T 0397/98 (Haarkosmetische Zubereitungen/HENKEL) of 31.5.2000

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2000:T039798.20000531
Datum der Entscheidung: 31 Mai 2000
Aktenzeichen: T 0397/98
Anmeldenummer: 92906596.9
IPC-Klasse: A61K 7/06
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Haarkosmetische Zubereitungen
Name des Anmelders: Henkel Kommanditgesellschaft auf Aktien
Name des Einsprechenden: Goldwell GmbH
Kammer: 3.3.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54(1)
European Patent Convention 1973 Art 54(2)
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 123(2)
Schlagwörter: Hauptantrag: Neuheit (nein)
Hilfsantrag: Neuheit nach Einschränkung (ja)
Erfinderische Tätigkeit (ja), Neuformulierung der Aufgabe aus den Erstunterlagen herleitbar, Nachweis der erfinderischen Tätigkeit durch Vergleichsversuche
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0001/83
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Gegen das mit 11 Patentansprüchen erteilte europäische Patent Nr. 0 577 636 (Anmeldenummer: 92 906 596.9) legte die Beschwerdegegnerin Einspruch ein. Gestützt auf Artikel 100 a) EPÜ begründete sie den Einspruch damit, daß der Gegenstand der Ansprüche 1 bis 4 und 7 bis 9 nicht neu sei (Artikel 52 (1), 54 EPÜ) und der Gegenstand der Ansprüche 5, 6, 10 und 11 nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe (Artikel 52 (1), 56 EPÜ).

Der Anspruch 1 des erteilten Patents hatte folgenden Wortlaut:

"Zubereitungen, enthaltend übliche Bestandteile zum Reinigen und zur Pflege der Haare, dadurch gekennzeichnet, daß sie eine Wirkstoffkombination, bestehend aus

(A) einem kationisch derivatisierten Proteinhydrolysat,

(B) einem Kohlenhydrat, ausgewählt aus

- Monosacchariden,

- Oligosacchariden,

- On- und Uron-Säuren (Zuckersäuren),

- Zuckeralkoholen und

- Glykosiden und

(C) einem kationischen, anionischen oder Ampho-Polymer,

enthalten."

II. Die Beschwerdegegnerin stützte ihren Einspruch unter anderem auf folgende Entgegenhaltungen:

(1) E. S. Stern, V. L. Johnson, Cosmetic & Toiletries, Vol. 98, Mai 1983, Seiten 76 - 78, 80. - 82, 84;

(3) K. Schrader, Grundlagen und Rezepturen der Kosmetika, 2. Auflage, 1989, Seiten 722 - 723, 728 - 737, 752 - 760.

III. In der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung beantragte die Beschwerdeführerin die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang auf Grundlage von 11 Ansprüchen.

Die unabhängigen Ansprüche 1, 10 und 11 lauten wie folgt:

"1. Verwendung von Zubereitungen, enthaltend übliche Bestandteile zum Reinigen und zur Pflege der Haare sowie eine Wirkstoffkombination, bestehend aus

(A) einem kationisch derivatisierten Proteinhydrolysat,

(B) einem Kohlenhydrat, ausgewählt aus

- Monosacchariden,

- Oligosacchariden,

- On- und Uron-Säuren (Zuckersäuren),

- Zuckeralkoholen und

- Glykosiden

und

(C) einem kationischen, anionischen oder Ampho-Polymer,

zum Reinigen und Pflegen der Haare.

10. Verfahren zur Behandlung von Haaren, dadurch gekennzeichnet, daß eine Zubereitung, wie in den Ansprüchen 1 bis 9 verwendet, auf das Haar aufgebracht wird und nach einer Einwirkzeit wieder ausgespült wird.

11. Verfahren zur Behandlung von Haaren, dadurch gekennzeichnet, daß eine Zubereitung, wie in den Ansprüchen 1 bis 9 verwendet, auf das Haar aufgebracht wird und dort verbleibt."

IV. Die Beschwerde richtet sich gegen die mit Datum vom 23. Februar 1998 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das Patent gemäß Artikel 102 (1) EPÜ wegen mangelnder Neuheit widerrufen wurde.

In ihrer Entscheidung konnte die Einspruchsabteilung die Bedenken der Beschwerdegegnerin gegen die Klarheit der geänderten Ansprüche 10 und 11 nicht teilen.

Hinsichtlich des Einspruchs wegen mangelnder Neuheit räumte die Einspruchsabteilung zwar ein, daß die in der Entgegenhaltung (1) unter Formula 5 als "Protein Moisturizing Lotion" bezeichnete Zusammensetzung keinen expliziten Hinweis auf deren Verwendung zum Reinigen und zur Pflege der Haare enthalte. Aus der Gesamtoffenbarung von (1) ergebe sich jedoch, daß das in der entgegengehaltenen Zusammensetzung verwendete, kationisch derivatisierte Proteinhydrolysat mit der Bezeichnung "LexeinR QX3000" sowohl zur Pflege der Haut als auch zur Pflege der Haare geeignet sei. Da die Entgegenhaltung (3) die Verwendung von Feuchthaltemitteln (moisturizer), wie beispielsweise Polyalkohole, zu denen Sorbit gehöre, auch für Haarbehandlungsmittel empfehle, ergäben sich für den fachkundigen Leser als Verwendungsmöglichkeit der in (1) offenbarten Zusammensetzung drei mögliche Alternativen: zur Pflege der Haut, zur Pflege der Haare oder zur Pflege von beiden. Es bestehe daher kein Zweifel, daß der fachkundige Leser, die Verwendung der bekannten Zusammensetzung für die Pflege der Haare als in (1) offenbart ansehen würde. Bei dieser Sachlage enthalte der Anspruch 1 des Streitpatents keine neuheitsbegründende Auswahl aus der Lehre von (1).

V. Mit der Eingabe vom 17. Februar 1999 hat die Beschwerdegegnerin ihren Einspruch zurückgenommen.

VI. Im Anhang zur Ladung zu der für 31. Mai 2000 anberaumten mündlichen Verhandlung teilte die Kammer der Beschwerdeführerin in einem Bescheid mit, sie behalte sich in Ausübung ihres in Artikel 111 (1) EPÜ eingeräumten Ermessens vor, in der mündlichen Verhandlung sowohl die Frage der Neuheit als auch die Frage der erfinderische Tätigkeit zu erörtern und über beide Einspruchsgründe selbst zu entscheiden, da sich diese im wesentlichen auf dieselben Entgegenhaltungen stützen.

VII. In der mündlichen Verhandlung legte die Beschwerdeführerin einen Hauptantrag und einen Hilfsantrag vor:

Der Hauptantrag betrifft die Aufrechterhaltung des Patents auf Grundlage der Ansprüche 1 bis 11, die der Entscheidung der Einspruchsabteilung zugrunde liegen (siehe Paragraph III oben);

der Hilfsantrag unterscheidet sich vom Hauptantrag dadurch, daß die Liste der Kohlenhydrate als Komponente (B) der in Anspruch 1 definierten Wirkstoffkombination auf Mono- und Oligosaccharide beschränkt wurde.

VIII. Im schriftlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdeführerin hinsichtlich der Neuheit des Hauptantrags im wesentlichen folgendes vorgetragen:

Obwohl nicht bestritten werde, daß Formulierung 5 der Entgegenhaltung (1) eine Zusammensetzung offenbare, die unter die im Anspruch 1 des Streitpatents verwendeten Mittel falle, sei für diese Formulierung in (1) kein spezieller Verwendungszweck erkennbar. Die Einspruchsabteilung sei lediglich in Kenntnis der Erfindung durch eine unzulässige Kombination der Lehre der Entgegenhaltung (1) mit jener der Entgegenhaltung (3) zum Schluß gelangt, daß die Verwendung der Zusammensetzung gemäß Beispiel 5 zur Haarbehandlung für den fachmännischen Leser in (1) bereits offenbart sei. Dabei habe sie angesichts der Tatsache, daß gemäß der Lehre von (3) Haarbehandlungsmittel unter anderem Polyalkohole als Feuchthaltemittel enthalten könnten, die Funktion von Sorbit in der Zusammensetzung gemäß Formulierung 5 von (1) als Feuchthaltemittel interpretiert und daraus auf die Verwendung dieser Zusammensetzung zur Haarbehandlung geschlossen. In (3) seien als Anwendungsgebiete für die Komponente Sorbit jedoch explizit nur die Haut- und Zahnbehandlung genannt. Es sei somit klar, daß der unvoreingenommene Leser die Komponente Sorbit vornehmlich mit anderen Gebieten der Kosmetik in Zusammenhang bringe und dabei keinesfalls an die Haarbehandlung denke.

Außerdem ließen verschiedene Komponenten der Formulierung 5 in (1) eher auf ein Mittel zur Behandlung der Haut als auf ein Mittel zur Behandlung der Haare schließen.

Hinsichtlich des Hilfsantrags trug die Beschwerdeführerin vor, daß dieser Zuckeralkohole, wie Sorbit, als mögliche Kohlenhydratquelle nicht mehr enthalte und daher unzweifelhaft neu sei.

Durch die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Vergleichsversuche sei nachgewiesen worden, daß bei Verwendung einer erfindungsgemäßen Wirkstoffkombination, die als Komponente (B) Glucose enthalte, im Vergleich zur Formulierung 5 aus (1) unerwarteterweise eine wesentlich niedrigere Naß- und Trockenkämmarbeit erreicht werde. Zudem trete die Zunahme der elektrostatischen Aufladung der Haare, die bei Anwendung des Mittels gemäß (1) beobachtet werde, bei Verwendung des erfindungsgemäßen Mittels nicht auf. Da der Stand der Technik keinen Hinweis enthalten habe, der dem Fachmann die Verwendung von Mono- oder Oligosacchariden an Stelle von Sorbit zur Erzielung der genannten Vorteile hätte nahelegen können, erfülle der Gegenstand des Hilfsantrags auch das Erfordernis der erfinderischen Tätigkeit.

IX. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang gemäß Hauptantrag, hilfsweise gemäß dem in der mündlichen Verhandlung eingereichten, als "1a" bezeichneten Hilfsantrag.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig. Hauptantrag; Neuheit:

2. Die Entgegenhaltung (1) in ihrer Gesamtheit vermittelt dem Fachmann die Lehre, daß das kationisch derivatisierte Proteinhydrolysat mit der Bezeichnung "LexeinR QX3000" gleichermaßen zur Pflege der Haare und zur Pflege der Haut geeignet ist. Das ergibt sich ausdrücklich aus den Ausführungen unter dem Titel "Substantivity" auf den Seiten 77 bis 79 von (1) in Zusammenhang mit den Abbildungen 4 und 5, wo insbesondere das verbesserte Aufziehvermögen von "LexeinR QX3000" sowohl auf die Haare als auch auf die Haut im Vergleich mit einem nicht derivatisierten Proteinhydrolysat hervorgehoben wird. Dementsprechend wird am Ende der linken Spalte auf Seite 82 das Molekül("LexeinR QX3000") auf Grund seiner Eigenschaften als einziges aktives oder zusätzliches Konditioniermittel in gleicher Weise sowohl für Haar- als auch für Hautpflegemittel empfohlen und in diesem Zusammenhang beispielhaft auf die nachfolgenden Formulierungen 1 - 9 verwiesen.

2.1. Während die Formulierungen 1, 3, 6 und 7 in (1) durch ihre Bezeichnung dem Bereich Haarpflegemittel und die Formulierungen 2, 4 und 8 dem Bereich Hautpflegemittel zugeordnet werden können, ist das bei der Formulierung 5 nicht der Fall. Daß die Formulierung 5 neben üblichen Bestandteilen zum Reinigen und zur Pflege der Haare mit den Komponenten "LexeinR QX3000", Sorbit und Carbomer 924 eine Wirkstoffkombination bestehend aus den Komponenten (A), (B) und (C) gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags enthält, wurde von der Beschwerdeführerin nicht bestritten. Ebenso unbestritten ist, daß unter die für die Formulierung 5 gewählte Bezeichnung "Protein Moisturizing Lotion" gleichermaßen Haar- und Hautpflegemittel fallen. Die Beschwerdeführerin ist jedoch der Ansicht, daß der fachmännische Leser aufgrund bestimmter Komponenten, die in Formulierung 5 enthalten sind, diese, wie sie in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, "eher" dem Bereich Hautpflegemittel als dem Bereich Haarpflegemittel zuordnen würde.

2.2. Die Kammer kann dieser Ansicht nicht folgen. Denn das Argument, die Anwesenheit von bestimmten fetthaltigen Komponenten in der Formulierung 5 in geringen Mengen, wie beispielsweise 0.50 Gew.-% eines Mineralöls, 1. Gew.-% Cetylalkohol und 0.5 Gew.-% des cyclischen Silikonpolymeren Cyclomethicon, weise "eher" in Richtung eines Hautpflegemittels als eines Mittels zum Reinigen und zum Pflegen der Haare ist durch nichts belegt und widerspricht außerdem dem Allgemeinwissen des Fachmanns, wonach die vorstehend genannten fetthaltigen Komponenten durchaus übliche Bestandteile von Haarpflegemitteln sind. Das zweite Argument, ein Haarpflegemittel enthalte üblicherweise eine größere Menge eines Konditioniermittels, beispielsweise eines kationischen Tensids, als die in Formulierung 5 angegebenen 3 Gew.-% an "LexeinR QX3000" muß schon deshalb fehlschlagen, weil gemäß den Angaben in der linken Spalte, Zeilen 4 bis 6, auf Seite 81 von (1) bereits der Gehalt von nur 2 Gew.-% an "LexeinR QX3000" als einziger Wirkstoff (Konditioniermittel) in einem Haarpflegemittel ausreichend ist, um einen guten Konditioniereffekt zu erzielen.

2.3. Hält sich der fachmännische Leser an die tatsächliche und für die Beurteilung der Neuheit maßgebende Offenbarung am Ende der linken Spalte auf Seite 82 von Entgegenhaltung (1), wo die Verwendung von "LexeinR QX3000" in den Formulierungen 1 bis 9 für Haut- und Haarbehandlungsmittel als völlig gleichwertig angesehen wird, kann er nur den Schluß ziehen, daß in (1) die Verwendung der Formulierung 5 sowohl als Mittel zum Reinigen und zur Pflege der Haare als auch als Hautpflegemittel vorgeschlagen wird. Das Herausgreifen einer Verwendungsmöglichkeit aus zwei in (1) bereits offenbarten Alternativen kann jedoch nicht als Auswahl im patentrechlichen Sinn angesehen werden, da der bekannten Lehre kein neues Element hinzugefügt wird. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags ist daher nicht neu (Artikel 52 (1); 54 (1) und (2) EPÜ).

Hilfsantrag; Änderungen; nächstliegender Stand der Technik; Aufgabe und Lösung; Neuheit; erfinderische Tätigkeit:

3. Die Beschränkung der Komponente (B) der in Anspruch 1 des Hilfsantrags definierten Wirkstoffkombination auf Mono- und Oligosaccharide als Kohlenhydratquelle findet ihre Stütze in der veröffentlichten Patentanmeldung (WO 92/17153) in den ersten beiden vollen Absätzen auf Seite 4 der Beschreibung, den Beispielen und den abhängigen Ansprüchen 4 und 5. Dem entsprechen folgende Angaben in der Patenschrift: Seite 3, Zeilen 30 - 36, Beispiele, Ansprüche 4 und 5. Da der Kategoriewechsel von den ursprünglichen Stoffansprüchen zu Verwendungsansprüchen im Verlaufe des Einspruchsverfahrens durch die Zweckangaben im ursprünglichen Anspruch 1 und in der Beschreibung ebenfalls gestützt ist, genügen alle Ansprüche den Erfordernissen von Artikel 123 (2) EPÜ. Die Anpassung der Beschreibung an die geänderten Ansprüche und die Würdigung des Standes der Technik gemäß Entgegenhaltung (1) in der Beschreibungseinleitung sind unter Artikel 123 (2) EPÜ ebenfalls nicht zu beanstanden.

3.1. Da die geänderten Ansprüche sowohl durch die oben angeführte Beschränkung der Komponente (B) als auch durch den Kategoriewechsel einen geringeren Schutzumfang als die Produktansprüche des erteilten Patents aufweisen, wird auch Artikel 123 (3) EPÜ nicht verletzt.

4. Aus der in der Beschreibungseinleitung des Streitpatents (siehe Seite 2, Zeile 27) zitierten Druckschrift DE-C-3 528 168 sind synergistisch wirkende Mischungen aus Proteinhydrolysaten und Mono-, Di- und Oligosacchariden zur Behandlung unerwünschter Beeinträchtigungen der Haare durch Schampons, Bleich-, Färbe-, Well-, Tönungs-, Stylingmittel und dergleichen bekannt. Nach den Angaben in der Streitpatentschrift (siehe Seite 2, Zeilen 29 - 34) weisen diese Mittel den Nachteil auf, daß infolge der freien Aminogruppe des Proteinhydrolysats bei gleichzeitiger Anwesenheit eines reduzierenden Zuckers bereits bei Raumtemperatur die sogenannte Maillard Reaktion ablaufen kann, die mit einem unerwünschten Abbau der Wirkstoffe und einer störenden Braunfärbung solcher Mittel einhergeht.

4.1. Technisch gesehen macht sich die Erfindung zur Vermeidung des oben angeführten Nachteils einen Grundgedanken zunutze, der bereits aus (1) bekannt war, nämlich den Ersatz des Proteinhydrolysats durch ein durch Quaternisierung an der Aminogruppe derivatisiertes Proteinhydrolysat. Die Formulierung 5 in der Entgegenhaltung (1) enthält demnach neben üblichen Bestandteilen zum Reinigen und zur Pflege der Haare eine Wirkstoffkombination bestehend aus einem

- kationisch derivatisierten Proteinhydrolysat in Form von "LexeinR QX3000" (Cocotrimonium Collagen Hydrolysate)

- Kohlenhydrat in Form des Zuckeralkohols Sorbit und

- einem anionischen Polymer in Form einer kreuzvernetzten Polyacrylsäure (Carbomer 934).

4.2. Nach Auffassung der Kammer steht aus den oben angeführten Gründen der in der Entgegenhaltung (1) offenbarte Stand der Technik der Erfindung näher, als die in der Beschreibung des Streitpatents als Stand der Technik angeführte Zusammensetzung auf Basis von Proteinhydrolysaten gemäß der einzigen im Streitpatent zitierten Druckschrift DE-C-3 528 168.

5. Die Kammer ist sich natürlich dessen bewußt, daß die Erfindung in einem etwas anderen Licht als in der Anmeldung in der eingereichten Fassung und in der Streitpatentschrift erscheinen wird, wenn die Aufgabe gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik gemäß (1) ermittelt wird. Das liegt jedoch in der Natur des Einspruchsverfahrens, weil im Verlaufe eines solchen Verfahrens, wie im vorliegenden Fall, unter Umständen bekannte Sachverhalte zu Tage treten, die der Erfindung näher stehen, als der im Prüfungsverfahren verfügbare Stand der Technik. Diesem Umstand wird beispielsweise durch die Möglichkeit der Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang gemäß Artikel 102 (3) EPÜ Rechnung getragen.

5.1. Es gehört deshalb zur ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern, daß die zu lösende Aufgabe anhand objektiver Tatsachen bestimmt werden muß, die sich insbesondere aus dem im Laufe des Verfahrens ermittelten Stand der Technik ergeben, der sich von dem unterscheiden kann, der zum Zeitpunkt der Patenterteilung tatsächlich bekannt war. Eine dadurch bedingte Neuformulierung der Aufgabe noch im Beschwerdeverfahren wird durch Artikel 123 (2) EPÜ nicht ausgeschlossen, wenn die Aufgabe und ihre Lösung vom Fachmann unter Berücksichtigung des nächstliegenden Standes der Technik aus der Anmeldung in der eingereichten Fassung abgeleitet werden können (siehe in dieser Hinsicht beispielsweise "Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts", 3. Auflage 1988, I. D. 4.2).

5.2. Die Beschwerdeführerin hat in ihrer Eingabe vom 19. April 2000 geltend gemacht, im Vergleich zur Anwendung des Mittels gemäß Formulierung 5 aus (1), werde bei Verwendung des erfindungsgemäßen Mittels eine deutlich geringere Naßkämmarbeit, eine ausgeprägt niedrigere Trockenkämmarbeit und eine Verminderung der elektrostatischen Aufladung der Haare erreicht und hat zur Stütze ihres Vorbringens Vergleichsversuche vorgelegt. Dementsprechend kann die gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik gemäß (1) zu lösende Aufgabe darin gesehen werden, unerwünschte Beeinträchtigungen der Haare, die durch Schampons, Bleich-, Färbe-, Well-, Tönungs-, Stylingmittel und dergleichen verursacht werden, wie das Erfordernis einer ungünstig hohen Naß- und Trockenkämmarbeit, eine verstärkte elektrostatische Aufladung und ein verschlechtertes äußeres Erscheinungsbild der Frisur, noch weiter zu verringern, ohne dabei den Nachteil einer Maillard Reaktion in Kauf nehmen zu müssen.

5.3. Zur Lösung dieser Aufgabe wird in Anspruch 1 vorgeschlagen, zur Nachbehandlung der Haare ein Mittel einzusetzen, bei dem der in Formulierung 5 von (1) als Kohlenhydratquelle (B) eingesetzte Zuckeralkohol Sorbit durch ein Kohlenhydrat ausgewählt aus Monosacchariden oder Oligosacchariden ersetzt wurde.

5.4. Im vorliegenden Fall sind die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer solchen Neuformulierung der Aufgabe gegeben. Obwohl die Vermeidung der Maillard Reaktion als Aufgabe in der Streitpatentschrift im Vordergrund steht, läßt sich für den Fachmann aus den Angaben im zweiten Absatz auf Seite 1 der veröffentlichten Patentanmeldung in Zusammenhang mit den weiteren Ausführungen bis Seite 3, Ende des vierten Absatzes neben der zuvor genannten Aufgabe einwandfrei die allgemeine Aufgabe herleiten, die oben genannten, unerwünschten Beeinträchtigungen der Haare durch Verwendung von gegenüber dem Stand der Technik verbesserten haarkosmetischen Zubereitungen weiter zu verringern. Diese Aufgabe wurde nun lediglich gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik gemäß (1) präzisiert.

Dasselbe gilt auch für die vorgeschlagene Lösung der Aufgabe. Im abhängigen Anspruch 4 der veröffentlichten Patentanmeldung werden als bevorzugte Ausführungsform der Erfindung bereits Zubereitungen zum Reinigen und zur Pflege der Haare beansprucht, die als Wirkstoff (B) ein Kohlenhydrat mit 5 oder 6 Kohlenstoffatomen enthalten, und im abhängigen Anspruch 5 Zubereitungen, die als Wirkstoff (B) Glucose enthalten. Somit steht bereits in den Erstunterlagen die Verwendung von Mono- oder Oligosacchariden als Komponente (B) der in Anspruch 1 definierten haarkosmetischen Zusammensetzungen gegenüber den anderen Kohlenhydratquellen im Vordergrund.

5.5. Es bleibt zu prüfen, ob durch den beanspruchten Gegenstand die gestellte Aufgabe tatsächlich gelöst wird. Aus den eingereichten Vergleichsversuchen geht hervor, daß bei Anwendung eines haarkosmetischen Mittels, welches sich von der Formulierung 5 in (1) durch Ersatz von Sorbit durch das Monosaccharid Glucose unterscheidet, zur Nachbehandlung von Haaren, die zuvor gefärbt wurden, die Rest-Naßkämmarbeit von 42 % auf 38. %, die Rest-Trockenkämmarbeit von 80 % auf 68 % und die elektrostatische Aufladung von 113 % auf 93 % vermindert wurde, wobei die angegebenen Prozentzahlen jeweils für den Quotienten aus Meßwert und Referenzwert (gefärbte Haare ohne Nachbehandlung) stehen. Da die Vergleichsversuche so angelegt wurden, daß die nachgewiesene Verbesserung eindeutig auf das Unterscheidungsmerkmal der Erfindung gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik zurückgeführt werden kann, sieht die Kammer keinen Anlaß die tatsächliche Lösung der Aufgabe in Frage zu stellen.

6. Eine Zusammensetzung, welche neben einem kationisch derivatisierten Proteinhydrolysat eine Mono- oder Oligosaccharid als Kohlenhydratquelle enthält, ist ebenso wie deren Verwendung in dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik nicht beschrieben. Der Gegenstand der Ansprüche gilt daher als neu im Sinne von Artikel 54 (1) EPÜ.

7. Es ist somit zu untersuchen, ob die beanspruchte Lösung auch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

7.1. Entgenhaltung (1) ist das einzige im Verfahren befindliche Dokument, in dem die Verwendung von Zusammensetzungen, die ein kationisch derivatisiertes Proteinhydrolysat enthalten, zum Reinigen (beispielsweise Schampons) oder zur Pflege der Haare (beispielsweise Konditioniermittel) vorgeschlagen wird. Die Anwesenheit von Sorbit als Komponente der Formulierung 5 wiederum ist der einzige Hinweis in der gesamten Entgegenhaltung auf eine Kohlenhydratquelle als Bestandteil von haarkosmetischen Zusammensetzungen im Stand der Technik gemäß (1).

7.2. Entgegenhaltung (1) enthält jedoch keinerlei Angaben über den Zweck oder die technische Bedeutung der Verwendung des Zuckeralkohols (Polyalkohols) Sorbit als Bestandteil der Formulierung 5 und der Fachmann kommt daher nicht umhin, sich zu fragen, welche technische Bedeutung die Anwesenheit von Sorbit in einer haarkosmetischen Zusammensetzung haben könnte. Aus Dokument (3) erfährt er, daß Polyalkohole, wozu Sorbit gehört, als Feuchthaltemittel wesentliche Bestandteile von Haarkurmitteln sind (siehe insbesondere Seite 729, Punkt 8: Feuchthaltemittel). Da die gesamte Entgegenhaltung (1) keine einzige Alternative zu Sorbit als Kohlenhydratquelle auch nur erwähnt, hatte der Fachmann keine Veranlassung nach einer Alternative zu suchen, geschweige denn eine mögliche Verbesserung anzustreben.

7.3. Zieht der Fachmann, der vor die Lösung der in Punkt 5.2 definierten Aufgabe gestellt war, neben der Formulierung 5. die anderen in (1) offenbarten Mittel zur Reinigung und Pflege der Haare als Orientierung heran, nämlich die Formulierungen 1 (Haarkonditioniermittel), 3 (Konditionierschampon), 6 (Haarkonditioniermittel) und 7 (Haarspray),stellt er fest, daß keine dieser Formulierungen eine Kohlenhydratquelle enthält und wird daher den Schluß ziehen, daß die einzige Alternative zur Verwendung des Kohlenhydrats Sorbit in der Formulierung 5. der gänzliche Verzicht auf eine Kohlenhydratquelle ist. Dem Fachmann wird weder in (1) noch in (3) in irgendeiner Form vorgeschlagen oder auch nur nahegelegt, daß die bestehende Aufgabe durch den Ersatz von Sorbit durch eine andere Kohlenhydratquelle mit Aussicht auf Erfolg gelöst werden kann. Auf gar keinem Fall wird ihm durch die Lehre der Dokumente (1) oder (3) oder einer Kombination der Lehren beider Dokumente nahegelegt, die Aufgabe durch den Austausch von Sorbit mit strukturell unterschiedlichen reduzierenden Zuckern, wie Mono- oder Oligosacchariden, zu lösen. Aus diesen Gründen gelangt die Kammer zum Schluß, daß der Gegenstand des Hilfsantrags auch das Erfordernis der erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ erfüllt.

8. Die obigen Ausführungen gelten nicht nur für den Verwendungsanspruch 1 und die von Anspruch 1 abhängigen Ansprüche 2 bis 9, sondern auch für die Verfahrensansprüche 10 und 11. Nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist es nur eine Frage der individuellen Wahl, ob der Anmelder eine Tätigkeit als Verfahren zur Ausführung der Tätigkeit unter Angabe verschiedener Verfahrensschritte beansprucht oder ob er diese Tätigkeit, zu der naturgemäß eine Folge von Verfahrensschritten gehören kann, als Verwendung oder Anwendung einer Sache für einen bestimmten Zweck in einem Anspruch geschützt erhalten will (siehe beispielsweise G 1/83, ABl. EPA 1985, 60, insbesondere Gründe, Punkt 11). Im gegenständlichen Fall enthalten die Ansprüche 10 und 11 in Form von bevorzugten Ausführungsformen der Erfindung jeweils zwei konkret beschriebene, aufeinanderfolgende Verfahrensschritte, die jedoch vom Umfang der Verwendungsansprüche 1 bis 9 mitumfaßt sind.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent in geändertem Umfang mit folgender Fassung aufrechtzuerhalten:

Ansprüche: 1 bis 11 des Hilfsantrags 1a, wie in der mündlichen Verhandlung überreicht;

Beschreibung: Seiten 2 bis 9, wie in der mündlichen Verhandlung überreicht.

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