T 1149/98 (Speiseeisherstellungsmaschine/TELME) of 8.3.2000

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2000:T114998.20000308
Datum der Entscheidung: 08 März 2000
Aktenzeichen: T 1149/98
Anmeldenummer: 93114608.8
IPC-Klasse: A23G 9/22
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Speiseeisherstellungsmaschine
Name des Anmelders: Telme S.p.A.
Name des Einsprechenden: Alberosa S.r.l.
Frigomat S.p.A. (Beitretende)
Kammer: 3.3.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 83
Schlagwörter: Ausreichende Offenbarung (ja) - Erfindung im gesamten beanspruchten Bereich auf Grundlage der Beschreibung ausführbar
Neuheit (ja): Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich vom nächstliegenden Stand der Technik gemäß Vorbenutzung durch funktionelles technisches Merkmal
Erfinderische Tätigkeit (nein): Vom Anspruch 1 umfaßte Ausführungsformen des Patentgegenstandes durch den Stand der Technik nahegelegt
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0014/83
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Gegen das mit 29 Patentansprüchen erteilte europäische Patent Nr. 0 596 221 (Anmeldungsnummer 93 114 608.8) legte die nunmehrige Beschwerdeführerin gestützt auf Artikel 100 a) EPÜ Einspruch ein und beantragte den Widerruf des Patents im gesamten Umfang wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit (Artikel 52 (1), 56 EPÜ).

Anspruch 1 des erteilten Patents lautet:

"Speiseeisherstellungsmaschine mit einem oben offenen, verschließbaren Isoliergefäß, das außen eine Isolierung und innen einen Behälter aufweist, hinter oder in dessen Wänden Kühlschlangen vorgesehen sind und in dem konzentrisch ein Rührwerkzeuge tragendes Rührwerk mit mit der Behälterachse zusammenfallender Drehachse angeordnet ist, das von unten durch eine Antriebseinheit zu einer Rotationsbewegung antreibbar ist, wobei im Eckbereich zwischen der ebenen Bodenwand und der kreiszylindrischen Umfangswand ein durch ein von außen betätigbares Verschlußglied wahlweise zu verschließende oder zu öffnende Entnahmeöffnung vorgesehen ist,

dadurch gekennzeichnet,

daß das Rührwerk durch die Antriebseinheit in entgegengesetzen Drehrichtungen (G, H) antreibbar ist, daß die Antriebswelle im Bereich der Bodenwand drehgelagert ist und daß die Rührwerkzeuge mit der Boden- und Umfangswand im schabendem Eingriff stehende, im wesentlichen L-förmige Lamellen sind, die so angeordnet und ausgebildet sind, daß sie beim Antrieb des Rührwerks in Arbeitsdrehrichtung (G) der im Behälter befindlichen flüssigen oder teigförmigen Masse unten eine Bewegungskomponente radial nach außen und anschließend axial nach oben sowie oben eine Bewegungskomponente radial nach innen erteilen und daß sie beim Antrieb des Rührwerks in Gegendrehrichtung (H) der im Behälter befindlichen teigförmigen Masse unten eine Bewegungskomponente radial nach außen und axial nach unten erteilen.

Die abhängigen Ansprüche 2 bis 24 betreffen besondere Ausführungsformen der Maschine nach Anspruch 1.

Anspruch 25 betrifft ein Verfahren zur Herstellung von Speiseeis in einer Speiseeisherstellungsmaschine nach einem der vorherigen Ansprüche und ist gefolgt von den abhängigen Ansprüchen 26 bis 29, die auf besondere Ausführungsformen des Verfahrens nach Anspruch 25 gerichtet sind.

II. Im Einspruchsverfahren vor der ersten Instanz führte die Beschwerdeführerin unter anderem folgende Entgegenhaltungen an:

(2) GB-A-2 077 128

(3) EP-A-0 386 323

(4) FR-A-2 558 688

(6) EP-A-0 161 679

(7) Brevetto per Modello Industriale, Tipo d' Utilita No. 00 219245

(7a) Englische Übersetzung des Textes von (7)

(9) US-A-3 958 968

(12) US-A-4 655 605

III. Der Einspruch wurde gemäß Artikel 102 (2) EPÜ zurückgewiesen.

Nach der Entscheidung sei Entgegenhaltung (4) als nächstliegender Stand der Technik anzusehen. Denn (4) beschreibe eine Maschine zur Herstellung von Speiseeis, die alle Merkmale des Oberbegriffs von Anspruch 1 des angegriffenen Patents erfülle.

Der Gegenstand des Streitpatents lasse sich für den Fachmann jedoch weder aus (4) noch aus einer der anderen im Einspruchsverfahren eingereichten Entgegenhaltungen für sich genommen oder in Kombination mit der Entgegenhaltung (4) in naheliegender Weise herleiten.

IV. Gegen diese Entscheidung richtet sich die am 15. Dezember 1998 unter gleichzeitiger Zahlung der Beschwerdegebühr eingegangene und mit der Eingabe vom 22. Februar 1999 begründete Beschwerde.

V. Am 28. Januar 2000 erklärte eine Dritte ihren Beitritt zum Verfahren und trug unter Vorlage von Beweisunterlagen vor, sie habe gegen die Beschwerdegegnerin am 14. Dezember 1999 vor dem Mailänder Zivilgericht Klage auf gerichtliche Feststellung erhoben, daß sie deren Patent nicht verletze. Die Beschwerdegegnerin habe daraufhin Verletzungswiderklage erhoben. In einem Bescheid teilte die Kammer den Parteien mit, daß die Zulässigkeit des Beitritts aufgrund der bisher vorgelegten Unterlagen zweifelhaft erscheine, weil die Beschwerdegegnerin darin behaupte, die Beitretende bisher nicht zur Unterlassung der angeblichen Patentverletzung aufgefordert zu haben und die Verletzungswiderklage der Beschwerdegegnerin nach ihrem eigenen Vortrag verspätet eingereicht und deshalb vorbehaltlich der Gewährung der beantragten Wiedereinsetzung durch das Verletzungsgericht möglicherweise unzulässig sei. Im Anschluß daran teilte die Beitretende mit, daß vor dem Mailänder Gericht in der Zwischenzeit ein Anhörungstermin stattgefunden habe, in dem das Gericht die beantragte Wiedereinsetzung in die Frist zur Erhebung der Verletzungswiderklage gewährt habe. Eine Abschrift der Niederschrift der Anhörung wurde eingereicht. Die Beschwerdegegnerin stellte daraufhin die Anhängigkeit eines zulässigen Verletzungsverfahrens unstreitig und erklärte sich bereit, sich auf den Beitritt einzulassen.

VI. Im Verlauf der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer am 8. März 2000 legte die Beschwerdegegnerin einen Hauptantrag und sechs Hilfsanträge vor.

Anspruch 1 des Hauptantrags unterscheidet sich durch Änderungen in den technischen Merkmalen (e), (k) und (l) vom Anspruch 1 des erteilten Patents und hat nach technischen Merkmalen gegliedert (Gliederung hinzugefügt) folgenden Wortlaut:

Speiseeisherstellungsmaschine

(a) mit einem oben offenen, verschließbaren Isoliergefäß, das außen eine Isolierung und innen einen Behälter aufweist,

(b) hinter oder in dessen Wänden Kühlschlangen vorgesehen sind und in dem

(c) konzentrisch ein Rührwerkzeuge tragendes Rührwerk mit mit der Behälterachse zusammenfallender Drehachse angeordnet ist,

(d) das von unten durch eine Antriebseinheit zu einer Rotationsbewegung antreibbar ist,

(e) wobei im Eckbereich zwischen der ebenen Bodenwand und der kreiszylindrischen Umfangswand ein durch ein von außen betätigbares Verschlußglied wahlweise zu verschließende oder zu öffnende Speiseeisentnahmeöffnung vorgesehen ist;

dadurch gekennzeichnet,

(f) daß das Rührwerk durch die Antriebseinheit in entgegengesetzen Drehrichtungen (G, H) antreibbar ist,

(g) daß die Antriebswelle im Bereich der Bodenwand drehgelagert ist und

(h) daß die Rührwerkzeuge mit der Boden- und Umfangswand im schabendem Eingriff stehende,

(i) im wesentlichen L-förmige Lamellen sind, die so angeordnet und ausgebildet sind,

(k) daß alle Lamellen beim Antrieb des Rührwerks in Arbeitsdrehrichtung (G) der im Behälter befindlichen flüssigen oder teigförmigen Masse unten eine Bewegungskomponente radial nach außen und anschließend axial nach oben sowie oben eine Bewegungskomponente radial nach innen erteilen und

(l) daß sie beim Antrieb des Rührwerks in Gegendrehrichtung (H) der im Behälter befindlichen teigförmigen Masse unten eine Bewegungskomponente radial nach außen und axial nach unten erteilen.

Der jeweilige Anspruch 1 der Hilfsanträge 1 bis 6 unterscheidet sich vom Anspruch 1 des Hauptantrags durch Hinzufügung eines oder mehrerer zusätzlicher Merkmale (m) im Anschluß an Merkmal (l) am Ende des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag:

1. Hilfsantrag:

(m1) wobei das Rührwerk in Gegendrehrichtung (H) mit größerer, vorzugsweise etwa doppelter Geschwindigkeit, antreibbar ist als in der Arbeitsdrehrichtung (G);

2. Hilfsantrag:

(m2) wobei die Lamellen relativ zur Drehachse entgegen der Arbeitsdrehrichtung (G) geneigt sind;

3. Hilfsantrag:

(m3) wobei die Lamellen relativ zur Drehachse entgegen der Arbeitsdrehrichtung (G) unter einem Winkel (alpha) von 20 bis 40 , insbesondere von 30 , geneigt sind;

4. Hilfsantrag:

(m4) wobei über den Umfang vorzugsweise gleichmäßig verteilt mindestens 3 Rührwerkzeuge vorgesehen sind;

5. Hilfsantrag:

(m5) wobei über den Umfang vorzugsweise gleichmäßig verteilt mindestens 3 Rührwerkzeuge vorgesehen sind, und wobei das Rührwerk in Gegendrehrichtung (H) mit größerer, vorzugsweise etwa doppelter Geschwindigkeit, antreibbar ist als in der Arbeitsdrehrichtung (G);

6. Hilfsantrag: (m6) wobei die Lamellen unten und seitlich Schabkanten aufweisen, von denen die seitlichen Schabkanten mit Ausnehmungen versehen sind.

VII. In der Beschwerdebegründung machte die Beschwerdeführerin zusätzlich zu dem im erstinstanzlichen Verfahren vorgebrachten Einspruchsgrund zum erstenmal mangelnde Neuheit des Patentgegenstands wegen offenkundiger Vorbenutzung geltend und reichte dazu unter anderem folgende Beweismittel ein:

(16) Auszüge eines technischen Handbuchs betreffend eine Speiseeis- und Fruchteismaschine der Firma Frigomat SpA mit der Bezeichnung "Gelatiera G 50 GR";

(16a) eidesstattliche Erklärung von Gaetano Cipelletti zum Aufbau und der Funktionsweise der Maschine gemäß (16), mit englischer Übersetzung;

(16b) eidesstattliche Erklärung von Stefano Corradi zum Aufbau und der Funktionsweise der Maschine gemäß (16), mit englischer Übersetzung.

Sie trug hierzu im wesentlichen folgendes vor:

Die Einspruchsabteilung sei insbesondere bei der Auswertung der technischen Lehre der Entgegenhaltungen (7), (7a) einem Irrtum unterlegen.

Die Beschwerdeführerin habe sich daher veranlaßt gesehen, zur Bestätigung ihrer vor der Einspruchsabteilung vorgetragenen, auf die oben angeführten Entgegenhaltungen gestützten Argumentation nach zusätzlichen Beweismitteln Ausschau zu halten und sei dabei auf eine offenkundige Vorbenutzung gestoßen. Durch Vorlage der Dokumente (16), (16a) und (16b) sei bewiesen, daß eine Maschine zur Herstellung von Speiseeis unter der Bezeichnung "G 50 GR" mit allen technischen Merkmalen des Anspruchs 1 des Streitpatents bereits vor dessen Prioritätstag von der Firma Frigomat SpA durch eine technische Beschreibung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und in den Jahren 1986 - 1991 bereits in erheblicher Stückzahl verkauft worden sei. Unter diesen Umständen sei es gerechtfertigt, mangelnde Neuheit als weiteren Einspruchsgrund im Beschwerdeverfahren geltend zu machen.

VIII. Der Einspruch der Beitretenden richtet sich gegen das erteilte Patent im gesamten Umfang unter Artikel 100 a) EPÜ wegen mangelnder Neuheit und mangelnder erfinderischer Tätigkeit (Artikel 52 (1), 56 EPÜ) sowie unter Artikel 100 b) EPÜ wegen unvollständiger Offenbarung (Artikel 83 EPÜ). Sie stützte ihr Vorbringen sowohl auf die Entgegenhaltungen (7), (7a) als auch auf die bereits von der Beschwerdeführerin geltend gemachte offenkundige Vorbenutzung und die dazu vorgelegten, in Paragraph VII näher bezeichneten Beweismittel.

Hinsichtlich des von ihr eingeführten Einspruchsgrunds der mangelnden Ausführbarkeit und unzureichenden Offenbarung machte die Beitretende insbesondere geltend, daß die Form und Anordnung der Lamellen des Rührwerks zur Erzielung der in Anspruch 1 beanspruchten Bewegungskomponenten der Masse im Rührbehälter nicht ausreichend offenbart sei, falls die Kammer zum Schluß komme, daß dieselben Bewegungskomponenten nicht bereits mit den Maschinen gemäß Stand der Technik erreicht würden. Des weiteren gebe das Streitpatent nur eine Ausführungsform der Lamellen an, so daß die Ausführbarkeit der Erfindung im ganzen beanspruchten Umfang alleine durch die Offenbarung im Streitpatent ohne unzumutbares Herumexperimentieren oder erfinderisches Tätigwerden nicht gewährleistet sei.

IX. In ihrer Erwiderung auf die Beschwerdebegründung erklärte die Beschwerdegegnerin ausdrücklich ihr Einverständnis damit, daß die seitens der Beschwerdeführerin geltend gemachte Vorbenutzung im vorliegenden Beschwerdeverfahren berücksichtigt werde.

Das Vorbringen der Beschwerdegegnerin im schriftlichen Verfahren und während der mündlichen Verhandlung läßt sich folgendermaßen zusammenfassen:

Neben der Unterscheidung von Maschinen zur Eisherstellung mit vertikalem Aufbau einerseits und horizontalem Aufbau andererseits, sei insbesondere die Unterscheidung nach der Art des in der Maschine hergestellten Eises von besonderer Bedeutung. Hier sei zwischen Maschinen zur Herstellung von Speiseeis mit sehr dickflüssiger bis fester Konsistenz, Softeis mit weicher cremiger Konsistenz und sog. Granita oder Slush zu unterscheiden, wobei es sich bei letzterem um eine Flüssigkeit mit darin enthaltenen Eiskörnern mit einer Temperatur von -2 C bis -3 C handle.

Das Streitpatent betreffe eine Maschine mit vertikalem Aufbau zur Erzeugung von kleinen und mittleren Mengen an Speiseeis, wie sie insbesondere aus den Entgegenhaltungen (4) und (9) bekannt seien. Diesem Stand der Technik gegenüber sei die erfindungsgemäß zu lösende Aufgabe darin zu sehen, die bekannten Maschinentypen so zu verbessern, daß in möglichst kurzer Zeit ein möglichst hochwertiges Produkt erzeugt werden könne und die fertige Speiseeismasse aus der Maschine rasch und vollständig abgegeben werden könne. Die Aufgabe werde durch die Kombination der technischen Merkmale in den unabhängigen Ansprüchen 1 und 25 gelöst.

Die Lösung bestehe insbesondere darin, daß das Rührwerk für die Herstellung der Speiseeismasse einerseits und zu deren Entnahme aus dem Rührwerksbehälter andererseits in zwei entgegengesetzten Richtungen antreibbar und an die Erfordernisse in diesen beiden Arbeitsphasen speziell angepaßt sei. Diese Anpassung bestehe insbesondere darin, daß die im wesentlichen L-förmigen Lamellen sowohl mit dem Boden als auch mit der Umgebungswand im schabenden Eingriff stünden und zudem so geformt seien, daß sie in der einen Arbeitsdrehrichtung der im Behälter befindlichen Masse zur guten Durchmischung und Kühlung eine spezielle Umwälzbewegung erteilten und in der entgegengesetzten Drehrichtung die fertige Speiseeismasse gezielt in Richtung der Entnahmeöffnung drängten. Bei den bekannten Maschinen, wie beispielsweise in jener gemäß der geltend gemachten Vorbenutzung, seien die Funktionen "Schaben" und "Rühren" zwischen den verschiedenen Elementen des Rührwerks aufgeteilt und nicht geeignet, der Masse im Behälter die erfindungsgemäß erzielte Umwälzbewegung zu verleihen.

X. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents,

hilfsweise die Vorlage der folgenden, in der mündlichen Verhandlung formulierten Frage an die Große Beschwerdekammer:

"In a case where a functional claim characterizes a shape or similar physical feature by means of the effect to be obtained, is a precise disclosure of the effect to be achieved, only, sufficient to recognize a sufficiency of disclosure (Article 83 EPC) throughout the functional claim ambit?"

Der im schriftlichen Verfahren gestellte Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wurde von der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung nicht mehr aufrechterhalten.

XI. Die Beitretende beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents,

hilfsweise die Zurückverweisung des Falles an die Einspruchsabteilung,

als weiteren Hilfsantrag beantragte die Beitretende die Vorlage der von der Beschwerdeführerin gemäß Paragraph X (oben) formulierten Frage an die Große Beschwerdekammer.

XII. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang auf der Grundlage des in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hauptantrags, hilfsweise auf der Grundlage eines der in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsanträge 1 bis 6.

Sie beantragte weiter, den Antrag der Beschwerdegegnerin und der Beitretenden auf Vorlage der von der Beschwerdeführerin gemäß Paragraph X (oben) formulierten Frage an die Große Beschwerdekammer zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Zulässigkeit des Beitritts (Artikel 105 EPÜ)

Aus den von der Beitretenden vorgelegten Unterlagen geht hervor, was nunmehr zwischen den Parteien auch unstreitig ist, daß zwischen ihr und der Beschwerdegegnerin eine infolge der gewährten Wiedereinsetzung zulässige, als Antwort auf die zunächst von der Beitretenden eingereichte negative Feststellungsklage erhobene Verletzungswiderklage anhängig ist, die das Streitpatent betrifft. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob bereits die von der Beitretenden am 14. Dezember 1999 erhobene negative Feststellungsklage die Voraussetzungen für die Zulässigkeit eines Beitritts schuf. Der am 28. Januar 2000 erklärte Beitritt zum vorliegenden Verfahren wurde von beiden Zeitpunkten ausgehend innerhalb der in Artikel 105 (1) EPÜ gesetzten Frist von drei Monaten nach Klageerhebung erklärt und in dieser Frist ausreichend begründet. Er ist deshalb zulässig.

3. Änderungen

Die geänderten Ansprüche sowohl des Hauptantrags als auch der Hilfsanträge 1 bis 6 (siehe Paragraph VI oben) sind durch die ursprünglich eingereichten Unterlagen ausreichend gestützt und enthalten im Vergleich zu den entsprechenden Ansprüchen des erteilten Patents zumindest ein zusätzliches technisches Merkmal, das den Schutzbereich begrenzt. Ein Verstoß gegen die Bestimmungen der Artikel 84 und 123 (2) oder (3) EPÜ als Folge der von der Beschwerdegegnerin vorgenommenen Änderung der Ansprüche gemäß den vorliegenden Anträgen ist daher für die Kammer nicht erkennbar. Da weder die Beschwerdeführerin noch die Beitretende dem widersprochen haben, erübrigen sich weitere, ins einzelne gehende Ausführungen in dieser Hinsicht.

4. Offenbarung der Erfindung (Artikel 100 b); 83 EPÜ)

4.1. Der erst mit dem Beitritt ins Verfahren eingeführte Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 b) in Verbindung mit Artikel 83 EPÜ bezieht sich auf die Frage der ausreichenden Offenbarung und Ausführbarkeit wesentlicher technischer Merkmale des Patentgegenstandes im gesamten beanspruchten Bereich und betrifft im wesentlichen die Definition der Rührwerkzeuge der beanspruchten Speiseismaschine im Anspruch 1 [siehe Merkmale (h) bis (l)].

Ausdrücklich nicht bestritten wurde, daß auf Grundlage der im Streitpatent enthaltenen technischen Lehre und Beispiele wenigstens ein Weg zur Ausführung der beanspruchten Erfindung für den Fachmann deutlich und vollständig offenbart ist. Ebensowenig wurde angefochten, daß ein Fachmann unmittelbar feststellen kann, ob die im Anspruch definierten Rührwerkzeuge innerhalb ihres Wirkungsbereichs der im Behälter befindlichen flüssigen oder teigförmigen Masse die von den funktionellen Merkmalen (k) und (l) geforderten Bewegungskomponenten erteilen.

Die Beitretende hat jedoch bezweifelt, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 vom Fachmann im gesamten beanspruchten Bereich ohne unzumutbares Herumexperimentieren und ohne eigenes erfinderisches Zutun nachgearbeitet werden könne, da die Form und Anordnung der Rührwerkzeuge im Anspruch zwar teilweise durch gegenständliche (strukturelle) Merkmale, sonst aber nur durch ihre Funktion definiert seien.

4.2. Für die Frage der ausreichenden Erfindungsoffenbarung im Sinne von Artikel 83 EPÜ ist nicht allein der Inhalt eines Patentanspruchs, sondern die Lehre des europäischen Patents in ihrer Gesamtheit heranzuziehen ist (vgl. Entscheidung T 14/83, ABl. EPA 1984, 105, siehe insbesondere Punkt 3 der Entscheidungsgründe).

Im vorliegenden Fall sind Form und Anordnung jener Rührwerkzeuge des Rührwerks, die als solche in Anspruch 1 ausdrücklich beschrieben sind, außer durch ihre Funktion durch die von der Drehrichtung unabhängigen gegenständlichen Merkmale (h) und (i), wonach solche Rührwerkzeuge im wesentlichen L-förmige Lamellen darstellen, die mit der Boden- und Umfangswand im schabendem Eingriff stehen, bereits innerhalb enger Grenzen strukturell definiert. Greift man hinsichtlich dieser Definition noch auf die Offenbarung in der Beschreibung und die abhängigen Ansprüche zurück, die sich auf besondere, unter den Anspruch 1 fallende Ausführungsarten der Erfindung beziehen, erhält der Fachmann nach Ansicht der Kammer eine vollständige und geschlossene technische Anweisung, nach welchen Kriterien er mit hinreichender Aussicht auf Erfolg zu einer breiten Palette von Ausführungsformen der Erfindung gelangt, die der im vorliegenden Anspruch 1 verwendeten Definition des oder der Rührwerke gerecht werden.

Die genannten Kriterien beziehen sich unter anderem auf Ausführungsformen, bei denen beispielsweise

- oberhalb der unteren horizontalen Schenkel des Rührwerks ein durchgehender Zwischenraum vorliegt (Anspruch 3; Spalte 6, Zeilen); oder

- die Lamellen relativ zur Drehachse entgegen der Arbeitsdrehrichtung (G) geneigt am Antriebswellenrohr befestigt sind (siehe Anspruch 4);

- der Neigungswinkel im breiten Bereich 20 bis 40 , insbesondere bei 30o liegt (siehe Anspruch 5; Spalte 6, Zeilen 54-57); oder

- die nach oben weisenden Schenkel der Lamellen sich in radialer Richtung im wesentlichen über den gleichen Längenbeuchteil eines Radius erstrecken wie der Zwischenraum zwischen Innenkante der Lamellen und dem zentralen Antriebsrohr (siehe Anspruch 10); oder

- die nach oben weisenden Schenkel der Lammellen in der Weise von unten nach oben verschränkt bzw. tordiert sind, daß der Winkel beta mit der Tangente (R) am Berührungspunkt mit der Umfangswand von unten nach oben abnimmt (siehe Anspruch 11)

- der Winkel beta mit der Tangente (R) stetig abnimmt und zwar bevorzugt im breiten Bereich von 90 auf 50 bis 70 , insbesondere 60 (siehe Anspruch 12, Spalte 6, Zeile 58 bis Spalte 7, Zeile 9); oder

- die nach oben weisenden Schenkel der Lamellen sich von unten nach oben in radialer Weise etwas verjüngen (siehe Anspruch 14).

4.3. In Anbetracht der oben erwähnten Offenbarungen im Streitpatent, die unterschiedlichste Ausführungsformen der Erfindung abdecken, kann die Kammer entgegen der Ansicht der Beitretenden nicht erkennen, daß sich der Anspruch 1 auf Gegenstände erstrecken würde, die dem Fachmann nach Lektüre der gesamten Offenbarung der Erfindung nicht zur Verfügung stehen oder daß die im Streitpatent verfügbare technische Lehre den Fachmann nicht in die Lage versetzen würde, die durch die funktionellen Merkmale (k) und (l) definierte Wirkungen im gesamten Bereich des Anspruchs 1 zu erzielen. Die Beitretende hat dazu auch nichts Gegenteiliges konkret vorgetragen, sondern nur in allgemeiner Form die Breite des Anspruchs bemängelt.

4.4. Ein Patentanspruch widerspricht nicht alleine schon deshalb den Erfordernissen des Artikel 83 EPÜ, weil er breit abgefaßt ist. Da, wie oben gezeigt, keine konkreten Anhaltspunkte vorliegen, daß die Erfindung nicht im gesamten Bereich ausführbar ist, sieht die Kammer keinen Grund, dem Patent den Anspruch 1 in seiner derzeitigen Breite unter Artikel 83 EPÜ zu verweigern. Die von der Beschwerdeführerin und der Beitretenden formulierte Frage an die Große Beschwerdekammer stellt sich daher im vorliegenden Fall nicht.

5. Nächstliegender Stand der Technik

5.1. Die Entgegenhaltung (16) beschreibt eine Maschine zur Herstellung von Speiseeis und Fruchteis (Granita) vom Typ "Gelateria G 50 GR", die von der Beitretenden vor dem Prioritätstag des Streitpatents vertrieben wurde. Im Zusammenhang mit (16) wurden zunächst von der Beschwerdeführerin und im Anschluß daran gleichlautend von der Beitretenden eidesstattliche Erklärungen der Herren Gaetano Cipelletti (16a) und Stefano Corradi (16b), beide Beschäftigte der Beitretenden, vorgelegt. Die geltend gemachte Vorbenutzung wurde seitens der Beschwerdegegnerin im Verlaufe des Verfahrens auch nicht mehr bestritten. Die Beschwerdegegnerin selbst legte vielmehr in der mündlichen Verhandlung ein Rührwerk vor, das von der Beschwerdeführerin und der Beitretenden als Originalrührwerk einer Maschine gemäß der Vorbenutzung (16) anerkannt wurde.

5.2. In Anbetracht der zahlreichen gemeinsamen technischen Merkmale zwischen dem Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents und dem Gegenstand der Vorbenutzung (16) geht die Kammer in Übereinstimmung mit den Parteien von der Vorbenutzung gemäß (16) als dem nächstliegenden Stand der Technik aus.

6. Technische Merkmale (a) bis (d) und (f) bis (l) des Gegenstands von Anspruch 1

6.1. Im Verlaufe des Beschwerdeverfahrens wurde nie ernsthaft in Zweifel gezogen, daß die technischen Merkmale (a) bis (d) der Speiseeismaschine gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 1 des Streitpatents in der wahlweise zur Herstellung von Speiseeis oder Fruchteis (Granita) bestimmten und geeigneten Maschine gemäß Vorbenutzung (16) bereits verwirklicht und daher als bekannt vorauszusetzen sind.

6.2. Daß bei der Maschine gemäß Vorbenutzung das Rührwerk in entgegengesetzten Drehrichtungen antreibbar ist (siehe Seite 1 von (16): "Rührwerksmotor mit doppelsinnigem Umlauf") und die Antriebswelle im Bereich der Bodenwand drehgelagert ist, geht aus (16) hervor und wurde von der Beschwerdegegnerin auch nicht bestritten. Damit unterscheidet sich die Speiseeismaschine gemäß Anspruch 1 des Streitpatents auch hinsichtlich der Merkmale (f) und (g) im kennzeichnenden Teil des Anspruchs nicht von der Maschine gemäß der Vorbenutzung.

6.3. Das Rührwerk ist in Bezug auf seine Rührwerkzeuge im geänderten Anspruch 1 durch die Kombination der technischen Merkmale (c) und (h) bis (l) definiert. Nach eingehender Prüfung dieser Merkmale kommt die Kammer zu dem Schluß, daß vom Anspruch 1 des Streitpatents zumindest Ausführungsformen der Erfindung umfaßt sind, bei denen hinsichtlich Form, Anordnung und Funktion der Rührwerkzeuge zwischen einem Rührwerk mit den technischen Merkmalen des Anspruchs 1 und dem Rührwerk gemäß Vorbenutzung (16) kein entscheidender Unterschied erkennbar ist.

6.4. Die Abbildung (Tav. II) in (16) zeigt in der linken oberen Ecke ein in der Maschine gemäß Vorbenutzung verwendetes, mit "mescalatore" (31) bezeichnetes Rührwerk mit einem in der Zeichnung nach rechts zeigenden als "Pala raschiante" (32) bezeichnetem Rührwerkzeug, welches eine L-förmige Lamelle ist, die mit der Boden- und Umfangswand in schabendem Eingriff steht. Diese Auslegung von (16) steht in Übereinstimmung mit einem von der Beschwerdegegnerin in der mündlichen Verhandlung präsentierten Rührwerk, welches von der Beschwerdeführerin und der Beitretenden einwandfrei als Originalrührwerk aus einer Maschine gemäß Vorbenutzung identifiziert wurde. Genau wie in (16) beschrieben, trägt dieses Rührwerk ein Rührwerkzeug, welches als mit der Boden- und Umfangswand in schabendem Eingriff stehende, L-förmige Lamelle ist, die augenscheinlich relativ zur Drehachse entgegen der Arbeitsdrehrichtung (G) geneigt am Antriebswellenrohr befestigt ist, deren nach oben weisender Schenkel in der Weise von unten nach oben verschränkt bzw. tordiert ist, daß dessen Winkel mit der Tangente am Berührungspunkt mit der Umfangswand von unten nach oben abnimmt und deren nach oben weisender Schenkel sich von unten nach oben in radialer Weise etwas verjüngt.

Daß das oben beschriebene Rührwerkzeug gemäß der Vorbenutzung (16) aufgrund seiner Konstruktion und strukturellen Merkmale beim Antrieb des Rührwerks der im Behälter befindlichen Masse, solange sich die Masse im Bewegungsablauf im Wirkungsbereich dieses speziellen Rührwerkzeugs befindet, die in den Merkmalen (k) und (l) des Streitpatents geforderten Bewegungskomponenten erteilt, wurde demnach auch nicht in Zweifel gezogen.

6.5. Es ist richtig, daß beim Rührwerk der Maschine gemäß (16) in entgegengesetzter Richtung zu dem in der Zeichnung mit (32) bezeichneten Rührwerkzeug, nämlich der oben ausführlich beschriebenen, mit der Boden- und Umfangswand im schabendem Eingriff stehenden, im wesentlichen L-förmige Lamelle, ein unterschiedlich geformtes, in (16) nicht näher bezeichnetes Rührwerkzeug angeordnet ist, das weder mit der Boden- noch der Umfangswand in schabendem Eingriff steht, also nicht als Schabermesser ausgebildet ist, und aufgrund seiner unterschiedlichen Ausgestaltung, beim Antrieb des Rührwerks der im Behälter befindlichen Masse, solange sich die Masse im Bewegungsablauf im Wirkungsbereich dieses unterschiedlich gestalteten Rührwerkzeugs befindet, andere als die in den Merkmalen (k) und (l) beschriebenen Bewegungskomponenten erteilen dürfte.

6.6. Eine solche Ausführungsform des Rührwerks, welches Rührwerkzeuge mit den in den Punkte 6.4 und 6.5 angeführten technischen Merkmalen gemäß (16) aufweist, fällt aber nach Ansicht der Kammer eindeutig unter die Definition des Rührwerks im Anspruch 1 des Streitpatents. Denn diese Definition

- verlangt zwar, daß alle Rührwerkzeuge des Rührwerks, welche den strukturellen Merkmalen (h) und (i) genügen und mit der Boden- und Umfangswand im schabendem Eingriff stehende im wesentlichen L-förmige Lamellen sind, so angeordnet und ausgebildet sind, daß alle diese Lamellen beim Antrieb des Rührwerks der im Behälter befindlichen Masse in ihrem Wirkungsbereich die in den funktionellen Merkmalen (k) und (l) vorgeschriebenen Bewegungskomponenten erteilen;

- verlangt aber ausdrücklich nicht, wie schon in den vorhergehenden Punkten festgestellt wurde, daß alle Rührwerkzeuge des Rührwerks mit der Boden- und Umfangswand im schabendem Eingriff stehende im wesentlichen L-förmige Lamellen sind und wenigstens einem, mehreren oder allen Merkmalen (h) bis (l) genügen.

6.7. Schließlich hat die Beschwerdegegnerin in Übereinstimmung mit den Ausführungen in den vorangehenden Punkten in der mündlichen Verhandlung selbst vorgetragen, daß unter Anspruch 1 des Streitpatents auch eine Speiseeismaschine mit einem Rührwerk fällt, das neben Rührwerkzeugen, die mit der Boden- und Umfangswand im schabendem Eingriff stehende, im wesentlichen L-förmige Lamellen mit den obigen Merkmalen (h) bis (l) sind, auch ein oder mehrere anders gestaltete Rührwerkzeuge tragen kann, welche beispielsweise nicht mit der Boden- und Umfangswand im schabendem Eingriff stehende, im wesentlichen L-förmige Lamellen sind und somit den oben angeführten Merkmalen (h) bis (l) überhaupt nicht oder nur teilweise genügen.

7. Neuheit (Artikel 100(a); 54 EPÜ); technisches Merkmal (e) im Oberbegriff des Anspruchs 1

7.1. Hinsichtlich der in (16) ebenfalls vorgesehenen Entnahmeöffnung im Eckbereich zwischen der ebenen Bodenwand und der kreiszylindrischen Umfangswand wird auf der ersten Seite von (16) jedoch eindeutig zwischen einer Möglichkeit zur Entnahme von Speiseis einerseits und Fruchteis andererseits unterschieden und ausdrücklich nur deren Funktion und Eignung zur "automatischen Herausziehung von Fruchteis" (italien. Originalsprache: "per l'estrazione automatica della granita") offenbart. Dies steht in Übereinstimmung mit den Aussagen in den oben erwähnten eidestattlichen Erklärungen von Cipeletti (16a) und Corradi (16b), jeweils Seite 3, Zeilen 12-14: "si continua a mescolare fino a che la granita richiesta è pronta e si scarica la granita dal condotto di scarico".

Die Kammer ist auf Grundlage des Vorbringens der Parteien im schriftlichen und mündlichen Verfahren und eigener Recherchen zur Ansicht gelangt, daß für das in italienischer Sprache als "granita" bezeichnete Produkt ein äquivalenter Begriff in der deutschen Sprache fehlt und daß es sich dabei tatsächlich, wie von der Beschwerdegegnerin vorgetragen, um eine Flüssigkeit mit darin enthaltenen Eiskörnern mit einer Temperatur von -2 C bis -3 C handelt, wofür die deutsche Übersetzung "Fruchteis" in (16) gänzlich unzutreffend erscheint. Gemäß Römpp, Lexikon Lebensmittelchemie, Georg Thieme Verlag Stuttgart, New York, 1995, Seite 789, ist Fruchteis nämlich eine Speiseeis-Sorte mit einem Fruchtanteil von mind. 20 %, wobei unter dem Begriff Speiseeis wiederum ausschließlich "eine durch einen Gefrierprozeß bei der Herstellung in einen festen oder pastenartigen Zustand, z. B. Softeis, gebrachte Zubereitung, die gefroren in den Verkehr gebracht wird", zu verstehen ist.

7.2. Die Präzisierung des Wortlauts von Merkmal (e) im Streitpatent im Anspruch 1 aller Anträge im Verlauf der mündlichen Verhandlung muß so interpretiert werden, daß das Merkmal (e) im Vergleich mit Anspruch 1 der erteilten Patents nun durch dessen genaue Funktion in Form des zusätzlichen funktionellen Merkmals "zur Entnahme von Speiseeis" ergänzt wurde. In Hinblick auf die Ausführungen in Punkt 7.1 (oben) kommt die Kammer zum Schluß, daß dieses funktionelle Merkmal weder in (16) noch in den anderen im Zusammenhang mit (16) zum Nachweis der Vorbenutzung vorgelegten Dokumenten implizit oder explizit offenbart ist. Es konnte weder von der Beschwerdeführerin noch von der Beitretenden schlüssig nachgewiesen weder, daß die Entnahmeöffnung im Eckbereich zwischen der ebenen Bodenwand und der kreiszylindrischen Umfangswand in der in (16) beschriebenen Maschine dieselbe Funktion wie im Streitpatent hat und zur Entnahme von Speiseeis geeignet ist.

Da sich die beanspruchte Speiseeisherstellungsmaschine gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik gemäß (16) somit durch ein (funktionelles) technisches Merkmal unterscheidet, ist der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß den vorliegenden Anträgen, die alle dieses funktionelle Merkmal enthalten, gegenüber der Vorbenutzung (16) als neu im Sinne von Artikel 54 (1) EPÜ anzusehen.

7.3. Aus der Offenbarung der von der Beitretenden ebenfalls als neuheitsschädlich entgegengehalten Speiseeismaschine in den Entgegenhaltungen (7), (7a) sind weder das Vorhandensein einer im Eckbereich zwischen der ebenen Bodenwand und der kreiszylindrischen Umfangswand durch ein von außen betätigbares Verschlußglied wahlweise zu verschließende oder zu öffnende Speiseeisentnahmeöffnung (Merkmal e) noch die Möglichkeit, das Rührwerk in entgegengesetzten Drehrichtungen antreiben zu können (Merkmal f) unmittelbar und eindeutig herleitbar, sodaß auch (7), (7a) nicht als neuheitsschädlich anzusehen sind.

8. Erfinderische Tätigkeit

8.1. Hauptantrag

Aus den obigen Ausführungen ergibt sich für den Fachmann, daß von Anspruch 1 des Streitpatents Ausführungsformen der beanspruchten Speiseeisherstellungsmaschine umfaßt sind, die sich vom nächstliegenden Stand der Technik, nämlich der Maschine gemäß Vorbenutzung (16) nur durch das Merkmal (e) unterscheiden, d. h. daß im Eckbereich zwischen der ebenen Bodenwand und der kreiszylindrischen Umfangswand eine durch ein von außen betätigbares Verschlußglied wahlweise zu verschließende oder zu öffnende Speiseeisentnahmeöffnung vorgesehen ist.

Bei diesem Sachverhalt kann die dem Gegenstand des Anspruchs 1 zugrundeliegende technische Aufgabe nur mehr darin gesehen werden, die aus (16) wahlweise zur Herstellung von Granita oder Speiseeis beschriebene Maschine so zu modifizieren, daß auch Speiseis nach seiner Fertigstellung in der Maschine durch die im Eckbereich zwischen der ebenen Bodenwand und der kreiszylindrischen Umfangswand vorgesehene Entnahmeöffnung automatisch herausgezogen werden kann.

Ein Vergleich der Entnahmeöffnung in der Abbildung der Maschine gemäß Vorbenutzung (16) (siehe Tav. II) mit der in der Abbildung in Figur 1 des Streitpatents gezeigten und in Anspruch 1 durch ihre Funktion nunmehr klar definierten Speiseeisentnahmeöffnung (13) läßt deutlich erkennen, daß die Aufgabe durch eine wesentliche Vergrößerung des Durchmessers oder Querschnitts bei gleichzeitiger wesentlicher Verkürzung der Länge der Entnahmeöffnung, so daß diese den äußeren Rand der Boden- und der kreiszylindrischen Umfangswand des Behälters nur geringfügig überragt, gelöst wurde. Der Kammer erscheint es plausibel, daß aus einer Entnahmeöffnung mit den oben angeführten Änderungen gegenüber der Maschine gemäß Vorbenutzung nicht nur flüssiges Granita, sondern auch Speiseis mit dem typischen festeren, dickflüssigen oder pastenartigen Zustand herausgezogen werden kann. Dies wurde auch weder von der Beschwerdeführerin noch von der Beitretenden in Frage gestellt.

Der Fachmann, der vor die Lösung der bestehenden Aufgabe gestellt war, wußte, daß die Maschine gemäß Vorbenutzung (16) mit allen notwendingen technischen Merkmalen, einschließlich eines geeigneten Rührwerks mit Umkehr der Drehrichtung, ausgerüstet war, um die automatische Herausziehung von Granita durch die Entnahmeöffnung im Eckbereich zwischen Boden- und Umfangswand des zylindrischen Behälters zu gewährleisten. Aus seinem täglichen Erfahrungsschatz und seinem allgemeinen Fachwissen war ihm aber auch bereits bekannt, daß Maßnahmen, wie die ausreichende Vergrößerung des Durchmessers und des Querschnitts bei gleichzeitiger Verkürzung der Länge der Entnahmeöffnung das automatische Herausziehen einer gegenüber Granita festeren, pastenartigen oder dickflüssigen Masse, wie es Speiseeis je nach seiner Zubereitung darstellt, aus dem Behälter wegen des exponentiell abnehmenden Widerstandes, der als Folge dieser Maßnahmen der austretenden Masse entgegengesetzt wird, erleichtern oder in vielen Fällen erst ermöglichen wird.

Hätte er dennoch eine Anregung zur Lösung der bestehenden Aufgabe im Stand der Technik gesucht, wäre er auf Entgegenhaltung (4) gestoßen. Aus der Figur 1 in (4) hätte der Fachmann die nötigen Hinweise hinsichtlich der erforderlichen Maße für Durchmesser, Querschnitt und Länge sowie Anordnung einer Entnahmeöffnung für das automatische Herausziehen von Speiseis im Eckbereich zwischen der ebenen Bodenwand und der kreiszylindrischen Umfangswand. Es spielt dabei keine entscheidende Rolle, daß die Maschinen gemäß (4) einerseits und (16) andererseits eine unterschiedliche Gestaltung des Rührwerks aufweisen. Seite 6, Zeilen 1-3 von Entgegenhaltung (4) ist zu entnehmen, daß die Speiseismasse mittels des Austriebsrührwerks aus der Entnahmeöffnung (4) ausgetrieben wird, was nichts anderes bedeuten kann, als daß der fertigen Eismasse durch das Rührwerk eine Bewegungskomponente nach unten erteilt wird. Durch die bei der Maschine gemäß (16) beim Ausstoß vorgesehene Umkehr der Drehrichtung wird durch das mit der Boden- und Umfangswand im schabendem Eingriff stehende, als im wesentlichen L-förmige Lamelle ausgebildete Rührwerkzeug 32, wie aus der Vorbenutzung bereits bekannt, der fertigen Eismasse ebenfalls eine Bewegungskomponente unten erteilt, die durch die Neigung des zweiten in entgegengesetze Richtung zeigenden, in (16) nicht näher bezeichneten Rührwerks zumindest teilweise unterstützt wird oder zumindest unterstützt werden kann.

In Anbetracht dessen, daß sich der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents von der Vorbenutzung (16) nur durch das Merkmal (e) unterscheidet, ergibt sich die Lösung der bestehenden Aufgabe nach Ansicht der Kammer für den Fachmann in Anbetracht der obigen Ausführungen in naheliegender Weise aus einer Kombination der Lehren der Entgegenhaltungen (16) und (4). Der Gegenstand des Anspruchs 1 erfüllt daher nicht das Erfordernis der erfinderischen Tätigkeit.

8.2. Erster Hilfsantrag (siehe Paragraph VI oben, Merkmal m1):

Aus Entgegenhaltung (9) ist bereits eine Maschine zur Herstellung von Speiseeis bekannt, bei der im Bereich der Bodenwand des zylindrischen, isolierten Rührbehälters eine Entnahmeöffnung (21) für die fertige Speiseeismasse vorgesehen ist. In Spalte 4, Zeilen 20 bis 27 von (9) wird bereits vorgeschlagen, die Drehgeschwindigkeit des Rührwerksmotors beim Ausstoß der fertigen Speiseismasse zu erhöhen, um einen schnelleren und effektiveren Ausstoß der Masse zu erreichen. Es trifft zu, daß in (9) eine Umkehr der Drehrichtung des Rührwerks beim Ausstoß der fertigen Speiseeismasse nicht vorgesehen ist. Nachdem aber bei der Maschine gemäß Vorbenutzung (16) die Umkehr der Drehrichtung zur Erzielung eines wirksamen Ausstoßes bereits bekannt war, war es für den Fachmann naheliegend, die in (9) vorgeschlagene Erhöhung der Ausstoßkapazität der Maschine durch Erhöhung der Drehgeschwindigkeit für den gleichen Zweck auch in den Fällen anzuwenden, in denen eine Umkehr der Drehrichtung während des Ausstoßes der fertigen Speiseeismasse vorgesehen ist.

Das zusätzliche Merkmal im Hilfsantrag kann daher weder alleine noch in Kombination mit den anderen technischen Merkmalen des Anspruchs einen Beitrag zur erfinderischen Tätigkeit leisten.

8.3. Zweiter und dritter Hilfsantrag (siehe Paragraph VI oben, Merkmale m2, m3):

Abgesehen davon, daß die Neigung der Lamelle relativ zur Drehachse entgegen der Arbeitsdrehrichtung beim Rührwerk gemäß Vorbenutzung bereits klar erkennbar war, wird eine Neigung der Rührwerkzeuge relativ zur Drehachse entgegen der Arbeitsdrehrichtung beispielsweise auch in folgenden Entgegenhaltungen empfohlen: (2), siehe insbesondere Seite 3, Zeilen 33-42; (6), siehe insbesondere Figur 2; und (12), siehe insbesondere Spalte 2, Zeile 64 bis Spalte 3, Zeile 2 und Figur 1. Nachdem die Vorteile der Neigung der Rührwerkzeuge relativ zur Drehachse entgegen der Arbeitsdrehrichtung im Stand der Technik bereits bekannt waren, war die Ermittlung des optimalen Winkelbereichs für die Neigung für den Fachmann nur mehr eine Angelegenheit der Optimierung auf Grundlage von Routineversuchen.

Für die Kammer ist daher nicht erkennbar, wie die zusätzlichen technischen Merkmale im zweiten und dritten Hilfsantrag für sich alleine genommen oder in Kombination mit den anderen Merkmalen des Anspruchs 1 zu einer für die Beschwerdegegnerin günstigeren Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit führen könnte.

8.4. Vierter Hilfsantrag (siehe Paragraph VI oben, Merkmal m4):

Abgesehen davon, daß die Ermittlung der günstigsten Anzahl von Rührwerkzeugen zur Erzielung einer optimalen Kühlung und Durchmischung der Speiseeismasse und zur Erzielung eines schnellen und effektiven Ausstoßes der fertigen Masse für den Fachmann eine reine Angelegenheit routinemäßigen Ausprobierens darstellt, konnte dieser sich in Entgegenhaltung (2) eine zielführende Anregung holen. Diese Entgegenhaltung beschreibt in den Figuren 14. und 15 sowie auf Seite 4, Zeilen 26-48 eine Speiseismaschine mit einem Rührwerk, welches über den Umfang gleichmäßig verteilt drei Rührwerkzeuge trägt, die in ihrer Funktion aufeinander abgestimmt sind (siehe blade arrangement 5C) und nennt verschiedene Vorteile dieser Anordnung. In Anbetracht der obigen Ausführungen ist nicht erkennbar, wie das zusätzliche technische Merkmal des vierten Hilfsantrags entweder allein oder in Zusammenhang mit den anderen technischen Merkmalen des Anspruchs 1 einen Beitrag zu einer positiveren Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit leisten könnte.

8.5. Fünfter Hilfsantrag (siehe Paragraph VI oben, Merkmal m5):

Der fünfte Hilfsantrag enthält in Anspruch 1 als zusätzliche Merkmale eine Kombination des Merkmals m1 gemäß erstem Hilfsantrag mit dem Merkmal m4 gemäß viertem Hilfsantrag. Es ist nicht zu erkennen und die Beschwerdegegnerin hat in dieser Hinsicht auch nichts geltend gemacht, daß diese beiden technischen Merkmale miteinander in einem funktionellen Zusammenhang stünden derart, daß ihre Kombination sich in einem überraschenden oder vorteilhaften Ergebnis niederschlage. Durch die bloße Aneinanderreihung von zwei Merkmalen in Anspruch 1, die für sich genommen, wie oben gezeigt, keinen Beitrag zur erfinderischen Tätigkeit leisten, kann die erfinderische Tätigkeit des beanspruchten Gegenstandes in keinem für die Beschwerdegegnerin günstigeren Licht gesehen werden.

8.6. Sechster Hilfsantrag (siehe Paragraph VI oben, Merkmal m6):

Die Ausführungsform des Rührwerks nach Hilfsantrag 6, wonach die seitlichen Schabkanten der Rührwerkzeuge Ausnehmungen aufweisen und bei den einzelnen Rührwerken so gegeneinander versetzt sind, daß bei einer einmaligen Umdrehung des Rührwerks die Seitenwand in ihrer gesamten Länge abgeschabt wird, scheint bei Maschinen zur Herstellung von Speiseis üblich zu sein und wird beispielsweise in Spalte 4, Zeilen 9-20 der Entgegenhaltung (3) unter Hinweis auf die Figur 1 dieser Entgegenhaltung ausführlich beschrieben. Somit kann auch diese Ausführungsform der Rührwerkszeugs weder allein noch im Zusammenhang mit den anderen Merkmalen des Anspruchs 1 zu keiner anderen Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit führen.

9. Da weder der Anspruch 1 des Hauptantrags noch der Anspruch 1 eines der Hilfsanträge die Anforderungen an die erfinderische Tätigkeit (Artikel 52 (1) i. V. mit Artikel 56 EPÜ) erfüllen, war das Patent zu widerrufen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das europäische Patent wird widerrufen.

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