T 1075/98 (Tierfuttermittelsupplement/DEGUSSA) of 18.4.2002

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2002:T107598.20020418
Datum der Entscheidung: 18 April 2002
Aktenzeichen: T 1075/98
Anmeldenummer: 92115390.4
IPC-Klasse: A23K 1/16
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Tierfuttermittelspupplement auf Fermentationsbrühe-Aminosäurebasis, Verfahren zu dessen Herstellung und dessen Verwendung
Name des Anmelders: Degussa AG
Name des Einsprechenden: Ajinomoto Co., Inc.
Kammer: 3.3.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - nein - naheliegende Proteinreduzierung zur Verbesserung der Umweltverträglichkeit des Tierfuttermittelsupplements
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Auf die europäische Patentanmeldung Nr. 92 115 390.4 betreffend ein Tierfuttermittelsupplement auf Fermentationsbrühe-Aminosäurebasis, sowie ein Verfahren zu dessen Herstellung und dessen Verwendung wurde das europäische Patent Nr. 0 533 039 auf der Grundlage von fünfzehn Ansprüchen erteilt.

II. Gegen das erteilte Patent hatte die Beschwerdeführerin (Einsprechende) unter Hinweis auf die Artikel 100 a) EPÜ und 100 b) EPÜ wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit des Gegenstandes des Streitpatentes und mangelnder Offenbarung der Erfindung Einspruch eingelegt und zur Stützung des Einspruches unter anderem auf die Entgegenhaltungen

(1) EP-A-0 122 163

und

(2) JP-A-104553/1987,

letztere in der eingereichten englischen Übersetzung, verwiesen sowie im weiteren Verlauf des Einspruchsverfahrens unter anderem auf die Entgegenhaltung

(9) Feed Magazine 1/91, Seiten 20, 22 und 24,

Bezug genommen.

III. Die Einspruchsabteilung hat mit der am 7. September 1998 zur Post gegebenen Zwischenentscheidung nach Artikel 106 (3) EPÜ, aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22. April 1998, in deren Verlauf über einen Haupt- sowie einen ersten und sogenannten geänderten ersten Hilfsantrag zu entscheiden war, das Patent im Rahmen von Artikel 102 (3) EPÜ in geändertem Umfang aufrechterhalten. Die Produktansprüche 1 und 13 gemäß sogenanntem geänderten ersten Hilfsantrag lauteten wie folgt:

"1. Aminosäuretierfuttermittelsupplement auf Fermentationsbrühebasis, dadurch gekennzeichnet, daß das Aminosäuresupplement noch den überwiegenden Teil der Inhaltsstoffe der Fermentationsbrühe enthält, die Trockenmasse folgende Zusammensetzung aufweist:

Aminosäure(n) 40 - 90 Gew.-%

Proteine max. 7 Gew.-%

Carbonsäuren mit weniger als 8 C-Atomen max. 8 Gew.-%

Gesamtzucker max. 5 Gew.-%

Fette und Öle max. 5 Gew.-%

Mineralstoffe 3 - 30 Gew.-%,

und daß das Aminosäuresupplement direkt durch Sprühtrocknung aus der Fermentationsbrühe gewonnen werden kann.

13. Tierfuttermittel oder Prämix, gekennzeichnet durch einen Gehalt an Aminosäuretierfuttermittelsupplement gemäß einem der vorhergehenden Ansprüche."

Die Einspruchsabteilung begründete ihre Entscheidung im wesentlichen damit, daß dem Gegenstand des Streitpatentes nach Hauptantrag bei beanspruchtem Proteingehalt in der Trockenmasse von maximal 10. % Gew.-% gegenüber der Entgegenhaltung (1) die Neuheit zwar zuerkannt werden könne, jedoch ausgehend von dem Produkt nach dieser Entgegenhaltung, das sich im Proteingehalt der Trockenmasse lediglich um 0,2 % vom Produkt gemäß Anspruch 1 des Hauptantrages unterscheide, bei Fehlen einer besonderen Wirkung, die notwendige erfinderische Tätigkeit nach Artikel 56 EPÜ nicht zuerkannt werden könne.

Der erste Hilfsantrag wurde im Hinblick auf Einwände unter den Artikeln 123 (3) EPÜ und 83 EPÜ, die die Streichung des Merkmales "...zumindest teilweisem Reduzieren der Biomasse..." im Verfahrensanspruch 7 betrafen, von der Beschwerdegegnerin (Inhaberin des Streitpatents) nicht aufrechterhalten.

Nach Auffassung der Einspruchsabteilung erfüllte der Gegenstand des sogenannten ersten geänderten Hilfsantrages im Lichte der Beschreibung des Streitpatentes die Erfordernisse der Artikel 84 und 83 EPÜ und im Hinblick auf den gegenüber dem Stand der Technik um 3 % verminderten Proteingehalt auf maximal 7. % auch die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ. Weder auf der Grundlage der Entgegenhaltung (1) für sich genommen, noch in Kombination mit der Entgegenhaltung (2), der die Bedeutung eines niedrigen Proteingehaltes nach Abtrennung der Biomasse in keinster Weise zu entnehmen sei, habe für den Fachmann eine Veranlassung bestanden, das Tierfuttermittelsupplement nach der Entgegenhaltung (1) im Stickstoff- bzw. Proteingehalt weiter abzusenken.

IV. Die Beschwerdeführerin hat gegen diese Entscheidung Beschwerde erhoben. Am 18. April 2002 hat eine mündliche Verhandlung stattgefunden, in deren Verlauf die Beschwerdegegnerin einen neuen Haupt- und Hilfsantrag überreichte.

V. Der Anspruchssatz gemäß Hauptantrag unterschied sich von dem von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Anspruchssatz durch die Streichung des auf ein Tierfuttermittel gerichteten vormaligen Anspruches 13, gegen dessen Gegenstand Bedenken im Rahmen von Artikel 54 (1) EPÜ vorgetragen wurden.

Der Hilfsantrag enthielt einen unabhängigen Verfahrensanspruch 7, der das Merkmal des zumindest teilweisen Reduzierens der die Biomasse bildenden Mikroorganismen nicht mehr enthielt.

Im Hinblick auf Einwände unter Artikel 123 (2) und (3) EPÜ der Beschwerdeführerin, gegen diesen geänderten Verfahrensanspruch und nachdem auch die Kammer die Bedenken gegen die Zulässigkeit dieses Anspruches geteilt hatte, wurde dieser Antrag von der Beschwerdegegnerin nicht mehr aufrechterhalten.

VI. Nachdem im Verlaufe der mündlichen Verhandlung die Frage der Zugänglichkeit der in der Ursprungsoffenbarung zum Streitpatent auf Seite 13, erster Absatz zur Ausführung der Fermentation genannten Druckschrift DE-A-41 30 867 in Form der entsprechenden europäischen Patentanmeldung am Anmeldetag eindeutig geklärt werden konnte, hatte die Beschwerdeführerin auf weitere Einwendungen zum Einspruchsgrund unter Artikel 100 b) EPÜ verzichtet.

Gleichfalls hatte die Beschwerdeführerin im Verlaufe der mündlichen Verhandlung eingeräumt, daß die Gesamtheit der obligatorischen Merkmale des Anspruches 1 des Hauptantrages nicht explizit einer der genannten Entgegenhaltungen zu entnehmen sei und daß die zum Nachweis mangelnder Neuheit des Gegenstandes des Streitpatentes vorgelegten experimentellen Daten von nachgearbeiteten Beispielen des Standes der Technik auf einer im Hinblick auf die Erfindung getroffenen Auswahl von dem Fachmann geläufigen Parametern zur Durchführung einer Fermentation beruhten und hatte auf weitere Einwendungen im Rahmen von Artikel 54 (1) EPÜ gegenüber der geänderten Anspruchsfassung verzichtet.

VII. Die Beschwerdeführerin hat schriftlich und mündlich zur Frage der erfinderischen Tätigkeit des beanspruchten Aminosäuretierfuttermittelsupplements unter anderem vorgetragen, daß ausgehend von der Entgegenhaltung (1) als nächstkommenden Stand der Technik die dem Streitpatent zugrundeliegende Aufgabe lediglich darin gesehen werden könne, den Stickstoffgehalt im Produkt zu verringern und daß die beanspruchte Lösung in der Verringerung des Proteingehaltes dem Fachmann in Verbindung mit dem Offenbarungsgehalt der Entgegenhaltung (9), welche eine Verbesserung der Umweltverträglichkeit von Futtermitteln in Abhängigkeit von einem niedrigen Proteingehalt aufzeige, unmittelbar nahegelegt sei. Entsprechende Verfahrensweisen durch Entfernen der Biomasse seien in der Entgegenhaltung (2) beschrieben.

VIII. Die Beschwerdegegnerin hat dem widersprochen und unter anderem ausgeführt, daß die Entgegenhaltung (1) zwar einen realistischen Startpunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit darstelle, eine Verknüpfung des Offenbarungsgehaltes dieser Entgegenhaltung als nächstkommender Stand der Technik mit den Entgegenhaltungen (2) und/oder (9) aufgrund vollkommen unterschiedlicher Aufgabenstellungen jedoch abwegig sei.

Das Streitpatent zeige eindeutig, daß bereits einzig durch das erfindungsgemäße Führen der Fermentation eine Proteinreduktion in der noch vollständigen Fermentationsbrühe ohne Abtrennen der Biomasse möglich sei.

Die Entgegenhaltung (1) offenbare eine vollkommen unterschiedliche Verfahrensführung der Fermentation, die zu unterschiedlicher Zusammensetzung des Tierfuttermittelsupplements mit nur sehr geringem Aminosäuregehalt an Lysin führe.

Die Entgegenhaltung (2) habe zur Aufgabe, eine feste Zusammensetzung bereitzustellen, die einen hohen Gehalt an Lysin enthielte und wenig hygroskopisch sei, was durch den Einsatz von Lysinhydrochlorid anstelle von Sulfat und Eindicken der Fermentationsbrühe unter milden Bedingungen erreicht werde.

Insbesondere sei zu vermerken, daß der Verfasser der Entgegenhaltung (9) lediglich eine Reduzierung des Stickstoffgehaltes im eigentlichen Futtermittel in seine Betrachtungen als mögliche Maßnahme einbezogen habe, und zwar eine Futtermittelproteinreduzierung im Rahmen der Supplementierung des Futtermittels mit reinen Aminosäuren, ohne jedoch die dem Streitpatent zugrunde liegende erfinderische Maßnahme der direkten Einflußnahme über die Zusammensetzung der Fermentationsbrühe, also die Maßnahme z. B. die Aminosäure wie Lysin und die zu deren Herstellung anwesende Biomasse in der zur Herstellung des Tierfuttermittelsupplements eingesetzten Fermentationsbrühe anteilmäßig zu berücksichtigen, weder in Betracht gezogen noch als möglich angesehen haben konnte.

IX. Die Beschwerdeführerin beantragte zuletzt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents.

Die Beschwerdegegnerin beantragte zuletzt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents gemäß Hauptantrag, eingereicht während der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Die Beschwerdeführerin hat in der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer zuletzt ihre Einwände unter Artikel 83 EPÜ und Artikel 54 (1) EPÜ nicht aufrechterhalten und hat nach Befragung von Seiten der Kammer auch keine weiteren Einwände unter Artikel 123 (2) und (3) EPÜ sowie Artikel 84 EPÜ gegen die Anspruchsfassung des geänderten Hauptantrages geltend gemacht (vgl. voranstehend Absatz VI des Sachverhaltes).

Da die Kammer in bezug auf die Fassung des Anspruchssatzes nach geltendem Hauptantrag insgesamt auch keine Bedenken im Hinblick auf die Erfordernisse der Artikel 84, 123 und 54 EPÜ hat, erübrigt es sich, im einzelnen auf die Gewährbarkeit des Hauptantrages im Rahmen letztgenannter Erfordernisse des EPÜ einzugehen.

3. Gemäß Anspruch 1 des Hauptantrages, dessen Wortlaut dem voranstehend unter Absatz III des Sachverhaltes aufgeführten Anspruch 1, der der Entscheidung der Einspruchsabteilung zugrunde lag, entspricht, wird im Sinne von Artikel 84 EPÜ, erster Satz, als Gegenstand eindeutig und klar Schutz für eine stoffliche Zusammensetzung als solche begehrt.

Ausgehend vom beanspruchten absoluten Stoffschutz umfaßt Anspruch 1 dem Wortlaut folgend: "daß das Aminosäuresupplement noch den überwiegenden Teil der Inhaltsstoffe der Fermentationsbrühe enthält, die Trockenmasse folgende Zusammensetzung aufweist: ...Proteine max. 7 Gew.-%", das beanspruchte Produkt als solches unabhängig vom Verfahren zu dessen Herstellung ist und nicht auf eine bestimmte Proteinreduzierung in der Verfahrensführung der Fermentation, wie von der Beschwerdegegnerin in ihrer Argumentation vorausgesetzt, eingeschränkt.

Gleiches betrifft die im Anspruchsbegehren lediglich als beispielhaft und nicht obligatorisch aufzufassende Angabe: "...daß das Aminosäuresupplement direkt durch Sprühtrocknung aus der Fermentationsbrühe gewonnen werden kann." (Unterstreichung hinzugefügt). Diese rein fakultative Maßnahme kann daher keinerlei Beschränkung des beanspruchten Aminosäuresupplements auf durch Sprühtrocknung erhaltene Produkte gemäß Anspruch 1 bewirken.

Schließlich ist festzustellen, daß das Aminosäuretierfuttermittelsupplement gemäß Anspruch 1 des Hauptantrages dem Wortlaut nach nicht auf einen definierten Aggregatzustand eingeschränkt ist, sondern lediglich auf einen zahlenmäßigen Prozentsatz auf Trockenmassebasis verwiesen wird.

4. Die Kammer vermag dem Vortrag der Beschwerdeführerin sowie dem der Beschwerdegegnerin zu folgen, daß die Entgegenhaltung (1) zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit den dem Gegenstand des Streitpatentes nächstkommenden Stand der Technik darstellt.

4.1. Die Entgegenhaltung (1) offenbart eine die Aminosäure Lysin als Basis enthaltende Zusammensetzung, welche ausgehend von einer entsprechenden Fermentationsbrühe hergestellt werden kann und zur Verwendung als Tierfutter bzw. zur Beimischung zum Tierfutter bestimmt ist (vgl. insbesondere Seite 1, erster Absatz, Seite 2, Zeilen 9 bis 15, Seite 4, Zeilen 23/24 sowie Seite 7, Zeilen 16 bis 20).

Gemäß Seite 3, Zeile 20 übergreifend Seite 4, Zeile 4, sowie Anspruch 5 läßt sich die in der Entgegenhaltung (1) als erfindungsgemäß dargestellte Zusammensetzung folgendermaßen prozentual charakterisieren:

Trockenmasse............................. 95 bis 98 %

Lysin(ausgedrückt als Base).............. 35 bis 48 %

Proteine ................................ 10 bis 15 %

freie Aminosäuren (Gesamtmenge ausgenommen Lysin)........... 1 bis 3 %

Milchsäure .............................. 0,5 bis 3 %

weitere [Carbon-]Säuren mit weniger als 8 Kohlenstoffatomen .......... 2 bis 10 %

Poly- und Oligosaccharide ................ 2 bis 7 %

Fette und Öle ............................ 1 bis 6 %

Wasser .................................. 0,5 bis 3 %

Mineralstoffe ........................... 10 bis 25 %

4.2. Wie von der Beschwerdegegnerin nicht bestritten, unterscheidet sich die Zusammensetzung gemäß Anspruch 1 des geltenden Hauptantrages von voranstehender Zusammensetzung gemäß der Entgegenhaltung (1) lediglich durch einen verminderten Proteingehalt.

4.3. Im Einklang mit der Beschreibung der Streitpatentschrift, Seite 4, Zeilen 47 bis 58 bzw. den Unterlagen zur ursprünglichen Offenbarung des Streitpatents, Seite 7, letzter Absatz sowie Seite 8, erster Absatz, enthaltend die konkrete Aussage: "Insbesondere die Gülle kann zu gravierenden Umweltproblemen führen", kann im Hinblick auf die voranstehenden Ausführungen zum nächstkommenden Stand der Technik die dem Streitpatent zugrundeliegende Aufgabe in der Bereitstellung eines umweltverträglicheren Aminosäuretierfuttermittelsupplements gesehen werden.

4.4. Diese Aufgabe soll gemäß Anspruch 1 des geltenden Hauptantrages durch ein Aminosäuretierfuttermittelsupplement, das dadurch gekennzeichnet ist, daß die Trockenmasse einen Gehalt an Proteinen von maximal 7 Gew.-% aufweist, gelöst werden.

Mit Bezug auf die in den Beispielen 2 und 4 zum Streitpatent hergestellten Tierfuttermittelsupplemente, enthaltend L-Lysinbase und L-Tryptophan mit jeweils 2,6 Gew-% bzw. 1,7 Gew.-% Proteingehalt, kann die bestehende Aufgabe auch als tatsächlich gelöst angesehen werden.

5. Die Entgegenhaltung (1) enthält, wie von der Beschwerdegegnerin zu Recht vorgetragen, keine Anregung für eine weitere Absenkung des Proteingehaltes in der Futtermittelsupplementzusammensetzung. Die von der Beschwerdeführerin in der Gegenargumentation hierzu insbesondere angeführte Passage auf Seite 2, Zeilen 9 bis 15, der Entgegenhaltung (1) erlaubt jedenfalls keine konkreten Rückschlüsse auf die gezielte Absenkung einer definierten Komponente, um, wie dort gefordert, auf industrielle und reproduzierbare Art und Weise eine Zusammensetzung mit hohem Lysingehalt zu erhalten.

6. Der mit der bestehenden Aufgabe hinsichtlich der Umweltproblematik konfrontierte Fachmann kennt jedoch die mit der Entsorgung der Gülle verbundenen Nachteile eines unerwünschten Stickstoff- und Phosphoraustrages auf landwirtschaftlichen Flächen, wie beispielsweise in der Entgegenhaltung (9), Seite 20, die ersten beiden Spalten linke Blattseite beginnend, eingehend dargestellt. Gemäß voranstehender Passage, vgl. dort insbesondere die erste linke Spalte, letzter Absatz, erster Satz, sowie Artikelüberschrift, hat der Autor der Entgegenhaltung (9) sein besonderes Augenmerk auf die Analyse des Stickstoffaustrages gerichtet.

6.1. Allgemeinen regionalen und statistischen Betrachtungen zu Stickstoffemissionen und Tierzuchthaltungen folgend wird in der Entgegenhaltung (9) auf der Seite 22, dritte Spalte von links mit der Überschrift: Herabsenkung des Proteingehaltes im Futter vermindert drastisch die Umweltverschmutzung ("Decrease of Protein Level in Feed drastically cuts Pollution"), beginnend, dem Fachmann allgemein vermittelt, daß in bezug auf die Futtergehalterfordernisse an Futter für monogastrische Tiere, welche an sich keiner gesonderten Proteinzufuhr bedürfen, also insbesondere die Schweine- und Geflügelhaltung betreffend, eine entsprechende Proteinreduzierung als die wirksamste Maßnahme zur Vermeidung einer stickstoffbedingten Umweltschädigung dargestellt.

6.2. Die Kammer ist davon überzeugt, daß bereits dieser Hinweis auf die Vermeidung von Umweltschäden mittels reduzierter Proteinzufuhr im Futter dem Fachmann hinreichend Anregung bietet, bei geforderter Bereitstellung eines umweltverträglicheren Aminosäuretierfuttermittelsupplements gegenüber der in der Entgegenhaltung (1) beschriebenen Futtermittelzusammensetzung, einzig den prozentualen Anteil an Proteinen weiter zu senken.

6.3. Die Beschwerdegegnerin hat in ihrer Gegenargumentation zwar zu Recht vorgetragen, daß in der Entegenhaltung (9) den voranstehend zitierten Textpassagen folgend u. a. auf die Verfügbarkeit der zur Verfütterung geeigneten reinen Aminosäuren wie z. B. L-Lysin HCl und L-Tryptophan verwiesen wird, um niedrige Proteingehalte im fertigen Futtermittel durch gezielten Zusatz von solchen reinen Aminosäuren zu erreichen und daß der Autor der Entgegenhaltung (9) nicht eine Verminderung des Proteingehaltes in der Fermentationsbrühe eines Futtermittelsupplements bei gleichzeitiger Anwesenheit von z. B. Lysin als Aminosäurekomponente und der gesamten oder teilweisen Biomasse in Betracht gezogen habe.

Diese Argumentation kann jedoch mit Bezug auf die voranstehenden Ausführungen unter Punkt 3 zum geltend beanspruchten Gegenstand als Produktanspruch per se keinen Bestand haben, da, wie eingehend dargelegt, im vorliegenden Falle die zu beurteilende Zusammensetzung unabhängig von der Verfahrensführung der Fermentation sowie der anschließenden Aufarbeitung der Fermentationsbrühe zu einem Produkt nicht definierten Aggregatzustandes, lediglich auf Trockenmassebasis berechnet, gesehen werden muß.

6.4. Im übrigen ist die Kammer überzeugt, daß der Fachmann, einmal zur Proteinreduzierung angeregt, entgegen dem Vortrag der Beschwerdegegnerin, nicht zwischen einer Reduzierung im Tierfutter und Tierfuttermittelsupplement unterscheiden wird, wenn, nachweislich der Proteingehalt als solcher im verfütterten Produkt die Umweltschädigung hervorruft.

6.5. Bei vorrangig bestehender Aufgabe der Umweltproblematik sind dann auch die in der Entgegenhaltung (9) noch angeführten Futtermittelkostenerhöhungen durch die Zufuhr reiner Aminosäuren sowie mangelnde gesetzliche Vorgaben durch die Europäische Union oder einzelner ihrer Mitgliedsstaaten keine tatsächlichen Gründe, die den Fachmann von einer weiteren Proteinreduzierung abhalten würden.

6.6. Daß die in der Entgegenhaltung (9) vorgeschlagene Proteinreduzierung zur Vermeidung von Umweltschäden auch in einfacher und üblicher Verfahrensweise für den Fachmann auf die Zusammensetzung nach der Entgegenhaltung (1) angewandt werden kann, zeigt die Lehre der Entgegenhaltung (2), vgl. Seite 1, Anspruch in Verbindung mit Seite 4, letzter Absatz übergreifend Seite 5, erster Satz, gemäß der bei einem Verfahren zur Herstellung eines Tierfuttermittels auf Lysinbasis durch einfache Abtrennung unter anderem mittels Zentrifugation oder Filtration der Zellmasse der Mikroorganismen (Biomasse) aus der Fermentationsbrühe der Aminosäuregehalt der Zusammensetzung erhöht werden kann. Aufgrund des unbestritten nicht unerheblichen Anteiles an Proteinen in der Biomasse wird durch diese Maßnahme dann der Proteingehalt im Vergleich zum Aminosäuregehalt nicht nur relativ sondern auch absolut im Futtermittel verringert.

6.7. Daß eine solche Reduzierung des Proteingehaltes mittels Entfernung der Biomasse aus der Fermentationsbrühe als technisch realistisch angesehen werden muß und nicht nur rein formal von Anspruch 1 mitumfaßt ist, zeigt nicht nur der abhängige Anspruch 2 des Hauptantrages mit dem Wortlaut: "Supplement nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß ein Teil der Biomasse entfernt wurde", sondern auch der Umstand, daß die Beschwerdegegnerin in ihren erfolglosen Versuchen zu Änderungen des Anspruchsbegehrens gerade besagten Schritt der Biomasseabtrennung vom Gegenstand des Streitpatentes ausschließen wollte (vgl. hierzu insbesondere die Absätze III. und IV. des Sachverhaltes).

6.8. Da auch in der Verminderung des Proteingehaltes auf maximal 7 Gew.-% keine nachweislich kritische Grenze zu sehen ist - die Beschwerdegegnerin hat hierzu auch nichts vorgetragen -, kann die Kammer nur schließen, daß die beanspruchte Lösung der bestehenden Aufgabe und folglich die Bereitstellung des Aminosäuretierfuttermittelsupplements nach Anspruch 1 des Hauptantrages sich in naheliegender Weise für den Fachmann aus dem bekannten Stand der Technik ergibt.

Anspruch 1 des Hauptantrages erfüllt demzufolge nicht die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ, so daß diesem Antrag der Beschwerdegegnerin insgesamt nicht stattgegeben werden kann.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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