T 1091/97 () of 4.4.2000

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2000:T109197.20000404
Datum der Entscheidung: 04 April 2000
Aktenzeichen: T 1091/97
Anmeldenummer: 91900169.3
IPC-Klasse: B42D 15/10
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Informations- und Werbeträger, insbesondere Präsentations- und/oder Geschäftskarte
Name des Anmelders: LENHARTZ, Dirk
Name des Einsprechenden: GIESECKE & DEVRIENT GmbH
Kammer: 3.2.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Neuheit (ja)
Erfinderische Tätigkeit (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Der Beschwerdeführer (Patentinhaber) hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung über den Widerruf des Patents Nr. 0 504 204 Beschwerde eingelegt.

II. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 des angefochtenen Patents im Hinblick auf den Stand der Technik gemäß den Druckschriften

E1 FR-A-2 305 935 und

E2 EP-A-0 071 124

nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

III. Am 4. April 2000 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.

Der Beschwerdeführer beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage des Anspruchs 1, eingereicht in der mündlichen Verhandlung, der Ansprüche 2 bis 9, wie erteilt, der Beschreibung Seiten 2 und 3, wie erteilt, der Seite 4, eingereicht in der mündlichen Verhandlung, und den Zeichnungen, wie erteilt.

Der Beschwerdegegner (Einsprechender) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde und überreichte die folgenden Dokumente in der mündlichen Verhandlung:

E5 Der Grosse Brockhaus, 1978, Schlagwort "Film";

E6 Römpps Chemie-Lexikon, Schlagwort "Cellulosetriacetat";

E7 DE-A-2532935

Der Anspruch 1 lautet wie folgt:

"1. Präsentations- und Geschäftskarte, als Diakarte, mit Informationen über den Adressanten, sein Geschäft und/oder sein Leistungsangebot mit Bild- und Textteil, bestehend aus einer insgesamt transparenten informationstragenden Schicht (2), wobei diese Schicht ein Diapositiv ist, das den Bildteil (5) sowie den Textteil (6) enthält und zwischen zwei durchsichtigen Kunststoffolien (3,4) dauerhaft eingesiegelt ist, und wobei die Karte (1) insgesamt transparent ist."

IV. Zur Begründung seiner Anträge führte der Beschwerdeführer im wesentlichen folgendes aus:

Die Entgegenhaltung E2 beziehe sich auf ein fälschungssicheres Dokument und nicht auf eine Visitenkarte. Papier und Filme seien als Informationsträger erwähnt, aber kein Diapositiv. Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheide sich vom Gegenstand der Entgegenhaltung E2 dadurch, daß die informationstragende Schicht aus einer insgesamt transparenten informationstragenden Schicht bestehe, wobei diese Schicht ein Diapositiv sei und die Karte insgesamt transparent sei.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheide sich vom Gegenstand der Entgegenhaltung E1 dadurch, daß er eine Geschäftskarte und kein amtlicher Ausweis sei, daß ferner das transparente Diapositiv nicht nur in einem Fenster angeordnet, sondern die ganze Karte und damit die gesamte informationstragende Schicht als transparentes Diapositiv ausgebildet sei, das nicht nur den Bildteil sondern auch den Textteil enthalte. Diese Merkmale hätten jedoch keine Vorteile im Falle eines amtlichen Ausweises. Es sei nicht erforderlich, den Textteil zu vergrößern. Es gebe keinen Grund, von der Idee eines Fensters abzuweichen. Die Entgegenhaltung E1 beziehe sich ausschließlich auf amtliche Ausweise. Der dritte Absatz auf Seite 4 erwähne lediglich mögliche zusätzliche Funktionen des Ausweises.

Aufgabe der Erfindung sei es, die Aufmerksamkeit zu erhöhen, die der Adressat dem Inhalt der Geschäftskarte widme. Diese Aufgabe stelle sich in Bezug auf eine Ausweiskarte nicht.

Auch die in der Entgegenhaltung E7 offenbarte Karte sei nicht insgesamt transparent.

Der in Betracht gezogene Stand der Technik könne daher den Gegenstand des Anspruchs 1 nicht nahelegen.

V. Zur Begründung seines Antrags führte der Beschwerdegegner im wesentlichen folgendes aus:

Ein Diapositiv sei ein bildtragendes Filmsubstrat, das durchleuchtet und projiziert werden könne. Es müßte nicht unbedingt durch ein photographisches Verfahren entstehen und könnte auch durch ein Druckverfahren hergestellt werden.

Die Entgegenhaltung E2 offenbare zwei Alternativen für die Mittelschicht, die entweder eine opake Schicht oder ein transparenter Film sein könne. Das in der Entgegenhaltung E2 als geeignetes Material für die informationstragende Schicht erwähnte Cellulosetriacetat sei durchsichtig und fände beispielsweise Anwendung für Klarsichthüllen und Sichtfenster in Briefumschlägen, wie aus der Entgegenhaltung E6 ersichtlich sei. Demgegenüber sei der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht neu.

Die Entgegenhaltung E1 beziehe sich nicht ausschließlich auf amtliche Ausweise. Die dritte Absatz auf Seite 4 erwähne auch Kreditkarten. Ausgehend von der Entgegenhaltung E1 könnte die Aufgabe darin gesehen werden, anstatt nur einer Teilinformation die Gesamtinformation transparent und projizierbar erfassen zu können. Weil ganzflächig transparente Karten an sich bekannt seien, wie zum Beispiel die Entgegenhaltung E7 beweise, müßte die beanspruchte Lösung zumindest als naheliegend anzusehen sein.

Entscheidungsgründe

1. Neuheit

Die Entgegenhaltung E2 offenbart ein fälschungssicheres Dokument im Format einer Kreditkarte. Hierbei ist eine bild- und/oder zeichen- und/oder andere Informationen tragende Schicht aus einem fotografischen Papier oder Film zwischen zwei durchsichtigen Kunststoffolien dauerhaft eingesiegelt. Die Lehre der E2 bezieht sich auf die Verhinderung von Fälschungen, weil die Folien praktisch unlösbar mit dem Informationsträger verbunden sind und ein Versuch, die Folien vom Träger auch durch Erwärmung zu trennen, die Zerstörung des Trägers zur Folge hat. Dies wird dadurch erreicht, daß eine bestimmte Haftschicht gewählt ist, durch die die Folien am Träger haften, und daß der Erweichungspunkt des fotographischen Materials niedriger ist als der Erweichungspunkt der Folien.

Es gibt jedoch keinen Hinweis in der Entgegenhaltung E2, eine insgesamt transparente Schicht als Informationsträger zu verwenden. Die Aussage in Spalte 5, Zeilen 50 und 51, "Filmunterlagen, z. B. aus Cellulosetriacetat oder Polyester, gegebenfalls als pigmentierte, opake Schichtträger", kann nicht als eine implizite Offenbarung eines transparenten Schichtträgers als die einzige Alternative zu einem opaken Schichtträger gesehen werden. Obwohl Cellulosetriacetat im allgemeinen als ein durchsichtiger Film bekannt ist, gibt es keinen Hinweis in der E2, daß das Cellulosetriacetat anders als Teil einer undurchsichtigen Schicht, zum Beispiel in der Form eines pigmentierten, opaken Schichtträgers, angewendet werden soll.

Die Entgegenhaltung E2 offenbart daher keine Karte mit dem Merkmal "eine insgesamt transparente informationstragende Mittelschicht, wobei diese Schicht ein Diapositiv ist". Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist somit neu gegenüber der Offenbarung der Entgegenhaltung E2.

2. Erfinderische Tätigkeit

Es ist bekannt, Präsentations- und Geschäftskarten, allgemein als Visitenkarten bezeichnet, aus Papier, Karton und Kunststoff herzustellen und mit Schriften, Zeichnungen und Photographien zu versehen (vgl. Spalte 1, Zeilen 20 bis 25 des Streitpatents).

Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, bei der Überreichung einer solchen Visitenkarte, die Aufmerksamkeit zu erhöhen, die der Empfänger dem Inhalt der Visitenkarte widmet (vgl. Spalte 2, Zeilen 2 bis 4 des Streitpatents).

Diese Aufgabe wird gemäß dem Gegenstand des Anspruchs 1 dadurch gelöst, daß die Karte eine insgesamt transparente informationstragende Schicht enthält, wobei diese Schicht ein Diapositiv ist, das einen Bildteil sowie einen Textteil enthält und zwischen zwei durchsichtigen Kunststoffolien dauerhaft eingesiegelt ist, und wobei die Karte insgesamt transparent ist.

Beim Empfang einer solchen Visitenkarte ist es nicht ohne weiteres möglich, den Inhalt der Karte zu lesen. Der Empfänger muß deshalb die Karte gegen eine Lichtquelle halten oder auf einen hellen Hintergrund legen. Dadurch wird eine erhöhte Zuwendung des Betrachters erfordert, so daß sich der Adressat intensiver und aktiver dem Karteninhalt der Visitenkarte widmet als beim Empfang üblicher Visitenkarten (vgl. Spalte 2, Zeilen 17 bis 31 des Streitpatents).

Diese erfindungsgemäße Lösung wird durch den Stand der Technik aus folgenden Gründen nicht nahegelegt.

Die Druckschrift E1 offenbart eine Ausweiskarte, mit einem aus einem Diapositiv bestehenden Bildteil, das in einem Fenster in einem Rahmen erscheint, der einen Textteil trägt, wobei der Bild- und Textteil zwischen zwei durchsichtigen Kunststoffolien dauerhaft eingesiegelt sind. Der dritte Absatz auf Seite 4 erwähnt eine mögliche zusätzliche Anwendung der Ausweiskarte als Kreditkarte. Die Hauptfunktion der Karte bleibt jedoch die Anwendung als amtlicher Ausweis.

Die Druckschrift E1 enthält keinen Hinweis auf die der Erfindung zugrunde liegende Aufgabe und auf die erfindungsgemäße Lösung. Es ist ein unentbehrliches Merkmal eines Ausweises, daß er gut und schnell lesbar ist, ohne jede Manipulation und sogar bei schlechtem Licht. Das Bild soll auf andere Art und Weise und unabhängig vom Informationsteil betrachtet und ausgewertet werden (vgl. Seite 2, Zeilen 13 bis 17). Die in der E1 beschriebenen Vorteile der Anwendung eines Diapositivs (Vergrößerung, hohe Qualität des Bildes, Simulierung eines Bildes mit anderen Kleidung, Brille, usw.) beziehen sich lediglich auf das Bild und nicht auf den Textteil. Denn bei einem amtlichen Ausweisdokument besteht nicht nur kein Bedürfnis dafür, den Textteil transparent und projizierbar zu machen, sondern dies stände sogar im Widerspruch zu einer deutlichen und schnellen Erfassung durch einfaches Lesen des amtlichen Textteils.

Im Gegensatz dazu muß die erfindungsgemäße Visitenkarte entweder in Durchlicht oder vor einem hellen, undurchsichtigen Hintergrund betrachtet werden, um eine hohe Aufmerksamkeit zu erzielen. Die Tatsache, daß es eine längere Zeit braucht, die Karte zu lesen, wird erfindungsgemäß als Vorteil betrachtet.

Es ist also nicht naheliegend, nicht nur den Bildteil, sondern auch den Textteil der aus der Entgegenhaltung E1 bekannten Ausweiskarte als Diapositiv herzustellen, denn die erforderliche leichte Lesbarkeit des Informationsteils einer Ausweiskarte würde dann verlorengehen.

Die Tatsache, daß bei der Ausweiskarte gemäß der Entgegenhaltung E1 außer dem Bildteil auch das Unterschriftsfeld transparent ausgebildet ist, ist im Hinblick auf die erfindungsgemäße Maßnahme, den Textteil als Diapositiv auszugestalten, unbeachtlich. Denn bei dem Unterschriftsfeld des Ausweises gemäß E1 handelt es sich nicht um einen fotographisch erzeugten Text, sondern um ein nachträglich mit der Unterschrift versehenes transparentes Feld, wobei die Unterschrift nicht von der Diapositivschicht, sondern von einer der äußeren Deckschichten getragen wird.

Die Entgegenhaltung E2 spricht weder die der Erfindung zugrundeliegenden Aufgabe an, noch offenbart sie das erfindungswesentliche Merkmal "transparente Mittelschicht ausgebildet als Diapositiv, das den Bildteil sowie den Textteil enthält" (vgl. obigen Punkt "Neuheit").

Die Entgegenhaltung E7 offenbart ein Verfahren zur Herstellung eines fälschungssicheren Dokuments aus mehreren Folien aus durchsichtigem Plastikmaterial. Die Folien tragen gerasterte Zeichnungen mit einer Vielzahl von Linien, um ein Moiré-Effekt zu erreichen. Es ist nicht klar, ob die Karte insgesamt transparent ist. Auf jeden Fall enthält die Karte keine Mittelschicht, die ein Diapositiv ist, das den Bildteil sowie den Textteil enthält. Wenn die Karte bestimmte Personalien trägt, sind sie durch Einprägen hergestellt (Seite 4, Zeilen 6 bis 10). Darüber hinaus spricht das Dokument E7 die der Erfindung zugrunde liegende Aufgabe nicht an.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht daher auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ und stellt somit eine patentfähige Erfindung im Sinne des Artikels 52 (1) EPÜ dar.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent in geändertem Umfang aufrechterhalten auf der Grundlage des Anspruchs 1, eingereicht in der mündlichen Verhandlung, der Ansprüche 2 bis 9, wie erteilt, der Beschreibung Seiten 2 und 3, wie erteilt, der Seite 4, eingereicht in der mündlichen Verhandlung, und den Zeichnungen, wie erteilt.

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