T 0304/98 () of 15.2.2000

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2000:T030498.20000215
Datum der Entscheidung: 15 Februar 2000
Aktenzeichen: T 0304/98
Anmeldenummer: 91919742.6
IPC-Klasse: H01R 13/533
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 43 KB)
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Anordnung zur dichten Durchführung eines Leiters durch die Wand eines Gehäuses
Name des Anmelders: Robert Bosch GMBH
Name des Einsprechenden: Siemens AG
Kammer: 3.5.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 111(1)
European Patent Convention 1973 Art 113(1)
European Patent Convention 1973 Art 113(2)
European Patent Convention 1973 R 58(2)
European Patent Convention 1973 R 67
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit der Gegenstände der ersten unabhängigen Patentansprüche des Hauptantrages und der Hilfsanträge 1 bis 3 - nein
Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung zur weiteren Entscheidung auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 5 gemäß Hilfsantrag 4
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0009/91
T 0005/81
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das europäische Patent Nr. 513 263 widerrufen wurde.

II. Der Widerruf des Patents wurde damit begründet, daß der Gegenstand des erteilten Anspruches 1 auch mit der beantragten Streichung des Wortes "insbesondere" in der drittletzten Zeile gegenüber dem aus

D8: US-A-3 764 730 (gemäß Eingabe vom 19. Dezember 1997, Blatt 2 und 4, konnte nur die US-Patentschrift gemeint sein, aber nicht die irrtümlich in der Entscheidung angegebene WO-Schrift mit gleicher Nummer) und

D11: Feinwerktechnik und Meßtechnik 86 (1978), Seiten 327, 328, 330, 332, 334, 335, Artikel von D. Ackermann und H. Nitsch: "Optimales Konstruieren von flexiblen Gedruckten Schaltungen in bezug auf ihre Biegebeanspruchung"

bekannten Stand der Technik nicht erfinderisch sei.

Obwohl der Widerruf des Patents lediglich auf die Nichtgewährbarkeit des Anspruches 1 gestützt wurde, teilte die Einspruchsabteilung mit, daß nach ihrer Meinung auch die Gegenstände der weiteren Ansprüche 2 bis 19, u. a. des unabhängigen Anspruchs 12, mit Rücksicht auf die Druckschriften

D1: EP-B-375 271

D2: US-A-4 805 420

D3: US-A-4 804 330 und

D12: DE-A-3 315 655

nicht neu und/oder nicht erfinderisch seien.

Bei der Beurteilung der Neuheit des Gegenstandes des Anspruchs 1 verwies die Einspruchsabteilung auch noch auf die Druckschrift

D9: US-A-4 118 947 (auch hier konnte wie bei D8 in Übereinstimmung mit der Eingabe vom 19. Dezember 1997, Blatt 2 und 4, wiederum nur die US-Patentschrift gemeint sein, aber nicht die in der Entscheidung angegebene WO-Schrift mit gleicher Nummer).

III. In der Beschwerdebegründung hat die Beschwerdeführerin angebliche Verstöße der Einspruchsabteilung gegen Regel 58 (2) und Artikel 113 (1) EPÜ sowie bei der Beurteilung von Neuheit und erfinderischer Tätigkeit gerügt und Anspruchssätze gemäß den Hilfsanträgen 1 bis 6. eingereicht.

IV. Wegen unterschiedlicher Auffassungen der Parteien hinsichtlich der von der Einspruchsabteilung zum Merkmal "Vulkanisieren" im erteilten unabhängigen Anspruch 12 zitierten Druckschrift D3 hat die Kammer in einer Mitteilung als Anlage zur Ladung für die mündliche Verhandlung u. a. auf die einschlägigen Fachbücher

D13: Winnacker, Küchler: "Chemische Technologie", Band 6, 4. Auflage 1982, Seiten 582 und 583 und

D14: W. Schmitt: "Kunststoffe und Elastomere in der Dichtungstechnik", 1987, Seiten 59 bis 63, 150, 151, 249

hingewiesen. Hinsichtlich der Leiterbahnverbindung mit einem ortsveränderlichen Bauteil wurde auf die in D8 in Verbindung mit den dort genannten flextapes zitierte D8a: US-A-2 997 521 (insbesondere Spalte 1, Zeilen 32 bis 53) aufmerksam gemacht.

V. Auf die Mitteilung der Kammer hin hat die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 7. Januar 2000 weitere Hilfsanträge 7 bis 12 eingereicht.

VI. Am 15. Februar 2000 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt. Zu Beginn der Verhandlung überreichte die Beschwerdeführerin einen neuen Anspruchssatz (1. Hauptantrag). Nach Überprüfung und Beratung entschied die Kammer jedoch, diesen Antrag wegen verspäteter Einreichung und nicht eindeutiger Gewährbarkeit nicht weiter zu berücksichtigen.

Während der mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdeführerin einen 2. Hauptantrag und Hilfsanträge 1 bis 4 überreicht. Nach Angabe der Beschwerdeführerin sind dieser 2. Hauptantrag und die neuen Hilfsanträge 1 bis 4 das Ergebnis einer Überarbeitung des erteilten Anspruchs 1 und der mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsanträge 1 bis 4.

VII.

1. Der Anspruch 1 des 2. Hauptantrages lautet:

"Anordnung zur dichten Durchführung wenigstens eines Leiters (70) durch die Wand eines Gehäuses (10) zur elektrischen Verbindung eines elektrischen Bauteils (37) innerhalb des Gehäuses mit einem außerhalb des Gehäuses liegenden elektrischen Bauteil (46), wobei das Gehäuse eine durch ein Verschlußteil (51, 58, 158) verschließbare Gehäuseöffnung (47) aufweist mit zwischen dem Verschlußteil und der die Gehäuseöffnung umgebenden Gehäusewand (44, 48) angeordneten Dichtung (56, 63, 157, 165), an die das Verschlußteil durch eine Schließkraft gehalten ist und der Leiter (70) als Leiterbahn ausgebildet ist, die dicht und nach außen isoliert mit einem Leiterbahnträger (64, 65, 66, 166, 71, 72) verbunden ist, der zwischen Verschlußteil und Gehäuse hindurchgeführt ist und spätestens in Schließposition des Verschlußteils in dichtem Kontakt mit der Dichtung ist, dadurch gekennzeichnet, daß der Leiterbahnträger zumindest im Innern des Gehäuses als biegsame, elastische Trägerfolie (71, 72, 66, 166) ausgebildet ist und die Leiterbahn mit einem Ende der Trägerfolie (66, 166) mit einem betriebsbedingt ortsveränderlichen, inneren elektrischen Bauteil (37) verbunden und kontaktiert ist."

Der unabhängige Anspruch 12 dieses 2. Hauptantrages lautet:

"Anordnung zur dichten Durchführung wenigstens eines Leiters durch die Wand eines Gehäuses zur elektrischen Verbindung eines elektrischen Bauteils (37) innerhalb des Gehäuses mit einem außerhalb des Gehäuses liegenden elektrischen Bauteil (46) wobei das Gehäuse eine durch ein Verschlußteil (51, 58, 158) verschließbare Gehäuseöffnung (47) aufweist mit zwischen Verschlußteil und der die Gehäuseöffnung umgebenden Gehäusewand (44, 48) angeordneter Dichtung (157), an die das Verschlußteil durch eine Schließkraft gehalten ist und der Leiter als Leiterbahn (70) ausgebildet ist, die dicht und nach außen isoliert mit einem Leiterbahnträger (166, 71, 72) verbunden ist, der zwischen Verschlußteil und Gehäuse hindurchgeführt ist und spätestens in Schließposition des Verschlußteils in dichtem Kontakt mit der Dichtung ist, dadurch gekennzeichnet, daß der Leiterbahnträger als biegsame, elastische, aus Polyimid bestehende Trägerfolie ausgebildet ist und die Dichtung durch Aufvulkanisieren dicht und haftend auf die Trägerfolie aufgebracht ist."

2.1. Die unabhängigen Ansprüche des 1., 2., 3. und 4. Hilfsantrages unterscheiden sich nur in ihren Ansprüchen 1 vom obigen Anspruch 1 des 2. Hauptantrages, aber nicht in ihren zweiten unabhängigen Ansprüchen. Der Wortlaut der unabhängigen Ansprüche 7 der Hilfsanträge 1 und 2, des Anspruches 6 des Hilfsantrages 3 und des Anspruches 4 des Hilfsantrages 4 stimmen also mit dem Wortlaut des oben genannten Anspruches 12 überein.

2.2. Der Anspruch 1 des Hilfsantrages 1 unterscheidet sich vom vorgenannten Anspruch 1 durch die Einschränkung, daß der Leiterbahnträger aus Polyimid besteht und durch das Weglassen des Merkmales, daß die Ortsveränderlichkeit des inneren elektrischen Bauteils betriebsbedingt sein soll.

2.3. Der Anspruch 1 des Hilfsantrages 2 unterscheidet sich vom Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 durch die abschließende Einschränkung, daß die Trägerfolie einen im Anlagebereich des Verschlußteils an die Gehäusewand beidseitig mit einer Dichtung verbundenen Grundkörper aufweist, von dem ausgehend je ein die Leiterbahn (70) tragender Fortsatz (166, 72) zum Inneren des Gehäuses und nach außen abführt.

2.4. Der Anspruch 1 des Hilfsantrages 3 unterscheidet sich vom Anspruch 1 des Hilfsantrages 2 durch die abschließende Einschränkung, daß der Fortsatz zum Innern des Gehäuses die Formdichtung überragt und im Einbauzustand nach innen umgebogen ist.

2.5. Der Anspruch 1 des Hilfsantrages 4 hat folgenden Wortlaut:

"Anordnung zur dichten Durchführung wenigstens eines Leiters (70) durch eine Wand eines Gehäuses (10) zur elektrischen Verbindung eines elektrischen Bauteils (37) innerhalb des Gehäuses mit einem außerhalb des Gehäuses liegenden elektrischen Bauteil (46), wobei das Gehäuse eine durch ein Verschlußteil (51, 58, 158) verschließbare Gehäuseöffnung (47) aufweist mit zwischen dem Verschlußteil und der die Gehäuseöffnung umgebenden Gehäusewand (44, 48) angeordneten Dichtung (56, 63, 157, 165) an die das Verschlußteil durch eine Schließkraft gehalten ist und der Leiter (70) als Leiterbahn ausgebildet ist, die dicht und nach außen isoliert mit einem Leiterbahnträger (64, 65, 66, 166, 71, 72) verbunden ist, der zwischen Verschlußteil und Gehäuse hindurchgeführt ist und spätestens in Schließposition des Verschlußteils in dichtem Kontakt mit der Dichtung ist, wobei das Gehäuse das Gehäuse einer Kraftstoffeinspritzpumpe ist und im Innern mit unter Druck stehendem Kraftstoff gefüllt ist und die Wand des Gehäuses dieses Gehäuse von einem Bereich trennt, in dem atmosphärischer Luftdruck herrscht und das außerhalb des Gehäuses liegende elektrische Bauteil (46) angeordnet ist und ferner der Leiterbahnträger zumindest im Innern des Gehäuses als biegsame, elastische Trägerfolie (71, 72, 66, 166) aus Polyimid ausgebildet ist und die Leiterbahn mit einem Ende der Trägerfolie (66, 166) mit einem entsprechend der Drehzahl der Kraftstoffeinspritzpumpe ortsveränderlichen inneren elektrischen Bauteil (37) verbunden und kontaktiert ist und die Trägerfolie einen im Anlagebereich des Verschlußteils an die Gehäusewand beidseitig einen mit einer Dichtung verbundenen Grundkörper aufweist, von dem ausgehend je ein die Leiterbahn (70) tragender Fortsatz (166, 72) zum Innern des Gehäuses und nach außen abführt und der zum Innern des Gehäuses die Formdichtung überragt und im Einbauzustand nach innen umgebogen ist wobei das außerhalb des Gehäuses liegende elektrische Bauteil mit dem Ende des nach außen ragenden Fortsatzes kontaktiert ist."

Weitere Ansprüche 2 und 3 dieses Hilfsantrages hängen von diesem Anspruch 1 ab. Der Anspruch 4 entspricht dem oben zitierten Anspruch 12 des 2. Hauptantrages. Anspruch 5 hängt vom Anspruch 4 ab.

VIII. Die schriftlich und mündlich vorgetragenen Argumente der Beschwerdeführerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:

1. Die Einspruchsabteilung habe in der angefochtenen Entscheidung nicht klar zwischen mangelnder Neuheit und mangelnder erfinderischer Tätigkeit unterschieden und außerdem übersehen, daß der erteilte Anspruch 12 ein selbständiger Patentanspruch sei.

2. Die Einspruchsabteilung habe unter Verstoß gegen Artikel 114 EPÜ in Verbindung mit Regel 58 (2) nicht festgestellt, was angesichts der durch die Einsprechende neu eingereichten Dokumente noch schutzfähig sein könnte.

3. Die Schutzfähigkeit des unabhängigen Patentanspruches 12 und der abhängigen Patentansprüche sei in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung unter Verstoß gegen Artikel 113 (1) EPÜ überhaupt nicht behandelt worden, in der angefochtenen Entscheidung aber in einer pauschalierenden Beurteilung abgelehnt worden.

4. Da somit der Inhalt der Patentansprüche seitens der Einspruchsabteilung nur mangelhaft erforscht worden sei, sollte die vorliegende Angelegenheit an die erste Instanz zurückverwiesen werden und wegen der Gefahr einer Befangenheit durch einen anderen Spruchkörper bearbeitet werden.

5. Zum im Verfahren befindlichen Stand der Technik führte sie folgendes aus:

Die Druckschriften D2 und D3 gäben keinerlei Anregung für eine flexible Verbindung mit einem ortsveränderlichen Bauteil und seien auch sonst wenig relevant. Die Druckschriften D13 und D14 belegten nur allgemeines Fachwissen über das Thema "Vulkanisieren", gäben aber darüber hinaus keine Anregung in Richtung auf die beanspruchten Lösungen. Hinsichtlich der Druckschriften D1, D8, D8a, D9, D11 und D12 sei folgendes zu berücksichtigen:

Zu D1: Wie bereits in der Beschreibungseinleitung des Streitpatents angegeben ist, offenbare D1 eine Anordnung zur dichten Durchführung eines Leiters durch die Wand eines Gehäuses gemäß der Gattung der erteilten unabhängigen Patentansprüche 1 und 12. Der Leiterbahnträger sei jedoch eine feste Platte. Auf dieser Platte seien die Leiterbahnen angeordnet. Die Platte sei durch zwei Gummidichtungen (29) abgedichtet, so daß nach dem Aufsetzen eines Deckels ein dichter Abschluß gegeben sei. Zwei Drähte (27) führten zu einem fest installierten Steuergerät (14). Von einer Beweglichkeit dieses Steuergerätes sei in D1 nicht die Rede. Demgegenüber liege der Erfindung die Aufgabe zugrunde, eine solche Anordnung hinsichtlich der elektrischen Verbindung und unter Berücksichtigung eines ortsveränderlichen Steuergerätes zu verbessern. Gemäß Anspruch 1 werde diese Aufgabe durch eine flexible Folie anstelle einer starren Leiterplatte gelöst. Diese Lösung sei zweifelsohne gegenüber D1 neu und erfinderisch.

Zu D8: Diese Druckschrift zeige eine Leiterdurchführung mit Dichtung, wobei die Leiter in einem "flextape" eingebettet seien. Die flextapes seien so geformt, daß sie an das Profil der korrespondierenden Oberfläche des Gehäuses angepaßt seien. Die flextapes seien durch einen speziellen Kleber miteinander verbunden. Hierzu diene ein Elastomer. An der Gehäusestirnfläche diene eine Teflonfolie zur Verbindung. Von elastisch verformbaren Leiterbahnträgern sei aber nicht die Rede. Kapton-Blätter dienten dort lediglich zur Versteifung. Die Kontaktierung des Blockes (42) mit den Leiterbahnen erfolge nicht direkt am Ende der Trägerfolie.

Zu D8a: Die in D8 zitierte Druckschrift D8a beträfe im wesentlichen die Herstellung der in D8 beschriebenen flextapes. In Spalte 1 sei eine wiederholte Biegung bei der Installation angesprochen. Davon, daß die Beweglichkeit der elektrisch zu verbindenden Teile eine Auswirkung auf die flexiblen Verbindungsleiter habe, sei dort nicht die Rede. In Spalte 3, Zeile 50 ff. seien lediglich die Materialien Kel-F und Teflon erwähnt.

Zu D9: Es handle sich dort um einen zweiteiligen Kältemittelbehälter, dessen Gehäuseteile vakuumdicht verschlossen seien. Zwischen den Gehäuseteilen erfolge eine vakuumdichte Durchführung einer Vielzahl von Leitern auf einem Substrat. Das Substrat sei ein Plastikmaterial mit hoher Temperaturbeständigkeit, z. B. Polyimid. Es werde dort nur Wert auf die Temperaturbeständigkeit dieses Materials, aber nicht auf seine Elastizität gelegt. Die flexiblen Leiterverbindungen (14) verliefen durch eine Öffnung und endeten an einem Fotodetektor (4). Die Leiterverbindungen würden im Betrieb nicht bewegt. Die Leiterdurchführungsöffnung sei mittels eines Dichtungsmaterials abgedichtet. Es gäbe kein anvukanisiertes Dichtungsmaterial.

Zu D11: In dieser Abhandlung werde untersucht, in welchem Bereich Folien, u. a. aus Polyimid (Kapton), bei der Verlegung gebogen werden können. Eine Anregung für häufiges Biegen gebe diese Druckschrift nicht, da gemäß den dortigen Ausführungen ein häufiges Biegen zu Schäden führen könne.

Zu D12: Diese Druckschrift sei wegen ihrer verspäteten Vorlage und geringen Relevanz nicht zu berücksichtigen. Sie beschreibe ein Gehäuse, bestehend aus einem oberen und unteren Teil (28, 30), wobei der untere Teil (28) durch den Deckel (30) verschlossen werden soll. Zwischen beiden Teilen sei ein Dichtungselement (32) vorgesehen, das eben und ringförmig ausgebildet sei. In dem Dichtungselement seien Leiter mit nach innen und außen führenden Anschlüssen vorgesehen. Das Dichtungselement bestehe aus einem flexiblen Polymersubstrat, z. B. Polyimid oder Kapton. Es gäbe keine elektrische Verbindung mit einem ortsbeweglichen Teil. Zwischen den beiden zusammenpassenden Gehäuseteilen sei eine O-Ringdichtung vorgesehen. Ein hierfür geeignetes Material sei aber nicht angegeben.

6. Hinsichtlich des zweiten unabhängigen Anspruches (vgl. Anspruch 12 des 2. Hauptantrages) sei zu berücksichtigen, daß die Leiterbahnen auf dem Leiterbahnträger Unebenheiten hinterlassen, die durch das Aufvulkanisieren der Dichtung sehr leicht ausgeglichen werden. Dies sei aber durch ein Aufkleben einer vorgeformten Dichtung nicht in ausreichendem Maße gewährleistet. Der Stand der Technik gäbe keinen Hinweis auf ein Ausgleichen von Unebenheiten durch Aufvulkanisieren. In Spalte 6, Zeilen 38 und 39 der Patentschrift sei ausdrücklich auf das "Vulkanisieren" hingewiesen.

7. Bei Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage der Hilfsanträge müßte die Beschreibung möglicherweise einschränkend überarbeitet werden.

IX. Die Beschwerdegegnerin widersprach diesen Ausführungen.

Sie machte geltend, daß die Trägerfolie gemäß ursprünglicher Offenbarung vor allem deshalb elastisch sein sollte, damit die Übergangsstellen zwischen Außen- und Innenrand dicht seien. Daß die Elastizität im innerhalb des Dichtungsbereiches liegenden Raum eine Bedeutung haben könnte, sei aus den ursprünglichen Unterlagen nicht erkennbar. Es liege wegen der Angabe "zumindest im Inneren des Gehäuses" daher eine unzulässige Erweiterung vor. Im übrigen stelle sich das Problem, ein ortsveränderliches Bauteil elektrisch zu kontaktieren, ohne weiteres in der Praxis. Dieses Problem sei nicht erfinderisch. Daß man für die Lösung dieses Problems flexible Leiterbahnfolien verwende, gehe aus D5 (Electronic Packaging & Production, August 1988, Seiten 32 bis 34, insbesondere Seite 32, mittlere Spalte) hervor. Demgemäß dienten die beschriebenen flexiblen Leiterbahnen für eine Verbindung, die einer ständigen oder intermittierenden Biegebeanspruchung ausgesetzt seien. Ähnliches gehe aus D11, Seite 335, 2. Absatz hervor. Der aus D9 bekannte Sensor (4) könnte im Rahmen der im vorliegenden Anspruch 1 (2. Hauptantrag) nicht weiter definierten "betriebsbedingten Ortsveränderlichkeit" ebenfalls beweglich sein. Hinsichtlich des im zweiten unabhängigen Anspruch enthaltenen Merkmals "Vulkanisieren" sei zu berücksichtigen, daß die Beschreibung (Spalte 6, Zeile 51) das Aufvulkanisieren lediglich als eines von mehreren nicht unbedingt erfindungswesentlichen Alternativen (Aufkleben, Aufvulkanisieren oder Aufspritzen) offenbare. Ein besonderer Vorteil für das Aufvulkanisieren sei in der Beschreibung nicht herausgestellt. Das Aufbringen einer Dichtung sei auch in D8, Spalte 3, Zeilen 34 bis 37 beschrieben. Die Druckschrift D12 offenbare in Anspruch 4 einen Polymerfilm als Dichtungsmaterial, der aufgeklebt sei. Anstelle eines Klebeverfahrens ein Dichtungsmaterial aufzuvulkanisieren sei eine gängige Alternative. Bei einer Beschränkung des Patentbegehrens auf einen der Hilfsanträge seien ggf. die die Figuren 5 bis 7 betreffenden Beschreibungsteile zu streichen. Hinsichtlich des Merkmales der Verbindung mit einem ortsveränderlichen Bauteil (Anspruch 1) sei auch die Druckschrift D8a (Spalte 1, Zeilen 32 bis 35) zu berücksichtigen, in der angegeben sei, daß die biegsamen Folien besonders für Einrichtungen geeignet seien, die eine wiederholte Biegung erforderten, wie dies beispielsweise bei über Scharniere oder Federn verbundenen beweglichen Teilen der Fall sei. Falls die Angelegenheit mit Merkmalen weiterverfolgt werden sollte, die bislang nicht in einem der erteilten Ansprüche enthalten waren, sollte eine Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung erfolgen, damit eventuell nachrecherchiert werden könne. Hinsichtlich des im Hilfsantrag 1 angegebenen Polyimid seien die Druckschriften D8 und D12 (Kapton) zu berücksichtigen. Hinsichtlich der Hilfsanträge 2 bis 4 sei zu bedenken, daß der Grundkörper lediglich im Zusammenhang mit einer Ringform offenbart sei (vgl. auch Anspruch 8 des Streitpatents). Der Grundkörper könne gemäß Beschreibung durch einen Quersteg (71) stabilisiert werden. Der Begriff "ringförmig" sei im Hilfsantrag 2 unter Verstoß gegen Artikel 123 (2) EPÜ weggelassen worden. Hinsichtlich des Anspruches 1 gemäß Hilfsantrag 4 werde darauf hingewiesen, daß gemäß Druckschrift D12, Seite 14 das dort offenbarte Grundkonzept überall anwendbar sei.

X. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, die Rückerstattung der Beschwerdegebühr und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage:

- des 1. Hauptantrages, überreicht in der mündlichen Verhandlung.

Nach Entscheidung der Kammer, diesen Antrag als verspätet nicht zu berücksichtigen, beantragte sie die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage:

- des 2. Hauptantrages (siehe VII.1. oben) oder eines der Hilfsanträge 1 bis 4 (siehe VII.2.1 bis 2.5 oben) bzw. der Hilfsanträge 5 und 6, eingereicht mit der Beschwerdebegründung vom 23. Juni 1998, oder ferner eines der Hilfsanträge 7 bis 12, eingereicht mit Schreiben vom 7. Januar 2000.

Weiter hilfsweise beantragte sie die Zurückverweisung der Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an die erste Instanz.

XI. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde der Patentinhaberin. Sollte die Kammer das Patent auf der Grundlage des Hilfsantrages 4 nicht widerrufen, beantragte sie die Zurückverweisung der Angelegenheit zur weiteren Prüfung an die erste Instanz.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. 1. Hauptantrag

Zu Beginn der Verhandlung beantragte die Beschwerdeführerin die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage eines dabei zum ersten Mal vorgelegten Anspruchssatzes (1. Hauptantrag). In Anspruch 1 dieses Antrags fehlen mehrere Merkmale des erteilten, unabhängigen Anspruchs 1. Gemäß den Ausführungen der Beschwerdeführerin wurden diese lediglich durch Synonyme oder gleichwertige Wendungen ersetzt, was die Beschwerdegegnerin bestritt. Jedenfalls weist der neue Anspruch 1 dieses Antrags erhebliche Änderungen gegenüber den erteilten Ansprüchen auf, die nicht zweifelsfrei einschränkender Natur sind. Nach Überprüfung und Beratung entschied die Kammer, diesen Antrag wegen verspäteter Einreichung und nicht eindeutiger Gewährbarkeit (möglicher Verstoß gegen Artikel 123 (3) EPÜ) nicht weiter zu berücksichtigen.

3. Verspäteter Einwand nach Artikel 100 c) EPÜ

Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) hatte bereits während des Einspruchsverfahrens in ihrer Eingabe vom 23. Mai 1997 verspätet einen Einspruchsgrund nach Artikel 100 c) EPÜ geltend gemacht, weil nach ihrer Auffassung die Angabe im Anspruch 1, daß die Trägerfolie zumindest im Inneren des Gehäuses elastisch sein soll, eine neue Lehre ergeben habe, die von den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen nicht getragen sei. Dieser Einwand war von der Einspruchsabteilung wegen verspäteten Vorbringens nicht berücksichtigt worden. Auch ein erneutes Vorbringen dieses Einwands im Beschwerdeverfahren kann im Hinblick auf die Entscheidung G 9/91 (ABl. EPA 1993, 408), Abschnitte 18 und 19 keinen Erfolg haben, zumal in diesem Zusammenhang in den Ansprüchen 1 nichts geändert wurde.

4. Neuheit

Im Einspruchsverfahren wurde lediglich die Neuheit für den ersten unabhängigen Patentanspruch 1 in Frage gestellt, nicht aber diejenigen des zweiten unabhängigen Patentanspruches (erteilter Anspruch 12). Die Neuheit für die Gegenstände der Ansprüche 1 des 2. Hauptantrages und der Hilfsanträge 1 bis 4 gegenüber dem vorliegenden Stand der Technik ist aber schon deshalb gegeben, weil daraus keine Anordnung gemäß den Oberbegriffen dieser Patentansprüche bekannt ist, bei der ein ortsveränderliches inneres elektrisches Bauteil mittels einer biegsamen Leiterbahn mit einem außerhalb des Gehäuses liegenden elektrischen Bauteil verbunden ist.

Die Gegenstände der beiden unabhängigen Patentansprüche des 2. Hauptantrages und der Hilfsanträge 1 bis 4 sind daher neu.

5. Erfinderische Tätigkeit der Gegenstände der ersten unabhängigen Patentansprüche der zulässigen Anträge

5.1. Anspruch 1 des 2. Hauptantrages

5.1.1. Die Druckschriften D8 (unter Bezug auf D8a), D9 und D12 (bereits von der Einspruchsabteilung in das Verfahren eingeführt) betreffen Anordnungen mit den im Oberbegriff des Anspruches 1 angegebenen Merkmalen.

a) Wenigstens ein Leiter (D8: flextapes 22 und 24; D9: 12; D12: 34) wird dicht durch die Wand eines Gehäuses (D8: 10; D9: 1, 2; D12: 28, 30) geführt;

b) die Leiterdurchführung erfolgt zur elektrischen Verbindung eines elektrischen Bauteils innerhalb des Gehäuses mit einem außerhalb des Gehäuses liegenden elektrischen Bauteil (D8: Spalte 1, Zeilen 58 bis 62, Spalte 2, Zeilen 3 und 4, Terminalblock 42, Steckverbindungen 30, 32; D9: Fotodetektor 4, verbunden mit äußerer Raumtemperaturumgebung; D12: Seite 6, Zeilen 21 bis 26; Seite 9, Zeilen 6 bis 11, 18. bis 25);

c) das Gehäuse weist eine durch ein Verschlußteil verschließbare Gehäuseöffnung auf (D8: 14, 12; D9: 2; D12: Figur 2; Seite 11, Zeilen 1 bis 8);

d) zwischen dem Verschlußteil und der die Gehäuseöffnung umgebenden Gehäusewand ist eine Dichtung angeordnet (D8: 60, 62; D9: 13; D12: 32, 44, 46, Seite 13, Zeilen 14 bis 23);

e) das Verschlußteil wird an die Dichtung durch eine Schließkraft gehalten (D8: 66, Spalte 3, Zeilen 47 bis 52; D9: vakuumdichter Verschluß; D12: Seite 12, Zeilen 22 bis 26);

f) der Leiter ist als Leiterbahn ausgebildet, die dicht und nach außen isoliert mit einem Leiterbahnträger verbunden ist (D8: Spalte 2, Zeilen 41 bis 44; D8a: Spalte 1, Zeilen 48 bis 50, 54 bis 63, Spalte 3, Zeilen 47 bis 57; D9: 11, 12; D12: Seite 11, Zeile 32 bis Seite 12, Zeile 15);

g) der Leiterbahnträger ist zwischen Verschlußteil und Gehäuse hindurchgeführt und spätestens in Schließposition des Verschlußteils in dichtem Kontakt mit der Dichtung (D8: Figur 1: 44, 60, 62; D9: Figur 2; D12: Figur 2, Seite 13, Zeilen 14 bis 35);

h) der Leiterbahnträger ist zumindest im Inneren des Gehäuses als biegsame, elastische Trägerfolie ausgebildet (D8a: Leiterbahnträger kann aus Kel-F oder Teflon bestehen und ist flexibel; Spalte 1, Zeilen 20 bis 44; Teflon oder Polytetrafluoräthylen ist als Fluorkunststoff ein zähelastischer Werkstoff; D9: 11 besteht aus einem plastischen Material, wie z. B. Polyimid, und entspricht dem in Spalte 5, Zeile 19 der Patentschrift angegebenen Leiterbahnträgermaterial. Es ist als biegsam elastisch und für seine Eignung für hohe Biegebeanspruchung bekannt - siehe D11: Seite 328; D12: Seite 12, Zeile 2: Kapton);

i) die Leiterbahn ist mit einem Ende der Trägerfolie mit dem inneren Bauteil verbunden und kontaktiert (D8: Spalte 2, Zeilen 49 bis 59 "portion thereof extending within the enclosure"; D9: Figur 1: 14,4; D12: Seite 12, Zeile 28 bis Seite 13, Zeile 4, Figur 2).

Nicht bekannt ist aus diesem Stand der Technik jedoch, daß die Leiterbahnen mit einem Ende der Trägerfolie mit einem betriebsbedingt ortsveränderlichen inneren elektrischen Bauteil verbunden sein sollen.

Der Erfindung liegt daher die Aufgabe zugrunde, für die im Oberbegriff der unabhängigen Ansprüche angegebene Anordnung ohne Beeinträchtigung der geforderten Dichtheit eine elektrische Verbindung auch für den Fall zu gewährleisten, daß das innere elektrische Bauteil betriebsbedingt ortsveränderlich ist.

5.1.2. Das Problem, daß ein nicht näher definiertes zu kontaktierendes inneres elektrisches Bauteil in einem nicht weiter zweckgebundenen abgedichteten Gehäuse betriebsbedingt ortsveränderlich sein soll, stellt sich im Rahmen der Vorgaben für eine neue Konstruktion, kann aber selbst nicht als erfinderisch angesehen werden. Beim Auftreten dieses Problems wird für den Fachmann unmittelbar klar, daß die aus D8 (einschließlich D8a), D9 und D12 bekannten flexiblen Trägerfolien auch hierfür geeignet sind. So weist die D8a in Spalte 1, Zeilen 32 bis 53 darauf hin, daß die dort beschriebenen flextapes ohne Beeinträchtigung für eine wiederholte Biegung, insbesondere auch für eine elektrische Verbindung zwischen beweglichen Einrichtungen geeignet sind. Die Druckschrift D11 (vgl. insbesondere die Zusammenfassung auf Seite 327 sowie 328, rechte Spalte, 4. bis 6. Absatz, Seite 335, linke Spalte) befaßt sich mit Tests für wiederholte Biegebeanspruchungen von flexiblen Leitungsverbindungen, insbesondere aus Polyimid(Kapton)-Trägerfolien, wie sie auch in D9 und D12 verwendet werden, und belegt mit den Ergebnissen deren grundsätzliche Eignung hierfür. Damit ist der Gegenstand des Anspruches 1 (2. Hauptantrag) naheliegend.

5.2. Anspruch 1 des Hilfsantrages 1

Die in diesen Anspruch 1 zusätzlich aufgenommene Materialangabe "Polyimid" für die Trägerfolie ist bereits aus den Druckschriften D9, D11 und D12 für diesen Zweck bekannt und fügt dem Gegenstand des Anspruches 1 des 2. Hauptantrages nichts Erfinderisches hinzu.

5.3. Anspruch 1 des Hilfsantrages 2

Dies gilt auch für das zusätzlich in diesen Anspruch 1 aufgenommene Merkmal, daß die Trägerfolie einen im Anlagebereich des Verschlußteils an die Gehäusewand beidseitig mit einer Dichtung verbundenen Grundkörper aufweist, von dem ausgehend je ein die Leiterbahn tragender Fortsatz zum Innern des Gehäuses und nach außen abführt. Das in D8 beschriebene Teil 44 stellt einen Grundkörper im Anlagebereich des Verschlußteils dar, der beidseitig mit einer Dichtung 60, 62 verbunden ist und von dem ausgehend je ein die Leiterbahn tragender Fortsatz zum Inneren des Gehäuses und nach außen abführt.

5.4. Anspruch 1 des Hilfsantrages 3

Entsprechendes gilt auch für den Zusatz "der zum Innern des Gehäuses die Formdichtung überragt und im Einbauzustand nach innen umgebogen ist" des Anspruches 1 gemäß Hilfsantrag 3. Abgesehen davon, daß dem Begriff "Formdichtung" kein Beziehungswort vorausgeht, überragt bei der aus D8 bekannten Lösung auch ein die Leiterbahn tragender Fortsatz notwendigerweise die Dichtungen 60, 62. zum Innern des Gehäuses. Die Teile 34, 36, 38 und 40 sind gemäß Figur 2 von D8 ebenfalls nach innen umgebogen (vgl. dazu auch Ausführung gemäß Figur 5 von D8).

5.5. Zusammenfassend ist festzustellen, daß der zitierte Stand der Technik ohne erfinderisches Bemühen zu den in den Ansprüchen 1 des 2. Hauptantrages und der 1. bis 3. Hilfsanträge angegebenen Lösungen des zugrundeliegenden, nicht erfinderischen Problems führt.

Damit sind die Ansprüche 1 des 2. Hauptantrages und des 1. bis einschließlich 3. Hilfsantrages mangels erfinderischer Tätigkeit ihrer Gegenstände nicht gewährbar.

5.6. Anspruch 1 des Hilfsantrages 4

Der Anspruch 1 des Hilfsantrages 4 unterscheidet sich von denjenigen der vorausgehend beurteilten Anträge durch eine Beschränkung auf eine Kraftstoffeinspritzpumpe und die Ortsveränderlichkeit des inneren elektrischen Bauteils in Abhängigkeit von der Drehzahl der Kraftstoffeinspritzpumpe. Das letztgenannte Merkmal war auch im erteilten Anspruch 19 - welcher als einziger erteilter Anspruch eine Kraftstoffeinspritzpumpe erwähnt - nicht enthalten. Die in der angegriffenen Entscheidung dargelegten Gründe für den Widerruf des Patents treffen daher für den Gegenstand des Anspruches 1 des Hilfsantrages 4 nicht zu. Ein Hinweis auf eine Ortsveränderlichkeit des inneren elektrischen Bauteils in Abhängigkeit von der Drehzahl ist der Druckschrift D1 nicht entnehmbar, welche als einzige eine Kraftstoffeinspritzpumpe erwähnt.

Für den Fall, daß dieser Anspruch im Beschwerdeverfahren nicht zurückgewiesen wird, hat die Beschwerdegegnerin die Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung beantragt, damit dort eventuell eine Nachrecherche durchgeführt werden kann. Diese Einschränkung wurde auch erstmals in der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer vorgenommen, so daß die Beschwerdegegnerin keine Möglichkeit zu einer einschlägigen Vorbereitung hatte.

6. Zweiter unabhängiger Patentanspruch sämtlicher Anträge

Die Einspruchsabteilung hat in der angefochtenen Entscheidung über den unabhängigen erteilten Anspruch 12 nicht abschließend entschieden, sondern in Abschnitt 4 der Entscheidung lediglich angemerkt, daß das im Anspruch 12 angegebene "Aufvulkanisieren" zwar nicht aus D12, jedoch aus D3 bekannt sei. Ein Aufvulkanisieren setzt aber die Verwendung eines vernetzbaren Materials voraus; vgl. D13 und D14. Die Druckschrift D3 betrifft lediglich das Aufbringen einer keramischen Dichtung 210 auf einem Keramikring 200, also kein Aufvulkanisieren. Auch der Hinweis im Abschnitt 4 der Entscheidung, daß die erteilten Ansprüche 13 bis 15 vom Anspruch 2 abhingen, in Wirklichkeit aber auf die erteilten Ansprüche 3 bis 6 rückbezogen sind, zeigt, daß die Ausführungen im Abschnitt 4 der angegriffenen Entscheidung nochmals überdacht werden müssen. Dies gilt entsprechend für den Anspruch 4 des Hilfsantrages 4, da dieser - abgesehen von der Streichung des "vorzugsweise" in der viertletzten Zeile - dem erteilten Anspruch 12 entspricht.

7. Aus den in den Abschnitten 5 und 6 oben dargelegten Gründen entschied die Kammer in Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 111 (1) EPÜ, die Angelegenheit an die Einspruchsabteilung zur weiteren Entscheidung auf der Grundlage gemäß Hilfsantrag 4 zurückzuverweisen.

8. Rückzahlung der Beschwerdegebühr

Die Beschwerdeführerin beruft sich auf verschiedene Verfahrensmängel im Einspruchsverfahren.

8.1. Bezüglich der Anwendung von Regel 58 (2) EPÜ ist darauf hinzuweisen, daß das Amt nach Artikel 113 (2) EPÜ über die vom Anmelder bzw. Patentinhaber vorgelegte oder gebilligte Fassung zu entscheiden hat. Erfüllt diese eines der Erfordernisse des EPÜ nicht, so ist sie in ihrer Gesamtheit zurückzuweisen, ohne daß das EPA feststellen müßte, ob sie möglicherweise erfinderische Sachverhalte aufweist (T 5/81, ABl. EPA 1982, 249, Ziff. 3; siehe auch Richtlinien für die Prüfung D-VI, 2.1).

8.2. Da das Streitpatent von der ersten Instanz aufgrund von Anspruch 1 widerrufen wurde, sind die Hinweise in der Entscheidung zu den übrigen Ansprüchen, insbesondere Anspruch 12, nicht zu den tragenden Gründen (ratio decidendi) der Entscheidung zu rechnen. Deshalb wäre ein diesbezüglicher Mangel gemäß der oben zitierten Entscheidung nicht als "wesentlicher" Verfahrensmangel anzusehen.

8.3. Die beanstandeten Mängel in der Anwendung der Rechtsnormen zu Neuheit bzw. erfinderischer Tätigkeit und bei der Interpretation der erteilten Ansprüche sind nicht als Verfahrensmangel im Sinne von Regel 67 EPÜ anzusehen, da jedenfalls aus dem Zusammenhang der Sinn der entsprechenden Ausführungen in der Begründung klar war.

Ingesamt ist deshalb ein wesentlicher Verfahrensmangel, der die Rückerstattung der Beschwerdegebühr rechtfertigen würde, nicht zu sehen. Anhaltspunkte, die Zweifel an der Objektivität der Einspruchsabteilung begründen könnten, liegen nicht vor.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Der 2. Hauptantrag und die Hilfsanträge 1 bis 3, überreicht in der mündlichen Verhandlung, werden zurückgewiesen.

3. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zur weiteren Entscheidung auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 5 gemäß Hilfsantrag 4, überreicht in der mündlichen Verhandlung, zurückverwiesen.

Quick Navigation