T 0487/98 () of 20.12.1999

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1999:T048798.19991220
Datum der Entscheidung: 20 Dezember 1999
Aktenzeichen: T 0487/98
Anmeldenummer: 92100399.2
IPC-Klasse: G01L 5/22
F02D 41/22
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zum Überwachen und Verstellanordnung für die Betätigung eines Verstellorgans einer Steuerung einer Verbrennungskraftmaschine
Name des Anmelders: Mannesmann VDO AG
Name des Einsprechenden: Robert Bosch GmbH
Kammer: 3.4.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (nein)
Inventive step (no)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Das europäische Patent Nr. 0 536 461 (Anmeldenummer 92. 100 399.2) wurde von der Einspruchsabteilung widerrufen.

Die Entscheidung, das Patent zu widerrufen, wurde damit begründet, daß sein Gegenstand im Hinblick auf den vorveröffentlichten Inhalt der Druckschriften:

D2: EP-A-0 355 967 und

D8: EP-A-0 190 411

nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ beruhen würde.

II. Gegen diese Entscheidung hat der Beschwerdeführer (Patentinhaber) Beschwerde eingelegt.

III. Es wurde am 20. Dezember 1999 mündlich verhandelt.

Der Beschwerdeführer beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage der in der mündlichen Verhandlung überreichten Ansprüche 1 und 3 und der restlichen Ansprüche, Beschreibung und Zeichnungen, wie erteilt.

Anspruch 1 des gültigen Anspruchssatzes lautet wie folgt:

"1. Verfahren zum Überwachen der Betätigung eines Verstellorgans (4) einer Steuerung einer Verbrennungskraftmaschine, wobei das Verstellorgan über eine Kraftübertragungsstrecke mittels eines durch einen Fahrer zu verstellenden Verstellglieds (2) gegen eine Rückstellkraft bewegt wird, wobei die zum Bewegen des Verstellorgans (4) benötigte Kraft und neben der Kraft auch die Bewegung des Verstellorgans (4) gemessen wird, dadurch gekennzeichnet, daß der Ist-Zusammenhang zwischen der gemessenen Kraft und der Bewegung des Verstellorgans (4) mit einem entsprechend vorgegebenen Soll-Zusammenhang verglichen wird, wobei eine Fehlerroutine durchgeführt wird, wenn der Ist-Zusammenhang nicht mit dem Soll-Zusammenhang übereinstimmt oder in einem vorgegebenen Toleranzbereich um den Soll-Zusammenhang herumliegt."

Der Beschwerdegegner (Einsprechender) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.

IV. Zur Stützung seines Antrags trug der Beschwerdeführer im wesentlichen folgende Argumente vor:

Das Verfahren gemäß dem nunmehr klargestellten Anspruch 1 betreffe ein Verfahren zum Überwachen der Betätigung eines Verstellorgans einer Steuerung einer Verbrennungskraftmaschine, das über eine Kraftübertragungsstrecke mittels eines durch einen Fahrer zu verstellenden Verstellglieds bewegt wird. Aus dem Wortlaut des Anspruchs ergebe sich deutlich, daß das Verstellorgan kein Teil des Verstellglieds darstellen könne, sondern davon durch die Kraftübertragungsstrecke, die gemäß der Beschreibung des Patents aus einem Gestänge, einem Seilzug oder einer hydraulischen Übertragung bestehe, räumlich getrennt sein müsse und somit die letzte Stelle vor der eigentlichen Steuerung der Verbrennungskraftmaschine bilde.

Die dem beanspruchten Verfahren zugrundeliegende Aufgabe bestehe darin, evtl. auftretende Defekte in der Kraftübertragungsstrecke zu erfassen. Dies gelinge dadurch, daß der Ist-Zusammenhang zwischen der zum Bewegen des Verstellorgans benötigten Kraft und der Bewegung des Verstellorgans mit einem vorgegebenen Soll-Zusammenhang verglichen werde.

Im Gegensatz dazu seien in den Druckschriften D2 und D8 nur Vorrichtungen offenbart, bei welchen die Kraft- und Bewegungsmessungen beide nur an dem Verstellglied (Pedal) erfolgten. Damit sei ein Erfassen von Defekten in der Kraftübertragungsstrecke nicht möglich.

Darüber hinaus beziehe sich der Offenbarungsgehalt der Druckschrift D8 lediglich auf den Betrieb von Bremsanlagen, so daß der sich mit der Weiterbildung der Steuerung einer Verbrennungskraftmaschine gemäß der Druckschrift D2 befassende Fachmann keine Veranlassung gehabt hätte, die Lehre der Druckschrift D8 heranzuziehen, es sei denn aus einer unzulässigen ex post facto Betrachtung.

V. Der Beschwerdegegner wies seinerseits darauf hin, daß Anspruch 1 aufgrund seiner allgemeinen Begriffe, wie "Verstellorgan", "Verstellglied" oder "Kraftübertragungsstrecke" und dem Fehlen von näheren Angaben über die Lage dieser Elemente und die Weise, in der sie miteinander verknüpft seien, die Verwendung eines Pedals gemäß den Druckschriften D2 und D8 mit umfasse, bei welchem die Trittplatte, der Bewegungssensor und der dazwischenliegende, drehbar gelagerte Hebel sehr wohl ein Verstellglied, ein Verstellorgan bzw. eine Kraftübertragungsstrecke im Sinne von Anspruch 1 bildeten.

Sowohl bei einer durch elektrische Signale gesteuerten Verbrennungskraftmaschine gemäß der Druckschrift D2 ("drive by wire system") als auch bei einer elektrischen Bremsanlage gemäß der Druckschrift D8 ("break by wire system") sei es wichtig zu überwachen, ob ein eingegebener Steuerbefehl dem eigentlichen Wunsch des Fahrers auch entspreche. Daher sei es für den Fachmann naheliegend gewesen, die im Zusammenhang mit einer elektrischen Bremsanlage offenbarte technische Lösung gemäß der Druckschrift D8 auch zur Verbesserung der Sicherheit einer Verbrennungskraftmaschinensteuerung gemäß der Druckschrift D2 heranzuziehen, und somit unmittelbar zum beanspruchten Gegenstand zu gelangen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde wurde frist- und formgemäß eingelegt und ist daher zulässig.

2. Neuheit

2.1. Die Druckschrift D2 offenbart eine Steuerung für eine Verbrennungskraftmaschine, bei welcher ein lineares Potentiometer 18 (Figur 1) an den Steuercomputer 28 (Figur 2) ein Signal abgibt, das der Stellung des Fahrpedals 12 entspricht. Das Potentiometer 18 ist an einem Ende des Hebels des Fahrpedals 12 angeordnet, der um eine Achse 14 drehbar gelagert ist, und an dessen anderem Ende eine Trittfläche vorgesehen ist, welche vom Fahrer gegen die Rückstellkraft einer Feder 16 bewegt wird. Ein Kraftsensor 20 mißt die dazu benötigte Kraft (vgl. Spalte 2, Zeilen 3 bis 47).

Sowohl im schriftlichen Verfahren als auch während der mündlichen Verhandlung wurde die Frage erörtert, ob gemäß der Auslegung des Beschwerdegegners das Potentiometer 18, der Hebel des Fahrpedals 12 und seine Trittfläche jeweils als ein "Verstellorgan", eine "Kraftübertragungsstrecke" und ein "Verstellglied" im Sinne des Anspruchs 1 gedeutet werden können.

Der Anspruch selber enthält keine näheren Angaben über die Gestaltung dieser Elemente und deren räumliche Anordnung zueinander. Gemäß der Beschreibung des Streitpatents wirkt das Verstellorgan oder Betätigungsglied 4 auf ein verstellbares Potentiometer 11, das wie das Potentiometer 18 der Druckschrift 2 ein Signal erzeugt, das der Stellung des Betätigungsgliedes entspricht. Als Beispiele einer Kraftübertragungsstrecke werden in der Beschreibung entweder ein Gestänge, ein Seilzug oder eine hydraulische Verbindung genannt, die sich zwischen Fahrpedal und einem nicht in unmittelbarer Nähe des Fahrers angeordneten Verstellorgan des Potentiometers 12 erstrecken (vgl. Spalte 4, Zeilen 25 bis 33 und 47 bis 49; Figur 1). Weder aus der Beschreibung, noch aus dem Wortlaut des Anspruchs 1 ist jedoch die technische Notwendigkeit eines großen Abstandes zwischen Trittfläche am Gaspedal und Steuerpotentiometer zu erkennen. Im Gegenteil scheint eine vom Gaspedal nicht sehr weit entfernte Anordnung des Potentiometers allfällige Schwierigkeiten bei der Bewegungsübertragung eher zu vermindern. Der Ausdruck "Kraftübertragungsstrecke" in Anspruch 1 wird vom Fachmann deshalb nicht dahingehend verstanden, daß er einen Mindestabstand od. dgl. zwischen Verstellglied und Verstellorgan voraussetzt, solange nur eine Kraftübertragung zwischen diesen vorliegt. Aus diesen Gründen, und nachdem der Beschwerdeführer trotz mehrfacher Hinweise auf die Möglichkeit einer der Pedalanordnung der Druckschrift D2 entsprechenden Auslegung der allgemein formulierten Begriffe "Verstellorgan", "Kraftübertragungsstrecke" und "Verstellglied" keine nähere Präzisierung im Anspruch vorgenommen hat, sind nach Auffassung der Kammer diese beanspruchten Elemente durch das Potentiometer 18, den drehbar gelagerten Hebel des Pedals 12 und seine Trittfläche bei der Vorrichtung der Druckschrift D2 vorweggenommen.

Bei dieser bekannten Vorrichtung wird lediglich überwacht, ob der Betätigungsmodus des Gaspedals, bei welchem die auf die Trittfläche des Gaspedals ausgeübte Kraft null ist, auch mit dem jeweiligen Arbeitsmodus der Verbrennungskraftmaschine übereinstimmt (vgl. die Zusammenfassung).

Somit unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 von dem Überwachungsverfahren nach der Druckschrift D2 dadurch, daß der Ist-Zusammenhang zwischen der gemessenen Kraft und der Bewegung des Verstellorgans mit einem entsprechend vorgegebenen Soll-Zusammenhang verglichen wird und bei Abweichung eine Fehlerroutine durchgeführt wird, wie dies im Kennzeichenteil des Anspruchs definiert ist.

2.2. Die Druckschrift D8 offenbart eine Steuervorrichtung für eine elektrische Bremsanlage, die ein in der Figur 1 dargestelltes Trittplatten-Bremsventil umfaßt. Die vom Fahrer betätigte, in der Zeichnung nicht gezeigte Trittplatte, die aus den oben angegebenen Gründen auch ein Verstellglied im Sinne von Anspruch 1 darstellt, ist an einem Zwischenteil 16 befestigt, das gegen die Rückstellkraft einer Gummifeder 15 gegen einen Kraftsensor 2 bewegt wird, und dessen Weg von einem Wegsensor 1 erfaßt wird. Auch hier stellt der Wegsensor ein Verstellorgan im Sinne von Anspruch 1 dar, das über das, eine Kraftübertragungsstrecke bildende Zwischenteil 16. gegen eine Rückstellkraft bewegt wird (vgl. Seite 3, Zeilen 8 bis 16). Bei dieser Vorrichtung werden ferner die Signale der beiden Sensoren 1 und 2 auf Plausibilität geprüft, wobei insbesondere der Ist-Zusammenhang zwischen der gemessenen Kraft und der Bewegung des Verstellorgans mit einem entsprechend vorgegebenen Soll-Zusammenhang verglichen wird (vgl. Seite 4, Zeilen 14 bis 16 und Seite 6, Zeilen 19 bis 22), wobei eine aus dem Anzeigen einer Störung bestehende Fehlerroutine durchgeführt wird, wenn der Ist-Zusammenhang nicht mit dem Soll-Zusammenhang übereinstimmt oder in einem vorgegebenen Toleranzbereich um den Soll-Zusammenhang herum liegt (vgl. Seite 6, Zeilen 24 und 25).

Somit unterscheidet sich das im vorliegenden Anspruch 1 angegebene Überwachungsverfahren von dem aus der Druckschrift D8 bekannten im wesentlichen dadurch, daß es im Zusammenhang mit der Steuerung einer Verbrennungskraftmaschine verwendet wird, statt mit einer elektrischen Bremsanlage.

2.3. Die weiteren im Prüfungs- oder Einspruchsverfahren erwähnten Druckschriften liegen dem beanspruchten Verfahren ferner ab. Somit ist dieses neu im Sinne von Artikel 54 EPÜ.

3. Erfinderische Tätigkeit

3.1. Die Kammer schließt sich der übereinstimmenden Auffassung beider Parteien an, wonach der nächstkommende Stand der Technik aus dem Überwachungsverfahren gemäß der Druckschrift D2 besteht. Dies ist nämlich das einzige bekannte Verfahren, bei welchem die Steuerung einer Verbrennungskraftmaschine nicht nur über die Messung der Bewegung eines Verstellorgans, sondern auch über eine Messung der dazu benötigten Kraft erfolgt.

3.2. Von diesem nächstkommenden Stand der Technik unterscheidet sich das beanspruchte Überwachungsverfahren dadurch, daß der Ist-Zusammenhang zwischen der gemessenen Kraft zum Bewegen des Verstellorgangs und der Bewegung des Verstellorgans mit einem entsprechend vorgegebenen Soll-Zusammenhang verglichen und eine Fehlerroutine bei mangelnder Übereinstimmung durchgeführt wird (vgl. Absatz 2.1 supra). Dieses Unterscheidungsmerkmal bewirkt zumindest, daß ein Ausfall oder ein fehlerhaftes Arbeiten einer der beiden Signalgeber detektiert werden kann.

Daher kann die dem beanspruchten Verfahren zugrundeliegende, objektiv ermittelte technische Aufgabe darin gesehen werden, bei der bekannten Verbrennungskraftmaschinensteuerung gemäß D2 auch noch eine Überwachung der korrekten Funktion der beiden dort mit dem Verstellglied (Gaspedal) verbundenen Bewegungs- und Kraftsensoren zu gewährleisten.

An sich liefert diese Aufgabenstellung nach Auffassung der Kammer noch keinen Beitrag zur erfinderischen Tätigkeit, weil die sich aus einem fehlerhaften Arbeiten der Sensoren ergebenden Sicherheitsrisiken, z. B. bei einem ungewollten Beschleunigen des Kraftfahrzeuges, und somit auch die Wichtigkeit einer näheren Überwachung in diesem Hinblick leicht zu erkennen sind.

3.3. Nachdem die technische Aufgabe sich somit auf die Überwachung der Funktion von Signalgebern bei einem Verstellglied (Gaspedal) konzentriert, und zwar ohne Berücksichtigung der Art und Weise, in welcher die gewonnenen Signale dann zur Steuerung der Verbrennungskraftmaschine weiterverarbeitet werden, kann die Kammer der Auffassung des Beschwerdeführers nicht folgen, wonach der Fachmann in seine Überlegungen lediglich Elemente des Standes der Technik miteinbeziehen würde, die sich mit der Steuerung von Verbrennungskraftmaschinen beziehen.

Relevant für ihn sind nämlich zumindest Vorveröffentlichungen, die sich mit der Überwachung von verschiedenen, mit einem Verstellglied (Pedal) verbundenen Signalgebern in Kraftfahrzeugen beschäftigen. Dazu gehört auch die Druckschrift D8, die die Überwachung von zwei, am Bremspedal einer elektrisch gesteuerten Bremsanlage angeordneten Sollwertgebern betrifft. Durch die Druckschrift D8 wird dem Fachmann die Lehre vermittelt, insbesondere auch den Ist-Zusammenhang zwischen der gemessenen Kraft und der Bewegung des Bewegungsmelders mit einem entsprechend vorgegebenen Soll-Zusammenhang zu vergleichen, und bei Nichtübereinstimmung im Laufe einer Fehlerroutine eine Warnlampe anzusteuern (vgl. die Zusammenfassung und Seite 6, Zeilen 19 bis 25).

Die unmittelbare Übertragung dieser technischen Lehre auf die Steuereinrichtung der Druckschrift D2 führt ihn dann zum Überwachungsverfahren gemäß vorliegendem Anspruch 1.

Aus diesen Gründen beruht dieses Verfahren nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ.

4. Nachdem unter Berücksichtigung der vom Beschwerdeführer vorgenommenen Änderungen das europäische Patent und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des Übereinkommens nicht genügen, kann die Aufrechterhaltung des Patents in dem geänderten Umfang gemäß dem Antrag des Beschwerdeführers nicht beschlossen werden (Artikel 102 (3) EPÜ).

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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