T 0710/98 () of 11.2.2000

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2000:T071098.20000211
Datum der Entscheidung: 11 Februar 2000
Aktenzeichen: T 0710/98
Anmeldenummer: 92890255.0
IPC-Klasse: C21C 5/56
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zum Einschmelzen von Schrott
Name des Anmelders: VOEST-ALPINE INDUSTRIEANLAGENBAU GMBH Daimler-Benz AG
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Neuheit (ja, nach Änderung)
Erfinderische Tätigkeit (ja, nach Änderung)
Novelty (yes, after amendment)
Inventive step (yes, after amendment)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung des EPA vom 18. März 1998, mit der die europäische Patentanmeldung Nr. 92 890 255.0 auf der Grundlage der ursprünglich eingereichten Ansprüche 1 bis 7. zurückgewiesen wurde.

II. Die angefochtene Entscheidung stützt sich auf die folgenden Druckschriften:

D1: DE-A-2 418 109

D2: Stahl und Eisen 105 (1985), 20, Seiten 67 bis 70.

Die Prüfungsabteilung vertrat die Ansicht, daß der Gegenstand von Anspruch 1 gegenüber dem allgemeinen Fachwissen eines Metallurgen nicht mehr neu sei und, falls die Neuheit anerkannt werden sollte, auch gegenüber der technischen Lehre der Druckschriften D1 und D2 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

III. Mit Bescheid vom 16. Juli 1999 wies die Kammer zusätzlich auf die Druckschriften

D3: The Making, Shaping and Treating of Steel, US Steel, 10. Ausgabe, 1985, Seiten 339, 340, 463

D4: DE-A-1 758 608

D5: DE-A-2 737 441

hin und gab eine vorläufige Stellungnahme zur Sachlage ab. Die Kammer wies dabei auf in der Anmeldung genannten technische Merkmale hin, durch die möglicherweise ein patentbegründender Unterschied zum genannten Stand der Technik bewirkt werden könnte.

IV. Mit ihrem Antwortschreiben, eingegangen am 20. Oktober 1999, stimmte die Anmelderin (Beschwerdeführerin) der von der Kammer vorgenommenen Bewertung des technischen Sachverhalts zu und reichte einen geänderten Anspruch 1 mit den abhängigen Ansprüchen 2 bis 6 zusammen mit einer daran angepaßten Beschreibung ein.

V. Der geänderte Anspruch 1 lautet:

"1. Verfahren zum Einschmelzen von Schrott in einer überhitzten Eisenschmelze, wobei

- der Schrott in paketierter Form chargiert wird und in eine mittels eines vom Schrottschmelzprozeß gesonderten Schmelzprozeß hergestellte überhitzte Eisenschmelze eingebracht wird,

- der C-Gehalt der überhitzten Eisenschmelze außerhalb des Schrottschmelzprozesses in der Schmelze (4) eingestellt wird und die C-Zugabe in Abhängigkeit von der C-Abnahme im geschmolzenen Schrott in einem gesonderten Schmelzofen (5) vorgenommen wird,

- der Schrottschmelzprozeß in einem Schachtofen (1) durchgeführt wird und die überhitzte aufgekohlte Eisenschmelze (4) im Querstrom zum Schachtofen am Fuß des Schachts unter Ausbildung eines gasdichten Verschlusses hindurchgeleitet und in einem Sammelgefäß (6) aufgefangen wird,

- im Schachtofen (1) ein Sauerstoffmangel aufrechterhalten wird und die Abgase des Schachtofens (1), insbesondere Pyrolyse- oder Schwelgase, gemeinsam mit gegebenenfalls in den Schachtofen (1) eingebrachten inerten Trägergasen einer Gasreinigung unterworfen werden."

Die Beschwerdeführerin beantragt,

- die angefochtene Entscheidung der Prüfungsabteilung aufzuheben und

- das Patent auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 6 mit angepaßter Beschreibung, eingereicht am 20. Oktober 1999, zu erteilen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Änderungen

Der geänderte Anspruch 1 basiert auf den ursprünglichen Ansprüchen 1 und 3 in Kombination mit der Beschreibung Spalte 5, Zeilen 17 bis 19 und 32, 33 der A1-Anmeldung (entsprechend Seite 6, Zeilen 31 bis 36 und Seite 7, Zeilen 7 bis 10 der ursprünglich eingereichten Unterlagen). Er beschreibt klar die technischen Merkmale des beanspruchten Schrotteinschmelzverfahrens. Die abhängigen Ansprüche 2 bis 6 sind unverändert und entsprechen den ursprünglichen Ansprüchen 2 und 4 bis 7. Die Beschreibung wurde an die neue Anspruchsfassung angepaßt und enthält eine Würdigung des in den Druckschriften D1, D4 und D5 genannten Standes der Technik.

Hinsichtlich der Erfordernisse gemäß Artikel 123 (2) und 84. EPÜ sind die vorgenommenen Änderungen mithin nicht zu beanstanden.

3. Neuheit

Von den in den Druckschriften D1 und D5 genannten Verfahren unterscheidet sich das beanspruchte Verfahren durch

- den Einsatz von paketiertem Schrott,

- die Ausbildung eines gasdichten Verschlusses am Fuße des Schachtofens 1 sowie

- die Aufrechterhaltung eines Sauerstoffmangels im Schachtofen 1.

Im Verfahren gemäß Druckschrift D4 wird - im Gegensatz zum beanspruchten Verfahren - der Schrottschmelzprozeß nicht in einem Schachtofen mit einem gasdichten Verschluß am Schachtofenfuß, sondern vielmehr in einem vorgeschalteten offenen Schmelzbehälter 32 durchgeführt, in dessen Schmelzbad die Schrottpakete zugeführt werden. Die relativ kühle Schrottschmelze steht mit der heißen Schmelze der Frischkammer 19, 20 in Verbindung. Die Druckschriften D2 und D3 betreffen lediglich den technologischen Hintergrund und liegen somit ferner. Aufgrund der aufgezeigten technischen Unterschiede ist das Verfahren zum Einschmelzen von Schrott in einer überhitzten Eisenschmelze gemäß Anspruch 1 der Anmeldung deshalb neu.

4. Nächstkommender Stand der Technik

Wie beim beanspruchten Verfahren, so wird gemäß der Lehre der Druckschriften D1 und D5 der Schrott über einen Schachtofen zugeführt und im Schmelzsumpf am Boden des Schachtofens eingeschmolzen. Im Verfahren nach D1 ist - zusätzlich zum Verfahren gemäß Druckschrift D5 - noch ein seitlicher Einlauf 9 (Figur 1) bzw. 9a (Figur 2) vorgesehen, über den flüssiges Roheisen (d. h. eine in einem gesonderten Verfahren hergestellte Eisenschmelze mit einem Kohlenstoffgehalt von ca. 3 bis 4. %) eingespeist werden kann. Aufgrund dieser Überlegungen bildet das Verfahren nach Druckschrift D1 den nächstkommenden Stand der Technik.

5. Aufgabe und Lösung

5.1. Das Verfahren nach Druckschrift D1 macht jedoch keine genaueren Angaben über die Art des eingesetzten Schrotts. Anders als beim beanspruchten Verfahren hat man sich in Druckschrift D1 die Aufgabe gestellt, ein kontinuierliches Stahlerzeugungsverfahren in einem einzigen Schmelzaggregat zu entwickeln und die beim Frischvorgang anfallenden Gasmengen beliebiger Gattierung optimal auszunutzen. Zur Ableitung der entstehenden Frischgase ist eine Öffnung des Schachtofens 1 zur Seite der Frischkammer 3 hin vorgesehen (vgl. Figur 1, Spalte 2, Zeilen 45 bis 51). Durch diese Öffnung treten die beim Frischen entstehenden heißen Abgase in den Schacht, heizen die niedergehende Schrottcharge auf und entweichen schließlich durch den Kamin 12 (siehe Figur 1). Insbesondere durch die Einblasdüsen 7 und 6 (am Schachtofen) werden die beim Frischen entstehenden Abgase unter Zufuhr von sauerstoffhaltigem Gas weiter nachverbrannt, so daß das Ausgangsmaterial (Schrott) im Schachtofen oxydierend niedergeschmolzen wird (vgl. Spalte 3, Zeilen 51 bis 60).

5.2. Ausgehend von Druckschrift D1 besteht die Aufgabe der vorliegenden Anmeldung somit in der Bereitstellung eines Verfahrens, das

- einen guten Wärmeübergang auf den niederzuschmelzenden Schrott aufweist und somit der Einsatz von Koks herabgesetzt werden kann,

- eine wesentliche geringere Abgasmenge ergibt und

- den Aufwand zur Reinigung der beim Schrotteinschmelzen, insbesondere von Schrott mit integriertem Kunststoffanteil, entstehenden Schwelgase wesentlich herabsetzt und die Entstehung giftiger Gase wie Dioxin vermeidet.

5.3. Zur Lösung dieser Aufgabe wird entsprechend den Merkmalen von Anspruch 1 der Schrott in paketierter Form in den Schachtofen chargiert, der Schacht am seinem unteren Ende gasdicht verschlossen und in der Schachtofenatmosphäre ein Sauerstoffmangel aufrechterhalten. Durch die Zugabe von Paketschrott erfolgt eine bessere Wärmeübertragung auf den Schrott, wobei gleichzeitig eine kontrollierte Entgasung bzw. Vergasung des in den Paketen integrierten Kunststoffanteils eintritt. Da der Schachtofen an seinem Fuß mittels einer Art Siphon gasdicht abgeschlossen ist, kann die Zersetzung der im Schrott enthaltenen Kunststoffe somit unter Sauerstoffmangel bzw. Sauerstoffausschluß erfolgen, so daß sich in den entstehenden Pyrolyse- oder Schwelgasen kein Dioxin bildet. Weiterhin wird durch die wesentlich geringeren Abgasemengen die Reinigung der entstehenden Pyrolysegase bzw. Synthesegase wesentlich erleichtert.

Im Gegensatz zum beanspruchten Verfahren entstehen im Verfahren nach Druckschrift D1 durch den nachgeschalteten Frischprozeß sehr große Abgasmengen, die sich durch deren Nachverbrennung noch erhöhen und die im Schachtofen eine oxydierende Atmosphäre erzeugen. Dadurch wird u. a. das Entstehen einer eisenoxidreichen Schlacke bewirkt (vgl. D1, Spalte 3, Zeilen 51 bis 60). Zur Lösung der in der vorliegenden Anmeldung gestellten Aufgabe ist deshalb die in D1 genannte Vorrichtung nicht geeignet. Sie vermittelt dem Fachmann auch keine brauchbaren Hinweise oder Anregungen darauf, wie große Abgasmengen und die Entstehung giftiger Pyrolysegase wie Dioxin aus verunreinigtem Schrott vermieden werden könnten.

5.4. Auch die Kombination der Lehre von D1 mit der derjenigen von Druckschrift D5 führt nicht zum beanspruchten Verfahren, denn auch dort wird die am Boden des Schachtofens gebildete Schmelze durch Einblasen von Sauerstoff über die Düsen 28, 30 gefrischt und die dabei entstehenden Abgase über den Schacht abgeleitet. Durch die Nachverbrennung der Abgase mittels Sauerstoff, welcher über die Ringleitung 26 zugeführt wird, entsteht auch im Verfahren nach Druckschrift D5 eine oxydierend wirkenden Atmosphäre im Inneren des Schachtofens 15, durch die die Bildung toxischer Substanzen bei der Vergasung der im Schrott enthaltenen Kunststoffanteile begünstigt wird (siehe Figur 2, Seite 15, Zeilen 19 bis 27).

In Druckschrift D4 werden zwar Schrottpakete bzw. Ballen (40) mit einer Kantenlänge von ca. 50 cm in eine Schmelzzone eingebracht, wobei das relativ kühle Metallbad der Schmelzzone über eine Öffnung in der Trennwand mit der heißen Schmelze in der Frischzone 19, 20. in Verbindung steht (vgl. Figur 3). Es handelt sich jedoch bei Schmelzbehälter 32 gemäß Figur 3 um ein offenes System, das den aus dem Schrott entweichenden Abgasen und deren Reinigung keinerlei verfahrenstechnische Bedeutung zumißt. Deshalb führt auch die Kombination der Lehren der Druckschriften D1 und D4 nicht zum beanspruchten Verfahren.

5.5. In diesem Zusammenhang ist festzustellen, daß auch die Prüfungsabteilung ein Schrotteinschmelzverfahren mit den nun beanspruchten Merkmalen für gewährbar erachtet hatte (siehe Entscheidung vom 18. März 1998, I. 2. sowie Bescheid vom 28. November 1995, Punkt 5).

6. Der Gegenstand von Anspruch 1 beruht somit auch auf einer erfinderischen Tätigkeit und erfüllt mithin die Erfordernisse von Artikel 56 EPÜ.

Die abhängigen Ansprüche 2 bis 6 betreffen bevorzugte Ausführungsformen des Verfahrens nach Anspruch 1 und sind deshalb ebenfalls neu und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent aufgrund der folgenden Unterlagen zu erteilen:

Beschreibung Seiten 1 bis 8, eingereicht am 20. Oktober 1999,

Ansprüche 1 bis 6, eingereicht am 20. Oktober 1999,

Zeichnungen Blatt 1/1, wie ursprünglich eingereicht.

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