T 0001/99 () of 23.12.1999

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1999:T000199.19991223
Datum der Entscheidung: 23 Dezember 1999
Aktenzeichen: T 0001/99
Anmeldenummer: 92250087.1
IPC-Klasse: F23C 7/00
F23C 9/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Fassungen: Unpublished | Unpublished v2
Bezeichnung der Anmeldung: Vorrichtung zur Verbrennung von fließfähigen oder gasförmigen Brennstoffen
Name des Anmelders: Saacke GmbH & Co. KG
Name des Einsprechenden: Deutsche Babcock Aktiengesellschaft
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 108
European Patent Convention 1973 Art 122
European Patent Convention 1973 R 65
Schlagwörter: Wiedereinsetzung (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0001/86
J 0005/80
J 0016/82
J 0026/92
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0881/98
T 1962/08

Sachverhalt und Anträge

I. Gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 22. Oktober 1998, mit der der Einspruch zurückgewiesen wurde, hat die Einsprechende (Beschwerdeführerin) mit Telefax vom 18. Dezember 1998, eingegangen am gleichen Tag, Beschwerde eingelegt und die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung vom 12. April 1999 ist am 14. April 1999 eingegangen.

II. Mit Mitteilung der Geschäftsstelle vom 22. April 1999 ist die Beschwerdeführerin darauf hingewiesen worden, daß die Beschwerdebegründung nicht fristgerecht eingegangen ist.

III. Am 14. Mai 1999 ist unter gleichzeitiger Zahlung der entsprechenden Gebühr Wiedereinsetzungsantrag in die Frist zur Einreichung der Beschwerdebegründung gestellt worden, den die Beschwerdeführerin mit einem Bürofehler der seit 15 Jahren bei ihrem zugelassenen Vertreter tätigen Formalsachbearbeiterin, Frau Tamara Jakobs, begründet hat. Diese habe bei Eingang der Entscheidung der Einspruchsabteilung versehentlich nur die Frist zur Einlegung der Beschwerde notiert. Ihr Vertreter habe dies bei Eingang der Mitteilung über das Beschwerdeaktenzeichen am 14. Januar 1999 bemerkt und die Formalsachbearbeiterin angewiesen, die Beschwerdebegründungsfrist noch zu notieren. Die Formalsachbearbeiterin sei der Anweisung zwar gefolgt, habe aber versehentlich die Beschwerdebegründungsfrist ab dem Datum der Beschwerdeeinlegung (18. Dezember 1998) berechnet und somit den Fristablauf für den 18. April 1999 notiert. Der Fehler sei am 23. April 1999 auf Grund des Eingangs der Mitteilung der Geschäftsstelle vom 22. April 1999 bemerkt worden. Dabei sei auch festgestellt worden, daß die zwischenzeitlich vom Patentassessor Müller ausgearbeitete Beschwerdebegründung zur Wahrung der fälschlich notierten Frist eingereicht worden sei, ohne daß die Formalsachbearbeiterin bei Austragung der Frist den Fehler bemerkt habe. Ansonsten habe sie in 15 Jahren bis auf eine Ausnahme vor kurzem den Eingang von Zurückweisungsbeschlüssen fehlerfrei bearbeitet und die dabei zu beachtenden Fristen korrekt notiert.

In der beigefügten eidesstattlichen Versicherung erklärt Frau Jakobs, daß ihr das Versehen offensichtlich aufgrund ihrer damaligen Doppelbelastung wegen ihres kranken Kindes unterlaufen sei.

IV. Auf entsprechende Nachfrage der Kammer zu der Organisation des Fristenüberwachungssystems in der Kanzlei des Vertreters der Beschwerdeführerin hat dieser erläutert, daß eingehende Schriftstücke von der Formalsachbearbeiterin auf einzuhaltende Fristen geprüft würden. Die Fristen würden in das Fristenbuch eingetragen, und zwar einmal auf dem jeweiligen Tagesblatt des Fristablaufs sowie als 3-Wochen-Vorfrist. Mit Beginn der Vorfrist werde die Akte dem Bearbeiter vorgelegt, der spätestens 10 Tage vor Fristablauf nochmals an die Bearbeitung erinnert werde. Das Fristenbuch werde täglich nach Eingang der Tagespost überwacht. Die in nächster Zeit ablaufenden Fristen würden zusätzlich durch das Einlegen eines herausragenden Streifens kenntlich gemacht.

Kopien der entsprechenden Seiten des Fristenbuchs sowie der Anordnung zur Nachtragung der Beschwerdebegründungsfrist wurden vorgelegt.

V. Die Beschwerdegegnerin hat geltend gemacht, daß nicht nachvollziehbar sei, daß der Vertreter der Beschwerdeführerin nicht schon am 12. April 1999 bei eigenhändiger Unterzeichnung der Beschwerdebegründung, die in ihrem ersten Satz das Entscheidungsdatum der angegriffenen Entscheidung erwähne, das Fristversäumnis bemerkt habe. Das gleiche gelte für die Sachbearbeiterin, der bereits ein erster Fehler bei der Fristnotierung unterlaufen sei. Insgesamt seien mehrere Fehler unterlaufen, so daß an einem gut organisierten Fristenüberwachungssystem Zweifel bestünden.

Entscheidungsgründe

1. Gemäß Artikel 108, Satz 3 EPÜ ist die Beschwerde innerhalb von vier Monaten nach Zustellung der Entscheidung schriftlich zu begründen. Wird dieser Vorschrift nicht entsprochen, ist die Beschwerde nach Regel 65 (1) EPÜ als unzulässig zu verwerfen.

2. Im vorliegenden Fall ist die Frist zur Einreichung der Beschwerdebegründung am 1. März abgelaufen.

3. Die Frage, ob die am 14. April 1999 eingegangene Beschwerdebegründung dennoch als rechtzeitig eingereicht gilt, hängt davon ab, ob dem Wiedereinsetzungsantrag der Beschwerdeführerin stattgegeben werden kann.

Zwar sieht Artikel 122 (1) EPÜ nur die Wiedereinsetzung des Anmelders oder Patentinhabers vor. Die Große Beschwerdekammer hat jedoch in ihrer Entscheidung G 1/86 (ABl. EPA 1987, 447) festgestellt, daß die Vorschrift auch für den Einsprechenden gelte, wenn es um die Wiedereinsetzung in die Beschwerdebegründungsfrist gehe.

4. Artikel 122 (2), Satz 1 EPÜ schreibt vor, daß der Wiedereinsetzungsantrag innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des Hindernisses schriftlich einzureichen ist.

Die Beschwerdeführerin hat angegeben, daß das Hindernis am 23. April 1999 weggefallen sei, als ihr Vertreter die Mitteilung gemäß Artikel 108 und Regel 65 (1) EPÜ des Amtes vom 22. April 1999 erhalten habe.

Dem kann die Kammer nicht zustimmen. Wie die Beschwerdegegnerin zutreffend geltend gemacht hat, ist das Hindernis spätestens am 12. April 1999 weggefallen, als der Vertreter der Beschwerdeführerin den Beschwerdebegründungsschriftsatz unterzeichnete. Vergleicht man das Datum des Schriftsatzes mit dessen erstem einleitendem Satz, der auf das Datum der Entscheidung der Einspruchsabteilung Bezug nimmt, so muß selbst für einen weniger erfahrenen Patentanwalt ins Auge springen, daß ein Fristversäumnis vorliegt. So wie die Formalsachbearbeiterin bei Austragen der Frist nicht bemerkt habe, daß die Frist fehlerhaft notiert war, hat der Vertreter der Beschwerdeführerin dies ebenfalls nicht bemerkt, obwohl die entscheidenden Datenangaben ihm auf einem Blatt vorlagen und an seine Sorgfaltspflicht höhere Anforderungen zu stellen sind als an die der Formalsachbearbeiterin. Der Umstand, daß das Hindernis spätestens am 12. April 1999 weggefallen ist, führt nicht zu einer anderen Beurteilung, da in jedem Fall die Zweimonatsfrist mit der Stellung des Wiedereinsetzungsantrags am 14. Mai 1999 gewahrt ist. Diese wäre selbst noch dann gewahrt, wenn man den 28. März 1999, an dem die Akte hier dem Bearbeiter vorgelegt wurde, als maßgeblichen Zeitpunkt für den Wegfall des Hindernisses ansehen würde. Deshalb war es hier nicht erforderlich, den genauen Zeitpunkt, zu dem die Akte in Bearbeitung genommen worden ist, zu ermitteln.

5. Artikel 122 (2), Satz 2 EPÜ ist ebenfalls erfüllt, da die versäumte Handlung, die Beschwerdebegründung, bereits vor Stellung des Wiedereinsetzungsantrags nachgeholt worden war.

6. Der Antrag ist somit nach Artikel 122 (2) und (3) EPÜ zulässig.

7. Nach Artikel 122 (1) EPÜ wird nur dann wieder in den vorigen Stand eingesetzt, wenn die Fristversäumung trotz Beachtung aller nach den Umständen gebotenen Sorgfalt eingetreten ist.

8. Wie die Beschwerdeführerin dargelegt hat, beruht das Fristversäumnis auf einem Versehen der Formalsachbearbeiterin, was diese eidesstattlich bestätigt. Das Fehlverhalten einer Hilfsperson wird dem zugelassenen Vertreter dann nicht angelastet, wenn dieser nachweisen kann, daß er eine für die in Rede stehende Tätigkeit entsprechend qualifizierte Person ausgewählt, sie mit ihren Aufgaben vertraut gemacht und die Ausführung ihrer Arbeiten in vernünftigem Umfang überwacht hat (J 5/80, ABl. EPA 1981, 343).

9. Der Vertreter der Beschwerdeführerin hat, bestätigt durch die eidesstattliche Versicherung der Hilfsperson, angegeben, daß Frau Jakobs seit 1984 mit den Vorschriften der Verfahren vor dem Deutschen und Europäischen Patentamt vertraut gemacht und insbesondere zur selbständigen Berechnung, Notierung und Überwachung von Fristsachen angeleitet worden ist, wobei sie in den vergangenen 15 Jahren, abgesehen von einem vor kurzem vorgekommenen Versehen, nie zu Beanstandungen Anlaß gegeben habe.

An einer ausreichenden Instruktion und Qualifizierung der Sachbearbeiterin bestehen somit keine Zweifel.

Auch ist der Vertreter der Beschwerdeführerin seiner Überwachungspflicht nachgekommen, wie bereits daraus entnommen werden kann, daß er die fehlende Notierung der Beschwerdebegründungsfrist in den Akten bemerkte und die Sachbearbeiterin anwies, die Notierung nachzutragen.

10. Es ist allerdings zu fragen, ob die Überwachung hier in ausreichendem Maß erfolgte, d. h. ob es der Vertreter bei der Anweisung belassen konnte oder ob er auch deren korrekte Ausführung hätte überprüfen müssen. Zwar konnte der Vertreter nach dem bisher Vorgetragenen wohl grundsätzlich davon ausgehen, daß seine Anweisungen stets auch zutreffend ausgeführt würden. Aber im Hinblick auf das kurz vorher geschehene Versehen könnte sich die Situation nunmehr anders darstellen, zumal die Fristenüberwachung wohl allein auf den Schultern der Formalsachbearbeiterin ruhte, so daß an die Sorgfalt des Vertreters bei der Überwachung systembedingt höhere Anforderungen zu stellen sind als bei Systemen, die über eine Gegenkontrolle verfügen.

Bei dem kurz vorher geschehenen Versehen handelte es sich, wie die Kammer in Erfahrung gebracht hat, um genau den gleichen Fehler in der Sache T 1136/98. Auch dort war zunächst die Notierung der Beschwerdebegründungsfrist versäumt und dann auf Anweisung des Vertreters in der gleichen fehlerhaften Weise nachgetragen worden.

Eine Überprüfung der Daten des Parallelfalls hat ergeben, daß im dortigen Fall, obwohl er das frühere Aktenzeichen trägt, die Mitteilung über das Aktenzeichen erst am 25. Januar 1999 zur Post gegeben wurde und dem Vertreter am nächsten Tag vorgelegen hat, während in diesem Fall die Mitteilung bereits am 12. Januar 1999 erfolgte und den Vertreter am 14. Januar 1999 erreicht hat, so daß tatsächlich dieses Verfahren im Hinblick auf die fehlerhafte Fristnotierung der erste Fall ist. Deshalb konnte der Vertreter hier davon ausgehen, daß seine Anweisung ordnungsgemäß befolgt werden würde. Insofern war die Überwachung hier ausreichend.

11. An die Sorgfaltspflicht von Hilfspersonen, die mit Routinearbeiten, wozu auch das Notieren von Fristen gehört, betraut sind, werden nicht die gleichen strengen Anforderungen gestellt, wie an die des Vertreters (vgl. J 16/82, ABl. EPA 1983, 262; J 26/92). Im vorliegenden Fall sind der Formalsachbearbeiterin zwei Versehen unterlaufen, wobei das erste vom Vertreter festgestellt wurde. Ein Grund für dieses erste Versehen wird nicht angegeben. Der zweite Fehler wird mit Doppelbelastung wegen der Erkrankung des Kindes erklärt. Die Kammer zögert hier von einem isolierten Versehen innerhalb eines sonst gut funktionierenden Systems zu sprechen, da die Formalsachbearbeiterin den entscheidenden Teil dieses Systems bildet. Da aber die Fristenüberwachung auf diese Weise 15 Jahre lang ohne Beanstandungen funktioniert hat, wie die Beschwerdeführerin darlegt, hält es die Kammer nicht für gerechtfertigt, das Fristenüberwachungssystem nach dem ersten, wenn auch zweifachen, Versehen als ungenügend zu beurteilen.

Daher kommt die Kammer zu dem Ergebnis, daß das Fristenüberwachungssystem im vorliegenden Fall ausreichend ist und es sich bei dem Doppelversehen der Formalsachbearbeiterin um einen Einzelfall handelt.

12. Die Voraussetzungen von Artikel 122 (1) EPÜ sind somit erfüllt und die Beschwerdeführerin ist in die Beschwerdebegründungsfrist wieder einzusetzen mit der Folge, daß die Beschwerde zulässig ist.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerdeführerin wird wieder in die Beschwerdebegründungsfrist eingesetzt.

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