T 1161/98 () of 4.4.2000

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2000:T116198.20000404
Datum der Entscheidung: 04 April 2000
Aktenzeichen: T 1161/98
Anmeldenummer: 93105464.7
IPC-Klasse: B65D 43/10
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Topfförmiges Gefäß, insbesondere Eimer, mit Deckel
Name des Anmelders: SAIER GmbH & Co.
Name des Einsprechenden: DIJKSTRA PLASTICS B.V.
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Auf die europäische Patentanmeldung Nr. 93 105 464.7 ist am 26. Juli 1995 das europäische Patent Nr. 0 565 967 erteilt worden.

II. Gegen das erteilte Patent hat die Beschwerdeführerin Einspruch eingelegt. Sie beantragte, das Patent wegen mangelnder Neuheit und/oder erfinderischer Tätigkeit (Artikel 100 a) EPÜ) vollständig zu widerrufen.

Zum druckschriftlichen Stand der Technik nannte sie:

(D1): EP-A-0 243 545

(D2): US-A-3 773 208

(D3): US-A-3 753 512

(D4): GB-A-2 235 920

(D5): DE-U-88 11 108.

III. In ihrer am 8. Oktober 1998 zur Post gegebenen Zwischenentscheidung hat die Einspruchsabteilung im Hinblick auf Artikel 102 (3) EPÜ festgestellt, daß der Aufrechterhaltung des Streitpatents in geändertem Umfang nach dem zweiten Hilfsantrag die Einspruchsgründe nach Artikel 100 EPÜ nicht entgegenstünden.

Der Wortlaut des dieser Entscheidung zugrundeliegenden Anspruchs 1 ist wie folgt:

"Topfförmiges Gefäß, insbesondere Eimer (1), mit einem Deckel (6), dessen Rand (5) mit einem an dem Gefäßrand (3) angeformten und nach außen hin vorstehenden Befestigungsflansch (4) oder dergleichen rastend verbindbar ist, wobei in der Raststellung des Deckels (6) eine an dessen umlaufenden Rand (5) angeformte, nach innen vorstehende Leiste (13) satt und dichtend um die Außenkante (18) des Befestigungsflansches (4) herumgreift und an dem Gefäßrand (3) mindestens ein Werkzeug (14) zum Lösen des Deckels (6) angeordnet ist, dadurch gekennzeichnet, daß als Werkzeug eine an dem Gefäßrand (3) angelenkte Lasche (14) vorgesehen ist, die durch eine Schwenkbewegung aus einer dem Gefäß nahen Sperrstellung nach außen den Deckelrand (5) in diesem Bereich nach außen über die Außenkante (18) hinweg in eine freigebende Lösestellung anhebt, wobei die mit der Leiste (13) zusammenwirkende Wirkfläche (Außenseite 21) der Lasche (14) in deren Sperrstellung vom Drehpunkt (Filmscharnier 15) der Lasche (14) fort von der Längsachse des Gefäßes beabstandet ist und wobei mindestens die eine der beiden den jeweils benachbarten Stirnkanten (26) der beiden Enden des Befestigungsflansches (4) gegenüberstehenden Kanten (25) der Lasche (14) mit dem zugehörigen Flanschende (26) über dünnwandige, als Originalitäts-Verschluß dienende und damit leicht abreißbare Kunststoffstege (27) oder einen durchgehenden Kunststoffilm verbunden ist."

Die abhängigen Ansprüche 2 bis 5 richten sich auf bevorzugte Ausführungsformen des Gefäßes nach dem Anspruch 1.

IV. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin am 7. Dezember 1998 Beschwerde eingelegt und gleichzeitig die Beschwerdegebühr entrichtet.

Die Beschwerdebegründung ist am 4. Februar 1999 eingegangen.

V. Es wurde am 4. April 2000 mündlich verhandelt.

Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.

Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.

VI. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin zur Stützung ihres Antrags läßt sich wie folgt zusammenfassen:

Als am nächsten kommender Stand der Technik sei das Dokument (D2) anzusehen. Dieses beschreibe ein gattungsgemäßes Gefäß, das entsprechend den ersten drei Merkmalen des kennzeichnenden Teils des geltenden Anspruchs 1 mit einer am Gefäßrand angelenkten Lasche zur Anhebung des Deckels ausgestattet sei. Bei zutreffender Abgrenzung gegenüber diesem Stand der Technik verblieben somit lediglich die eine Originalitäts-Sicherung betreffenden Merkmale im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1. Für den Fachmann, der sich die Aufgabe stelle, das Gefäß nach dem Dokument (D2) mit einer Originalitäts-Sicherung zu versehen, sei es ohne weiteres naheliegend, diese der Lasche in der im Anspruch 1 definierten Weise zuzuordnen. Ähnliche Originalitäts-Sicherungen seien z. B. aus den Dokumenten (D4) und (D5) bekannt.

VII. Die Beschwerdegegnerin widersprach den Ausführungen der Beschwerdeführerin und machte dabei im wesentlichen folgendes geltend:

Zwischen Deckelrand und Gefäßrand des Gefäßes nach dem Dokument (D2) komme keine rastende Verbindung im Sinne des Oberbegriffs des geltenden Anspruchs 1 zustande. Der Deckel sei vielmehr als Klemmdeckel konzipiert, der sich auch ohne Zuhilfenahme des verlängerten Laschenbereiches des Gefäßrandes von diesem leicht anheben lasse. Der Fachmann komme somit nicht auf die Idee, dieser Lasche eine Originalitäts-Sicherung zuzuordnen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde entspricht den Erfordernissen der Artikel 106 bis 108 sowie der Regeln 1 (1) und 64 EPÜ. Sie ist daher zulässig.

2. Technologischer Hintergrund; Aufgabe und Lösung

Wie in der Beschreibungseinleitung der Patentschrift erläutert, bestehen bei einem als Eimer oder dergleichen ausgebildeten topfförmigen Gefäß, das mit einem abhebbaren Deckel versehen ist, zwei konträre Bedingungen. Einerseits soll sich der Deckel bei einem noch vertretbaren manuellen Kraftaufwand von dem Gefäßrand lösen lassen, andererseits soll aber auch ein ausreichend guter Verschluß des Gefäßes durch den Deckel gewährleistet sein. Herkömmlich wurde folglich ein Mittelweg gewählt, was jedoch einen oftmals nur unbefriedigenden Kompromiß dargestellt hat. Zudem besteht zunehmend der Bedarf nach einem Originalitäts-Verschluß, durch den für den jeweiligen Endverbraucher sichtbar ist, daß das Gefäß noch mit dem ursprünglichen Gut befüllt ist.

Der beanspruchten Erfindung liegt somit die Aufgabe zugrunde, sowohl einen intensiven Verschluß zwischen dem Gefäßrand und dem Deckel zu gewährleisten als auch ein leichtes Abheben des Deckels von dem Gefäßrand zu ermöglichen. Dabei soll der Verschluß mit einer einfachen und effektiven Originalitäts-Sicherung ausgestattet sein.

Die prinzipielle Lösung dieser Aufgabe besteht darin, daß der sehr fest auf dem Gefäßrand sitzende Deckel mittels eines Werkzeugs in Form einer am Gefäßrand angelenkten Lasche abgehoben wird. Der Umstand, daß der Deckel nur mit Hilfe dieser Lasche vom Gefäßrand entfernt werden kann, ermöglicht die Ausbildung einer einfachen Originalitäts-Sicherung, indem die Lasche über abreißbare Stege oder dergleichen mit dem restlichen Gefäßrand verbunden wird.

3. Druckschriftlicher Stand der Technik

3.1. Dokument (D1), von dem im Oberbegriff des geltenden Anspruchs 1 ausgegangen wird, beschreibt ein Gefäß mit einem festsitzenden und kindersicheren Deckel. Der Deckelrand ist mit einer nach innen vorstehenden Leiste versehen, die um die Außenkante eines umlaufenden nach außen vorstehenden Vorsprungs am Gefäßrand herumgreift, wobei die untere Kante des Deckelrands gegen die obere Fläche eines zweiten, breiteren Vorsprungs am Gefäßrand zu liegen kommt und hierdurch gegen eine ungewollte Kräfteeinwirkung geschützt wird. Zur Anhebung des Deckels wird dieser mittels eines Daumengriffs gedreht, bis letzterer einer flachen radialen Ausnehmung im zweiten Vorsprung überliegt.

3.2. Dokument (D2) betrifft ein Gefäß aus Kunststoff mit einem Blechdeckel. Am äußeren nach unten weisenden Rand des Deckels ist eine nach innen weisende Umbördelung vorgesehen, deren Innendurchmesser kleiner ist als der Außendurchmesser des nach außen und unten umgeformten Gefäßrandes. Beim Aufbringen des Deckels auf das Gefäß wird folglich der Gefäßrand elastisch radial nach innen gedrückt. Unter Einwirkung der dadurch entstehenden Radialkraft bildet die Umbördelung nach einiger Zeit eine flache Nut in den Gefäßrand. Hierdurch wird der Halt des Deckels im Vergleich zu einem einfachen Reibschluß verbessert. Um die Anhebung des Deckels zu erleichtern, ist bei der Ausführungsform nach Figur 5 an einer Stelle der umgeformte Gefäßrand zu einer nach unten weisenden Lasche verlängert. Die Flexibilität des Stoffes des Gefäßes erlaubt es, diese Lasche mit den Fingern nach außen zu biegen, wodurch der Deckelrand nach oben gedrückt wird.

Das Dokument (D3) betrifft einen Vorläufer des Gefäßes nach dem Dokument (D2), dessen Deckelrand ohne Umbördelung ausgebildet ist.

3.3. Aus dem Dokument (D4) ist ein Originalitäts-Verschluß für ein topfförmiges Gefäß bekannt, bei dem der nach unten weisende äußere Deckelrand von einem am Gefäßrand angeformten Ring abgedeckt ist. Um sich Zugang zur unteren Kante des Deckels zu verschaffen, um diesen anzuheben, muß der Endverbraucher einen Teil des Rings entlang einer Sollbruchlinie wegbrechen.

3.4. Dokument (D5) beschreibt mehrere Ausführungsformen von Originalitäts-Verschlüssen für Verpackungsbehälter. Allen Ausführungsformen ist gemeinsam, daß ein Teil vom Gefäß oder Deckel weggebrochen werden muß, bevor der Deckel angehoben werden kann.

4. Neuheit und erfinderische Tätigkeit

Die Neuheit des Gefäßes nach dem geltenden Anspruch ist nicht mehr strittig.

Das Vorbringen der Beschwerdeführerin zur Frage der erfinderischen Tätigkeit stellt im wesentlichen darauf ab, daß das in Dokument (D2) beschriebene Gefäß sämtliche Merkmale des Oberbegriffs des geltenden Anspruchs 1 - soweit diesen eine klare technische Bedeutung zugeordnet werden könne - aufweise und daß darüber hinaus die an dem bekannten Gefäß vorgesehene Lasche in Form und Funktion der Lasche entspreche, die in den ersten drei Merkmalen des kennzeichnenden Teils des Anspruchs definiert werde. Hierbei macht sie insbesondere geltend, daß die Umbördelung am Rand des Deckels eine nach innen vorstehende Leiste bilde, die um die Außenkante des Befestigungsflansches herumgreife und daß hierdurch eine rastende Verbindung zustandekomme. Was den Begriff "Außenkante" betrifft, verweist sie auf das bevorzugte Ausführungsbeispiel des angefochtenen Patents als Beleg dafür, daß die Außenkante durchaus von einem umlaufenden Vorsprung oder dergleichen an der Außenfläche des Befestigungsflansches gebildet werden könne. Ihrer Auffassung nach bilde folglich die in die Außenfläche des Befestigungsflansches des bekannten Gefäßes durch die Umbördelung des Deckelrandes eingeformte Nut eine "Außenkante" im Sinne des Anspruchs. Bezüglich der Angabe im Oberbegriff des Anspruchs, daß die Leiste "satt und dichtend" um die Außenkante herumgreift, spricht sie dieser eine klare technische Bedeutung ab.

Die Kammer kann sich dem Vorbringen der Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang nur in begrenztem Umfang anschließen. Bei zutreffender Auslegung der Gesamtheit der Merkmale des Oberbegriffs des geltenden Anspruchs 1 im Lichte der Beschreibung, insbesondere der dortigen Erläuterung zum Stand der Technik und zur Aufgabe und Lösung, vgl. Punkt 3 oben, ist ersichtlich, daß die Form der Leiste des Deckelrands und der Außenkante des Befestigungsflansches sowie die Natur ihrer rastenden Verbindung derart sein müssen, daß ein sehr fester, mit Fingerkraft allein kaum zu lösender Sitz des Deckels auf dem Gefäßrand zustande kommt. Dies ist bei dem Gefäß nach dem Dokument (D2) nicht der Fall. Die im Querschnitt bogenförmige, radial nach innen weisende Oberfläche der Umbördelung bildet lediglich eine entsprechende flache Einbuchtung im Befestigungsflansch. Es kommt hierdurch zwar ein gewisser Formschluß zustande, der gegenüber einem reinen Reibschluß, wie er z. B. bei dem Dokument (D3) vorhanden ist, vorteilhaft ist, vgl. Spalte 3, Zeilen 9 bis 19 des Dokuments (D2), dieser Formschluß ist aber nicht dergestalt, daß der Endverbraucher Schwierigkeiten haben könnte, den Deckel ohne den Einsatz eines Werkzeugs vom Gefäß zu entfernen. Dies geht bereits daraus hervor, daß die erste beschriebene Variante, dem Endverbraucher das Abheben des Deckels zu erleichtern, lediglich darin besteht, eine segmentförmige Ausnehmung im Befestigungsflansch vorzusehen, damit der Endverbraucher die Umbördelung des Deckelrands besser greifen kann.

Vor diesem Hintergrund ist es offensichtlich, daß die zweite beschriebene Variante, nämlich den Befestigungsflansch an einer Stelle zu einer Lasche zu verlängern, lediglich als Öffnungshilfe für den Endverbraucher anzusehen ist und nicht, wie beim Gegenstand der Erfindung, als Voraussetzung dafür, daß der Endverbraucher überhaupt den Deckel vom Gefäßrand abheben kann. Daraus folgt, daß eine Originalitäts-Sicherung, in welcher Form auch immer, der bekannten Lasche zuzuordnen, keinen technischen Sinn ergeben würde, weil das Öffnen des Gefäßes ohne Einsatz der Lasche kaum kriminelle Energie erfordert. Das ist bei dem Gegenstand der Erfindung ganz anders, da dort der Deckel satt und dichtend auf dem Gefäßrand aufsitzt, so daß er sich lediglich mittels der als Werkzeug dienenden Lasche vom Gefäßrand abheben läßt. Der Gedanke, sich diesen Umstand nutzbar zu machen zur Erzielung eins besonders einfachen Originalitäts-Verschlusses, wird weder durch die D2 noch durch den übrigen vorstehend geschilderten Stand der Technik nahegelegt.

Aus dem Vorstehenden geht hervor, daß sich der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt, so daß er als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend anzusehen ist (Artikel 56 EPÜ).

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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