "für Kraftfahrzeuge geeignet" bedeutet. Ein solches Merkmal hat bestenfalls einen einschränkenden Charakter was die Dimensionierung der Regelungsanordnung betrifft. So hat es auch die Beschwerdeführerin gesehen, die dieses Merkmal in Verbindung mit dem Merkmal "in unmittelbarer Nähe des Stellglieds" interpretiert wissen wollte. Im Dokument D2.8, das sich mit der Steuerung eines Achsantriebs befaßt, besitzt jede Achse eines Mehrachsensystems einen Antrieb und eine Steuerung (siehe Seite 214, rechte Spalte, erster Absatz), die somit in unmittelbarer Nähe im Sinne des Anspruchs, nämlich auf einer Achse, angeordnet sind. Somit ergibt sich Merkmal i) ohne weiteres aus D2.8.

4.4. Die in den Figuren 5 und 16 von D2.8 parallel zu den Leistungs-MOSFETs in der Endstufe, die dort als Umrichter ausgebildet ist, gezeigten Dioden, sind nach allgemeinem Verständnis Freilaufdioden und entsprechen somit dem Schnellfreilauf des Merkmals ii). Das wurde auch von keiner der Parteien bestritten. Ferner werden diese Dioden durch die ihnen zugeordneten MOSFETs geschaltet und sind daher elektronisch schaltbar. Die Beschwerdeführerin deutete an, daß ein "elektronisch schaltbarer" Schnellfreilauf etwas anderes bedeuten würde als nur eine Anordnung von Freilaufdioden (siehe dazu Spalte 5, Zeilen 3-9 des Streitpatents). Jedoch ist aus dieser Passage nichts über die Natur dieser elektronischen Schaltbarkeit zu entnehmen, noch ist dem Fachmann unmittelbar geläufig, was damit gemeint sein könnte. Daraus ist zu folgern, daß auch die in D2.8 gezeigten Freilaufdioden einen elektronisch schaltbaren Schnellfreilauf im Sinne des Anspruchs 1 nach Hauptantrag darstellen. Somit ist auch Merkmal ii) aus D2.8 zu entnehmen.

4.5. In Hinblick auf das Merkmal iii) sind im Blockdiagramm der Figur 16 von D2.8 insgesamt drei Wege zu erkennen, über die Signale der Istwert-Auswerteschaltung zugeführt werden. Zum einen der "Resolver", dessen Signale einem Analog/Digitalwandler zugeführt werden; dann gibt es einen "Incremental Encoder", dessen Signale einem "Counter" direkt zugeführt werden; schließlich ist noch ein "Current Sensor" vorhanden, dessen Signale über einen "VCO" (voltage controlled oscillator) einem "Timer" zugeführt werden.

Die von dem "Incremental Encoder" erzeugten Signale sind zweifelsohne frequenzproportionale Signale. Aus dem Absatz "Position Detection", der sich von Seite 219 bis 220 von D2.8 erstreckt, folgt, daß der "Incremental Encoder" als eine von zwei alternativen Möglichkeiten zur hochaufgelösten Positionsdetektion der gesteuerten Achse verwendet wird. Die Geschwindigkeit der Achse wird aus positionsabhängigen Impulsen (siehe Figur 17) abgeleitet. Somit ergibt sich die Geschwindigkeit der Achse und folglich deren Drehfrequenz unmittelbar aus den von dem "Incremental Encoder" erzeugten Sensorsignalen. Die frequenzproportionalen Daten werden der Istwert-Auswerteschaltung, hier dem "Counter" in Verbindung mit dem Mikroprozessor 8097, ohne einen Analog/Digitalwandler zugeführt.

Interpretiert man das Merkmal iii) so wie die Beschwerdeführerin im Sinne der Änderung im Anspruch 1 des Hilfsantrags derart, daß die frequenzproportionalen Signale "ohne einen Analog/Digitalwandler zugeführt werden", folgt auch dieses Merkmal aus D2.8.

Wie schon in Absatz 3.1 festgestellt, ist eine Interpretation des Merkmals iii) in dem Sinne, daß die Regelungsanordnung überhaupt keinen Analog/Digitalwandler aufweist, nicht eindeutig aus der ursprünglichen Offenbarung herzuleiten. Geht man jedoch des Arguments wegen von einer solchen Bedeutung aus, kann das Merkmal iii) keinen erfinderischen Beitrag zum Gegenstand des Anspruchs 1 leisten. Denn der obengenannte Absatz "Position Detection" von Seite 219 bis 220 von D2.8 zeigt, daß die Positionsbestimmung, die einen Analog/Digitalwandler verwendet, eine alternative Methode zur Positionsbestimmung mittels eines "Incremental Encoders" und eines "Counters" ist. Diesem Absatz ist weiterhin zu entnehmen, daß die Positionsbestimmung mittels Analog/Digitalwandler zwar den Vorteil einer absoluten Positionsbestimmung bietet, aber einen größeren Schaltungs- und Speicheraufwand erfordert. Somit würde der Fachmann in Abwägung der bekannten Vor- und Nachteile entsprechend den speziellen Anforderungen einer gegebenen Anwendung sich ohne erfinderisches Zutun für die Verwendung einer Positionsbestimmung mit oder ohne Analog/Digitalwandler entscheiden und gegebenenfalls den Analog/Digitalwandler völlig weglassen.

4.6. Somit verbleibt als wesentlicher Unterschied zwischen dem Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hauptantrag und der aus D2.8 bekannten Regelungsanordnung das Merkmal, daß die Istwert-Auswerteschaltung, die Endstufenansteuereinheit, die Schnittstelle, der Daten/Parameter-Speicher, das Rechenwerk und die Programmsteuereinheit - also die digitalen Komponenten der Regelungsanordnung - auf einem Chip integriert sind.

In D2.8, Seite 219, rechte Spalte, zweiter Absatz, wird die Absicht erwähnt, die Leiterplatte mit den digitalen Komponenten der Regelungsanordnung in späteren Versionen zu verkleinern und direkt am Motorgehäuse zu montieren. Es würde sich dann zwar immer noch um eine Leiterplatte und nicht um einen einzelnen Chip handeln, jedoch würde der Fachmann ohne weiteres die Integration auf einen einzelnen Chip in Betracht ziehen, sobald die Absicht besteht, die Regelungsanordnung in großen Stückzahlen herzustellen. Der Fachmann würde auch berücksichtigen, daß es sich bei der Druckschrift D2.8 um das Ergebnis einer universitären Forschungsarbeit handelt, von der nicht zu erwarten war, daß sie zu einer integrierten Schaltung für hohe Stückzahlen führen würde, zumal dieser Punkt gar nicht die Aufgabenstellung dieser Arbeit war. Die Abwägung zwischen den hohen Entwicklungskosten einer auf einen Chip integrierten Schaltung und den hohen Stückkosten einer auf einer Leiterplatte hergestellten Schaltung führt der Fachmann routinemäßig durch.

Bekanntermaßen gibt in der Technik allgemein eine Tendenz zu einem immer höheren Integrationsgrad. Dies ist auch allgemeines Fachwissen auf dem speziellen Gebiet der Regelungsanordnungen in Kraftfahrzeugen und wird zum Beispiel in D3.6 (Seite 199, linke Spalte, fünfter Absatz bis zum Ende des Artikels in Verbindung mit der Figur 8) deutlich gemacht, wo explizit eine Verkleinerung der Regelungsanordnung angeregt wird.

Folglich war es für den Fachmann naheliegend, die digitalen Komponenten der aus D2.8 bekannten Regelungsanordnung auf einem Chip zu integrieren.

4.7. Das zentrale Argument der Beschwerdeführerin war, daß der "Counter" als Teil der Istwert-Auswerteschaltung von D2.8, auch wenn er im Sinne einer allgemeinen Interpretation zur Auswertung frequenzproportionaler Sensorsignale ausgebildet wäre, sich aufgrund seiner Eigenschaften nicht für eine Integration auf einem Chip eignen würde. Daher würde der Fachmann zumindest diesen Teil der aus D2.8 bekannten Schaltung nicht für eine Integration in Betracht ziehen. Eine Integration wäre nur dann sinnvoll möglich, wenn andere, geeignetere frequenzproportionale Signale und spezielle Schaltungen für deren Auswertung verwendet würden. Die tatsächliche erfinderische Leistung, die dem beanspruchten Gegenstand zugrunde läge, beruhe auf der Erkenntnis, daß die Wahl geeigneter frequenzproportionaler Signale mit der entsprechenden Auswertschaltung eine Integration mit den restlichen Bauelementen sinnvoll machen würde. Als Beispiel für geeignete frequenzproportionale Signale nannte die Beschwerdeführerin die von einem Wirbelstromsensor erhaltenen Signale, die von einem nicht abgestimmten Spannungsteiler ausgewertet werden könnten. Ein solcher Spannungsteiler würde sich als geeignete Istwert-Auswerteeinheit besonders zur Integration eignen, da bei der Auswertung des Frequenzwertes auf die bei einer Integration nur mit hohem Aufwand zu erreichende Abstimmung der Teilerwiderstände verzichtet werden könne.

4.8. Der beanspruchte Gegenstand ist jedoch nicht auf eine bestimmte Art des Sensors unter Verwendung eines Spannungsteilers beschränkt. Der Wortlaut des Anspruchs gibt auch keinerlei Hinweis auf die besondere Eignung der frequenzproportionalen Signale beziehungsweise des damit verbundenen Sensors für eine Integration. Der einzige Hinweis auf die Art des zu verwendenden Sensors ist in Spalte 4, Zeilen 37-45 der Beschreibung des Streitpatents gegeben. Dort wird pauschal auf bekannte Maßnahmen unter vorzugsweiser Verwendung von Wirbelstromsensoren verwiesen. Daraus läßt sich keinerlei Einschränkung bezüglich der Art des zu verwendenden Sensors herleiten. Dieses Zitat gibt dem Fachmann auch keinen Hinweis auf die vorteilhafteste Art eines Sensors, der einen Spannungsteiler verwendet.

Es gibt daher keine Veranlassung, von der Analyse der beanspruchten Merkmale in Absatz 4.5, ohne abzuweichen, nach der das Merkmal iii) von Dokument D2.8 gezeigt oder - je nach Interpretation - zumindest nahegelegt wird.

4.9. Zur Integration der digitalen Komponenten der aus D2.8 bekannten Regelungsanordnung brachte die Beschwerdeführerin vor, daß ein integrierter "Counter" durch eine permanent erforderliche Überwachung seines Zählzustands, die zur Berechung der Positionswerte und der Geschwindigkeit erforderlich ist, durch den ebenfalls integrierten Mikroprozessor die Rechenleistung desselben in einem solchen Ausmaß beanspruchen, daß er für weitere Aufgaben nicht mehr sinnvoll zur Verfügung stünde. Somit bestünde ein technisches Vorurteil gegen eine Integration.

Der Grad der Integration von "Counter" und Mikroprozessor spielt jedoch keine Rolle für das Verhältnis der beiden Vorrichtungen untereinander. Gegebenenfalls würde der Fachmann den "Counter" mit einer gewissen eigenen Intelligenz ausstatten, um den Prozessor zu entlasten. Aber das würde er auch bei einer diskreten Ausführung auf einer Leiterplatte wie in D2.8 tun, da dort durch die Ankopplung des "Counters" an den Mikroprozessor über einen Datenbus im Prinzip dieselben Probleme auftreten müßten. Folglich existiert das vorgebliche technische Vorurteil gegen eine Integration nicht, und alle unter Punkt 4.6 vorgebrachten Argumente gegen eine mit einer Integration verbundene erfinderische Leistung treffen unverändert zu.

5. Hilfsantrag

5.1. Anspruch 1 laut Hilfsantrag weist im Vergleich zu Anspruch 1 laut Hauptantrag zwei zusätzliche Merkmale auf, die einen Unterschied zu D2.8 herbeiführen:

v) Die integrierten Komponenten sind flächen- und im Hinblick auf regelungstechnische Anforderungen optimiert/spezialisiert ausgebildet,

vi) Das Rechenwerk weist eine RISC-Rechenwerkstruktur mit einem auf die notwendigen Befehle für die digitale Realisierung des Regelvorgangs beschränkten Befehlssatz auf.

5.2. Merkmal v) ist aufgabenhaft formuliert. Ein Unterschied zu D2.8 ergibt sich nur insoweit, als es sich bei den dort verwendeten, diskreten Komponenten um Standardprodukte handelt, die nur eingeschränkt optimiert/spezialisiert sind. Aber selbst dieser, eher vage Unterschied, ergibt sich ohne weiteres als eine unmittelbare Konsequenz der Integration der digitalen Komponenten. Sobald der Fachmann sich entschieden hat, die digitalen Komponenten zu integrieren, was er (siehe Abschnitt 4 oben) in naheliegender Weise tun würde, befindet er sich in einer "Einbahnstraßensituation". Es ist ihm geläufig, bei der Integration sich nicht auf die einfache Reproduktion der Strukturen der vorhandenen diskreten Komponenten zu beschränken, sondern immer eine entsprechende Optimierung/Spezialisierung vorzunehmen. Dies gehört zum allgemeinen Fachwissen und wird zum Beispiel auch durch D3.6, Seite 197, Abschnitt "Hardware-Aufbau" bis Seite 198, erster Absatz, belegt.

5.3. Ähnliches gilt für die Ausbildung des Rechenwerks als RISC- Rechenwerk (Merkmal vi)). Im Rahmen der Integration würde sich der Fachmann auch hier nicht auf die einfache Implementierung des in dem nicht spezialisierten Mehrzweck-Mikroprozessors verwendeten Rechenwerks begnügen, sondern eine Anpassung des Rechenwerks an die spezielle Aufgabenstellung vornehmen, so wie es in der Technik allgemein üblich ist.

5.4. Es ist selbstverständlich, daß die Ausführung der Merkmale v) und vi) im Detail einen erheblichen Entwicklungsaufwand erfordern, wie übrigens auch die des Merkmals iv) gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags. Solche Details sind aber nicht Teil der beanspruchten Erfindung und können daher nicht zur Beurteilung der mit den Merkmalen v) und vi), deren Verwendung aus den zuvor genannten Gründen an und für sich naheliegend war, verbundenen erfinderischen Tätigkeit beitragen.

5.5. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag erfüllt somit nicht die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ.

6. Zurückverweisung, Artikel 111 (1) EPÜ

Artikel 111 (1) EPÜ stellt es in das Ermessen der Kammer, entweder im Rahmen der Zuständigkeit des Organs tätig zu werden, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, oder die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an dieses Organ zurückzuverweisen. Entsprechend ständiger Rechtsprechung ist das Einführen neuer Tatsachen und Beweismittel, ein ausreichender Grund, die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung zurückzuverweisen. Im vorliegenden Fall ist jedoch auch die kurze Restlaufzeit des angegriffenen Patents von nur noch etwa acht Jahren zu berücksichtigen (siehe T 249/93, nicht im Amtsblatt veröffentlicht, Punkt 2.2 der Gründe), sowie der Umstand, daß sich die Beschwerde gegen den bereits erfolgten Widerruf des Patents richtet und der zu prüfende Einspruchsgrund, nämlich gemäß Artikel 100 a) EPÜ eine mangelnde Patentfähigkeit nach Artikel 56 EPÜ, unverändert geblieben ist. Auch hat keine der Parteien einen Antrag auf Zurückverweisung gestellt.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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