T 0251/98 () of 19.3.2002

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2002:T025198.20020319
Datum der Entscheidung: 19 März 2002
Aktenzeichen: T 0251/98
Anmeldenummer: 91120931.0
IPC-Klasse: C04B 41/62
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Polymerbeschichteter Betonstein
Name des Anmelders: BASF Aktiengesellschaft
Name des Einsprechenden: Clariant GmbH
Rohm & Haas
Kammer: 3.3.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54(2)
European Patent Convention 1973 Art 54(3)
European Patent Convention 1973 Art 54(4)
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Offenkundige Vorbenutzung - nicht substantiiert
Neuheit (ja)
Erfinderische Tätigkeit (ja): nicht zulässige rückschauende Betrachtungsweise
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, die zwei Einsprüche gegen das Europäische Patent Nr. 0 492 210 zurückzuweisen, wurde von der Einsprechenden Clariant GmbH Beschwerde eingelegt.

II. Der Entscheidung lagen Ansprüche 1 bis 7 (für alle Vertragsstaaten außer Spanien) zugrunde, wobei die unabhängigen Ansprüche 1 und 5 auf einen beschichteten Betonstein bzw. auf das Verfahren zur dessen Herstellung gerichtet waren. Die Ansprüche 2 bis 4 waren vom Stoffanspruch 1 und die Ansprüche 6 und 7 vom Verfahrensanspruch 5 abhängig.

Die unabhängigen Ansprüche lauteten wie folgt:

"1. Betonstein, der mit einem Copolymer A mit einer Glastemperatur von -25 bis +30 C aus

a) 0,1 bis 10 Gew.-% eines Monomeren der allgemeinen Formel I

FORMEL

in der

R1 und R2 -H oder C1-C4-Alkyl,

R3 eine Brückenglied mit 1 bis 20 C-Atomen

R4 -C(O)R6, -C(O)OR6 oder -CN

R5 -H, -C(O)R9, -C(O)OR9 oder -CN

X -O- oder -NR7-,

Z eine einfache Bindung,-CH2,-O-,-NR8- oder -O-C(O)- und

R6,R7,R8,R9 -H, Alkyl, Aryl, Alkaryl oder Aralkyl mit bis zu 12 C-Atomen sind,

b) 85 bis 99,9 Gew.-% wenigstens zweier Monomerer, ausgewählt aus der Gruppe aus Estern der Acryl- und Methacrylsäure von 1 bis 24 C-Atome enthaltenden Alkoholen, Vinylester von 1 bis 20 C-Atome enthaltenden Carbonsäuren, Vinylaromaten mit bis zu 20. C-Atomen, ethylenisch ungesättigten Nitrilen mit 3 bis 6 C-Atomen, Vinylhalogeniden, nicht aromatischen Kohlenwasserstoffen mit 2 bis 8 C-Atomen und mindestens einer olefinischen Doppelbindung und

c) 0 bis 10 Gew.-% weiteren copolymerisierbaren zinnfreien Monomeren,

beschichtet ist, mit der Maßgabe, daß die Beschichtung mit einer wäßrigen Zubereitung des Copolymers A heugestellt (sic) wurde.

5. Verfahren zur Herstellung eines Betonsteins gemäß einem der Ansprüche 1 bis 4, durch Aufbringen einer wäßrigen Zubereitung auf wenigstens eine Oberfläche des grünen Betonsteines und anschließendes Trocknen des Betonsteins. dadurch gekennzeichnet, daß die wäßrige Zubereitung ein Copolymer A aus

a) 0,1 bis 10 Gew.-% eines Monomeren der allgemeinen Formel I

FORMEL

in der

R1 und R2 -H oder C1-C4-Alkyl, R3 eine Brückenglied mit 1 bis 20 C-Atomen

R4 -C(O)R6, -C(O)OR6 oder -CN

R5 -H, -C(O)R9, -C(O)OR9 oder -CN

X -O- oder -NR7-,

Z eine einfache Bindung,-CH2,-O-,-NR8- oder -O-C(O)- und

R6,R7,R8,R9 -H, Alkyl, Aryl, Alkaryl oder Aralkyl mit bis zu 12 C-Atomen sind,

b) 85 bis 99,9 Gew.-% wenigstens zweier Monomerer, ausgewählt aus der Gruppe aus Estern der Acryl- und Methacrylsäure von 1 bis 24 C-Atome enthaltenden Alkoholen, Vinylester von 1 bis 20 C-Atome enthaltenden Carbonsäure, Vinylaromaten mit bis zu 20 C-Atomen, ethylenisch ungesättigten Nitrilen mit 3 bis 6 C-Atomen, Vinylhalogeniden, nicht aromatischen Kohlenwasserstoffen mit 2 bis 8 C-Atomen und mindestens einer olefinischen Doppelbindung und

c) 0 bis 10 Gew.-% weiteren copolymerisierbaren zinnfreien Monomeren,

enthält."

Für den Vertragsstaat Spanien galten der unabhängige Anspruch 1 mit den abhängigen Ansprüchen 2 bis 6, welche inhaltlich den Ansprüchen 5, 2 bis 4 und 6 bis 7 für die anderen genannten Staaten entsprachen.

III. Im Einspruchsverfahren wurden 14 Dokumente zum Stand der Technik bzw. für eine behauptete offenkundige Vorbenutzung in Betracht gezogen. Im Beschwerdeverfahren wurde nur noch auf die folgenden vier Druckschriften Bezug genommen:

D6: EP-A-0 383 002 D10: DE-B-25 35 372 D11: DE-A-25 35 374 D13: WO-A-91/02007.

IV. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, der Einwand der offenkundigen Vorbenutzung sei nicht substantiiert. Weiterhin wurde festgestellt, daß der beanspruchte Betonstein, bzw. das Verfahren zu dessen Herstellung gegenüber den restlichen Entgegenhaltungen neu sei.

Aufgabe des Streitpatents sei, einen beschichteten Betonstein zur Verfügung zu stellen, der nicht zu Kalkausblühungen neige und zudem schmutzabweisend sei. Aus D6 seien Beschichtungen für Beton und Mineralputz bekannt gewesen, welche jedoch eine andere Zusammensetzung aufwiesen. Auf der anderen Seite sei die an sich bekannte Polymerdispersion im Stand der Technik gemäß D10 auf Substrate aufgebracht worden, bei denen sich das Problem der Kalkausblühungen nicht stellte. Die Einspruchsabteilung kam daher zu der Schlußfolgerung, daß die in Anspruch 1 bzw. 5 vorgeschlagene Lösung der bestehehenden Aufgabe auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhte.

V. Die Beschwerdeführerin hat erstmals im Beschwerdeverfahren zwei neue Dokumente genannt:

D15: Einzelne Seiten aus der Zeitschrift "Farbe + Lack" mit dem Prospekt über "Mowilith Reinacrylat-Dispersionen", Seiten 1 bis 4.

D16: Anmeldung eines Laborproduktes im Schnellverfahren (18.1.1988) Darüber hinaus hat sie vorgetragen, daß aus der Codierung "GLS 1959-d-8128/130" für D15 auf ein Veröffentlichungsdatum im Dezember 1988 geschlossen werden könne.

VI. Während der mündlichen Verhandlung am 19. März 2002 wurde von der Beschwerdegegnerin ein Satz geänderter Ansprüche als Grundlage für einen Hilfsantrag eingereicht.

VII. Die Beschwerdeführerin hat schriftlich und mündlich im wesentlichen vorgetragen:

- Ein Betonstein gemäß Anspruch 1 sei vor dem Prioritätstag des Streitpatents der Öffentlichkeit zugänglich gewesen. Beweise dafür seien D15 und D16.

- Der Betonstein gemäß Anspruch 1 sei durch die Kombination von D6 mit D10 oder D11 bzw. angesichts des Fachwissens in D13 nahegelegt.

- Die im Streitpatent beschriebenen Vergleichsversuche seien nicht geeignet, eine reduzierte Schmutzanfälligkeit aufzuzeigen.

VIII. Die wesentlichen Argumente der Beschwerdegegnerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:

- Eine offenkundige Vorbenutzung liege nicht vor, denn es sei fraglich, ob D16 geeignet sei, die chemische Zusammensetzung des in D15 genannten Produkts Mowilith LDM 7410 zu belegen. Außerdem könne weder aus D15 noch aus D16 die Lehre entnommen werden, Mowilith LDM 7410 als Dispersion für Betonsteine zu verwenden.

- Aufgabe des Streitpatents sei, beschichtete Betonsteine zu finden, die unempfindlich gegen Schmutz seien und Schutz gegen wetterbedingte Zerstörungen bieten.

- Gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik gemäß D6 sei es auch in Kenntnis von D10 und D11 nicht naheliegend gewesen, den Vernetzer wegzulassen. D13 sei kein Beleg für Fachwissen.

- Die erfinderische Tätigkeit des Streitgegenstands werde auch durch die Vergleichsbeispiele gestützt.

IX. Am Ende der mündlichen Verhandlung war die Antragslage wie folgt:

- Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents.

- Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen oder, hilfsweise, das Patent auf der Grundlage von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag aufrechtzuerhalten.

Entscheidungsgründe

Hauptantrag (für alle genannten Vertragsstaaten außer ES)

1. Offenkundige Vorbenutzung

1.1. Die Beschwerdeführerin hat vorgetragen, die Zusammensetzung der wäßrigen Zubereitung des Copolymers A gemäß Anspruch 1 sei mit der des in D16 offenbarten Laborproduktes Mowilith LDM 7410 identisch, welches als Dispersionsfarbe unter demselben Handelsnamen von der Firma Hoechst angeboten werde. Aus dem Prospekt D15 sei außerdem bekannt, daß sich diese Dispersionsfarbe unter anderem für mineralische Putze und Beton eigne. Infolgedessen sei ein mit dem Copolymer A beschichteter Betonstein gemäß Anspruch 1 nicht mehr neu.

1.2. Die Beschwerdegegnerin hat bestritten, daß D16 eindeutig eine wäßrige Zubereitung des Copolymers A offenbare. Sie hat außerdem geltend gemacht, vor dem Prioritätstag des Streitpatents sei die Entwicklung des Produkts mit dem Handelsnamen Mowilith LDM 7410 nicht unbedingt abgeschlossen gewesen, so daß die Zusammensetzung des Laborproduktes gemäß D16 nicht unbedingt mit der des im D15 zum Verkauf angebotenen Produktes identisch sei. Darüber hinaus sei unter der Bezeichnung Mowilith eine Reihe von unterschiedlichen Reinacrylat-Dispersionen für verschiedene Zwecke angeboten worden. Für Mowilith LDM 7410 sei jedoch die Anwendung als Beschichtung für Betonsteine nicht offenbart worden, so daß damit kein beschichteter Betonstein mit den Merkmalen des Anspruchs 1 öffentlich zugänglich gemacht worden sei.

1.3. Um die streitige Frage der neuheitschädlichen offenkundigen Vorbenutzung eines Betonsteins gemäß Anspruch 1 zu entscheiden, muß zunächst geklärt werden, welcher Gegenstand vorbenutzt worden ist.

1.3.1. Es steht fest, daß Gegenstand von D16 ein Laborprodukt mit der Bezeichnung Mowilith LDM 7410 ist. Unter der Rubrik "Produktbeschreibung" ist zu lesen, daß es sich hierbei um eine "Acrylat-Copolymerisat-Dispersion nach speziellem Herstellverfahren auf Basis MMA/St/EHA mit ... 3 % Methylacrylsäure-2-acetoacetoxyethylester ..." handelt.

Die Kammer kann zugunsten der Beschwerdeführerin annehmen, daß die Abkürzungen MMA, St und EHA für Methylmethacrylat, Styrol bzw. Ethylhexylacrylat stehen; somit würden diese Monomeren der Definition für die Komponenten b) gemäß Anspruch 1 genügen. Es ist aus D16 jedoch nicht ersichtlich, in welchen Mengenverhältnissen untereinander und in bezug auf das Copolymer-Endprodukt diese Monomeren eingesetzt werden. Ferner stellt die Kammer fest, daß die zusätzlichen Angaben unmittelbar vor und nach dem Merkmal "mit 3 % Methylacrylsäure-2-acetoacetoxyethylester" ausgeschwärzt worden sind. Somit kann die Kammer nicht daraus schließen, daß D16 eine sichere Aussage darüber erlaubt, welche Zusammensetzung dort effektiv offenbart wurde. Auch ist die Glastemperatur für das Copolymer weder explizit angegeben, noch kann sie aus den mangelhaften Angaben zur Zusammensetzung abgeleitet werden. Infolgedessen hat die Kammer starke Zweifel, daß die in D16 beschriebene Dispersion der im Anspruch 1 definierten wäßrigen Zubereitung des Copolymers A entspricht.

1.3.2. Es ist unbestritten, daß vor dem Prioritätstag ein kommerzielles Produkt mit dem Handelsnamen Mowilith LDM 7410 von der Firma Hoechst in D15 zum Verkauf angeboten ist. In diesem Prospekt ist beschrieben, daß die Fassade eines Hochhauses in Darmstadt-Griesheim mit Dispersionsfarben auf Basis einer Mowilith Reinacrylat-Dispersion gestaltet und daß auch nach 12 Jahren der Anstrich auf Beton noch in einwandfreiem Zustand sei (Seite 2 des Prospekts). Es wurde jedoch von der Beschwerdeführerin eingeräumt, daß für diesen Versuch nicht die als "Mowilith LDM 7410" bezeichnete Dispersion eingesetzt wurde. In der Tat ist in dem gleichen Dokument zu lesen, daß sich eine Palette von Mowilith Reinacrylat-Dispersionen bereits auf dem Markt befindet und daß Mowilith LDM 7410 als neues Produkt eingeführt wird. Zur Zusammensetzung der Dispersion wird lediglich angegeben, daß das Produkt geringfügig mit Styrol modifiziert wurde. Als Anwendungsgebiet wird an derselben Stelle nur erwähnt, daß mit dieser Dispersion niedrig pigmentierte Dispersionsfarben für außen und innen sowie Dispersionslacke und Holzlasuren hergestellt werden können (Seite 4 des Prospekts, rechte eingerahmte Spalte). Die Kammer kann dieser Empfehlung keine explizite oder implizite Offenbarung einer Beschichtung von Betonsteinen mit Mowilith LDM 7410 entnehmen.

1.3.3. Aufgrund des dargelegten Sachverhalts geht die Kammer davon aus, daß weder die genaue Zusammensetzung von "Mowilith LDM 7410" noch die Anwendung dieser Dispersion zur Beschichtung von Betonstein aus D15 und D16 hervorgeht. Somit hat die Beschwerdeführerin mit diesen Dokumenten nicht nachgewiesen, daß eine offenkundige Vorbenutzung eines Betonsteins mit den in Anspruch 1 des Streitpatents enthaltenen Merkmalen stattgefunden hat. Es ist daher nicht notwendig zu untersuchen, ob das in D15 angebotene Handelsprodukt und das Laborprodukt gemäß D16 in ihrer chemischen Zusammensetzung übereinstimmen.

2. Neuheit

Es ist nicht mehr strittig, und die Kammer hat sich auch davon überzeugt, daß keine der restlichen im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen einen Betonstein gemäß Anspruch 1 offenbart (siehe dazu auch die nachfolgende Diskussion über die erfinderische Tätigkeit). Die beanspruchte Gegenstand ist daher neu.

3. Erfinderische Tätigkeit

3.1. Gegenstand Des Anspruchs 1 ist ein Betonstein, der mit einem Copolymer A der Glastemperatur von -25 bis +30 C beschichtet ist.

3.2. In Übereinstimmung mit den Parteien betrachtet die Kammer die Entgegenhaltung D6 als nächstliegenden Stand der Technik, welcher einen Betondachstein offenbart, der mit einem Film eine Copolymerisats überzogen ist. Das Copolymerisat enthält:

i) 0,03 bis 2 Gew.-% Zinn in Form einer polymerisierbaren Organozinnverbindung,

ii) 0,5 bis 5 Gew.-% (Meth-)acrylsäure, (Meth-)acrylamid und/oder Vinylsulfonsäure,

iii) 0,1 bis 5 % Carbonylgruppen aufweisende Monomere, die mit gewissen Dicarbonsäuredihydraziden vernetzt sind, und

iv) die Differenz zu 100 Gew.-% an wenigstens zwei Monomeren aus der Gruppe der (Meth-)acrylsäureestern von C1- bis C8-Alkanolen und/oder Styrol in solcher Auswahl und in solchen Mengenverhältnissen einpolymerisiert, daß das Copolymerisat vor der Vernetzung eine Glastemperatur von -15 bis 10 C hat (Zusammenfassung und Spalte 3, Zeilen 1 bis 39).

3.3. Die Beschwerdegegnerin hat vorgetragen, daß der Schutzfilm gemäß D6 im Laufe der Zeit verschmutzen würde. Somit bestehe gegenüber D6 die technische Aufgabe darin, beschichtete Betonsteine bereitzustellen, welche diesen Nachteil nicht haben, sondern unter den Einsatzbedingungen in der Praxis unempfindlich sind und Schutz gegen wetterbedingte Zerstörungen bieten (siehe auch Streitpatent, Seite 3, Zeilen 4 bis 13).

Die Kammer hat in der mündlichen Verhandlung festgestellt, daß das im Streitpatent angeführte Vergleichsbeispiel 5V nicht genau der Lehre gemäß D6 entspricht. Der Beschwerdeführerin ist demnach zuzustimmen, daß damit kein direkter Vergleich mit dem Beispiel 5 gemäß Streitpatent gezogen werden kann. Nachdem keine Beweise vorliegen, die eine auffällige Verschmutzung des Schutzfilms gemäß D6 aufzeigen, ist keine Verbesserung gegenüber D6 glaubhaft gemacht worden. Die Kammer sieht daher im Hinblick auf D6 die technische Aufgabe darin, einen weiteren Betonstein zur Verfügung zu stellen, welcher schmutzunempfindlich ist und Schutz gegen wetterbedingte Eingriffe bietet.

3.4. Als Lösung der bestehenden Aufgabe schlägt die Erfindung gemäß Anspruch 1 vor, einen Betonstein bereitzustellen, der mit einem Copolymer A aus:

a) 0,1 bis 10 Gew.-% eines Monomeren der allgemeinen Formel I,

b) 85 bis 99,9 Gew.-% wenigstens zweier Monomerer, ausgewählt aus einer definierten Gruppe und

c) 0 bis 10 Gew.-% weiteren copolymerisierbaren zinnfreien Monomeren,

beschichtet ist.

Es ist unbestritten, daß die hier verwendeten Monomeren b) und c) quantitativ und qualitativ den in D6 verwendeten Monomeren iv) bzw. ii) entsprechen (vgl. Punkt II und Punkt 3.2 oben), und daß die Definition für das Monomer a) das die Carbonylgruppen aufweisende Monomer iii) gemäß D6 umfaßt (vgl. Punkt II oben und D6, Spalte 4, Zeilen 34 bis 54). Es besteht jedoch Uneinigkeit darüber, ob der Gegenstand des Anspruchs 1 auch Copolymerisate umfaßt, in denen die letztgenannten Monomere a) mit Dihydrazid vernetzt sind (vgl. Punkt 3.2 und Merkmal iii) oben).

3.4.1. Die Beschwerdeführerin hat eingeräumt, daß die in D6 zur Vernetzung benötigten Dicarbonsäuredihydrazide nicht unter die Definition der Monomeren a) bis c) gemäß Anspruch 1 fallen. Sie hat jedoch vorgetragen, daß nicht ausgeschlossen sei, solche Dihydrazide mit der zur Beschichtung bestimmten wäßrigen Zubereitung in das Copolymerisat einzuführen. In diesem Falle würde der Copolymerisat-Film letztendlich genau wie in D6 auch Carbonylgruppen aufweisende Monomere enthalten, die mit Dicarbonsäuredihydraziden vernetzt seien.

3.4.2. Die Kammer stellt fest, daß Anspruch 1 auf einen Betonstein gerichtet ist, "der mit einem Copolymer A ... aus a) ..., b) ... und c) beschichtet ist" (siehe Punkt II oben). Diese Formulierung legt die Kammer in Übereinstimmung mit der Beschwerdegegnerin und im Hinblick auf die ständige Rechtsprechung der Beschwerdekammern so aus, daß das Copolymer A aus den genannten Komponenten a), b) und c) besteht und das Vorhandensein einer weiteren Komponente ausgeschlossen ist (siehe beispielsweise Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA, 3. Auflage, II-B, 1.1.3, Seite 183). Wären Dihydrazide in der wäßrigen Zubereitung zugegen, dann würden sie als Vernetzer auch Bestandteile des Copolymers A. Diese Möglichkeit wird jedoch nicht vom Wortlaut des Anspruchs umfaßt.

3.4.3. Die Kammer sieht daher ein wesentliches Merkmal der vom Streitpatent vorgeschlagenen Lösung der technischen Aufgabe darin, daß der Copolymerisatfilm keine Carbonylgruppen aufweisende Monomere enthält, die mit Dicarbonsäuredihydraziden vernetzt sind.

3.5. Die Beschwerdeführerin hat die Versuchsergebnisse in bezug auf die Beispiele gemäß Streitpatent nicht in Frage gestellt. Vielmehr wurde die angegebene Schutzwirkung der Beschichtungsmasse gemäß Anspruch 1 gegen Kalkausblühungen und gegen Schmutz in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich eingeräumt (siehe auch Beispiele 1 bis 5; Seite 6, Zeile 49 bis Seite 8, Zeile 51). Infolgedessen hält es die Kammer für glaubhaft, daß die bestehende Aufgabe durch den beanspruchten Betonstein gelöst wurde (vgl. Punkt 3.3 oben).

3.6. Es stellt sich somit nur noch die Frage, ob die beanspruchte Lösung der bestehenden Aufgabe aus dem angeführten Stande der Technik in nageliegender Weise herleitbar ist.

3.6.1. Zweifellos befaßt sich D6 in erster Linie mit der Aufgabe, einen Betonstein bereitzustellen, der sicher gegen Kalkausblühungen ist (siehe Spalte 1, Zeile 49 bis Spalte 2, Zeile 18). Es ist auch unbestritten, daß die Dihydrazidkomponente in D6 als wesentlicher Bestandteil des Schutzfilms beschrieben wird (Spalte 7, Zeilen 5 bis 25. und Spalte 8, Zeilen 35 bis 48). Die Kammer ist daher der Auffassung, daß der Fachmann, der die Lösung für die bestehende Aufgabe sucht, dieses wesentliche Merkmal nicht ohne begründeten Anlaß weglassen würde.

3.6.2. Die Beschwerdeführerin hat darauf hingewiesen, daß für den Verschmutzungstest im Streitpatent die Polymerdispersion auf eine Glasplatte und nicht auf einen Betonstein aufgezogen wurde (Seite 7, Zeilen 1 bis 5). Daran sehe der Fachmann, daß im allgemeinen die Schmutzanfälligkeit ein reiner Oberflächeneffekt sei, der unabhängig von dem beschichteten Untergrund auftrete. Auf der anderen Seite sei in D10 und D11 offenbart, daß Ketoverbindungen gemäß Monomer a) des vorliegenden Anspruchs 1 in Abwesenheit eines Dihydrazidvernetzers die Haftung auf verschiedenen Substraten verbessern. Der Fachmann würde daher erkennen, daß die Vernetzerkomponente überflüssig sei und diese auch bei der Beschichtung von Betonsteinen gemäß D6 weglassen.

Demgegenüber hat die Beschwerdegegnerin vorgetragen, daß das Substrat eine wichtige Rolle bei der Überlegung spiele, da zum Beispiel das Problem der Kalkausblühung sich nicht bei jedem Substrat stelle. Der Grund für die Wahl der Glasplatte als Substrat für Testzwecke liege allein darin, daß die Oberfläche von Beton zu rauh sei und dadurch die Ergebnisse der Verschmutzungsversuche verfälscht werden könnten.

Die Kammer bemerkt, daß der Umstand, daß im Streitpatent Glasplatten als Substrat für Testzwecke verwendet werden, nichts daran ändert, daß der vorliegende Anspruch 1 auf einen beschichteten Betonstein und nicht auf eine beschichtete Glasplatte gerichtet ist. Es ist unbestritten, daß die zur Beschichtung verwendete wäßrige Zubereitung des Copolymers A gemäß Anspruch 1 aus D10 bzw. D11 bekannt ist. In beiden Entgegenhaltungen wird diese Dispersion jedoch empfohlen, um eine besonders gute Naßhaftung auf nicht oder wenig saugfähigem Untergrund zu erzielen (siehe D10, Spalte 1, Zeilen 55 bis 64 und Spalte 2, Zeile 59 bis Spalte 3, Zeile 27 und Anspruch 1 und D11, Seite 1, Absatz 1; Seite 3, Absatz 1 bis Seite 5, Absatz 1). Der Fachmann würde daher bei der Suche nach einer Beschichtung für einen saugfähigen Untergrund wie Betonstein nicht dazu angeregt, gerade diese Dispersion anzuwenden, um eine gänzlich andere technische Aufgabe als die Verbesserung der Naßhaftung zu lösen (siehe Punkt 3.3 oben).

3.6.3. Die Beschwerdeführerin hat weiterhin argumentiert, es sei dem Fachmann bekannt, daß durch Vernetzung die Glastemperatur des Polymers erhöht werde. Es gehöre außerdem zum Fachwissen, welches durch D13 belegt sei, daß mit Erhöhung der Glastemperatur die Klebrigkeit eines Polymers und damit dessen Schmutzanfälligkeit reduziert werde. Da gemäß D6 eine ausreichende Glastemperatur auch ohne Vernetzer gegeben sei, habe es nahegelegen, den Vernetzer wegzulassen.

Die Kammer kann diesem Argument der Beschwerdeführerin nicht folgen. Generell hat die Kammer starke Bedenken, die nachveröffentlichte internationale Patentanmeldung D13 als Beleg für Fachwissen zu betrachten. Darüberhinaus betrifft dieses Dokument die Verwendung von polymeren Emulsionen zur Beschichtung von Substraten mit dem Ziel, die beschichtete Oberfläche wasserdicht zu machen (siehe Seite 1, letzter Absatz). In Abhängigkeit vom Verwendungszweck wird die Glastemperatur der Polymeremulsion über die Wahl der Art und der relativen Mengen der Monomeren eingestellt (siehe Seite 1 letzter Absatz bis Seite 6, Absatz 3). Angaben zum Einfluß eines Vernetzers kann die Kammer dieser Druckschrift nicht entnehmen. Auch wird darin kein Zusammenhang zwischen der Glastemperatur von Polymeren und einer etwaigen Schmutzanfälligkeit des beschichteten Produkts - weder im allgemeinen noch speziell für die hier in Frage kommenden Emulsionen - hergestellt. Auch wenn die Kammer daher den Inhalt von D13 als zum allgemeinen Fachwissen gehörend betrachten würde, so könnte sie daraus nichts entnehmen, was das Weglassen des Vernetzers nahelegen würde, um die bestehende technische Aufgabe gegenüber D6 zu lösen, nämlich einen gegen Verschmutzung und Kalkausblühungen unempfindlichen weiteren Betonstein bereitzustellen (siehe Punkt 3.3 oben). Die Kammer folgert daraus, daß der Vortrag der Beschwerdeführerin auf einer rückschauenden Betrachtungsweise beruht.

3.6.4. Die Beschwerdeführerin hat nicht aufgezeigt, daß die gemäß Anspruch 1 vorgeschlagene Lösung der bestehenden Aufgabe aus irgendeiner Entgegenhaltung, entweder für sich betrachtet oder in Kombination mit einer anderen, herleitbar war. Die Kammer muß daher zu der Schlußfolgerung kommen, daß der Gegenstand gemäß Anspruch 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

4. Die Ansprüche 2 bis 4 betreffen besondere Ausführungsarten des Betonsteins nach Anspruch 1; die Ansprüche 5 bis 7 sind auf Verfahren zur Herstellung des Betonsteins gemäß einem der Ansprüche 1 bis 4 gerichtet; deren Gegenstand beruht daher ebenfalls auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Hauptantrag (für den Vertragsstaat ES)

Der vorliegende Anspruch 1 entspricht dem Verfahrensanspruch 5 für die anderen genanten Vertragsstaaten. Die Ansprüche 2 bis 6 betreffen besondere Ausführungsarten des Verfahrens nach Anspruch 1. Die obige Feststellung gilt daher in gleicher Weise für den vorliegenden Anspruchssatz.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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