T 0768/98 () of 25.7.2000

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2000:T076898.20000725
Datum der Entscheidung: 25 Juli 2000
Aktenzeichen: T 0768/98
Anmeldenummer: 93104314.5
IPC-Klasse: A63G 1/26
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Rundfahrgeschäft mit einer steil aufrichtbaren Bodenstruktur
Name des Anmelders: Huss Maschinenfabrik GmbH & Co. KG
Name des Einsprechenden: FARFABBRI S.R.L.
Kammer: 3.2.04
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - (bejaht)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat gegen die am 20. Mai 1998 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung über die Zurückweisung des Einspruchs gegen das Patent Nr. 0 562 428 die am 30. Juli 1998 eingegangene Beschwerde eingelegt und gleichzeitig die Beschwerdegebühr entrichtet und die Beschwerdebegründung eingereicht.

II. Mit dem Einspruch war das Patent im gesamten Umfang im Hinblick auf Artikel 100 a) EPÜ angefochten worden.

Im Beschwerdeverfahren wurde zu folgenden Druckschriften, die auch bereits im Einspruchsverfahren zum Stand der Technik genannt wurden, sachlich Stellung genommen:

D1: DE-U-1 780 962

D2: EP-A-0 283 872

D3: DE-A-3 114 900

D4: DE-U-1 870 749

D6: US-A-2 294 166

D7: DE-A-4 107 516

D8: DE-A-3 319 555

III. Der erteilte Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

"Rundfahrgeschäft mit einer oberhalb eines Grundgestells (1) angeordneten Bodenstruktur (9), die um eine zu ihrer Hauptebene lotrechte Mittelachse (16) dreh- und antreibbar sowie gegenüber dem Grundgestell (1) neigbar ist, und auf der eine Mehrzahl von Planetenscheiben (18) mit radialem Abstand von Mittelachse (16) angeordnet und jeweils um mittelachsparallele Planetenachsen (19) dreh- und antreibbar sind, wobei auf jeder Planetenscheibe (18) mehrere Fahrgastsitze (24) befestigt sind, die im wesentlichen gleichen Abstand von der Planetenachse (19) haben und wenigstens annähernd zu dieser hin ausgerichtet sind,

dadurch gekennzeichnet,

daß die Bodenstruktur (9) und die Planetenscheiben (18) getrennte Drehantriebe haben und daß die Bodenstruktur (9) mit den Planetenscheiben (18) in eine steile Schräglage kippbar ist."

IV. Mit Schreiben vom 20. Januar 1999 hat die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) auf die Hilfsanträge 1 bis 14 der Eingabe vom 13. Januar 1998 hingewiesen. Am 25. Juli 2000 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt, während der die Beschwerdegegnerin zusätzlich einen neuen Hilfsantrag 1' einreichte.

V. Die Beschwerdeführerin hat die Meinung vertreten, daß die im Anspruch 1 angegebene steile Schräglage nicht genau definiert sei und daher bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit eine weite Auslegung zulasse.

In ihrer Argumentation zur erfinderischen Tätigkeit geht die Beschwerdeführerin zunächst von der Druckschrift D1 als nächstkommenden Stand der Technik aus, die sämtliche Merkmale des Oberbegriffes des Anspruches 1 offenbart. Auch bei diesem bekannten Rundfahrgeschäft sei ein Kippen der Bodenstruktur möglich. Zwar sei in Figur 7 nur ein geringer Kippwinkel der Bodenstruktur gezeigt, doch sei nirgends eine Begrenzung des Kippwinkels angegeben. Aus der Beschreibung (Ende des zweiten Absatzes der Seite 3) gehe sogar hervor, daß bei relativ kleinem Hub große Verstellungen in der Neigung der Hauptplattform erreichbar sind. Da die Beschwerdegegnerin in ihrer Stellungnahme zum Stand der Technik in dem Kippwinkel, wie er bei dem Rundfahrgeschäft nach der Druckschrift D2 einstellbar ist, eine steile Schräglage sieht und dort in Anspruch 2 eine Neigbarkeit zwischen 15 und 45 vorgeschlagen ist, müsse davon ausgegangen werden, daß bereits ein Winkel von 15 als steil bezeichnet werden könne. Überdies offenbare die Druckschrift D2 einen Kippmechanismus, der genauso wie der in der Druckschrift D1 gezeigte Mechanismus einen durch eine Hubanordnung (11) verschwenkbaren Tragarm (4) aufweise, so daß der Fachmann keine Schwierigkeiten habe den Kippmechanismus nach der Druckschrift D2 auf das Rundfahrgeschäft nach der Druckschrift D1 zu übertragen.

Das die getrennten Drehantriebe betreffende Merkmal stehe in keinem funktionellen Zusammenhang mit der steilen Kippbarkeit der Bodenstruktur. Die beiden Merkmale im kennzeichnenden Teil des Anspruches 1 stellten somit eine reine Agglomeration ohne technischen Synergieeffekt dar. Der Fachmann, der vor der Aufgabe stehe eine größere Variierbarkeit der Fahrmöglichkeiten zu erreichen, würde schon allein auf der Grundlage der Druckschrift D1 zu einem Fahrgeschäft mit den Merkmalen des Anspruches 1 kommen. Bereits bei den Antrieben der Planetenscheiben nach der Druckschrift D1 könne von getrennten Drehantrieben gesprochen werden, da dort infolge der Abbremsung des Tellerrades (vgl. Seite 4, letzte Zeile bis Seite 5, Zeile 3) eine unabhängige Bewegung der Bodenstruktur und der Planetenscheiben in reproduzierbarer Weise ermöglicht werde. Zumindest gehe aus der Druckschrift D1 hervor, daß über getrennte Drehantriebe bereits nachgedacht wurde. So seien auf Seite 7, zweiter Absatz besondere Antriebe zur Drehung der Gondeln um ihre Drehachsen (11) angegeben. Bei der vorgegebenen Aufgabe, die Variabilität der Fahrmöglichkeiten zu verbessern, würde der Fachmann auch deshalb Einzelantriebe für die Planetenscheiben vorsehen, weil ihm durch die Elektronik eine verbesserte Steuerungsmöglichkeit der Motoren zur Verfügung stehe. Während es früher zweckmäßig erschien die Antriebe der Planetenscheiben vom Zentralantrieb der Bodenstruktur abzuleiten, wie dies auch die Druckschrift D4 zeige, sei es eine Erscheinung der modernen Zeit, getrennte Dreheinrichtungen vorzusehen.

Überdies seien eigene Antriebe für die Planetenstrukturen beispielsweise aus den Druckschriften D2 (Figur 3), D3 (Seite 5, Zeilen 8 bis 13) und D7 bekannt. In der Druckschrift D7 sei sogar auf die einfachere Konstruktion gegenüber mechanischen Übersetzungssystemen hingewiesen (vgl. Spalte 2, Zeilen 49 bis 57). Die Druckschrift D3 beschreibe ein Karussell, das neben den Einzelantrieben auch weitgehend die Merkmalen des Oberbegriffes des Anspruches 1 aufweise. Die Anordnung von Einzelantrieben bei dem Fahrgeschäft nach der Druckschrift D1 sei daher naheliegend. Der Gegenstand des Anspruches 1 sei somit nicht erfinderisch.

Zu dem Gegenstand des Anspruches 1 werde der Fachmann auch durch die Druckschriften D1 und D6 angeregt. Die von einem Motor (33) angetriebene Bodenstruktur nach der Druckschrift D6 könne eine Winkelstellung von 45 einnehmen. Dabei sei eine Mehrzahl von Planetenstrukturen (22A) von separaten Motoren (27) antreibbar. Der Anwendung des Kippmechanismus nach der Druckschrift D6 bei dem Fahrgeschäft nach der Druckschrift D1 stehe technisch nichts im Wege.

Auch ausgehend von dem Karussell nach der Druckschrift D4, könne der Fachmann in naheliegender Weise zum Rundfahrgeschäft nach Anspruch 1 kommen. Aus dieser Druckschrift D4 sei ein Karussell mit den wesentlichen Merkmalen des Oberbegriffes des Anspruches 1 bekannt und aus der Abbildung 1 sei zudem die steile Kippbarkeit der Bodenstruktur zu erkennen. Die Ausrichtung der Fahrgastsitze zur Planetenachse hin, wie sie im Oberbegriff des Anspruches 1 des angefochtenen Patents angegeben ist, stehe mit den übrigen Merkmalen des Anspruches 1 in keinem technischen Zusammenhang und sei im Hinblick auf die in der Druckschrift D1 gezeigte Sitzanordnung naheliegend. Überdies könne man aus den Antrieben der Planetenscheiben, die bei diesem bekannten Karussell von einem zentralen Antrieb abgeleitet werden, erkennen, daß zwischen der steilen Kippbarkeit der Bodenstruktur und den Einzelantrieben der Planetenscheiben kein technischer Zusammenhang bestehe. Die Anordnung von Einzelantrieben, wie sie aus den Druckschriften D2, D3, D6 und D7 bekannt sind, sei daher nicht erfinderisch und der Anspruch 1 könne somit nicht Bestand haben.

Schließlich sei der Gegenstand des Anspruches 1 dem Fachmann auch durch die Druckschrift D7 unter Berücksichtigung der Druckschrift D2 nahegelegt. Der Gedanke, Planetenscheiben eigens anzutreiben, sei aus der Druckschrift D7 bekannt. Die Druckschrift D2 offenbare das Merkmal des Kippens in eine steile Schräglage. Im Zusammenhang mit der steilen Kippbarkeit hat die Beschwerdeführerin auch auf die Druckschrift D8 hingewiesen.

In ihrer schriftlichen Begründung (vgl. Eingabe vom 14. März 2000, Seite 10) vertritt die Beschwerdeführerin die Meinung, daß auch eine Kombination der Merkmale der Druckschriften D3 und D2 in naheliegender Weise zum Gegenstand des Anspruches 1 führen würde.

Die Beschwerdeführerin kommt aufgrund der obigen Ausführungen zu dem Ergebnis, daß der Gegenstand des Anspruches 1 des Hauptantrages und der Hilfsanträge nicht erfinderisch sei.

VI. Die Beschwerdegegnerin hat das Rundfahrgeschäft nach Anspruch 1 erläutert und darauf hingewiesen, daß in Anspruch 1 getrennte Drehantriebe angegeben sind. Diese getrennten Drehantriebe würden sich eindeutig von einem gemeinsamen mechanischen Drehantrieb unterscheiden. Auch sei die steile Schräglage aus der Beschreibung der Patentschrift klar zu verstehen. So sei in der Beschreibungseinleitung im Zusammenhang mit dem Fahrgeschäft nach der Druckschrift D1 angegeben, daß dort die Bodenscheibe um einen relativ kleinen (spitzen) Winkel schräg gestellt ist. Nur durch das Zusammenwirken der steilen Verstellbarkeit und der individuellen Einstellbarkeit der Drehzahl der Planetenscheiben infolge der Einzelantriebe und die sich damit ergebende Fliehkraft und wechselnde Auswirkung der Schwerkraft, werde die angestrebte vielfältige Variierbarkeit des Fahreindrucks erreicht. Zusätzlich sei aber auch die Sitzanordnung für den Fahreindruck von wesentlicher Bedeutung. Die Aufgabe sei zwar nicht überwiegend technisch, doch seien die Lösungsmerkmale eindeutig technischer Natur.

Weiterhin hat die Beschwerdegegnerin den Argumenten der Beschwerdeführerin widersprochen und hat die Meinung vertreten, daß die zum Stand der Technik genannten Druckschriften weder einzeln noch in Verbindung miteinander zum Gegenstand des Anspruches 1 führen könnten. Das Fahrgeschäft nach Anspruch 1 des Hauptantrages und der Hilfsanträge sei daher erfinderisch.

VII. Anträge

Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte, die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen. Hilfsweise beantragte sie, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent auf der Grundlage einer der mit Schreiben vom 13. Januar 1998 eingereichten Hilfsanträge 1 bis 14 bzw. des Hilfsantrages 1', wie in der mündlichen Verhandlung überreicht, aufrechtzuerhalten.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Neuheit

Keine der zum Stand der Technik genannten Druckschriften offenbart ein Rundfahrgeschäft mit sämtlichen Merkmalen des erteilten Anspruches 1. Der Gegenstand des Anspruches 1 ist daher neu im Sinne des Artikels 54 EPÜ. Die Neuheit wurde von der Beschwerdeführerin nicht mehr bestritten.

3. Nächstkommender Stand der Technik

Als nächstkommender Stand der Technik wird die Druckschrift D1 herangezogen, da sie ein Rundfahrgeschäft mit sämtlichen Merkmalen des Oberbegriffes des Anspruches 1 offenbart. Hiervon unterscheidet sich das Fahrgeschäft nach Anspruch 1 durch die in seinem kennzeichnenden Teil angegebenen Merkmale, nämlich dadurch, daß die Bodenstruktur und die Planetenscheiben getrennte Drehantriebe haben und daß die Bodenstruktur mit den Planetenscheiben in eine steile Schräglage kippbar ist (siehe dazu Abschnitt 5.2).

Hinsichtlich der Bedeutung des Begriffes "steile Schräglage" weist die Kammer auf folgendes hin. Die Beschreibung des angefochtenen Patents führt als Beispiel für die Steilheit einen Kippwinkel von 50 an (vgl. Spalte 3, Zeilen 44 bis 49). Darüber hinaus ist der Zweck dieses steilen Kippwinkels angegeben, nämlich durch das Aufrichten (Spalte 1, Zeilen 38 bis 43) die sich in Umfangsrichtung der Planetenscheiben ergebenden Beschleunigungen und Verzögerungen durch die Erdanziehung noch zu verstärken und seitliche Bewegungen der Fahrgäste hervorzurufen, d. h. es wird eine Überlagerung der Fliehkraftfelder durch die Erdanziehung angestrebt. Dies impliziert aber eine beachtliche Steilheit, die sich auf dem technischen Gebiet der Fahrgeschäfte von einfachen Schrägsetzungen abhebt. Obwohl im Patentanspruch 1 ein Kippwinkelbereich nicht angegeben und ein solcher auch nicht offenbart ist, versteht die Kammer im Hinblick auf den beispielsweise angegebenen Kippwinkel von 50 und der angestrebten Wirkung, unter einem steilen Kippwinkel im Sinne des Anspruches 1 einen Winkelbereich, der zumindest über 45 liegt.

Auch die Angabe der Druckschrift D2 in der Beschreibung des angefochtenen Patents (Spalte 1, Zeilen 7 und 8) unterstützt diese Beurteilung, da dort auf Figur 1 hingewiesen ist, wonach die Schräglage einen Winkel einnimmt, der sich von der nicht steilen Schräglage von 15. , wie sie im Anspruch 2 dieser Druckschrift angegeben ist, deutlich abhebt und eher einen Winkel von über 45 erkennen läßt.

Bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit werden als Ausgangspunkt auch die weiteren von der Beschwerdeführerin als nächstkommend angesehenen Druckschriften, wie die Druckschriften D4, D7 und D3 berücksichtigt.

4. Aufgabe und Lösung

4.1. Aufgabe:

Ausgehend von dem nächstkommenden Stand der Technik (D1) und den angegebenen Unterschieden, besteht die Aufgabe darin, die bestehenden Fahrgeschäfte technisch so umzugestalten, daß unter Berücksichtigung eines erhöhten Fahrvergnügens eine vielfältigere Variierbarkeit der Fahreindrücke bei eindeutiger und reproduzierbarer Vorgabe solcher Variationen ermöglicht wird. Diese Aufgabe ergibt sich auch dann, wenn als nächstkommender Stand der Technik die Druckschrift D4, D7 oder D3 in Betracht gezogen wird.

In diesem Zusammenhang ist festzustellen, daß Rundfahrgeschäfte als Vergnügungseinrichtungen auszulegen sind, bei welchen in Zusammenhang mit den technischen Möglichkeiten die von den Fahrgästen als besonders geschätzten Fahreindrücke durch sich ändernde Fahrbelastungen eine ausschlaggebende Rolle spielen, um sie für die Fahrgäste besonders attraktiv zu machen.

4.2. Lösung:

Durch die getrennten Drehantriebe für die Bodenstruktur und für die Planetenscheiben sowie durch die Kippbarkeit der Bodenstruktur mit den Planetenscheiben in eine steile Schräglage, wird eine vielfältige Variierbarkeit der Fahrbelastungen sowie des Fahreindruckes und in Zusammenhang mit der Befestigung der Fahrgastsitze auf den Planetenscheiben eine eindeutige reproduzierbare Vorgabe solcher Variationen ermöglicht. Die in bezug auf die Planetenachse zentral orientierte Anordnung der Fahrgastsitze und damit die Blickrichtung der Fahrgäste erhöht nach Ansicht der Beschwerdegegnerin das Fahrvergnügen (vgl. Spalte 1, Zeilen 43 bis 49 der Patentschrift), weil der wechselseitige Sichtkontakt zusätzliche Eindrücke hervorruft und spielt daher ebenfalls eine wesentliche Rolle.

5. Erfinderische Tätigkeit

5.1. Bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ist zunächst festzustellen, daß zur Lösung der gestellten Aufgabe das Zusammenwirken sämtlicher Merkmale des Anspruches 1, d. h. vor allem das Zusammenwirkung der festen Sitzanordnung, der Blickrichtung zur Planetenscheibenachse, der Kippbarkeit in eine steile Schräglage und der von der Bodenstruktur getrennten Drehantriebe, erforderlich ist. Bei dem sich aus der wechselnden Fahrbelastung und Blickrichtung ergebenden Gesamteindruck werden die einzelnen Komponenten weitgehend nicht wahrgenommen und spielen daher nicht in ihrer Funktion als Einzelteile sondern in ihrer Gesamtheit eine wesentliche Rolle. Die Kammer kann sich deshalb der Meinung der Beschwerdeführerin, daß die getrennten Drehantriebe der Planetenscheiben mit der steilen Kippbarkeit der Bodenstruktur in keinem funktionellen Zusammenhang stünden, nicht anschließen, da gerade durch die steile Kippbarkeit und durch die Möglichkeit der Rotation der Planetenscheiben mit zueinander unterschiedlichen Geschwindigkeiten und sogar unterschiedlichen Drehrichtungen infolge der getrennten Drehantriebe, eine erhöhte Variation der Bewegungsabläufe und der Fliehkräfte einzustellen ist. Die feste Sitzanordnung erlaubt eine eindeutige Reproduzierbarkeit der Bewegungsabläufe, so daß das Fahrgeschäft durch entsprechende Einstellung der Bewegungsabläufe weitgehend dem Interesse des vorhandenen Publikums angepaßt werden kann.

5.2. Das Fahrgeschäft nach der Druckschrift D1 weist zwar in der Ausführung, wie sie in Figur 1, rechts unten gezeigt ist, sämtliche Merkmale nach dem Oberbegriff des Anspruches 1 auf, doch kann dort weder von einer steilen Kippbarkeit gesprochen werden noch können die Antriebe für die Planetenscheiben als von der Bodenstruktur getrennte Antriebe angesehen werden.

Auch wenn die Planetenscheiben-Antriebe durch zunehmende oder völlige Abbremsung des Tellerrades (vgl. Seite 4, letzte Zeile bis Seite 5, Zeile 3) mit einer vom Zentralantrieb, d. h. vom Antrieb der Bodenstruktur, unterschiedlichen Drehzahl betrieben werden, kann damit die Variationsmöglichkeit von getrennten Drehantrieben für die Planetenscheiben nicht erreicht werden. Beispielsweise können dort die Planetenscheiben nicht gedreht werden, wenn der Zentralantrieb stillsteht. Auch ist nicht die Möglichkeit gegeben, die Planetenscheiben mit voneinander unterschiedlichen Drehzahlen zu betreiben. Allein schon die Tatsache, daß es nur einen Antriebsmotor (18) gibt, der sowohl die Bodenstruktur als auch die Planetenscheiben antreibt, deutet auf einen gemeinsamen mechanischen Drehantrieb hin, von dem zwar einzelne Getriebe betrieben werden können, die jedoch nicht als "getrennte Drehantriebe" betrachtet werden können. Die in dieser Druckschrift D1 angegebene Möglichkeit die Drehbewegung der Gondeln (10) durch besondere Antriebe zu erzwingen (vgl. Seite 7, zweiter Absatz), kann nicht dazu führen Einzelantriebe für die Planetenscheiben vorzusehen, da gerade bei diesem "Karussell der Neuerung" (vgl. Seite 2, erster Absatz) der Zentralantrieb mit den davon angetriebenen Planetenscheiben eine wesentliche Rolle spielt.

Überdies ist in dieser Druckschrift D1 keine Anregung gegeben, die Steilheit der Kippbarkeit zu erhöhen. Im Gegenteil, durch den angesprochenen Vorteil des niedrig liegenden Schwerpunkts dieses Karussells (vgl. Seite 2, erster Absatz), wird der Fachmann eher davon abgehalten, die Konstruktion so zu ändern, daß ein größerer Kippwinkel erreichbar ist, da dies auch zu einem höher liegenden Schwerpunkt führen würde. In Zusammenhang mit Scherenarmen zur Erhöhung der Stabilität ist in der Beschreibung der Druckschrift D1 (vgl. Seite 3, zweiter Absatz) zwar angeführt, daß sich bei relativ kleinem Hub große Verstellungen in der Neigung der Hauptplattform erreichen lassen, doch ist diese Angabe in Zusammenhang mit der Ausbildung nach der Figur 7 zu verstehen, worin jedoch eine Verstellung zu erkennen ist, die in der Beschreibungseinleitung der Patentschrift gerade als Schrägstellung mit kleinem (spitzen) Winkel bezeichnet ist (vgl. Spalte 2, Zeilen 12 bis 17). Aus der fehlenden Angabe der oberen Grenze des Verstellwinkels in der Druckschrift D1 kann nicht gefolgert werden, daß auch eine steile Schräglage beabsichtigt ist.

5.3. Ausgehend von der Druckschrift D1 kann das Rundfahrgeschäft nach Anspruch 1 auch in Verbindung mit dem aus den Druckschriften D2, D3, D4, D6 und D7 bekannten Stand der Technik nicht in naheliegender Weise abgeleitet werden.

5.3.1. Die Druckschrift D3 beschreibt zwar ein strukturähnliches Karussell mit Drehantrieben für Planetenscheiben, die von dem Antrieb für die Bodenstruktur getrennt sind, doch handelt es sich hier um einen sogenannten Mehrfachhopser, bei dem eine typische Bewegung des Hopsens erreicht wird. Eine steile Schräglage der Bodenstruktur ist dort weder zu erkennen, noch kann sie bei dieser Bewegung in Betracht gezogen werden. Selbst bei einer Übertragung der Einzelantriebe auf das Fahrgeschäft nach der Druckschrift D1, kann diese Druckschrift D3 daher nicht zum Gegenstand des Anspruches 1 führen.

5.3.2. Die Druckschrift D4 betrifft wiederum ein strukturähnliches Karussell mit einem Zentralantrieb, von dem die Antriebe der Planetenscheiben abgeleitet werden. Zudem sind bei diesem Karussell die Fahrgastsitze auf den Planetenscheiben in tangentialer Richtung und nicht annähernd zur Planetenachse hin ausgerichtet. Selbst wenn man davon ausgeht, daß die in der Druckschrift D4 gezeigte Schräglage einen steilen Winkel betrifft, der dort jedoch ungefähr 30 ausmacht, während in der Patentschrift ein Kippwinkel von beispielsweise 50 (vgl. Spalte 3, Zeilen 48 und 49) angegeben ist, ist keine Veranlassung zu erkennen, Einzelmerkmale, wie den möglichen Kippwinkel der Bodenstruktur herauszugreifen und sie auf die Vorrichtung nach der Druckschrift D1 zu übertragen. Um zum Fahrgeschäft nach Anspruch 1 zu kommen, müßten dann zusätzlich noch Einzelantriebe für die Planetenscheiben vorgesehen werden. In diesem Zusammenhang ist zu bemerken, daß die Beschwerdegegnerin anerkennt, daß die Einzelelemente in der Vielzahl der bekannten Fahrgeschäfte bereits Anwendung gefunden haben, daß sie die Erfindung jedoch in der Kombination sämtlicher Merkmale des Anspruches 1 sieht. Die Kammer hat gegen diese Meinung nichts einzuwenden. Auch die Druckschrift D4 kann daher nicht in naheliegender Weise zum Fahrgeschäft nach Anspruch 1 führen.

5.3.3. Bei dem Fahrgeschäft nach der Druckschrift D2 wird zwar entsprechend der Ausführung nach Figur 1, die Bodenstruktur in eine steile Schräglage gebracht, wie dies die Beschwerdegegnerin auch einräumt, doch sind dort die Fahrgastsitze frei drehbar um eine speziell angeordnete Drehachse angeordnet, so daß die Einstellung des Kippwinkels in Zusammenhang mit der Umdrehung der Bodenstruktur für die Drehung der Sitze eine wesentliche Rolle spielt und eine eindeutige Reproduzierbarkeit der Bewegung infolge der freien Drehbarkeit der Sitze nicht erzielbar ist. Dieses Fahrgeschäft arbeitet daher nach einem anderen Prinzip, so daß der Fachmann hieraus nicht in naheliegender Weise gerade die Möglichkeit der steilen Schrägstellung herausgreifen und auf die Vorrichtung nach der Druckschrift D1 übertragen würde. Zwar sind bei dem Ausführungsbeispiel nach der Figur 3 der Druckschrift D2 Einzelantriebe für Planetenstrukturen vorgesehen, doch sind auch dort die Fahrgaststühle frei drehbar angeordnet, so daß sie sich abhängig von der Drehzahl und der Schrägstellung bewegen. Auch das Fahrgeschäft nach der Druckschrift D2 kann daher nicht zu demjenigen nach dem Anspruch 1 führen.

5.3.4. Bei dem Fahrgeschäft nach der Druckschrift D6 kann zwar die Bodenstruktur im Betrieb steil geschwenkt werden (vgl. Seite 1, rechte Spalte, Zeilen 46 bis 52) und die dort vorgesehenen Planetenstrukturen sind mit Antrieben (27) ausgerüstet, die unabhängig vom Antrieb (33) der Bodenstruktur betrieben werden können, doch auch hier sind die in Form eines Flugzeuges ausgebildeten Gondeln frei um ihre Aufhängachse drehbar, so daß eine eindeutige Reproduzierbarkeit der Fahrbewegung (Fahrbelastung bzw. Fahreindruck) der Fahrgastsitze nicht erreicht werden kann. Ähnlich wie bei dem Fahrgeschäft nach der Druckschrift D2 handelt es sich auch hier um eine nach einem anderen Prinzip arbeitende Vorrichtung, so daß die Übertragung der die Separatantriebe und die steile Schräglage betreffenden Einzelmerkmale auf das Fahrgeschäft nach der Druckschrift D1 nicht naheliegend ist.

5.3.5. Die Druckschrift D7 betrifft ein Karussell, bei dem die Bodenstruktur beim Aufbau schräg gestellt werden kann und dann in dieser Stellung bleibt. Von einer steilen Schräglage kann bei diesem Karussell nicht gesprochen werden. Auch die gezeigte Kippbarkeit der Planetenscheiben kann nicht zu einer steilen Schräglage führen. In der Beschreibung ist zwar auf den Vorteil der Anordung von Einzelantrieben bei den Planetenscheiben im Vergleich mit mechanischen Übersetzungssystemen hingewiesen (vgl. Spalte 2, Zeilen 49 bis 57), doch sind die Sitze auch dort frei drehbar auf den Planetenscheiben angeordnet, so daß eine eindeutige Reproduzierbarkeit der Bewegungen und deswegen der Belastungen, bzw. Fahreindrücke nicht erreicht werden kann. Auch diese Druckschrift D7 kann nicht in naheliegender Weise zum Fahrgeschäft nach Anspruch 1 führen.

5.3.6. Die Druckschrift D8 beschreibt ein Rundfahrgeschäft mit einem steil aufstellbaren Tragarm (2) mit einem Drehgestell (3), das unabhängig vom Schwenkwinkel des Tragarmes einstellbar ist und an dessen Enden Fahrgastgondeln schwenkbar aufgehängt sind. Auch dieses Fahrgeschäft arbeitet nach einem anderen Prinzip als das Fahrgeschäft nach der Druckschrift D1, so daß eine Übertragung von Merkmalen nicht naheliegend ist. Das Fahrgeschäft nach der Druckschrift D8 kann daher ebenfalls nicht zum Gegenstand nach Anspruch 1 führen.

5.3.7. Die Beschwerdeführerin hat auch vorgebracht, daß - sozusagen - der Zeitgeist dazu führen würde, im Fahrgeschäft nach der Druckschrift D1 in naheliegender Weise separate Motoren als Antriebsmittel zu verwenden. Die Verwendung von separaten Motoren mag vielleicht - an sich - naheliegend sein, obwohl die Verwendung von separaten Motoren im Fahrgeschäft bereits seit langer Zeit, und zwar, wie aus der Druckschrift D6 hervorgeht, schon seit 1942 bekannt war, doch führt die Anwendung einer solchen Lehre bei einem Fahrgeschäft nach der Druckschrift D1 nicht zum beanspruchten Gegenstand, weil dadurch noch keine Überlagerung der Fliehkraftfelder durch die Erdanziehung infolge der steilen Schräglage erfolgt. Diese Überlagerung der Fliehkräfte als einfache, naheliegende additive Maßnahme einzustufen, ist als ex-post-facto Betrachtung in Kenntnis der vorliegenden Erfindung anzusehen, weil gerade durch diese Überlagerung völlig andere Fahrbelastungen und Fahreindrücke hervorgerufen werden.

5.4. Auch ausgehend von einem Karussell nach der Druckschrift D4 wird der Fachmann nicht in naheliegender Weise zum Fahrgeschäft nach Anspruch 1 gelangen. In dieser Druckschrift D4 ist vorgeschlagen (vgl. Seite 2, Zeilen 7 bis 9), daß zweckmäßig die Drehung der Plattformen von der Drehung des Traggestells abgeleitet wird. In der Abbildung 1 ist zwar eine Schräglage der Bodenstruktur gezeigt, die steiler ist als bei dem Fahrgeschäft nach der Druckschrift D1 (Figur 7), doch kann auch darin die Kammer keine steile Schräglage im Sinne der vorliegenden Erfindung feststellen, weil der aus der Figur zu erkennende Kippwinkel deutlich unter 45. liegt. Eine steilere Verstellung der Bodenstruktur ist bei dieser Konstruktion auch nicht naheliegend, da dagegen die hohen Aufbauten der Planetenscheiben sprechen. Selbst wenn der Fachmann, angeregt durch den übrigen Stand der Technik (beispielsweise der Druckschrift D3) Einzelantriebe für die Planetenscheiben anordnen würde und selbst wenn man den dort gezeigten Kippwinkel als steil bezeichnen würde, käme man noch nicht zu dem Fahrgeschäft nach Anspruch 1, da nach der Druckschrift D4 die Fahrgastsitze tangential und nicht zur Planetendrehachse hin angeordnet sind. Auch diese Sitzanordnung spielt für den Fahreindruck, d. h. für die Blickrichtung und auch für die Fahrbelastung eine Rolle. Der Fachmann kann daher ausgehend von dem aus der Druckschrift D4 bekannten Karussell ebenfalls nicht zum Fahrgeschäft nach Anspruch 1 gelangen.

5.5. Wie bereits oben unter Abschnitt 5.3.5 ausgeführt, ist das Karussell nach der Druckschrift D7 so aufgebaut, daß die auf den Planetenstrukturen angeordneten Sitze frei drehbar sind. Bei dem Karussell nach der Druckschrift D2 sind die Sitze ebenfalls frei drehbar angeordnet, so daß dieser Stand der Technik auch in Verbindung miteinander nicht zum Gegenstand des Anspruches 1 führen kann, bei dem die Fahrgastsitze auf den Planetenscheiben befestigt sind.

5.6. Auch ausgehend von einem Fahrgeschäft nach der Druckschrift D3 und unter Berücksichtigung des aus der Druckschrift D2 bekannten Standes der Technik kann der Fachmann das Fahrgeschäft nach Anspruch 1 nicht in naheliegender Weise ableiten, da das Fahrgeschäft nach der Druckschrift D2 nach einem anderen Prinzip arbeitet als dasjenige nach der Druckschrift D3. Während nach der Druckschrift D2 die frei drehbare Anordnung der Sitze eine wesentliche Rolle spielt, sind bei dem Karussell nach der Druckschrift D3, das eine Hopsbewegung ausführen soll, die Sitze fest auf der Planetenscheibe angeordnet. Infolge der völlig unterschiedlichen Fahrgeschäfte ist eine Kombination von Merkmalen aus den beiden Druckschriften nicht naheliegend.

5.7. Das Fahrgeschäft nach Anspruch 1 des Hauptantrages beruht somit auf einer erfinderischen Tätigkeit.

6. Das erteilte Patent hat daher Bestand.

7. Da bereits dem Hauptantrag der Beschwerdegegnerin stattgegeben wird, braucht auf ihre Hilfsanträge nicht mehr eingegangen zu werden.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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