T 0883/98 () of 13.3.2001

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2001:T088398.20010313
Datum der Entscheidung: 13 März 2001
Aktenzeichen: T 0883/98
Anmeldenummer: 93110425.1
IPC-Klasse: C08G 18/42
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zur Herstellung foggingarmer Polyesterpolyurethan-Weichschaumstoffe und ihre Verwendung in Verkehrsmitteln
Name des Anmelders: BAYER AG
Name des Einsprechenden: BASF Aktiengesellschaft Ludwigshafen
WITCO
C.O.I.M. S.p.A. - CHIMICA ORGANICA INDUSTRIALE MILANESE
BAXENDEN CHEMICALS LIMITED
Kammer: 3.3.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 114(1)
European Patent Convention 1973 Art 114(2)
Schlagwörter: Neuheit (Verwendungsanspruch) - (verneint)
Erfinderische Tätigkeit (Herstellungsverfahren) - naheliegende Kombination bekannter Merkmale
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0969/91
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Bekanntmachung des Hinweises auf die Erteilung des europäischen Patents Nr. 0 579 988 auf die europäische Patentanmeldung Nr. 93 110 425.1, die am 30. Juni 1993 eingereicht worden war und die Priorität einer früheren Patentanmeldung in Deutschland vom 13. Juli 1992 (4223014) beanspruchte, erfolgte am 8. März 1995 (Patentblatt 95/10). Das Patent enthielt 5 Ansprüche folgenden Wortlauts:

"1. Verfahren zur Herstellung von foggingarmen Polyesterpolyurethan-Weichschaumstoffen durch Umsetzung von

a) Polyisocyanaten mit

b) mindestens zwei Hydroxylgruppen aufweisenden Polyestern vom Molekulargewicht 400 bis 10 000 in Gegenwart von

c) Wasser und/oder leicht flüchtigen organischen Verbindungen als Treibmittel und gegebenenfalls in Gegenwart von

d) mindestens zwei aktive Wasserstoffatome aufweisenden Verbindungen vom Molekulargewicht 32 bis 400 als Kettenverlängerungs- und Vernetzungsmitteln sowie gegebenenfalls von

e) an sich bekannten Hilfs- und Zusatzstoffen,

dadurch gekennzeichnet, daß als Polyester b) solche verwendet werden, die nach ihrer Herstellung einer kontinuierlichen Destillation bei einer mittleren Verweilzeit von 2 bis 600 s und einer Temperatur von 160 bis 250°C, vorzugsweise 180 bis 230°C, und einem Druck von 0,05 bis 10 mbar, vorzugsweise 0,1 bis 3. mbar, unterworfen worden sind.

2. Verfahren gemäß Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Destillation des Polyesters unter Zusatz von 1. bis 5 Gew.-% (bezogen auf Polyester) eines inerten Lösungsmittels vom Siedepunkt 150 bis 300°C als Schleppmittel erfolgte.

3. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Destillation des Polyesters unter Zusatz von 1-10, vorzugsweise 3-6 Gew.-% eines Diols oder mehrerer Diole aus der Reihe Ethylenglykol, Propylenglykol, Butandiol-1,2 und -1,4, Pentandiol-1,5, 3-Methyl-pentandiol-1,5, Hexandiol, 2-Ethyl-hexandiol-1,3, Diethylenglykol, Triethylenglykol und Dipropylenglykol/Isomerengemisch) erfolgte.

4. Verfahren nach Anspruch 1 und 3, dadurch gekennzeichnet, daß der eingesetzte Polyester aus Adipinsäure, Diethylenglykol und Trimethylolpropan bzw. Glycerin hergestellt wurde und das zugesetzte Schleppmittel Diethylenglykol ist.

5. Verwendung der nach den Verfahren gemäß Ansprüchen 1 bis 4 erhältlichen foggingarmen Polyesterpolyurethan-Weichschaumstoffe in Verkehrsmitteln, vorzugsweise Automobilen."

II. Gegen die Erteilung wurden am 5., 6. und 8. Dezember 1995 unter Hinweis auf insgesamt 22 Druckschriften und Literaturstellen insgesamt vier Einsprüche eingelegt. Gegen die Verfahrensansprüche wurde von allen Einsprechenden mangelnde erfinderische Tätigkeit geltend gemacht. Zwei Einsprechende erhoben darüber hinaus einen Neuheitseinwand gegen den Verwendungsanspruch 5. Alle Einsprechenden beantragten den Widerruf des Patents.

III. In der am 16. Juli 1998 mündlich verkündeten und am 29. Juli 1998 schriftlich begründeten Entscheidung der Einspruchsabteilung, der ein Haupt- und ein Hilfsantrag zugrundelagen, wurden die Druckschriften und Literaturstellen

D4: DE-A-4 133 306,

D7: EP-A-0 425 201,

D9: EP-A-0 435 364,

D12: Houben-Weyl, Methoden der organischen Chemie, Band E20, 1987, Seiten 1597 bis 1599 und

D18: ATZ Automobiltechnische Zeitschrift, 93 (11), 1991, Seiten 688, 689 und 692 bis 695.

als die relevantesten erachtet und das Patent widerrufen. Der Hilfsantrag unterschied sich vom Hauptantrag, der die Zurückweisung der Einsprüche und die Aufrechterhaltung des Streitpatents in unverändertem Umfang zum Gegenstand hatte, lediglich durch die Streichung des Verwendungsanspruchs 5.

i) Der Hauptantrag wurde wegen fehlender Neuheit von Anspruch 5 gegenüber D4, der Hilfsantrag wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit gegenüber der Kombination der genannten Druckschriften für nicht patentfähig erachtet, wobei übereinstimmend mit den Parteien D4 als nächstliegender Stand der Technik angesehen wurde. D9 wurde in der Entscheidung nur als Beleg dafür zitiert, daß auch die Ansprüche 2 bis 4 nichts zur erfinderischen Tätigkeit hätten beitragen können.

ii) Dem Patent habe gegenüber D4 die Aufgabe zugrundegelegen, ein weiteres gutes Verfahren zur Herstellung foggingarmer Polyester-Polyurethan- (-PU)-Weichschaumstoffe zur Verfügung zu stellen.

iii) Aus D7 und D18 habe der Fachmann entnehmen können, welche Stoffe für das Fogging verantwortlich seien, daß verunreinigungsärmere Rohstoffe eingesetzt werden sollten bzw. daß hauptsächlich die Ausgangsstoffe bei der Polyester-Herstellung für das Fogging verantwortlich zu machen seien.

D12 sei zu entnehmen gewesen, wie Restmonomere aus Polyestern zu entfernen seien, beispielsweise durch Dünnschicht-Destillation.

IV. Gegen diese Entscheidung der Einspruchsabteilung legte die Beschwerdeführerin (BF, Patentinhaberin) am 4. September 1998 bei gleichzeitiger Entrichtung der vorgeschriebenen Gebühr Beschwerde ein, die sie am 7. Dezember 1998 begründete. Mit ihrer Beschwerde verfolgt die Patentinhaberin ihren Hauptantrag auf Aufrechterhaltung des Streitpatents im erteilten Umfang weiter. Außerdem legte sie ein Gutachten der Landesgewerbeanstalt Bayern (im weiteren: "Gutachten") vor.

i) Zur Neuheit des Verwendungsanspruchs machte die BF unterschiedliche Strukturen der verwendeten Polyurethan-Schaumstoffe (PU-Schaumstoffe) geltend, da die zu deren Herstellung eingesetzten Polyole im Gehalt an destillativ entfernbaren niedermolekularen Verbindungen erheblich von denen in D4 abwichen. Dies werde durch das "Gutachten" belegt, das in den gemäß D4 hergestellten Schaumstoffen einen wesentlich höheren kondensierbaren Anteil als in den gemäß Streitpatent eingesetzten Schäumen zeige. Auch führe der höhere Gehalt an niedermolekularen Verbindungen in den bekannten Schäumen zu einem höheren Vernetzungsgrad der Schaummatrix.

ii) Zur erfinderischen Tätigkeit legte die BF dar, das Verfahren von D4, bei dem der fertige PU-Weichschaum zur Reduzierung des Foggings einem zusätzlichen Verfahrensschritt, einer Temperung, unterzogen werden müsse, könne durch die dabei anfallenden flüchtigen Bestandteile zu ökologischen Problemen führen und sei auf Schaumstoffe geringer Dicke, wie Folien oder Platten limitiert (D4: Seite 3, Zeilen 19 bis 21). Das "Gutachten" zeige außerdem, daß die in D4 angegebenen niedrigen Fogging-Werte überhaupt nicht erreicht würden.

Gegenüber D4 müsse die zu lösende Aufgabe in der Bereitstellung eines verbesserten Verfahrens zur Herstellung foggingarmer PU-Weichschaumstoffe gesehen werden, das sich zur Herstellung von Schaumstoffteilen beliebiger Dicke eigne und ökonomisch vorteilhaft sei.

Die Lösung dieser Aufgabe liege in der Verwendung einer Polyesterpolyol-Komponente, die vor der Verschäumung einer Destillation unter spezifischen Destillationsbedingungen unterzogen werde. Damit sei das Verfahren technisch wesentlich weniger aufwendig als das Verfahren gemäß D4. Zudem seien die anspruchsgemäß hergestellten Schäume, weitgehend unabhängig von der Schaumstoffdicke, wesentlich foggingärmer als die von D4.

Am Prioritätstag sei nicht bekannt gewesen, welche Verbindungen für den Foggingeffekt verantwortlich seien. Beim Verweis in der Entscheidung auf D7 und D18, denen diese Information habe entnommen werden können, sei übersehen worden, daß D7 ein völlig anderes technisches Gebiet betreffe. Es gebe daher keinerlei Bezug zur Lösung der gestellten Aufgabe.

Nach D18 solle der Hauptemittent ein Adipinsäureester sein, es fehle jedoch jeder Hinweis auf eine Lösung des vorliegenden Problems, denn es handle sich zum einen dort nicht um PU-Weichschaum, zum anderen sei eine Vielzahl solcher Ester denkbar. Aus D18, Bild 14 sei auch ersichtlich, daß in der Fachwelt viele mögliche Quellen für den Fogging-Effekt diskutiert und eine Vielzahl von Gegenmaßnahmen vorgeschlagen worden seien, z. B. Einsatz anderer Kunststoffe, Temperung nach der Schaumstoffherstellung, Optimierung von Verarbeitungsparametern, Einsatz von Grundmaterialien mit geringerem Gehalt an Restmonomeren, Oligomeren und Verunreinigungen, Verwendung weniger flüchtiger Hilfsmittel und Katalysatoren, Versiegelung der im KFZ-Innenausbau eingesetzten Kunststoffe.

Dies zeige die Komplexität des Fogging-Problems vor dem Prioritätstag des Streitpatents. Auch aus D12 sei nicht zu entnehmen gewesen, daß bestimmte cyclische Ester dafür verantwortlich seien, zumal diese fünf Jahre ältere Literaturstelle keinen Bezug zum Fogging-Verhalten habe.

V. Die Beschwerdegegnerinnen (BG) haben in ihren Beschwerdeerwiderungen die Begründung der Einspruchsabteilung unterstützt und dem Vorbringen der BF widersprochen. Im wesentlichen wurde von den BG vorgetragen:

i) Wegen der gleichen eingesetzten obligatorischen Komponenten und wegen fehlender Begrenzung der Menge Fogging verursachender Komponenten könne es keine bemerkenswerten strukturellen Unterschiede zwischen den Schäumen von D4 und denen des Streitpatents geben. Gemäß der Lehre des Streitpatents könnten die Schaumstoffe gegebenenfalls niedermolekulare H-funktionelle Verbindungen enthalten, die als Vernetzer dienten. Da es aber gleichgültig sei, ob der Vernetzer extra zugegeben werde oder bereits im Polyesterpolyol vorhanden sei, könne damit kein Unterschied der Schaumstoffmatrix gegenüber D4 begründet werden. Überdies sei die Vernetzung des Schaums für die Lehre des Streitpatents irrelevant. D4 lehre, Schaumstoffe mit vermindertem Fogginggehalt in Verkehrsmitteln einzusetzen.

ii) Im Streitpatent seien keinerlei Aussagen zu Foggingwerten oder Definitionen von Bereichen dieser Werte zu finden, lediglich in den Beispielen seien Meßwerte angegeben, diese lägen jedoch deutlich über denen gemäß D4.

iii) D4 sei zweifelsfrei zu entnehmen, daß durch Temperung das Fogging der dortigen Schaumstoffe vermindert werden könne.

iv) Die Versuchsdurchführung im "Gutachten" stelle keine genaue Wiederholung von Beispiel 1 aus D4 dar, denn z. B. wichen die dort angegebenen Ausmaße und Dichten von Schaumstoffblöcken stark von denen gemäß D4 ab. Aus einer einzigen Versuchswiederholung könne überdies nicht auf die Unausführbarkeit von D4 geschlossen werden. Zu den Meßwerten des Foggings im "Gutachten" müsse zudem festgestellt werden, daß sie stark von den zur Temperung eingesetzten Öfen (mit oder ohne Luftumwälzung) abhingen.

v) Anspruch 5 dürfe wegen des darin verwendeten Begriffs "erhältlich" nicht so ausgelegt werden, als stellten die Verfahrens- und Zusammensetzungsmerkmale wirkliche Einschränkungen dar, Anspruch 5 sei also nicht auf die direkten Verfahrensprodukte des beanspruchten Verfahrens beschränkt. Außerdem sei der weiterhin verwendete Begriff "foggingarme Polyester-Polyurethan-Weichschaumstoffe" weder in den Ansprüchen noch in der Patentschrift definiert und gelte gleichermaßen für die Produkte von D4.

vi) Zur durch den Patentgegenstand zu lösenden technischen Aufgabe wurde die Ansicht vertreten, es gebe keinerlei Anhaltspunkte für die Bereitstellung eines verbesserten Verfahrens.

Das beanspruchte Verfahren sei eine offensichtliche Alternative zum Verfahren von D4. Es sei überdies nicht notwendig gewesen, vor Befassung mit dem Fogging-Problem die dafür verantwortlichen Verbindungen zu identifizieren. D18 gebe aber ohnehin an, daß Adipinsäureester aus Polyester-Polyurethan den größten Beitrag zu diesem Effekt leisteten, also auch das Ziel der Beseitigung seien. Weitere Hinweise gebe auch D12 (Seite 1598).

vii) Eine BG reichte einen Versuchsbericht ein und trug dazu vor, die Verfahren gemäß Anspruch 1 des Streitpatents und gemäß D4 seien wiederholt und miteinander verglichen worden, wobei sich bei der Wiederholung gemäß Streitpatent etwas schlechtere Ergebnisse als bei der Wiederholung von D4 ergeben hätten.

VI. Mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung hat der Berichterstatter am 29. September 2000 einige zu klärende Punkte genannt und die BF zur Stellungnahme dazu vor der mündlichen Verhandlung aufgefordert:

i) So stelle sich die Frage, welche der Beispiele der Patentschrift vom Gegenstand des Streitpatents mitumfaßt werden, da nur sie für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit in Betracht gezogen werden könnten.

ii) Bei der Beurteilung von Nachstellungen von Versuchen aus Druckschriften sei zu beachten, ob sie eindeutige Wiederholungen des Standes der Technik ohne Modifikationen oder Ergänzungen darstellten (vgl. T 969/91 vom 8. Februar 1995, Punkt 3.2.1.2, nicht im Amtsblatt veröffentlicht).

VII. Daraufhin hat die BF mit einer Eingabe vom 11. Dezember 2000 zusätzlich fünf Hilfsanträge vorgelegt und ihre Position zur Neuheit des Verwendungsanspruchs gegenüber D4 und zur erfinderischen Tätigkeit der Verfahrensansprüche erneut dargelegt. Des weiteren wurden die Beispiele IB bis IIIB und IC bis IIIC des Streitpatents als erfindungsgemäß bezeichnet und ein Datenblatt mit Analysenergebnissen eines speziellen Polyesterpolyols vor und nach einer Dünnschichtdestillation eingereicht.

VIII. Mit einer Eingabe vom 12. Januar 2001 teilte die BG 4 mit, sie werde keinerlei aktiven Anteil am weiteren Verfahren nehmen.

IX. Die BG 2 rügte in einer weiteren Eingabe vom 12. Februar 2001 die zuletzt von der BF vorgebrachte Argumentationslinie und beantragte zur Durchführung von Gegenversuchen eine Vertagung der mündlichen Verhandlung sowie eine Kostenverteilung zu Lasten der BF. Außerdem zog sie die neu vorgelegten Daten in Zweifel. Auch die Zulässigkeit des Kategoriewechsels in den neuen Hilfsanträgen wurde unter Artikel 123 (3) EPÜ in Frage gestellt.

X. Am 13. März 2001 wurde die mündliche Verhandlung durchgeführt. An ihr nahmen die BF sowie die BG 1, BG 2 und BG 3 teil.

i) Während der mündlichen Verhandlung ersetzte die BF die bisherigen Hilfsanträge 1 und 4 durch neue Versionen (siehe den folgenden Abschnitt X.ii)) und ergänzte ihre schriftlichen Ausführungen im wesentlichen wie folgt:

Obgleich ihnen die Beweispflicht obliege, seien die BG jeglichen Nachweis der Identität der Weichschaumstoffe von D4 mit denen des Streitpatents schuldig geblieben. Wenn aber eine genaue Nacharbeitbarkeit wegen fehlender Offenbarung im Stand der Technik nicht möglich sei, so spreche dies für die Neuheit von Anspruch 5. des Streitpatents (vgl. die bereits erwähnte T 969/91).

Die angefochtene Entscheidung sei rechtsfehlerhaft, da von der BF vorgelegte Daten nicht berücksichtigt worden seien. So sei nachgewiesen worden, daß sich der Polyester bei der Destillation durch die Entfernung niedermolekularer Verbindungen verändere, wie dies z. B. seine Hydroxyl-Zahl und Viskosität verdeutlichten. Außerdem sei es im Hinblick auf D12, Seite 1598, überraschend, daß sich solche Verbindungen im Laufe der Zeit nicht nachbildeten.

In D4 werde als Polyol auf Polyether, Polyester, Polycarbonate und Polyesteramide verwiesen. Dagegen betreffe das Streitpatent die Auswahl eines speziellen Polyesters. Auch sei in D4 nur von Temperung des Produktes die Rede, dabei könnten aber im Schaum Folgereaktionen eintreten, z. B. durch Reaktion mit Wasser bei erhöhter Temperatur eine Hydrolyse oder zusätzliche Vernetzungen.

Zur Begründung des Naheliegens habe die Einspruchsabteilung D4 mit bis zu drei weiteren Druckschriften kombiniert. Dies spreche für das Vorliegen erfinderischer Tätigkeit. Aufgabe gegenüber D4 sei die Bereitstellung eines verbesserten, vereinfachten Herstellungsverfahrens für fogging-freie Polyester-PU-Weichschäume gewesen, bei dem die Notwendigkeit einer Nachbehandlung entfalle.

Selbst die Betrachtung des Verfahrens als reine Alternative zu D4 habe aber nicht nahegelegen, da weder D4 noch die übrigen zitierten Druckschriften D7, D12 und D18 einen Hinweis zur destillativen Entfernung nichtfunktioneller cyclischer Ester aus dem Polyester-Polyol enthalte. Nur solche Verbindungen könnten Fogging verursachen, denn funktionelle Verbindungen würden eingebaut und könnten also nicht aus dem Schaum entweichen. D4 enthalte keinerlei Hinweis auf die Lösung der Fogging-Problematik durch Modifikation einer Komponente und beschreibe zudem nur Blockschäume geringer Dicke, nicht aber Formschäume wie z. B. Automobilsitze.

D7 sei zum einen in der angefochtenen Entscheidung falsch zitiert worden, zum anderen befasse sich die Druckschrift nur mit inerten Weichmachern für Plastik, insbesondere PVC, und deren Migration. Von Weichschaum sei dort nirgends die Rede. Das Dokument sei daher nicht relevant.

D12 mache klar, daß durch die Destillation von Polyestern die kurzkettigen Anteile nur kurzzeitig entfernt würden, da sie sich erneut bilden würden. Die Destillation erfolge aber beim Polyester-Hersteller, die Schaumbildung aber erst beim Verarbeiter. Es erscheine daher bei Kenntnis von D12 widersinnig, die Temperung des fertigen Schaums durch eine Destillation des Polyols beim Hersteller mit anschließender üblicher Lagerung des Polyols beim Verarbeiter bis zum Verbrauch zu ersetzen.

D18 schweige sich über cyclische Verbindungen aus, die Natur des auf Seite 689, mittlere Spalte, genannten Adipinsäureesters sei nicht bekannt. Er könne beispielsweise aus der Flammkaschierung stammen (Seite 692), bei der eine Zersetzung des Polyurethans denkbar sei. Überhaupt bezeichne diese Druckschrift neben einer Vielzahl weiterer möglicher Ursachen (Seite 688) Polyetherpolyol-Polyurethan (Seite 692) als Hauptquelle für Fogging. Auch Flammschutzmittel würden genannt (Seite 693).

Keine der von den BG zitierten Entgegenhaltungen beschreibe eine destillative Behandlung von Polyesterpolyolen mittels Schleppmittel zur Entfernung von niedermolekularen Anteilen. Es erscheine geradezu kontraproduktiv, kurzkettige Verbindungen zuzusetzen, um kurzkettige Verbindungen zu entfernen.

Der auf Arbeitsverfahren gerichtete letzte Anspruch der Hilfsanträge 1 und 4 habe seine Basis im ursprünglichen Anspruch 5 sowie auf Seite 2, Zeile 51 ff., sein Schutzumfang sei gegenüber dem des erteilten Anspruchs 5 deutlich eingeschränkt.

ii) Die gültigen Fassungen aller Anträge der BF enthalten Ansprüche auf ein Verfahren zur Herstellung foggingarmer Polyester-PU-Weichschaumstoffe:

1. Der Hauptantrag entspricht der erteilten Fassung und enthält somit ebenso wie die Hilfsanträge 1 und 2 die erteilten Ansprüche 1. bis 4.

2. Die Ansprüche 1 und 2 der Hilfsanträge 3, 4 und 5 enthalten jeweils Kombinationen der erteilten Ansprüche 1 und 2 bzw. 1 und 3.

Daneben enthalten die gültigen Anspruchsfassungen zum Teil Ansprüche auf die Verwendung der Schäume:

3. Der Hauptantrag enthält den erteilten Anspruch 5, der wortgleich den Anspruch 4 des Hilfsantrags 3 bildet.

4. Die Hilfsanträge 1 und 4 enthalten jeweils einen "Verwendungs"-Anspruch 5 bzw. 4 folgenden Wortlauts: "Verfahren zur Nutzung foggingarmer Polyester-PU-Weichschaumstoffe, bei dem gemäß einem der Ansprüche 1 bis 4 (bzw. 3) ein foggingarmer Polyesterpolyurethan-Weichschaumstoff hergestellt und dieser in Verkehrsmitteln, vorzugsweise Automobilen, verwendet wird."

5. Die Hilfsanträge 2 und 5 enthalten keinen auf die Verwendung der Weichschaumstoffe gerichteten Anspruch.

iii) Die BG widersprachen dem Vortrag der BF und ergänzten ihren schriftlichen Vortrag:

- Die unabhängigen Ansprüche 1 und 5 der erteilten Fassung des Streitpatents seien hinsichtlich der Natur der Bestandteile und ihrer Mengen sehr allgemein gehalten. Dies gelte insbesondere für den Verwendungsanspruch 5, denn der Schaum müsse nur durch das Verfahren gemäß Anspruch 1 erhältlich sein. Es sei nicht erkennbar, daß der Schaum von Anspruch 1 sich von dem von D4 unterscheide, denn die eingesetzten Komponenten seien praktisch identisch und die Mengen seien nicht eingeschränkt. Zudem könnten die in Anspruch 1 definierten Bereiche der Destillationsbedingungen wegen ihrer Breite nicht als Abgrenzung dienen.

- Die Identität der das Fogging verursachenden Verbindung(en) sei im Hinblick auf den Wortlaut der Ansprüche für die Frage der Patentfähigkeit unerheblich.

- Es sei davon auszugehen, daß Beispiel 1 aus D4 im "Gutachten" nicht richtig nachgestellt worden sei. Nicht einmal die Identität der Ausgangsstoffe sei präzise festgestellt worden. Die letzten experimentellen Daten der BF seien überdies erst so kurzfristig vor der mündlichen Verhandlung eingereicht worden, daß dazu keine fundierte Stellungnahme mehr möglich sei.

- Von der Bereitstellung eines verbesserten Verfahrens könne nicht die Rede sein, denn es seien weder bessere Fogging-Werte noch eine Verfahrensvereinfachung zu erkennen. Beispielsweise seien die Meßwerte in den Beispielen I bis IIIC des Streitpatents schlechter als die in den Beispielen von D4. Die Temperung des Schaums in einem Ofen könne nicht als schwieriger bezeichnet werden als die Destillation des Polyester-Polyols. Als zu lösende technische Aufgabe komme daher nur die Bereitstellung einer Alternative in Frage.

- Sowohl D4 wie auch D18 behandelten das Fogging-Verhalten von Schaumstoffen in Automobilen. D18 verweise ausdrücklich auf Restmonomere als eine Foggingquelle (Bild 14) und auf Adipinsäureester aus dem Polyurethan-Schaum als Hauptemittenten (Seite 589, mittlere Spalte, Absatz 1). Ein ungünstiges Werkstoff-Foggingverhalten führe zu ungünstigem Foggingverhalten des Bauteils (Seite 692, linke Spalte).

- der Hinweis auf die Flammkaschierung in D18 (Seite 692, rechte Spalte und Seite 693, linke Spalte), beziehe sich ausschließlich auf Polsterstoffe im wesentlichen auf der Basis von Polyether-PU-Schaumstoff.

- D12 belege als Standardwerk, welches das allgemeine Fachwissen wiedergebe, daß man niedermolekulare Anteile aus einem Polyester-Polyol destillativ entfernen könne, das auch für die PU-Weichschaum-Herstellung verwendbar sei (Seite 1598, vor Tab. 238; Seite 1599, Tab. 239). Zwar bildeten sich solche Verbindungen allmählich wieder, der Fachmann wisse aber, daß und wie er dies beeinflussen könne, beispielsweise durch Vermeidung zu hoher Lagertemperaturen. Die Behauptung der BF, daß anspruchsgemäß eine Rückbildung niedermolekularer Bestandteile grundsätzlich unterbleibe, sei nicht nachvollziehbar, da die Bildung von Polyester aus den Monomeren eine klassische Gleichgewichtsreaktion sei.

- Es habe nahegelegen, die Beseitigung niedermolekularer Bestandteile zum Polyol-Hersteller zu verlagern, denn der destilliere während der Polyester-Herstellung durch Um- oder Veresterung ohnehin.

- Schleppmittel bei der Destillation einzusetzen, sei eine zum Basiswissen des Chemikers gehörende Maßnahme, ihre Auswahl liege innerhalb fachmännischen Könnens. Ebenso liege es nahe, als Schleppmittel niedermolekulare Verbindungen einzusetzen, beispielsweise solche, die unter die Definition der Komponente d) fielen, weil dadurch zusätzliche Verunreinigung vermieden werde.

- Der auf die Nutzung der Weichschaumstoffe gerichtete neue Verfahrensanspruch in den Hilfsanträgen 1 und 4 sei unklar, denn es sei nicht erkennbar, wofür Schutz begehrt werde. Die spezielle Abfolge der Schritte sei nicht ursprünglich offenbart, zudem sei der Schutzumfang breiter als der eines Verwendungsanspruchs (Artikel 123 (2) und (3) EPÜ). Außerdem sei die Änderung der Anspruchskategorie erst in der mündlichen Verhandlung als verspätet anzusehen, da sich die Gegenparteien nicht genügend darauf hätten einstellen können, um fundiert dazu Stellung zu nehmen.

XI. Nach Abschluß der Diskussion beantragte die Beschwerdeführerin die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Streitpatents auf der Grundlage der erteilten Ansprüche (Hauptantrag) oder auf der Grundlage eines der Hilfsanträge: Hilfsanträge 1 und 4, eingereicht in der mündlichen Verhandlung; Hilfsanträge 2, 3 und 5, eingereicht mit Schriftsatz vom 11. Dezember 2000 (siehe Abschnitt X.ii)).

Die Beschwerdegegnerinnen (Einsprechenden) beantragten die Zurückweisung der Beschwerde der Patentinhaberin.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Verfahrensrechtliche und verfahrenstechnische Fragen

2.1. Wegen der unter Abschnitt X.ii) angesprochenen Ansprüche identischen Wortlauts in verschiedenen Anträgen gelten beim jeweils ranghöheren Antrag behandelte Gesichtspunkte eines Anspruchs ebenso für nachgeordnete Anträge.

2.2. Von beiden Seiten wurden in den verschiedenen Stadien des Einspruchs- und Beschwerdeverfahrens experimentelle Daten vorgelegt (Schriftsätze der BF/Patentinhaberin vom 16. Juni 1998 und 7. Dezember 1998, der BG 2 vom 4. Juni 1999 sowie der BG 4 vom 21. Juli 1999), in denen laut Aussage des jeweiligen Einreichers Beispiel 1 von D4 wiederholt worden sein soll.

Die verschiedenen Nacharbeitungen ergaben stets andere Fogging-Meßwerte, die von den Parteien nicht nur als innerhalb üblicher Fehlergrenzen liegend angesehen wurden (vgl. Beschwerdebegründung: Seite 2, Absatz 3; Beschwerdeerwiderungen der BG 2: Seite 2, vorletzter Absatz, bis Seite 3, Absatz 2, BG 3: Seite 2, Zeilen 8. bis 10 und BG 4: Seite 6, Absätze 3 und 4). Da Beispiel 1 von D4 zwar die Rezeptur genau angibt, jedoch wenig aussagt über die weiteren Verfahrensparameter (es wird lediglich auf eine handelsübliche UBT-Verschäumungsanlage, eine Verarbeitung zu Folien und die Temperung in einem Trockenofen bei 150 C und 1 min hingewiesen) stehen für eine Nacharbeitung zahlreiche Verfahrensvarianten zur Verfügung. Daraus erklärt sich zwanglos die breite Streuung der jeweiligen Meßergebnisse, die sich alle von denen gemäß D4 unterscheiden.

Aus diesen Tatsachen kann folglich nur der Schluß gezogen werden, daß keine der vorgeblichen Wiederholungen als getreuliche Nacharbeitung der Offenbarung des Beispiels 1 der Druckschrift D4 gewertet werden kann (vgl. die bereits genannte T 969/91). Auch die von der BF mit Schriftsatz vom 11. Dezember 2000 eingereichten Daten können diese Feststellung nicht entkräften, sondern geben sogar Anlaß zu weiteren Fragen (siehe Eingabe der BG 2 vom 12. Februar 2001: Punkt 3). Daher wird keiner der genannten Versuchsberichte in Betracht gezogen (Artikel 114 (1) und (2) EPÜ).

2.3. Zulässigkeit der Hilfsanträge 1 und 4

Gegen die in der mündlichen Verhandlung eingereichten Fassungen der Hilfsanträge 1 und 4 erhoben die BG Einwände sowohl unter Hinweis auf die Artikel 84, 123 (2) und (3) EPÜ, wie auch wegen unbegründeten verspäteten Vorbringens und wegen der dadurch verursachten Unmöglichkeit zu fundierter Stellungnahme (Artikel 113 (1) EPÜ).

2.3.1. Die beiden Hilfsanträge beinhalten eine Umformulierung des erteilten Anspruchs 5 auf die Verwendung des nach dem beanspruchten Verfahren herstellbaren Weichschaums in Verkehrsmitteln in Ansprüche 5 (Hilfsantrag 1) bzw. 4 (Hilfsantrag 4) auf ein Verfahren zur Nutzung des Produktes, das nach dem Verfahren der vorangehenden Ansprüche hergestellt und dann in Verkehrsmitteln verwendet wird.

2.3.2. Zur Frage der Zulässigkeit dieser beiden Hilfsanträge bestehen erhebliche Zweifel, ob die neuen Ansprüche überhaupt wegen der mangelnden Klarheit des Anspruchswortlauts bezüglich des zu schützenden Gegenstandes (Artikel 84 und 64 (2), Regel 29 (1) EPÜ) gewährbar sind. Zudem unterscheiden sich die neuen Verfahrensansprüche 5 (Hilfsantrags 1) bzw. 4 (Hilfsantrags 4) vom vorherigen Verwendungsanspruch erheblich, und es ist bei ihnen nicht rasch erkennbar, daß sie alle offenen Einwände nach dem EPÜ ausräumen. Diese Anträge, die nicht der Entkräftung eines erst in der mündlichen Verhandlung für die BF überraschend erhobenen Einwands dienen, werden daher wegen ihres extrem späten Vorbringens in der mündlichen Verhandlung zur Vermeidung einer prozessualen Verzögerung - in Übereinstimmung mit der gefestigten Rechtsprechung der Beschwerdekammern (Rechtsprechung der Beschwerdekammern (Rspr BK), 3. Auflage (1999), Kapitel VII.D. 14.1 und 14.2.1) - nicht zugelassen.

2.4. Wortlaut der Anspruchssätze gemäß Hauptantrag und den Hilfsanträgen 2, 3 und 5

2.4.1. Der Anspruchssatz des Hauptantrags ist identisch mit dem des erteilten Patents.

2.4.2. Der Anspruchssatz gemäß Hilfsantrag 2 stimmt mit der erteilten Fassung der Ansprüche 1 bis 4 überein.

2.4.3. Die Ansprüche 1 bis 3 von Hilfsantrag 3 gründen sich auf die Merkmale der erteilten Ansprüche 1 bis 4, Anspruch 4 ist identisch mit Anspruch 5 der Patentschrift.

2.4.4. Hilfsantrag 5 unterscheidet sich von Hilfsantrag 3 durch die Streichung des Verwendungsanspruchs 4.

2.4.5. Die Anspruchssätze der Hilfsanträge 2, 3 und 5 erfüllen somit die Erfordernisse von Artikel 123 (2) und (3) EPÜ.

3. Neuheit

3.1. Hauptantrag, Anspruch 5

3.1.1. Nur gegen Anspruch 5 ist ein Neuheitseinwand auf Grundlage von Druckschrift D4 erhoben worden.

3.1.2. Die BF macht gegenüber D4 geltend, daß sich das bei der Herstellung des Polyurethans eingesetzte Polyester-Polyol durch die destillative Entfernung flüchtiger Bestandteile von dem Roh-Polyol unterscheide, wie durch eine niedrigere Hydroxylzahl und höhere Viskosität bewiesen sei (Streitpatent: Seite 6, Tabelle). Außerdem resultiere in D4 aus einem erhöhten Anteil an niedermolekularen Bestandteilen ein größerer Vernetzungsgrad des Schaums. Daher seien die Produkte und somit auch die Verwendung verschieden.

3.1.3. Diese Argumente werden durch die breite Definition des gemäß Anspruch 5 verwendeten Weichschaums, der gemäß Anspruch 1 herstellbar ist, nicht getragen. Danach können die Weichschäume nicht nur aus unbeschränkten Mengen der obligatorischen Komponenten a) (Polyisocyanate), b) (Polyesterpolyole) und c) (Wasser und/oder organische Treibmittel) hergestellt werden, sondern als zusätzliche Komponenten kommen auch noch undefinierte Mengen der Komponenten d) (Kettenverlängerer und Vernetzer) sowie e) (bekannte Hilfs- und Zusatzstoffe) in Frage.

Im Streitpatent und in D4 werden die Polyesterpolyole b) (deren Verwendung als isocyanatreaktive Komponente in D4 bevorzugt ist: Seite 2, Zeilen 49 bis 50) in gleicher Weise u. a. unter Hinweis auf dieselbe Literaturstelle DE-OS 28 32 253 definiert (Streitpatent: Seite 3, Zeilen 19. bis 25; D4: Seite 2, Zeilen 42 bis 50). Darüber hinaus enthalten weder D4 noch das Streitpatent irgendwelche Angaben zur Natur der zu entfernenden leicht flüchtigen Verbindungen.

Es ist deshalb nicht erkennbar, daß die destillative Reinigung zu einer so modifizierten Zusammensetzung der Polyol-Komponente führte, daß hierdurch ein Unterschied des Schaumes gegenüber dem von D4 resultieren würde, denn die Breite der Definition der Komponente b) ändert sich hierdurch nicht in der Weise, daß sie aus der Polyol-Definition gemäß D4 herausführt.

Die optional mitverwendeten mindestens zwei aktive Wasserstoffatome aufweisenden Verbindungen der Komponente d) unterscheiden sich von den Polyesterpolyolen der Komponente b) in Anbetracht der Tatsache, daß Hydroxylgruppen gemäß Seite 3, Zeilen 31 bis 36 bevorzugte Ausführungsformen der aktiven Wasserstoff-Funktionalität darstellen, nur durch das niedrigere Molekulargewicht von 32 bis 400 (bzw. 399: Seite 3, Zeile 32) gegenüber einem solchen von 400 bis 10000. Zudem werden die Komponente d) des Streitpatents und die Kettenverlängerer und Vernetzer in D4 überwiegend wortgleich definiert (Streitpatent: Seite 3, Zeilen 31 bis 36; D4: Seite 2, Zeilen 51 bis 56).

Unter diesen Gesichtspunkten ist eine Abgrenzung der isocyanatreaktiven Komponente(n) der Patentschrift gegenüber den entsprechenden mit Polyisocyanat reagierenden Komponenten in D4 nicht möglich.

Auch die Definitionen der Polyisocyanate überlappen sich zu einem großen Teil. Eine Reihe von beispielhaft genannten Verbindungen sind identisch (Streitpatent: Seite 2, Zeile 56 bis Seite 3, Zeile 18; D4: Seite 2, Zeilen 29 bis 41).

Darüber hinaus werden die Produkte des Streitpatents wie auch die von D4 nur unter Verwendung desselben Begriffes als "foggingarm" bezeichnet (siehe beide Ansprüche 1). Dieser Begriff besitzt selbst im Kontext der jeweiligen Offenbarungen keinerlei Unterscheidungskraft und kann allenfalls als gleichbedeutend interpretiert werden.

Folglich kann auf Grundlage der breiten Definition der Ausgangszusammensetzung für die PU-Schäume und ihres Foggingverhaltens nicht auf Strukturunterschiede der Schäume im Streitpatent und in D4, auch nicht hinsichtlich der Vernetzungsdichte, geschlossen werden.

3.1.4. Zudem offenbart D4 die Verwendung der Schäume in Verkehrsmitteln, speziell als Autodachhimmel, Sitz- und Armaturenverkleidungen (Seite 3, Zeile 24). Da der in Rede stehende Verwendungsanspruch lediglich angibt, daß Polyesterpolyol-PU-Weichschaumstoffe in Verkehrsmitteln verwendet werden sollen, nicht aber bestimmte Raumformen definiert, also beliebige Formen wie Platten und Blöcke auch einschließt (vgl. Seite 4, Zeile 54 des Streitpatents), können Argumente der BF nicht überzeugen, die sich auf angebliche Unterschiede in den oder durch die möglichen Raumformen gründen.

3.1.5. In Anbetracht dieser Tatsachen kann die Neuheit des Gegenstandes von Anspruch 5 nicht anerkannt werden.

3.1.6. Da über einen Antrag nur als Ganzes entschieden werden kann, fällt damit der Hauptantrag.

3.2. Hilfsantrag 3 Im Hinblick auf die Tatsache, daß Anspruch 4 von Hilfsantrag 3 identisch mit Anspruch 5 des Hauptantrags ist, kann auch dieser Hilfsantrag aus demselben Grund nicht gewährt werden.

4. Erfinderische Tätigkeit

Somit verbleiben die Hilfsanträge 2 und 5 zur Beurteilung hinsichtlich der erfinderischen Tätigkeit.

4.1. Aufgabe und Lösung

4.1.1. Gegenstand des Streitpatents gemäß den unabhängigen Ansprüchen der Hilfsanträge 2 und 5 sind Verfahren zur Herstellung foggingarmer Polyesterpolyurethan-Weichschaumstoffe unter Verwendung von Polyesterpolyolen, die destillativ (Hilfsantrag 2) oder unter Zusatz von Schleppmitteln destillativ (Hilfsantrag 5) vorbehandelt wurden.

4.1.2. Demgegenüber wird gemäß Druckschrift D4, die von den Parteien als nächstliegender Stand der Technik angesehen wird, nicht das Polyol (Seite 2, Zeilen 49/50) vor der PU-Schaumherstellung einer Destillation unterworfen, sondern erst der Schaumstoff einer Wärmebehandlung unterzogen. In den Beispielen von D4 werden als Ergebnis der Foggingprüfung nach DIN-Norm 75 201 Reflektometerwerte (100 C, 3 h) von 93 bis 98 % und Mengen kondensierbarer Bestandteile (100 C, 16 h) von 0,2 mg (Beispiel 2: 5 mm Dicke), 0,4 mg (Beispiel 3; 8. mm), 0,5 mg (Beispiel 1: 5 mm) und 0,6 mg (Beispiel 4: 6. mm) angegeben.

4.1.3. Die BF macht geltend, daß die gegenüber D4 durch eine destillative Reinigung des Polyesterpolyol-Ausgangsmaterials gelöste technische Aufgabe in der Bereitstellung eines verbesserten Verfahrens zur Herstellung foggingarmer PU-Weichschaumstoffe bestehe, und verweist diesbezüglich auf die Mengen kondensierbarer Bestandteile in den Beispielen (bei 10 mm Dicke; Seite 7, Zeilen 43 und 52).

4.1.4. Ein Voraussetzung für die Anerkennung des Vorliegens erfinderischer Tätigkeit ist die Feststellung, daß die geltend gemachte technische Aufgabe als gelöst betrachtet werden kann (vgl. Regel 27 (1) c) EPÜ). Andernfalls muß die Aufgabe auf Basis der ursprünglichen Unterlagen umformuliert werden (vgl. Rspr BK, 3. Auflage, Kapitel I. D. 4.1 und 4.2).

Mit Bescheid vom 29. September 2000 wurde die BF aufgefordert, die Verfahrensmerkmale, Zusammensetzungen (Rezepturen) und Ergebnisse aller Beispiele und Vergleichsbeispiele im Hinblick auf die Merkmale der unabhängigen Ansprüche eingehend zu erläutern und darzulegen, welche Ausführungsformen (Beispiele) vom Gegenstand des Streitpatents mitumfaßt werden (beispielsweise liegen die Druckangaben bei der Destillation in den Beispielen 4 und 6 außerhalb der entsprechenden Anspruchsmerkmale, eine Tatsache, die auch von den BG in der mündlichen Verhandlung vorgetragen wurde). Es wurde im Bescheid auch darauf hingewiesen, daß Versuchsergebnisse, die nicht dem Wortlaut der unabhängigen Ansprüche entsprechen, nicht für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit in Betracht gezogen werden könnten. In der Erwiderung vom 11. Dezember 2000 auf diesen Bescheid wurden von der BF die Beispiele IA bis IIIA als Vergleichsbeispiele und die übrigen Komponenten dieser Rezepturen als den Vorgaben des Anspruchs 1 entsprechend bezeichnet sowie die in den übrigen Beispielen eingesetzten Polyester nur als erfindungsgemäß qualifiziert.

Anhand der sehr allgemein offenbarten und damit nicht hinreichend präzisierten Parameter kann somit die erhöhte Effizienz der Maßnahmen im Streitpatent auf der Basis der vorliegenden Meßwerte im Vergleich zu D4 nicht festgestellt werden, d. h., durch die vorliegenden Versuchsdaten ist eine Verbesserung der Eigenschaften des Verfahrensproduktes gegenüber D4, also die Lösung der geltend gemachten Aufgabe, nicht glaubhaft gemacht worden.

4.1.5. Folglich kann die zugrundeliegende technische Aufgabe nur als Bereitstellung einer Alternative zum Verfahren von D4 definiert werden.

5. Naheliegen der Erfindung

5.1. Hilfsantrag 2

5.1.1. Wie schon unter Punkt 4.1.2 erwähnt, war es bekannt, foggingarme Polyesterpolyol-Weichschäume nach einem Verfahren herzustellen, bei dem die das Fogging verursachenden niedermolekularen Verbindungen durch Wärmebehandlung aus dem Schaumstoff entfernt werden (D4: Seite 2, Zeilen 5 bis 9 und 17 bis 20). Die Druckschrift gibt keine Alternativen zu dieser Verfahrensführung an und kann daher, für sich genommen, das beanspruchte Verfahren nicht nahelegen. Allerdings ist die Ursache für das Fogging-Problem, die Anwesenheit niedermolekularer Verbindungen, bereits aus D4 bekannt.

5.1.2. Ausweislich des Handbuchs D12, Seiten 1597 bis 1599, war dem Fachmann im Rahmen seines allgemeinen Fachwissens bekannt, daß sich Polyester mit endständigen OH-Gruppen für Polyurethan-Elastomere und auch Weichschaumstoffe (Tabelle 239) eignen und daß diese Polyester stets nennenswerte Anteile an Restmonomer oder kurzkettigen Oligomeren sowie oft auch nichtfunktionelle Ringester enthalten, d. h. in der Terminologie von D4: "niedermolekulare Verbindungen (...), welche bei den im Fahrzeuginneren auftretenden Temperaturen ausdunsten" können (D4: Seite 2, Zeilen 5 bis 9). D12 stellt auch fest, daß sich solche Verbindungen durch Dünnschichtdestillation entfernen lassen, sich jedoch durch Umesterung allmählich wieder nachbilden (D12: Seite 1598, Zeilen 16 bis 21).

Die BF argumentierte, daß durch diese Nachbildung niedermolekularer Verbindungen, die beim patentgemäßen Verfahren nicht auftrete, der Fachmann wegen der üblichen langen Lagerung der Polyesterpolyole bei den Schaumherstellern davon abgehalten worden sei, den Weg einer Polyol-Reinigung durch Destillation ins Auge zu fassen.

Zwar ist der BF darin Recht zu geben, daß der "Nachbildungseffekt" vom Fachmann als Problem wahrgenommen wird. Da es sich dabei aber um eine chemische Gleichgewichtsreaktion handelt, ist ihm zugleich bewußt, daß diese Reaktion u. a. substanzspezifisch und temperaturabhängig ist. Der "Nachbildungseffekt" wird ihn also nicht grundsätzlich davon abhalten, diesen Reinigungsschritt als Lösungsalternative in Betracht zu ziehen. Dies um so mehr, als er sich im Anschluß an die ohnehin übliche destillative Ver- oder Umesterung bei der Herstellung des Polyesterpolyols mehr oder weniger anbietet. Im übrigen ist bei der Beurteilung dieses Sachverhalts auch zu berücksichtigen, daß keinerlei Information darüber vorliegt, daß und wie der "Nachbildungseffekt" patentgemäß vermieden wird.

5.1.3. Ausweislich D18 (Seite 688, Bild 14) gibt es noch weitere mögliche Quellen für Fogging. Jedoch auch dort sind die Restmonomeren als ein Verursacher für dieses Phänomen genannt. In der mittleren Spalte der Seite 689 werden Adipinsäureester, die Bestandteil des PU-Schaumes sind, bei einem Sandwich-Aufbau aus einem Polypropylen-Träger, einer PU-Schaumauflage und einer Folie aus ABS und PVC als Hauptemittent identifiziert.

Die Kammer zweifelt nicht daran, daß auch die in dem genannten Bild 14 aufgezählten weiteren Quellen Fogging verursachen können. Diese anderen Quellen werden jedoch, sofern entsprechende Verbindungen im Rahmen der patentgemäß eingesetzten Komponente e) in einen Schaum eingearbeitet werden, wie etwa zum Auswandern neigende Flammschutzmittel, ebenso zum Fogging beitragen, auch wenn das Polyesterpolyol gemäß Streitpatent zuvor destilliert worden ist. Daher kann die Aufzählung in Bild 14 die Lehre aus D4, daß es zur Verminderung oder Beseitigung von Fogging ratsam ist, Monomeres oder andere niedermolekulare Verbindungen auf die eine oder andere Art zu entfernen, nicht entwerten. Dem Fachmann war aber bewußt, daß Monomere oder Oligomere oder Ringester durch Destillation des Polyesters entfernt werden können, wie D12 belegt.

Die genaue chemische Beschaffenheit der niedermolekularen Bestandteile des eingesetzten Polyesterpolyols ist für die Beseitigung von Fogging überdies allenfalls von sekundärer Bedeutung und war der BF ausweislich der Beschwerdebegründung selbst nicht bekannt (Seite 4, vorletzte und letzte Zeilen).

5.1.4. Auch der Vortrag, der in D18 genannte Adipinsäureester könne durch Zersetzung bei einer Flammkaschierung entstanden sein (Seite 692, rechte Spalte und Seite 693, linke Spalte) kann diese Beurteilung nicht entkräften. Zudem verweist die Passage, in der Flammkaschierung angesprochen wird, deutlich auf Polyether-PUR-Schaumstoffe (Seite 692, letzter Absatz) und nicht auf Polyester-PUR-Schaumstoffe.

5.1.5. Aus diesen Betrachtungen ergibt sich, daß das gemäß Hilfsantrag 2 beanspruchte Verfahren sich ausgehend von D4 und unter Berücksichtigung des allgemeinen Fachwissens (D12) und der in D18 offenbarten Informationen in naheliegender Weise aus dem genannten Stand der Technik ergibt. Der Hilfsantrag 2 erfüllt daher nicht die Erfordernisse der Artikel 52 (1) und 56 EPÜ.

5.2. Hilfsantrag 5

5.2.1. Im Hinblick auf die Ausführungen unter den Punkten 4.1 bis 4.1.5 zur Aufgabe und Lösung kann auch für den Hilfsantrag 5 nur die Bereitstellung eines alternativen Verfahrens als technische Aufgabe zugrundegelegt werden.

5.2.2. Die beiden voneinander unabhängigen Ausführungsformen der Ansprüche 1 und 2 unterscheiden sich vom Verfahren des Hilfsantrags 2 durch den Zusatz inerter Lösungsmittel bzw. bestimmter Diole als Schleppmittel bei der Destillation der Polyesterkomponente b).

5.2.3. Die BF trug vor, daß keine der zitierten Druckschriften und Literaturstellen irgendwelche Hinweise auf einen Einsatz derartiger Verbindungen bei der Destillation von Polyesterpolyol enthielten. Dem wurde von den BG nicht widersprochen und auch die Kammer sieht dafür keine Basis.

Allerdings kann sich die Kammer dem Vorbringen der BG nicht verschließen, daß es zum Grundwissen eines jeden Chemikers gehört, daß Schleppmittel bei der destillativen Trennung organischer Verbindungen zur Verbesserung der Destillationswirkung, zur Verkürzung der dafür notwendigen Zeit und/oder zur Absenkung der dafür notwendigen Temperatur beitragen können. Der Zusatz solcher Verbindungen kann daher nur als eine innerhalb der üblichen handwerklichen Fähigkeiten eines Chemikers liegende Alternative des naheliegenden Verfahrens gemäß Hilfsantrag 2 angesehen werden und das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit weder begründen noch stützen.

5.2.4. Da über einen Antrag nur als Ganzes entschieden werden kann, erübrigt sich ein näheres Eingehen auf einzelne Ansprüche des Antrags.

6. Aus den vorstehend genannten Gründen folgt, daß keiner der von der BF eingereichten Anträge die Erfordernisse des EPÜ erfüllt. Daher ist eine Aufrechterhaltung des Streitpatents unter den Artikeln 102 (1) und 111 (1) EPÜ nicht möglich.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen

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