T 0036/98 () of 15.2.2000

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2000:T003698.20000215
Datum der Entscheidung: 15 Februar 2000
Aktenzeichen: T 0036/98
Anmeldenummer: 93100747.0
IPC-Klasse: A61C 1/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Bedienpaneel für ein zahnärztliches Gerät
Name des Anmelders: SIEMENS AKTIENGESELLSCHAFT
Name des Einsprechenden: Kaltenbach & Voigt GmbH & Co.
Kammer: 3.2.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Auf einen Einspruch der Beschwerdeführerin (Einsprechenden) gegen die Erteilung des europäischen Patents Nr. 0 553 692 entschied die Einspruchsabteilung am 7. November 1997, den Einspruch zurückzuweisen und das Patent in der erteilten Fassung aufrechtzuerhalten, da sie festgestellt hatte, daß die geltend gemachten Einspruchsgründe der Aufrechterhaltung des Patents in unveränderter Form nicht entgegenstünden.

II. Die Beschwerdeführerin legte mit einem Schreiben, das am 17. Dezember 1997 einging, Beschwerde gegen diese Entscheidung ein und entrichtete am gleichen Tag die vorgeschriebene Gebühr. In ihrer am 27. Januar 1998 eingegangenen Beschwerdebegründung machte sie insbesondere geltend, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 gegenüber der (im erstinstanzlichen Verfahren bereits berücksichtigten) Kombination der folgenden Entgegenhaltungen nicht erfinderisch sei:

D4 Firmenprospekt "KaVo SYSTEMATICA 1062", WDE PR-Nr. 8297/2 VI.91 der Firma Kaltenbach & Voigt, Biberach, Seiten 1 - 28 (vollständiger Prospekt am 27.01.1998. eingereicht)

D1 DE-C-3 843 343.

III. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) antwortete mit Schreiben vom 13. August 1998 auf die Argumente der Beschwerdeführerin. Letztere und die Beschwerdegegnerin entgegneten mit den weiteren Schreiben vom 3. Dezember 1998 bzw. 1. Oktober 1999.

IV. Am 15. Februar 2000 fand eine mündliche Verhandlung statt, welche mit der Verhinderung der Entscheidung über die vorliegende Beschwerde endete.

V. Das Vorbringen der Beteiligten läßt sich wie folgt zusammenfassen:

i) Beschwerdeführerin:

Gegenüber dem in der Entgegenhaltung D4 offenbarten zahnärztlichen Bedienpaneel, das alle im Oberbegriff des Anspruchs 1 beschriebenen Merkmale aufweise, solle durch das Streitpatent die Aufgabe gelöst werden, den Randspalt zwischen der durchsichtigen Schutzplatte über den Tastflächen und der Oberseite des Bedienpaneels zu vermeiden, damit das Paneel einfacher gereinigt und desinfiziert werden könne.

Die beanspruchte Lösung sei bereits in der Entgegenhaltung D1 offenbart und bestehe darin, die Ränder der Schutzplatte an den Seiten zu verlängern, so daß sie das Paneel in Form eines einstückig ausgebildeten Schutzrahmens umschließen. Zwar handele es sich bei der aus D1 bekannten Lösung um eine Schutzabdeckung für eine Vorrichtung zum Betrachten von Röntgenfilmen, diese sei aber gleichfalls Bestandteil eines zahnärztlichen Geräts, bei dem die gleichen Hygieneanforderungen bestünden, und sei in unmittelbarer Nähe eines Bedienpaneels angeordnet. Der Gegenstand des Anspruchs 1 werde somit durch die Kombination der Entgegenhaltungen D4 und D1 nahegelegt.

ii) Beschwerdegegnerin:

Sowohl in der Entgegenhaltung D4 als auch in der Entgegenhaltung D1 sei das Bedienfeld mit den Tastflächen so in einem in das Pult eingelassenen Fenster angeordnet, daß die im Streitpatent aufgezeigten, durch den Randspalt verursachten Hygieneprobleme eben nicht gelöst seien. Darüber hinaus sei das Instrumentenpult, in das das Bedienpaneel integriert sei, so ausgelegt, daß es unvorstellbar sei, die die Bedientasten schützende Frontplatte zu verlängern, damit sie einen einstückigen Rahmen bilde.

Die in D1 beschriebene Schutzabdeckung diene ausschließlich der Ausgestaltung einer Betrachtungsvorrichtung für Röntgenfilme und nicht der Ausbildung eines Bedienpaneels mit abgedeckten, auf Druck ansprechenden Tastflächen. Außerdem sei die Oberseite der Filmbetrachtungsvorrichtung nicht ganz plan, sondern weise eine Nut auf, die die Reinigung erschwere. Demzufolge sei festzustellen, daß man nur bei rückschauender Betrachungsweise auf die Entgegenhaltung D1 komme und ihr die Kombination der beanspruchten Merkmale nicht zu entnehmen sei.

VI. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents, die Beschwerdegegnerin die Zurückweisung der Beschwerde.

VII. Der angefochtene Patentanspruch 1 lautet wie folgt :

"Bedienpaneel für ein zahnärztliches Gerät, welches ein Bedienfeld (1) mit mehreren Tastflächen (2) zur Betätigung von auf Einwirkung einer Kraft oder Kraftänderung ansprechenden Sensormitteln (3) enthält, welche der Bedienseite zugewandt von einer dünnen Frontplatte (4a) aus durchsichtigem Material bedeckt sind, dadurch gekennzeichnet, daß die Frontplatte (4a) mit einem umlaufenden seitlichen Rand (5) versehen ist, der sich von der Bedienseite weg gerichtet erstreckt, und der integraler Bestandteil der Frontplatte (4a) ist und so einen frontseitig geschlossenen und das Bedienfeld (1) umgreifenden Rahmen (4) bildet."

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Nächstliegender Stand der Technik und Neuheit des Anspruchs 1

2.1. Die Entgegenhaltung D4 stellt den nächstliegenden Stand der Technik dar und wird in der eingereichten Fassung der Anmeldung bereits in der Einleitung als Ausgangspunkt der Erfindung angeführt. Die Entgegenhaltung offenbart die Merkmale im Oberbegriff des Anspruchs 1, was auch von der Beschwerdegegnerin anerkannt wird. Mit den Worten des Anspruchs 1 ausgedrückt, offenbart D4 insbesondere ein Bedienpaneel für ein zahnärztliches Gerät, welches ein Bedienfeld mit mehreren Tastflächen zur Betätigung von auf Einwirkung einer Kraft oder Kraftänderung ansprechenden Sensormitteln enthält, welche der Bedienseite zugewandt von einer dünnen Frontplatte aus durchsichtigem Material (Folienschaltersystem) bedeckt sind (siehe v. a. die mit 9, 22 und 23 numerierten Seiten).

Wie in der Beschreibungseinleitung des Patents näher ausgeführt (Spalte 1, Zeilen 7 - 11), ist jedoch diese "Folientastatur" unter dem Bedienpaneel hinter einem im Bedienpaneel ausgesparten Fenster angebracht.

2.2. Von der Offenbarung der Entgegenhaltung D4 unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 somit durch die Merkmale in seinem kennzeichnenden Teil, d. h. dadurch, daß die Frontplatte mit einem umlaufenden seitlichen Rand versehen ist, der sich von der Bedienseite weg gerichtet erstreckt, und der integraler Bestandteil der Frontplatte ist und so einen frontseitig geschlossenen und das Bedienfeld umgreifenden Rahmen bildet.

Daraus folgt, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 im Sinne des Artikels 54 (1) EPÜ neu ist.

3. Erfinderische Tätigkeit

3.1. Die oben genannten Unterscheidungsmerkmale lösen die dem Patent zugrundeliegende Aufgabe (vgl. Spalte 2, Zeilen 6 - 14), ein Bedienpaneel zu schaffen, das leicht zu reinigen und zu desinfizieren ist. Bei der Erfindung weist die Oberseite des Bedienpaneels nämlich eine geschlossene Oberfläche auf und bildet einen das Paneel vollständig umschließenden einstückigen Rahmen.

Die der Erfindung am nächsten kommende Entgegenhaltung D4 offenbart keine in dieser Hinsicht zufriedenstellende Lösung, weil das Bedienfeld gegenüber der Frontplatte des Paneels etwas zurückgesetzt ist und einen Randspalt mit einer Stufe bildet, an dem sich Schmutz und Feuchtigkeit ansammeln können (s. Patent, Spalte 1, Zeilen 14 -20 und Schreiben der Beschwerdegegnerin vom 01.10.1999, S. 2., 2. Absatz).

Damit besteht die erfindungsgemäße Aufgabenstellung gegenüber D4 konkret besehen darin, einen solchen nachteiligen Randspalt an der Oberseite des Bedienpaneels zu vermeiden.

3.2. Die Entgegenhaltung D1 bezieht sich im wesentlichen auf eine Betrachtungsvorrichtung 1 für Röntgenfilme, die an einem Pult für die zahnärztliche Praxis befestigt ist. Die Entgegenhaltung beschreibt nicht die Gestaltung des in Abbildung 1 dargestellten Bedienpaneels 21. Das dargestellte Pult hat jedoch große Ähnlichkeit mit dem in der Entgegenhaltung D4 abgebildeten (siehe v. a. S. 13); außerdem datieren beide Entgegenhaltungen aus dem gleichen Jahr (1991), so daß sich Anwendung derselben Herstellungstechnik anbietet.

Die Entgegenhaltung D1 befaßt sich mit demselben hygienischen Grundproblem wie das Patent, nämlich der Vermeidung eines Durchbruchs in der Oberseite des Paneels, um das Eindringen von Schmutz zu verhindern und die Reinigung zu erleichtern (vgl. D1, Spalte 1, Zeilen 51 - 58), allerdings in diesem Fall bezogen auf eine Filmbetrachtungsvorrichtung.

D1 offenbart unbestritten alle im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 genannten Merkmale. Insbesondere bildet die durchsichtige oder durchscheinende Gehäusewand 3 der Betrachtungsvorrichtung einen Deckel mit integriertem Rand 1b, der das Gehäuse 1 vollständig und dicht umschließt (Abb. 3a, 3b). Dieser Deckel weist keine Durchtrittsöffnung auf, da auch die Nut 10 nach innen geschlossen ist (Spalte 3, Zeilen 19 - 23 und 47 - 53 sowie Anspruch 1). Selbst wenn der Deckel aufgrund dieser Nut mithin nicht vollständig plan ist, wird die Reinigung dadurch nicht wesentlich behindert, jedoch - entsprechend der Aufgabenstellung - jegliches Eindringen von Schmutz in das Gehäuseinnere verhindert.

3.3. Die beiden Teile des Anspruchs 1 sind also jeder für sich bereits aus den Entgegenhaltungen D4 bzw. D1 bekannt, sodaß lediglich zu klären bleibt, ob der Fachmann eine Veranlassung hatte, die beiden Entgegenhaltungen zu der nun beanspruchten Lösung zu kombinieren.

Diese Frage ist zu bejahen, da in der Entgegenhaltung D1 eine Lösung vorgeschlagen wird, die die im Patent gestellte Aufgabe einwandfrei erfüllt und zwar mit denselben Mitteln, wie sie im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 allgemein beschrieben sind. Darüber hinaus sind in der Entgegenhaltung D1 (Abbildung 1) unmittelbar nebeneinander zwei zahnärztliche Vorrichtungen dargestellt, von denen die eine (das Instrumentenpult) über ein Bedienpaneel verfügt, das mit dem der Erfindung zugrunde liegenden vergleichbar ist, und die andere (die Filmbetrachtungsvorrichtung) eine einstückig ausgeführte und leicht zu reinigende durchsichtige Schutzabdeckung aufweist. Die Darstellung dieser beiden Vorrichtungen nebeneinander in ein und derselben Abbildung legt es dem Fachmann unmittelbar nahe, das ursprünglich für die Filmbetrachtungsvorrichtung entwickelte Lösungsprinzip im Bedarfsfall auch auf das Bedienpaneel anzuwenden.

Die für die Schutzabdeckung der Filmbetrachtungsvorrichtung gefundene Lösung läßt sich zwar - wie von der Beschwerdegegnerin zutreffend festgestellt - nicht direkt, sondern erst nach einigen Anpassungsmaßnahmen auf das Bedienpaneel übertragen. Diese Anpassungen übersteigen jedoch nach Auffassung der Kammer nicht die handwerklichen Fähigkeiten eines Fachmanns.

3.4. Die Beschwerdegegnerin hat darüber hinaus vorgebracht, daß es ausgehend von der Lehre der Entgegenhaltungen D1 und D4 nur schwer vorstellbar sei, die durchsichtige Schutzplatte über den Tastflächen des Bedienfelds angesichts der Form und der Abmessungen des Pults auf dessen gesamte Oberfläche auszudehnen. Das Lösungsprinzip jedoch, nämlich das Bedienpaneel vom Rest des Pults abzutrennen und es in Form eines eigenen Geräteteils auszuführen, das sich leichter durch einen einteiligen Schutzrahmen - wie dem in Abbildung 1 des Streitpatents dargestellten - einfassen läßt, wird bereits durch die Entgegenhaltung D1 nahegelegt, wo die Filmbetrachtungsvorrichtung als vom Pult getrennter und an diesem befestigter eigenständiger Geräteteil ausgebildet ist.

3.5. Aus diesen Gründen gelant die Kammer zu dem Schluß, daß sich der Gegenstand des Anspruchs 1 in naheliegender Weise aus der kombinierten Betrachtung der beiden Entgegenhaltungen D4 und D1 ergibt und damit im Sinne des Artikels 56 EPÜ nicht erfinderisch ist.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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