T 1143/98 () of 15.3.2000

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2000:T114398.20000315
Datum der Entscheidung: 15 März 2000
Aktenzeichen: T 1143/98
Anmeldenummer: 91116305.3
IPC-Klasse: B65D 90/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Kuppelstück zum Verbinden von Containern
Name des Anmelders: MacGREGOR-CONVER GmbH
Name des Einsprechenden: SEC Ship's Equipment Centre Bremen GmbH
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 84
Schlagwörter: Klarheit (ja)
Erfinderische Tätigkeit (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Auf die europäische Patentanmeldung Nr. 91 116 305.3 ist am 31. Januar 1996 das europäische Patent Nr. 0 477 887 erteilt worden.

II. Gegen das erteilte Patent hat die Beschwerdeführerin Einspruch eingelegt. Sie beantragte, das Patent wegen mangelnder Neuheit bzw. erfinderischer Tätigkeit in vollem Umfang zu widerrufen.

Zur Stützung ihres Vorbringens verwies sie insbesondere auf den Stand der Technik nach den Dokumenten US-A-4 277 212 (D1) und US-A-3 937 684 (D4) sowie auf einen am 30. Juli 1998 eingereichten Videoausschnitt aus einem Werbefilm der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin), wobei Standbilder aus dem Video mitgeliefert wurden.

III. In ihrer am 16. Oktober 1998 zur Post gegebenen Entscheidung hat die Einspruchsabteilung im Hinblick auf Artikel 102 (3) EPÜ festgestellt, daß der Aufrechterhaltung des Streitpatents in geändertem Umfang die Einspruchsgründe nach Artikel 100 EPÜ nicht entgegenstünden.

Der Wortlaut des dieser Entscheidung zugrundeliegenden Anspruchs 1 ist wie folgt:

"Kuppelstück zum Verbinden von Containern (20, 21) an Bord von Schiffen mit einem im wesentlichen zwischen den zu verbindenden Containern (20, 21) liegenden Widerlager (72) und entgegengesetzten Seiten des Widerlagers (72) zugeordneten Kupplungsvorsprüngen (74, 76) zum Eingriff in jeweils einen Eckbeschlag (22, 23) der zu verbindenden Container (20, 21), dadurch gekennzeichnet, daß wenigstens ein Kupplungsvorsprung (76) derart ausgebildet ist, daß das gesamte Kuppelstück (71) aufgrund einer ausschließlich durch ein senkrechtes Absenken eines oberen Containers (20) auf einen unteren Container (21) hervorgerufenen horizontalen Relativverschiebung zu den zu verbindenden Containern (20, 21) in eine Verriegelungsposition zu mindestens einem Eckbeschlag (23) des entsprechenden Containers (21) bringbar ist."

Die abhängigen Ansprüche 2 bis 9 richten sich auf bevorzugte Ausführungsbeispiele des Kuppelstückes nach dem Anspruch 1.

IV. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin am 9. Dezember 1998 Beschwerde eingelegt und gleichzeitig die Beschwerdegebühr entrichtet. Sie beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.

Die Beschwerdebegründung ist am 22. Februar 1999 eingegangen. Zur Stützung ihrer Beschwerde trug die Beschwerdeführerin im wesentlichen folgendes vor:

Der vorliegende Anspruch 1 enthalte keine konstruktiven Merkmale, die geeignet sein könnten, das beanspruchte Kuppelstück vom Stand der Technik zu unterscheiden. Der Anspruch erschöpfe sich vielmehr in einer Funktionsbeschreibung, wie sich das Kuppelstück bei der Verriegelung verhalten sollte. Weil aber das Verhalten des Kuppelstückes von äußeren Umständen abhängig sei, könne das beanspruchte Verhalten auch bei einem Kuppelstück nach dem Stand der Technik gegeben sein. Dies könne beispielsweise durch eine eventuelle Änderung der Normung der Langlöcher für Eckbeschläge von Containern geschehen.

Darüber hinaus sei es aus dem vorgelegten Videoausschnitt ersichtlich, daß das dort gezeigte, zum Stand der Technik gehörende Kuppelstück beim Verriegelungsvorgang eine Relativverschiebung zu den zu verbindenden Containern vollführe, die sich aus dem zwangsläufig vorhandenen Spiel zwischen dem Kupplungsvorsprung des Kuppelstücks und dem Langloch des Eckbeschlages des unteren Containers ergebe. Es bedürfe keiner erfinderischen Leistung, zur Erleichterung des Verriegelungsvorgangs dieses Spiel derart zu vergrößern, daß der ganze Vorgang ausschließlich mit einer Relativverschiebung des Kuppelstückes einhergehe, so daß eine Verschiebung des oberen Containers gegenüber dem unteren Container nicht mehr nötig sei. In diesem Zusammenhang sei auch auf die der Beschwerdebegründung beigefügte Seite 13 eines Prospektes der Firma International Lashing Systems hinzuweisen. Hieraus seien Kuppelstücke zu entnehmen, die im wesentlichen denjenigen entsprächen, die im Videoausschnitt ersichtlich seien. Aus dem Prospekt sei aber auch erkennbar, daß die jeweiligen Kupplungsvorsprünge einen beträchtlichen Bewegungsspielraum in den jeweiligen Längslöchern der Eckbeschläge haben.

Des weiteren könne durch eine Vorführung demonstriert werden, daß, wenn man das im Videoausschnitt ersichtliche Kuppelstück zuerst in den oberen Container einsetze, statt - wie im Videoausschnitt gezeigt - in den unteren Container, und den oberen Container mitsamt Kuppelstück auf den unteren Container aufsetze, es zu einer Verriegelung komme, ohne daß der obere Container horizontal bewegt werden müsse.

IV. Mit ihrer Eingabe vom 12. August 1999 hat die Beschwerdegegnerin auf die Beschwerdebegründung erwidert. Sie trug hierbei im wesentlichen folgendes vor:

Der geltende Anspruch 1 bringe deutlich den Gegenstand zum Ausdruck, für den Schutz begehrt werde, und zwar mit den dazu erforderlichen technischen Merkmalen der Erfindung. Die Versuche der Beschwerdeführerin darzulegen, daß sich das erfindungsgemäße Kuppelstück gar nicht oder nur auf unbedeutende Weise vom Stand der Technik unterscheide, gingen über hypothetische und praxisferne Spekulationen nicht hinaus. Tatsache sei es vielmehr, daß die dem Patent zugrundeliegende Erfindung in Abkehr von allem bisher Dagewesenen die Möglichkeit schaffe, durch ausschließliches senkrechtes Absenken des oberen Containers auf den unteren Container eine Verriegelung der Container herbeizuführen. Dies stelle eine signifikante Vereinfachung des bekannten Verriegelungsvorgangs dar.

V. In einer Mitteilung vom 19. November 1999 hat die Kammer die vorläufige Auffassung vertreten, daß ihr nicht ersichtlich sei, wie die von der Beschwerdeführerin angesprochene Vorführung sachdienlich sein könnte. Die Kammer beabsichtige daher nicht, zu diesem Zweck eine mündliche Verhandlung von Amts wegen anzuberaumen.

Aus der mit der Beschwerdebegründung eingereichten Kopie der Seite 13 des ILS-Prospekts sei lediglich ein Kuppelstück ("self locating stacker") zu sehen, das im Aufbau und in der Funktionsweise dem im Videoausschnitt ersichtlichen Kuppelstück des Standes der Technik entspreche. Die Kammer beabsichtige daher, diese spät eingeführte Druckschrift gemäß Artikel 114 (2) EPÜ nicht zu berücksichtigen.

VI. In Stellungnahmen vom 9. Dezember 1999 bzw. 28. Januar 2000 haben die Beschwerdeführerin bzw. Beschwerdegegnerin ihren jeweiligen Standpunkt im wesentlichen wiederholt.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde entspricht den Erfordernissen der Artikel 106 bis 108 sowie der Regeln 1 (1) und 64 EPÜ. Sie ist daher zulässig.

2. Fracht-Container sind mit genormten Eckbeschlägen versehen, die beim Beladen eines Schiffes untereinander mittels Kuppelstücke verbunden werden. Die Erfindung betrifft ein solches Kuppelstück, das an unzugänglichen Stellen Verwendung finden soll und derart geformt ist, daß eine Verriegelung zweier aufeinander stehender Eckbeschläge automatisch zustande kommt, wenn der obere Container auf den unteren Container aufgesetzt wird. Diese allgemeine Zielsetzung ist aus z. B. den Dokumenten D1 und D4 an sich bekannt. Bei den aus diesen Dokumenten bekannten Kuppelstücken ist eine horizontale Verschiebung des oberen Containers notwendig, um den Kupplungsvorgang durchzuführen. Demgegenüber zeichnet sich das Kuppelstück nach dem vorliegenden Patent dadurch aus, daß es in Bezug auf sowohl den oberen (in dem es im Normalfall vorverriegelt ist), als auch den unteren Container derart horizontal verschiebbar ist, daß der Kupplungsvorgang ohne eine horizontale Verschiebung des oberen Containers auskommt. Hierdurch wird das Beladen des Schiffes deutlich vereinfacht.

Die vorstehend geschilderten Umstände sind gegenüber dem erteilten Anspruch 1 im geltenden Anspruch 1 dadurch deutlicher zum Ausdruck gebracht, daß präzisiert wird, daß das Kuppelstück "aufgrund einer ausschließlich durch ein senkrechtes Absenken eines oberen Containers auf einen unteren Container hervorgerufenen horizontalen" Relativverschiebung zu den zu verbindenden Containern in Verriegelungsposition bringbar ist. Diese einschränkende Präzisierung findet ausreichend Stütze in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen, vgl. z. B. die Figuren 14 bis 16 (entsprechend Figuren 4 bis 6 des Streitpatents), was auch von der Beschwerdeführerin nicht bestritten wird. Der geltende Anspruch 1 genügt somit den Erfordernissen des Artikels 123 (2) und (3) EPÜ.

Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin ist der geltende Anspruch 1 auch klar im Sinne von Artikel 84 EPÜ. Der Anspruch definiert eindeutig den Gegenstand, für den Schutz begehrt wird, durch Angabe der technischen Merkmale der Erfindung im Sinne von Regel 29 (1) EPÜ. Insbesondere geht das Wesen der Erfindung, nämlich die Ausbildung mindestens eines Kupplungsvorsprungs des beanspruchten Kuppelstücks, damit dieses insgesamt durch eine horizontale Verschiebung durch ein ausschließlich senkrechtes Absenken eines oberen Containers auf einen unteren Container gegenüber den zu verbindenden Containern in eine Verriegelungsposition zu mindestens einem Eckbeschlag des entsprechenden Containers bringbar ist, aus dem geltenden Anspruch 1 deutlich hervor. Dagegen, daß der Anspruch funktionelle Angaben bezogen auf das Verhalten des Kuppelstücks in seinem Umfeld enthält, ist im vorliegenden Fall nichts einzuwenden, weil die Gegebenheiten dieses Umfelds durch internationale Normen eng umrissen sind und der Fachmann aufgrund der Erläuterungen in der Patentschrift ohne weiteres in der Lage ist, das Kuppelstück so auszubilden, daß das definierte Verhalten in der Praxis zustande kommt.

In diesem Zusammenhang teilt die Kammer die Auffassung der Beschwerdegegnerin, daß die Besorgnis der Beschwerdeführerin, die internationalen Normen für Container-Eckbeschläge könnten sich so weit ändern, daß auch herkömmliche Kuppelstücke in den Schutzbereich des Anspruchs fallen würden, wirklichkeitsfremd ist.

3. Bezugnehmend auf einen Videoausschnitt aus einem Werbefilm der Beschwerdegegnerin hat die Beschwerdeführerin die Neuheit bzw. erfinderische Tätigkeit des beanspruchten Kuppelstücks in Frage gestellt. In dem Ausschnitt wird der Kupplungsvorgang zwischen zwei Containern mit einem herkömmlichen Kuppelstück gezeigt, wobei das Kuppelstück in dem unteren Container vorverriegelt ist und der obere Container auf den unteren Container abgesenkt wird. Das Video läßt deutlich erkennen, daß zur Herbeiführung der Verriegelungsposition der obere Container auch eine horizontal gerichtete Relativbewegung zum unteren Container ausführen muß.

Die Beschwerdeführerin macht aber geltend, daß zunächst das Kuppelstück selbst beim senkrechten Absenken des oberen Containers eine horizontale Bewegung ausführe, die durch die viel größere Masse des oberen Containers im Vergleich zum Kuppelstück bewirkt und durch das vorhandene Spiel zwischen dem Kuppelstück und dem Eckbeschlag des unteren Containers zugelassen sei. Jedoch wird hier offensichtlich selbst wenn zum Anfang des Kupplungsvorgangs eine geringfügige horizontale Relativverschiebung des Kuppelstücks zu den beiden zu verbindenden Containern im Video zu erkennen sein mag, das Kuppelstück nicht allein durch diese Relativverschiebung in Verriegelungsposition zu dem oberen Container gebracht wird, wie dies der Anspruch 1 sinngemäß erfordert. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist somit auch gegenüber dem im Video gezeigten Kuppelstück des Standes der Technik neu.

Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, es liege für den Fachmann nahe, das bereits vorhandene Spiel zwischen dem bekannten Kuppelstück und dem Eckbeschlag derart zu vergrößern, daß der Kupplungsvorgang allein durch ein senkrechtes Absenken des oberen Containers zustande kommen könnte, geht nach Auffassung der Kammer kaum über eine praxisferne rückschauende Behauptung hinaus, die weder den technischen Gegebenheiten auf dem betreffenden Gebiet, noch dem Wesen der Erfindung gerecht wird. Es geht nämlich bei der beanspruchten Erfindung nicht darum, ein bereits vorhandenes, zum Einsetzen und zur Verriegelung des Kuppelstücks notwendiges Spiel zu vergrößern, sondern darum, einen Kupplungsvorsprung mit einer besonderen, in der Patentschrift näher erläuterten Formgebung zu gestalten, damit ein vereinfachter Kupplungsvorgang, wie dieser im Anspruch 1 definiert ist, ermöglicht wird.

Ähnliches gilt auch für die Behauptung der Beschwerdeführerin, das im Video gezeigte Kuppelstück lasse sich zuerst im oberen Container einhängen, wodurch ein Kupplungsvorgang ohne seitliche Verschiebung dieses Containers ermöglicht werde. Wie schon in der Beschwerdebegründung eingeräumt wird, ist das bekannte Kuppelstück dazu nicht konzipiert, so daß das Einhängen sehr labil wäre und das Kuppelstück Gefahr liefe, aus dem Eckbeschlag herauszufallen. Es müßten folglich Maßnahmen ergriffen werden, um dies zu verhindern. Für eine derartige Umgestaltung des bekannten Kuppelstücks bestand aber für den Fachmann kein Anlaß.

Der Gegenstand des Anspruchs ergibt sich somit nicht in naheliegender Weise aus dem herangezogenen Stand der Technik und ist daher als erfinderisch anzusehen (Artikel 56 EPÜ).

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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