T 0586/98 (Steuersystem für Stelleinrichtung/BMW) of 18.5.2000

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2000:T058698.20000518
Datum der Entscheidung: 18 Mai 2000
Aktenzeichen: T 0586/98
Anmeldenummer: 89113734.1
IPC-Klasse: G05D 1/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Steuersystem für Stelleinrichtungen eines Kraftfahrzeugs
Name des Anmelders: Bayerische Motoren Werke Aktiengesellschaft
Name des Einsprechenden: Robert Bosch GmbH
Kammer: 3.5.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Mit vorliegender Beschwerde wird die Entscheidung der Einspruchsabteilung angefochten, den Einspruch gegen das mit 6 Ansprüchen erteilte Streitpatent zurückzuweisen.

Der Anspruch 1 des Patents lautet wie folgt:

"Steuersystem für Stelleinrichtungen eines Kraftfahrzeugs, die zusätzlich zu einer mechanischen Grundfunktion eine mit elektronischen Mitteln erzielbare Zusatzfunktion durchführen, mit mindestens einem Sensor (Sensor 1-n) für eine Eingangsgröße, einem Rechner (1,1*) zum Umsetzen der Eingangsgröße in eine Ausgangsgröße für ein der Zusatzfunktion zugeordnetes Stellglied (2) und mit einer Notfalleinrichtung für eine Notfallmaßnahme bei Auftreten eines Fehlers, dadurch gekennzeichnet, daß eine aus den Funktionsstufen Sensor(en), Rechner und einer dem Stellglied (21, Fig. 2) zugeordneten Notfalleinrichtung bestehende Funktionskette im Gegensatz zum nur einfach vorhandenen Stellglied redundant ausgebildet ist, daß die gleich wirkenden Elemente der Funktionsketten auf gleiche Funktion überwacht sind, daß die Notfalleinrichtung (Klemmeinrichtung 26, Rückschlagventile 19 und 20) ansteuerbar ist, wenn an sich gleichwirkende Elemente der Funktionsketten eine Abweichung um ein vorgegebenes Maß aufweisen und daß die Notfalleinrichtung (Klemmeinrichtung 26, Rückschlagventile 19 und 20) dem Stellglied (21) nachgeschaltet ist, wobei der Rechner (12,13) die Notfalleinrichtung bei Ausfall des Stellglieds ansteuert."

II. Im Einspruchsverfahren wurden zum Stand der Technik folgende Druckschriften in Betracht gezogen:

D6: DE-A-3 539 407

D7: "Elektronische Dieselregelung EDR für Nutzfahrzeuge" von A. Mischke und G. Fränkle, ATZ Automobiltechnische Zeitschrift 85, 1983, Seiten 539 bis 548.

III. Im Anhang zur Ladung zur mündlichen Verhandlung hat die Kammer die Meinung geäußert, daß die mit der Beschwerdebegründung, spät eingereichte Entgegenhaltung D8 nicht relevanter erschien als die schon im Einspruchsverfahren berücksichtigte Entgegenhaltungen.

IV. Am 18. Mai 2000 wurde mündlich verhandelt.

Die Beschwerdeführerin hat zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 folgendes vorgetragen:

Aus der Entgegenhaltung D6 sei eine Vorrichtung gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 1 zweifelsohne bekannt und dies sei weder von der Einspruchsabteilung noch von der Patentinhaberin in Frage gestellt worden.

Aufgabe des Gegenstandes des Streitpatents sei es, ein elektronisches Steuersystem zu schaffen, das mit geringem Aufwand ein Höchstmaß an Funktionssicherheit biete, und das gerade im Fehlerfall sicher für die Durchführung der Notfallmaßnahme sorge. Eine entsprechende Aufgabenstellung liege auch dem Gegenstand von D6 zugrunde.

D6 zeige in Figur 1 ein Steuersystem, welches aus zwei Funktionsketten bestehe. Die erste Funktionskette bestehe aus Sensor D1, Prozessor P1, Stellglied E und Notfalleinrichtung 33, 34. Die zweite Funktionskette bestehe aus Sensor D2, Prozessor P2, Stellglied E und Notfalleinrichtung 33, 34. Wie man siehe, sind Sensoren und Prozessoren redundant ausgebildet. Ferner bestehe eine funktionelle Redundanz der Notfalleinrichtung durch eine Oder-Verknüpfung 33. Somit sei das erste kennzeichnende Merkmal bis auf die physisch redundante Notfalleinrichtungen bei den beiden Ketten aus der D6 zu entnehmen.

Offenbar sei das zweite kennzeichnende Merkmal aus D6 auch zu entnehmen. Die beiden Funktionsketten bestünden aus redundanten Elementen, wobei die entsprechenden Elemente der beiden Ketten eines Paares (z. B. Sensor D1 in der einen Kette und Sensor D2 in der anderen Kette) immer dieselbe Funktion ausführen, obwohl sie sich also in unterschiedlichen Ketten befänden. Also mäßen beide Sensoren D1 und D2 die Drehzahl und die beiden Rechner P1 und P2 seien so organisiert, daß sie dieselben Aufgaben ausführen könnten. Es sei deshalb der D6 zu entnehmen, daß das zweite kennzeichnende Merkmal des Anspruchs 1 bekannt sei. Weil die Elemente in jedem Paar jeweils dieselbe Funktion ausführen, müßten sie natürlicherweise auch auf dieselbe Funktion überwacht werden.

Das dritte kennzeichnende Merkmal, daß die Notfalleinrichtung ansteuerbar sei, sei eine platte Selbstverständlichkeit. Warum würde man eine Notfalleinrichtung schaffen wenn man sie nicht ansteuern würde?

Die Notfalleinrichtung (33, 34) in D6 sei dem Stellglied (E) nachgeschaltet, wie gemäß dem vierten kennzeichnenden Merkmal des Anspruchs 1 verlangt werde.

Auch sei das fünfte kennzeichnende Merkmal des Anspruchs der D6 zu entnehmen, weil die Rechner P1 oder P2 bei Ausfall des Stellgliedes (Regelstange einer Einspritzpumpe) die Notfalleinrichtung (33, 34) ansteuern könnten.

Zusammengefaßt sei der einzige Unterschied zwischen dem Gegenstand der D6 und dem Patentgegenstand, daß im Gegenstand der D6 nicht zwei konkrete Notfalleinrichtungen vorhanden seien, sondern es bestehe nur eine funktionelle Redundanz zwischen den Ketten in dieser Hinsicht. Dieser Unterschied sei aber für den Fachmann naheliegend zu überbrücken, und könne eine erfinderische Tätigkeit nicht begründen.

Die Beschwerdeführerin beantragte deshalb die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

Die Beschwerdegegnerin hat insbesondere folgendes vorgetragen:

Obwohl es von der Einspruchsabteilung angenommen würde, daß der Gegenstand des Oberbegriffs des Anspruchs 1 aus der D6 zu entnehmen sei, könne dieser Auffassung nicht zugestimmt werden. Die Erfindung gehe von einer Technik aus, die in der D6 nicht erörtert werde. Sie gehe, nämlich, von Stelleinrichtungen eines Kraftfahrzeuges aus, die eine mechanische Grundfunktion hätten. Zusätzlich zu dieser Grundfunktion werde nach der Erfindung aber mit elektronischen Mitteln auch eine Zusatzfunktion durchgeführt. Mit der Erfindung werde erzielt, daß, nach einem Fehler in einem von den Elementen in einer von den Funktionsketten, die Zusatzfunktion unwirksam gemacht werden könne, aber daß die Grundfunktion behalten werde, so daß das Kraftfahrzeug einigermaßen manövrierfähig bleibe. Im Falle der Hinterachs-Lenkung eines Fahrzeugs repräsentiere die Nullstellung der Hinterräder die Grundfunktion. Im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 seien die Maßnahmen angegeben, die beschrieben wie die Zusatzfunktion unwirksam gemacht werden könne. Die Grundfunktion, aber, solle natürlicherweise wirksam bleiben. Dies sei aus der Beschreibung auch zu verstehen.

In D6 sei keine Rede von einer Grundfunktion. In D6 werde einfach eine Diesel-Einspritzpumpe so lange geregelt, wie es gehe. Wenn es nicht mehr gehe, werde die Kraftstoffzufuhr einfach abgeschaltet. Eine Abschaltung der Kraftstoffzufuhr führe aber nicht zu einer bleibenden Grundfunktion, weil das Fahrzeug dann nicht mehr funktioniere.

Auch seien die kennzeichnenden Merkmale des Anspruchs 1 in der Anordnung von D6 nicht zu finden. Vor allem, gebe es in D6 keine Andeutung, daß die gleichwirkenden Elemente der Funktionsketten auf dieselbe Funktion überwacht seien, schon weil es kaum gleichwirkende Elemente gebe. Die erfinderische Tätigkeit der Erfindung sei von der Anordnung gemäß D6 nicht bedroht.

Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Die Kammer ist der Meinung, daß aus dem Anspruch 1 deutlich zu entnehmen ist, das zwei separate Funktionsketten bei der Erfindung, vorhanden sind, die je einen Sensor, einen Prozessor, und eine Notfalleinrichtung beinhalten. Diese Komponenten sind die "gleichwirkende Elemente der Funktionsketten" nach dem zweiten Merkmal des Anspruchs, die "auf gleiche Funktion überwacht sind". Das nachfolgende Merkmal im Anspruch 1, daß "die Notfalleinrichtung ansteuerbar ist" bedeutet deshalb, daß wahlweise, je nach der Situation, mit einer der Notfalleinrichtungen der beiden Ketten eine Notfallmaßnahme ausgelöst werden kann.

Nach Meinung der Kammer funktionieren die beiden Funktionsketten gemäß der Entgegenhaltung D6 auch unterschiedlich von den Ketten gemäß der Erfindung. Die Kammer vermag, nämlich, nicht einzusehen, daß in den Ketten gemäß D6 gleichwirkende Elemente im Sinne der Erfindung vorhanden sind. Deshalb können keine "gleichwirkenden Elemente" der D6 auf gleiche Funktion überwacht werden. In der Einrichtung gemäß D6 wird darauf geachtet, daß es immer einen funktionierenden Signalweg zur Endstufe, d. h. Stellglied E gibt. Der Signalweg, der im Normalfall funktioniert, besteht aus dem Detektor D1 in der ersten Kette, dem "Mengenregelungsteil" (11) des Rechners P1 in der ersten Kette und dem "Stellgrößenberechnungsteil" (23, 24, 22) des Rechners P2 in der zweiten Kette. Die einzige Notfalleinrichtung (33, 34) in D6 scheint nicht richtig zu den Funktionsketten zu gehören, weil sie nur bei einer bleibenden Regelabweichung im Hauptprozessor P2 oder bei einer bleibenden Regelabweichung im Prozessor P1 bei gleichzeitigem Defekt im Prozessor P2 eine Notfallmaßnahme ausführt.

Möglicherweise könnte gesagt werden, daß die Detektoren, d. h. die Drehzahlgeber D1 und D2 gemäß D6, auf dieselbe Funktion überwacht werden, aber eine Notfalleinrichtung in einer der Ketten können sie nicht ansteuern, schon weil solche redundante Notfalleinrichtungen im Sinne der Erfindung im Gegenstand der Entgegenhaltung D6 nicht vorhanden sind. Ist z. B. Sensor D1 in Entgegenhaltung D6 defekt, wird nur zum D2 umgeschaltet. Dies ist ja auch verständlich, weil nach D6 immer versucht wird, den normalen Signalweg (über Mengenregelungsteil der P1 und Stellgrößenberechnungsteil der P2) offen zu halten. Wenn D1 nicht funktioniert wird deshalb D2 benutzt in diesem Weg. Nach Meinung der Kammer ist aus der Entgegenhaltung D6 überhaupt nicht das Konzept der Erfindung zu entnehmen. Dieses Konzept, um ein Höchstmaß an Funktionssicherheit zu erreichen, muß darin gesehen werden, daß während der Durchführung der Zusatzfunktion beide Ketten gut funktionieren müssen - sonst wird eine Notfallmaßnahme eingeleitet.

In D6 werden nicht zwei unabhängige Signalwege offen gehalten, und die Rechner werden nicht mit denselben Arbeitsaufgaben belastet. Statt dessen wird im Normalfall die Rechnerbelastung auf beide Prozessoren verteilt. Deshalb wird bei Regelung der Regelstange einer Diesel-Einspritzpumpe die Bestimmung des Sollwerts im einen Prozessor, dagegen die Berechnung der Stellgröße in Abhängigkeit von der Differenz zwischen Sollwert und Istwert im anderen Prozessor ausgeführt. Wie aus D6 zu entnehmen ist (Spalte 2, Zeilen 19 bis 24) wird diese Verteilung gemacht, um eine hohe Rechnergeschwindigkeit zu erreichen. Weil die zwei Prozessoren die Arbeitsaufgaben sehr schnell lösen müssen, scheint es der Kammer, daß sie nicht redundant funktionieren können. Bei ihren individuellen Arbeitsaufgaben benutzen sie offenbar eine größere Kapazität als der Fall wäre, würden sie redundant arbeiten. Man will ja bei der Einrichtung der D6 offenbar einen Rechner mit unnötig großer Speicher- und Rechnerkapazität vermeiden (Spalte 2, Zeilen 6 bis 12). Weil die Prozessoren offenbar nicht dieselbe Funktion durchführen, können sie aber auch nicht auf dieselbe Funktion überwacht werden.

Es ist an sich richtig, daß auch nach D6 die Notfalleinrichtung (33, 34) der Endstufe (E) nachgeschaltet ist, d. h. daß die Kraftstoffzufuhr abgeschaltet wird wenn das Stellglied nicht funktioniert (Regelabweichung wird detektiert).

Aber, das entsprechende Merkmal des Anspruchs 1 ist ja sowieso der D6 nicht zu entnehmen, weil es - wie auch die Beschwerdeführerin zugegeben hat - in der Vorrichtung nach D6 nur eine gemeinsame Notfalleinrichtung für die beiden Ketten gibt.

Somit scheint es der Kammer, daß eigentlich keine der kennzeichnenden Merkmale des Anspruchs 1 aus der Entgegenhaltung D6 zu entnehmen sind. Es ist deshalb für die Kammer nicht nachvollziehbar, wie der Fachmann von der Vorrichtung, die in D6 beschrieben wird, zu der Erfindung des vorliegenden Patents gelangen könnte. Auch kann die Lehre der Entgegenhaltung D7, die nur flüchtig in der mündlichen Verhandlung von der Beschwerdeführerin genannt wurde, und die nur eine konventionelle Dieselregelung für Nutzfahrzeuge beschreibt, keinen Beitrag leisten, der den Fachmann zu der Erfindung führen würde.

Die Kammer ist auch der Meinung, daß der Ausgangspunkt der Erfindung unterschiedlich vom Stand der Technik gemäß D6 ist, denn D6 beschäftigt sich nicht mit einer mechanischen Grundfunktion und einer mit elektronischen Mitteln erzielbaren Zusatzfunktion im Sinne der Erfindung. Die Beschwerdeführerin hat die Meinung geäußert, daß die Ausgangsstellung der Regelstange der Einspritzpumpe gemäß D6 oder D7, die durch den gegen eine Rückstellfeder arbeitenden Stellkolben verstellt wird, einer Grundfunktion entspreche. Die Kammer ist wie die Beschwerdegegnerin aber der Meinung, daß diese Ausgangsstellung der Regelstange nicht als eine Grundfunktion im Sinne der Erfindung aufzufassen ist, sondern nur eine Grundstellung der Stange, in der sich nichts mehr bewegt.

Die Kammer ist der Meinung, daß die beanspruchte Erfindung in einer rationalen Weise das oben genannte Konzept der Erfindung durchführt und die Aufgabe - mit geringem Aufwand ein Höchstmaß an Funktionssicherheit zu bieten und im Fehlerfall für eine sichere Durchführung der Notfallmaßnahme zu sorgen (Patentschrift, Spalte 2, Zeilen 16 bis 24) - löst. Die Kammer kommt deshalb zum Ergebnis, daß der angezogene Stand der Technik dem Fachmann keine Anregung zur beanspruchten Lösung der Aufgabe gibt.

Der Gegenstand des Anspruchs 1, beruht daher auf erfinderischer Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ. Aus denselben Gründen beruht auch der Gegenstand des entsprechenden Verfahrensanspruchs 6 auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Die abhängigen Ansprüche 2 bis 5 betreffen vorteilhafte Weiterbildungen der Erfindung gemäß Anspruch 1 und werden von dessen Patentfähigkeit getragen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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