T 0419/98 (Kompaktanleger/HEIDELBERGER) of 28.6.2000

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2000:T041998.20000628
Datum der Entscheidung: 28 Juni 2000
Aktenzeichen: T 0419/98
Anmeldenummer: 93915751.7
IPC-Klasse: B65H 1/26
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Bogenanleger an Druckmaschinen
Name des Anmelders: Heidelberger Druckmaschinen AG
Name des Einsprechenden: MAN Roland Druckmaschinen AG
Kammer: 3.2.04
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Auf den Gegenstand der europäischen Patentanmeldung Nr. 93 915 751.7 wurde das europäische Patent Nr. 608 392 erteilt, dessen Anspruch 1 wie folgt lautet:

"1. Bogenanleger an Druckmaschinen, insbesondere Offsetdruckmaschinen, mit einem zwischen Anlegerseitenwänden (2,3) befindlichen, mittels einer Hauptstapelhubeinrichtung (5) vertikal verfahrbaren Stapeltisch (4) zur Aufnahme eines Bogenstapels (19) und mit einer Hilfsstapelhubeinrichtung (8) für eine unterbrechungsfreie Bogenzuführung beim Einbringen eines neuen Bogenstapels, wobei die Hilfsstapelhubeinrichtung Non-Stop-Schienen (10,16) zur Zuordnung von einen Restbogenstapel tragenden Non-Stop-Stangen (22) oder dergleichen aufweist und die Hilfsstapelhubeinrichtung ein von der Hauptstapelhubeinrichtung separat angeordnetes vertikal verfahrbares Hubelement (26) aufweist,

dadurch gekennzeichnet,

daß das Hubelement (26) jeweils an den Außenseiten (6, 7) der beiden Anlegerseiten angeordnet ist und daß die Non-Stop-Schienen (10,16) -ggf. zusammen mit den Hubelementen (26)- einen Rahmen (9) bilden, der die Anlegerseitenwände (2,3) -oder zumindest Abschnitte von ihnen- außen umfaßt."

II. Gegen dieses Patent wurde ein sich auf Artikel 100 a) EPÜ stützender Einspruch eingelegt mit dem Antrag, das Patent zu widerrufen. Die Einspruchsabteilung wies mit ihrer am 16. Februar 1998 zur Post gegebenen Entscheidung den Einspruch zurück.

III. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin (Einsprechende) am 11. April 1998 unter gleichzeitiger Bezahlung der Gebühr Beschwerde eingelegt und diese am 26. Juni 1998 begründet.

IV. Am 28. Juni 2000 ist mündlich verhandelt worden.

V. Die Beschwerdeführerin hat während der mündlichen Verhandlung ihre Argumente lediglich auf die folgenden Beweismittel gestützt:

D1: US-A-4 052 051;

D2: DE-B-2 637 086.

In der schriftlichen Phase des Beschwerdeverfahrens hat sie sich auch auf die Druckschriften DE-A-3 128 464 (D3) und US-A-3 288 463 (D4) bezogen.

VI. Die Beschwerdeführerin hat im wesentlichen vorgetragen, daß ausgehend von einem Bogenanleger nach der Druckschrift D1 und im Hinblick auf die Druckschrift D2 der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) hat den Ausführungen der Beschwerdeführerin widersprochen.

VII. Die Beschwerdeführerin hat beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

Die Beschwerdegegnerin hat beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Der beanspruchte Gegenstand

2.1 Der Oberbegriff des Anspruchs 1 bezieht sich auf einen Bogenanleger "mit einem zwischen Anlegerseitenwänden (2, 3) befindlichen ... Stapeltisch", wobei gemäß dem kenzeichnenden Teil das Hubelement der Hilfsstapelhubeinrichtung "jeweils an den Außenseiten der beiden Anlegerseiten angeordnet ist" und "die Non-Stop-Schienen ... einen Rahmen bilden, der die Anlegerseitenwände (2, 3) ... außen umfaßt" (Hervorhebungen hinzugefügt).

2.2 Wie auch die Beschwerdegegnerin angegeben hat, bezeichnen die Ausdrücke "Anlegerseitenwand" und "Anlegerseite" denselbe Teil des Bogenanlegers, nämlich einen strukturellen Teil, an welchem u.a. das Hubelement der Hilfsstapelhubeinrichtung angeordnet ist.

Aufgrund der Angabe, daß der Bogenanleger mit einem zwischen den Anlegerseitenwänden (2, 3) befindlichen Stapeltisch versehen ist, ist auch davon auszugehen, daß der Oberbegriff des Anspruchs 1 sich auf sogenannte Kompaktanleger richtet, d. h. auf Bogenanleger, die gegenüber konventionellen, mit einer oberhalb des Bogenstapels angeordneten Traverse versehenen Bogenanlegern, eine niedrigere Bauform aufweisen (siehe Beschreibung des Patentes: Spalte 1, Zeilen 33 bis 40, in Bezug auf konventionelle Bogenanleger; Spalte 1, Zeilen 41 bis 46, in Bezug auf Kompaktanleger).

Die Anlegerseitenwände (2, 3) haben eine tragende Funktion und sind daher von den Abdeckungen (62, 63) zu unterscheiden, die zur Abdeckung der Antriebselemente der Hilfsstapelhubeinrichtung die Anlegerseitenwände übergreifen, (siehe Beschreibung des Patentes, Spalte 6, Zeile 56 bis Spalte 7, Zeile 6).

2.3 Außerdem ist aufgrund des Wortes "jeweils" im Anspruch 1 davon auszugehen, daß die Hilfsstapelhubeinrichtung zwei Hubelemente aufweist. Dies steht im Einklang mit dem Anspruch 3, der sich auf "die Hubelemente (26)" bezieht, und mit den Zeichnungen des Patentes, die zwei Hubelemente (26) zeigen (siehe Figur 3).

2.4 Gemäß dem Anspruch 1 ist das Hubelement, d. h. jedes Hubelement der Hilfsstapelhubeinrichtung, von der Hauptstapelhubeinrichtung separat angeordnet. Aufgrund des Wortes "separat", ist diese Angabe - wie auch von der Beschwerdegegnerin vorgebracht worden ist - so zu verstehen, daß die Hilfsstapelhubeinrichtung unabhängig von der Hauptstapelhubeinrichtung arbeitet.

3. Der Stand der Technik

3.1 Die Druckschrift D1 beschreibt einen Bogenanleger an Druckmaschinen mit einem zwischen Anlegerseitenwänden ("walls" 82, 84) befindlichen, mittels einer Hauptstapelhubeinrichtung (12) vertikal verfahrbaren Stapeltisch ("platform" 18) zur Aufnahme eines Bogenstapels (14) und mit zwei Hilfsstapelhubeinrichtungen ("decks" 34) für eine unterbrechungsfreie Bogenzuführung beim Einbringen eines neuen Bogenstapels, wobei jede Hilfsstapelhubeinrichtung einen Bauteil (50) zur Zuordnung von einer einen Restbogenstapel tragenden Non-Stop-Platte ("comblike plate" 36) und vertikal verfahrbare Hubelemente ("drive screws" 54), die von der Hauptstapelhubeinrichtung separat angeordnet sind, aufweist.

Die Hubelemente (54) der beiden Hilfsstapelhubeinrichtungen sind gemeinsam derart angetrieben, daß die beiden Hilfsstapelhubeinrichtungen immer in derselben Ebene bleiben.

3.2 Die Druckschrift D2 beschreibt einen Bogenanleger an Druckmaschinen mit einem mittels einer Hauptstapelhubeinrichtung vertikal verfahrbaren Stapeltisch (5) zur Aufnahme eines Bogenstapels und mit einer Hilfsstapelhubeinrichtung (3) für eine unterbrechungsfreie Bogenzuführung beim Einbringen eines neuen Bogenstapels. Die Hilfsstapelhubeinrichtung weist Non-Stop-Schienen (Traversen 11, 12, 14, 15) zur Zuordnung von einen Restbogenstapel tragenden Non-Stop-Stangen (8) und von der Hauptstapelhubeinrichtung separat angeordnete vertikal verfahrbare Hubelemente (Hubketten 10) auf. Die Non-Stop-Schienen (11, 12, 14, 15) bilden einen rechteckigen Rahmen.

Die Figur 4 stellt einen Bogenanleger dar, der einen L-förmigen Rahmen aufweist. Dieser Rahmen besteht aus zwei Seitenteilen, wobei am oberen horizontalen Teil des Rahmens, der oberhalb des Bogenstapels liegt, die Umlenkräder der Hubketten angeordnet sind.

3.3 Die Druckschrift D3 beschreibt einen Bogenanleger an Druckmaschinen mit einem mittels einer Stapelhubeinrichtung vertikal verfahrbaren Stapeltisch (2) zur Aufnahme eines Bogenstapels und mit einem Hilfstisch zur Zuführung von Makulagebogen. Es ist angesichts der Figuren deutlich, daß die Stapelhubeinrichtung mit Tragketten versehen ist, deren Umlenkräder offensichtlich an einer oberhalb des Bogenstapels angeordneten Traverse gelagert sind.

3.4 Die Druckschrift D4 beschreibt einen Bogenanleger an Druckmaschinen mit einem mittels einer Hauptstapeleinrichtung vertikal verfahrbaren Stapeltisch (9) zur Aufnahme eines Bogenstapels 21 und mit einer Hilfsstapeleinrichtung für eine Bogenzuführung beim Einbringen eines neuen Bogenstapels, wobei die Hilfsstapeleinrichtung Non-Stop-Schienen (29,31, 33,58) zur Zuordnung von einen Restbogenstapel tragenden Non-Stop-Stangen (47) aufweist. Die Non-Stop-Schienen (29,31, 33,58) sind nicht vertikal verfahrbar, so daß eine Hilfsstapelhubeinrichtung nicht vorhanden ist.

4. Neuheit

Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist neu im Sinne von Artikel 54 EPÜ. Die Neuheit wurde nicht bestritten.

5. Aufgabe und Lösung

5.1 Die Beschwerdeführerin ist davon ausgegangen, daß der nächstkommende Stand der Technik sich aus der Druckschrift D1 ergibt und daß diese Druckschrift einen Bogenanleger offenbart, der die im Oberbegriff des Anspruchs 1 angeführten Merkmale aufweist. Diese Auffassung wurde auch von der Beschwerdegegnerin vertreten.

5.2 Die in der Beschreibung des Patentes angegebene Aufgabe besteht darin, "einen Bogenanleger in Kompaktbauweise zu schaffen, der relativ kleine Höhenabmessungen aufweist, eine einfache Konstruktion besitzt und insbesondere freie Zugriffs- und Einblickmöglichkeiten für einen Bediener schafft" (siehe Spalte 2, Zeilen 20 bis 25).

5.3 Der Gegenstand der Anspruchs 1 unterscheidet sich daher von diesem Stand der Technik dadurch, daß

a) das Hubelement jeweils an den Außenseiten der beiden Anlegerseiten angeordnet ist und

b) die Non-Stop-Schienen ... einen Rahmen bilden, der die Anlegerseitenwände - oder zumindest Abschnitte von ihnen - außen umfaßt.

5.4 Die Merkmale des Anspruchs 1 stellen eine Lösung der in der Beschreibung des Patentes angegebene Aufgabe dar:

5.4.1 Der Bogenanleger nach der Druckschrift D1 (siehe den vorstehenden Abschnitt 3.1) weist zwei Bauteile (50) auf, denen jeweils eine Non-Stop-Platte (36) zugeordnet ist, wobei die beiden Non-Stop-Platten sich dazu eignen, den Restbogenstapel zusammen zu tragen. Die zwei Bauteile (50) erstrecken sich - in der Förderrichtung der Bogen gesehen - weit über den Bogenstapel hinaus (siehe insbesondere Figuren 2 und 3).

Jede Non-Stop-Platte (36), die bezüglich des jeweiligen Bauteils (50) verschiebbar angeordnet ist, hat eine Breite, die der Breite des Bogenstapels entspricht (siehe Figur 1). Aufgrund der Figuren ist die Kammer der Ansicht, daß die beiden Bauteile (50) und daher die Hubelemente (54) - quer zur Förderrichtung der Bogen gesehen - innerhalb der Ebenen der Anlegerseitenwände (82, 84) angeordnet sind.

Der Bogenanleger nach der Druckschrift D1 ist auch ein Bogenanleger in Kompaktbauweise, der relativ kleine Höhenabmessungen aufweist, insofern als er nicht mit einer oberhalb des Bogenstapels angeordneten Traverse versehen ist.

5.4.2 In diesem Zusammenhang hat die Beschwerdeführerin vorgetragen, daß der Bogenanleger nach der Druckschrift D1 sehr kompakt sei und daß er die in der Beschreibung angegebene Aufgabe insofern löse, als diese Aufgabe sich auf die kompakte Bauweise bezieht. Dies kann durchaus korrekt sein, ist aber nach Auffassung der Kammer nicht relevant, weil die Aufgabe, die einer Erfindung zugrunde liegt, auch darin bestehen kann, eine andere Lösung für eine bekannte, bereits gelöste Aufgabe vorzuschlagen.

5.4.3 Darüber hinaus ist festzustellen, daß der Bogenanleger nach der Druckschrift D1 einen größeren Platzbedarf erfordert und nicht leicht zugänglich ist, weil die zwei Bauteile (50), denen die Non-Stop-Platten (36) zugeordnet sind, sich weit über den Bogenstapel hinaus erstrecken (siehe den vorstehenden Abschnitt 5.4.1).

Die Merkmale a) und b), die den beanspruchten Gegenstand vom Stand der Technik nach der Druckschrift D1 unterscheiden, tragen nicht nur dazu bei, eine andere Lösung der Aufgabe im Hinblick auf die Höhenabmessung des Bogenanlegers zu definieren, sondern haben auch zusätzliche Vorteile, die sich auf die Zugänglichkeit und auf den Platzbedarf des Bogenanlegers beziehen.

6. Erfinderische Tätigkeit

6.1 Die Beschwerdeführerin hat sich auf die Druckschrift D2 bezogen, insbesondere auf die Ausführungsform nach der Figur 4, und hat im wesentlichen folgendes vorgetragen:

- Der Bogenanleger nach dieser Druckschrift weise eine Hilfsstapelhubeinrichtung auf, die mit Non-Stop-Schienen zur Zuordnung von einen Restbogenstapel tragenden Non-Stop-Stangen versehen ist, wobei diese Non-Stop-Schienen einen rechteckigen Rahmen bilden. Dieser rechteckige Rahmen umfasse den Bogenstapel und befinde sich daher außerhalb des Bogenstapels. Darüber hinaus seien die Seitenteile des L-förmigen Rahmens dieses bekannten Bogenanlegers mit den Seitenwänden des Bogenanlegers nach der Druckschrift D1 bzw. nach dem beanspruchten Gegenstand gleichzustellen.

- Es sei für den Fachmann, der die Zugriffs- und Einblickmöglichkeiten in Bezug auf den Bogenstapel verbessern will, naheliegend, den rechteckigen Rahmen noch weiter nach draußen bezüglich des Bogenstapels anzuordnen, und zwar derart, daß der Rahmen die Seitenwände des Bogenanlegers außen umfaßt und daß die Hubelemente an den Außenseiten der Seitenwände angeordnet sind.

6.2 Nach Auffassung der Kammer stellt diese Argumentation der Beschwerdeführerin eine ex-post-facto Betrachtungsweise dar.

Die Druckschrift D2 vermittelt die Lehre, daß die Non-Stop-Schienen, denen die den Restbogenstapel tragenden Non-Stop-Stangen zugeordnet sind, einen rechteckigen Rahmen bilden, welchem Hubelemente, in Form von Tragketten, zugeordnet sind. Dennoch findet der Fachmann in der Druckschrift D2 keinen Hinweis, der ihn veranlassen kann, diesen rechteckigen Rahmen so zu gestalten, daß er die äußeren Seitenteile des L-förmigen Rahmens, an dem die Umlenkkettenräder der Tragketten angeordnet sind, außen umfaßt.

Außerdem beschreibt das Ausführungsbeispiel nach der Figur 4 einen Bogenanleger, der aufgrund der an den Gestellstützen (28) geführten Scherenanlage (27) einen großen Platzbedarf - in der Förderrichtung der Bogen gesehen - hat. Daher kann diese Druckschrift auf eine Lösung einer die Verringerung des Platzbedarfes betreffenden Aufgabe weder explizit noch implizit hinweisen.

Darüber hinaus vermittelt die Druckschrift D2 in keiner Weise die Information, daß die Hubelemente des rechteckigen Rahmens an den Außenseiten der Seitenteile des L-förmigen Rahmens angeordnet werden können.

Daher kann die Verknüpfung der Druckschriften D1 und D2 nicht zum beanspruchten Gegenstand führen.

6.3 Die Druckschriften D3 und D4, die sich nicht auf Kompaktanleger beziehen, sind weniger relevant als die Druckschrift D2 bzw. D1.

6.4 Angesichts der obigen Ausführungen ergibt sich der Gegenstand des Anspruchs 1 für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik (Artikel 56 EPÜ).

7. Daher hat das auf der Basis des unabhängigen Anspruchs 1 und der abhängigen Ansprüche 2 bis 14 erteilte Patent Bestand.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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